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Einführung in das Strafrecht
Theorien über die Ursachen von Kriminalität Prof. Dr. Felix Herzog
Begriff und Gegenstand der Kriminologie Kriminologie = Wissenschaft zum Verstehen von Kriminalität
darf nicht mit Kriminalistik (z.B. Aufklärung von Straftaten, Spurenkunde) verwechselt werden! normative Wissenschaften: Strafrecht, Philosophie empirische Wissenschaften: Soziologie, Pädagogik, Psychologie und Psychiatrie Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Begriff und Gegenstand der Kriminologie Kriminologie als Clearing-Zentrale - sammelt, dokumentiert und integriert Befunde unterschiedlicher fachspezifischer Herkunft - verknüpft interdisziplinär die multidisziplinär erlangten Befunde - verarbeitet metadisziplinär die Befunde zu eigenständigen theoretischen Modelannahmen Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Begriff und Gegenstand der Kriminologie Gegenstand der Kriminologie: das Verbrechen -legalistischer Verbrechensbegriff: Straftat als Verhalten, welches gegen eine strafrechtliche Bestimmung verstößt -natürlicher Verbrechensbegriff: Verbrechen als Verhalten, welches grundlegende moralische Empfindungen des Mitleids verletzt und darum nahezu überall mit Strafe bedroht ist -soziologischer Verbrechensbegriff: Verbrechen als sozial gefährliches oder abweichendes Verhalten; abgestellt wird auf die mutmaßliche Sozialschädlichkeit des Verhaltens Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Begriff und Gegenstand der Kriminologie Schwerpunkte kriminologischer Forschung • Verbrechen
• Verbrecher
• Verbrechenskontrolle
• Opfer (Viktimologie)
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Geschichte der Kriminologie wird verbunden mit dem Mailänder Juristen Cesare Beccaria (1738-1794) Anfänge einer theoretisch begründeten und kriminalpolitisch verstandenen Kriminologie Kritik gegen die unmenschliche, ungerechte und unvernünftige Praxis der Polizei und der Strafjustiz Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe und Folter, Einführung strafprozessualer Prinzipien Folge: erste Justizreformen Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Geschichte der Kriminologie wird verbunden mit dem Turiner Arzt Cesare Lombroso (1835-1909) Studien an Soldaten und Strafgefangenen Nachweis von Kriminalität als biologischen Defekt bzw. Fehlentwicklung i.S. der menschlichen Evolution
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Geschichte der Kriminologie
Lombrosos „Verbrechertypen“
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Geschichte der Kriminologie
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Geschichte der Kriminologie
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Defekte beim Täter als Kriminalitätsursachen
Hauptprobleme biologischer Kriminalitätstheorien erhebliche methodische Mängel Beziehung zwischen individueller Anlage – Umwelt und Gesellschaft theoretisch ungeklärt auch alle anderen Verhaltensweisen und Professionen von Menschen müssten biologisch erklärt werden können Missbrauchsgefahr
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Defekte beim Täter als Kriminalitätsursachen häufig nur auf Konzentration Aggressionsdelikte (kleinste Deliktsgruppe) sozialer Wandel, insb. der über Jahrhunderte zu beobachtende Rückgang von Gewalt in der Gesellschaft kann nicht erklärt werden männliches Geschlecht müsste als evolutionäre Fehlentwicklung angesehen werden (meiste Kriminalität, insb. Gewaltkriminalität wird von Männern begangen) Die soziale Konstruktion der Kriminalität wird geleugnet, ebenso das Konzept der Gleichheit Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Defekte beim Täter als Kriminalitätsursachen
Individualisierende Kriminalitätstheorien Lerntheorien Kriminalität als erlerntes Verhalten, aber: Von welchen zusätzlichen Bedingungen hängt Erfolg und Misserfolg des Lernens ab?
Klassische Konditionierung: Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern (z.B. Hundeexperiment von Pawlow)
Operante Konditionierung (Skinner): Lernen am Erfolg
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Defekte beim Täter als Kriminalitätsursachen
Kontroll- und Halttheorien: Warum begehen Menschen keine Straftaten? Halttheorie (Reckless): Sozial konformes Verhalten durch Einbindung in intakte familiäre Beziehungen: „Immunisierung“ gegen „kriminelle Versuchungen“ durch inneren Halt Bindungstheorie (Hirschi): Soziale Einbindung als interne Selbstkontrolle eines Menschen, konkreter: • attachment to others • belief in the moral validity of rules • involvement in conventional activities • commitment to achievement Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Defekte beim Täter als Kriminalitätsursachen
Mehrfaktorenansätze Verzicht auf eine theoretische Konzeption über Einflüsse der Untersuchungen Familie:„Schlechtes (Kriminalität) kann nur von Schlechtem kommen“: Erstellung von Prognosetafeln Untersuchung enormer Mengen (angenommener negativer) psycho-sozialer Einzelmerkmale von Straftätern statische und konservative Gesellschaftsvorstellungen
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Soziologische Kriminalitätstheorien Anomie: Zustand von mangelnder sozialer Ordnung und Integration und dadurch hervorgerufener Regel- und Normlosigkeit Anomietheorie (Durkheim): Durch die hohe Geschwindigkeit wirtschaftlicher Entwicklungen werden die sozialen Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern geschwächt, anomische Zustände treten auf, da die Gesellschaft nicht mehr mäßigend auf seine Mitglieder einwirken kann. Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Soziologische Kriminalitätstheorien Anomie beschreibt eine
gesamtgesellschaftliche Situation, in welche herrschende Normen ins Wanken geraten bestehende Werte und Orientierung an Verbindlichkeit verlieren die Gruppenmoral eine starke Erschütterung erfährt die soziale Kontrolle beeinträchtigt wird
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Soziologische Kriminalitätstheorien Erst wenn die sozialen Regeln keine Beachtung mehr finden, „werden menschliche Triebe übermächtig und laufen in Zustände der Anomie“. Daraus entsteht ein Zustand des Ungleichgewichts in der Beziehung zwischen Gesellschaft und dem Einzelnen Folge: andauerndes soziales Unbehagen, Angst und Unzufriedenheit und dann: Kriminalität
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Soziologische Kriminalitätstheorien Anomietheorie (Merton) Verfeinerung des Begriffs der Anomie, indem er die Regeln näher beschreibt, deren Fehlen zu Anomie führen: Kulturelle Ziele/Werte als Wünsche und Erwartungen der Menschen einer Gesellschaft (Bildung, Wohlstand, Statuskonsumgüter) Normen, welche die Mittel vorschreiben, die die Menschen zur Realisierung dieser Ziele anwenden dürfen (Fleiß, Intelligenz)
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Soziologische Kriminalitätstheorien fünf Varianten der Reaktion auf den Anomiedruck: Konformität (Erfolg mit legalen Mitteln) Innovation (Einsatz illegitimer Mittel) Ritualismus (Senkung des Anspruchsniveaus) Rückzug (Ausstieg aus der Gesellschaft) Rebellion (Umdefinition von Zielen und Normen)
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Soziologische Kriminalitätstheorien Ökologische Ansätze/Theorie der sozialen Desorganisation lokale Gegebenheiten bestimmen die sozialen Bedingungen für die Entstehung von Kriminalität und deren Ausprägung. Gebiete mit hoher sozialer Desintegration weisen ein höheres Maß an Delinquenzbelastung auf. Shaw/McKay: Zonentheorie
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Soziologische Kriminalitätstheorien wichtiges Anwendungsgebiet: Bedingungen für Stadtsanierung. Keine Luxussanierung; durch städtebauliche Maßnahmen Vermeidung von Ghetto-Effekten und Anhäufung von sozialen Problemen auf engstem Raum, sog. delinquency areas
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Soziologische Kriminalitätstheorien Subkulturtheorien Subkultur als kollektive Antwort auf die ungleiche Verteilung von gesellschaftlichen Gütern und die Unzufriedenheit mit der Statuswelt der Mittelschicht: Entstehung von Teil-, Gegen- oder Subkulturen, in denen andere Normen und Werte gelten; diese richten sich ausdrücklich gegen allg. herrschende (Cohen) oder sind eigene, gewachsene Normen (Theorie der Unterschichtkultur) wichtigstes Anwendungsgebiet: Insassen in Haftanstalten, Straßengangs, aber auch Wirtschafts- und organisierte Kriminalität Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Soziologische Kriminalitätstheorien Kristallisationspunkte der Unterschichtkultur positiv bewertet negativ bewertet Schwierigkeiten Härte
Wendigkeit Aufregung Autonomie Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
Konflikt mit Kontrollinstanzen Tapferkeit, Männlichkeit, Mut Cleverness, Schlagfertigkeit
Konformität
Schüchternheit, Weiblichkeit, Schwäche Gutgläubigkeit, Langsamkeit, Spannung,Risiko, Sicherheit, Gefahr, Aktivität Passivität, Langeweile Unabhängigkeit Vorhandense in von Zwang 24
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Soziologische Kriminalitätstheorien Theorie der Neutralisierungstechniken am Beispiel von Jugenddelinquenz entwickelt Rechtfertigungsund entdeckte Neutralisierungsmechanismen bei jugendlichen Straftätern, dadurch: Wirkung der Normen wird neutralisiert, das eigene Selbstbild bleibt erhalten
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Soziologische Kriminalitätstheorien Neutralisierungstechniken Ablehnung von Verantwortung Leugnen des Unrechts Ablehnung des Opfers Verdammung der Verdammenden (Vorwurf gegen die Anklagenden) Berufung auf höhere Instanzen
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Soziologische Kriminalitätstheorien Theorie des Kulturkonflikts (Sellin) Kernthese: Kriminelles Verhalten von Einwanderern/Angehörigen kultureller Minderheiten sind auf Konflikte aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen der aufeinander treffenden Kulturkreise zurückzuführen
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Soziologische Kriminalitätstheorien Marxistische Ansätze Tradition marxistischer Gesellschaftskritik Kriminalität als eine spezifische Form der kapitalistischen Vergesellschaftung: Ungleichverteilung sozialer und ökonomischer Ressourcen und Nichtbesitz von Produktions-mitteln führt zu Anpassungsproblemen und Widerstandsdelinquenz
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Labeling approach Kriminalitätstheorien sehen Kriminalität als etwas real Existierendes Labeling approach (Etikettierungsansatz): Verlagerung der Perspektive von der Kriminalität auf Prozesse der Kriminalisierung Handlungen sind wertneutral fragt nach den Gründen und den Bedingungen für Zuschreibungsprozesse bietet Impulse für die Dunkelfeld- und die Instanzenforschung Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Labeling approach Der Etikettierungsansatz geht auf den sog. symbolischen Interaktionismus zurück soziale Konstruktion von Wirklichkeit: Die den Menschen umgebende Wirklichkeit ist grundsätzlich eine durch Bedeutungen und Symbole vermittelte Diese Bedeutungen sind soziale Festlegungen Bei unterschiedlicher Wahrnehmungen und Interessen müssen solche Bedeutungen ausgehandelt werden Prof. Dr. Felix Herzog www.felixwww.felix-herzog.info
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Labeling approach
Kernthese: Kriminalität gibt es nicht per se; sie entsteht erst durch die Deutung und negative Bewertung als kriminell durch informelle und formelle Instanzen
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Labeling approach Labeling approach differenziert zwischen Norm: Situation: Person: Selbstbild:
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Auswahl und Schaffung der Strafgesetze (Normgenese) Definition der Situation Definition der Person Konstruktion einer (kriminellen) Identität als Folge der Fremddefinition
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Labeling approach Selbstbild: Konstruktion einer (kriminellen) Identität als Folge der Fremddefinition 1. Zuschreibung von Straftaten
3. Gefahr der Bildung bzw. Verfestigung einer kriminellen Karriere
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2. Selbstbild des Kriminellen (z.B. Dieb, Psychopath, Kinderschänder) 33
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