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Freitag, 10.03.2017 SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs: Vorgestellt von Jürgen Kesting Klangreicher lyrischer Sopran Händel Arien Sonya Yoncheva Academia Montis Regalis Alessandro de Marchi Sony Classical 889853 02932 7 Betörend kantabel Unknown Classical Clarinet Sonatas Lefèvre • Heine • Baissière • Struck • Arnold Luigi Magistrelli, clarinet Chiara Nicora, piano • Elisabetta Soresina, cello Gallo 1476 Äußerst differenziert Tondichtungen 5 | Tone Poems 5 Richard Strauss Metamorphosen Symphonia domestica SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg François-Xavier Roth SWR music 19021 Elegisch und seelenvoll Intimate Oboe Music Omar Zoboli, Oboe Friedemann Rieger, Klavier Gallo 1482 Dokument eines Titanen Sokolov Mozart Rachmaninov Concertos & A conversation that never was A Film by Nadia Zhdanova DG 479 7019 Signet „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“ … heute mit Jürgen Kesting, herzlich willkommen. Die Komponisten haben ihre Gunst nicht gleichmäßig an alle Instrumente verteilt: Die Organisten, die Pianisten und die Geiger haben wenig zu klagen, wohl aber die Bläser. Unter den fünf Aufnahmen, die ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, in den nächsten eineinhalb Stunden vorstelle, sind zwei, die als Plädoyers für zwei BlasInstrumente zu verstehen sind – eines davon ist die Oboe: Henry Cowell: „Three Ostinati with Chorales for oboe and piano“
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Das war der italienische Oboist Omar Zoboli, begleitet von Friedemann Rieger, mit einer Choralmelodie aus den „Three Ostinati with Chorales for oboe and piano“ des amerikanischen Komponisten Henry Cowell. Später mehr über diese CD. Davor zu vier weiteren Aufnahmen des heutigen Treffpunkt Klassik:
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Von der Klarinette ist gesagt worden, sie sei dem menschlichen Herzen am nächsten. Wie ausdrucksvoll sie zu singen vermag, ist in einer Sammlung klassischer Sonaten mit dem italienischen Klarinettisten Luigi Magistrelli zu erleben. Wie kunstvoll die Musik ist, die der junge Richard Strauss in seiner „Sinfonia domestica“ über die Banalitäten des Alltags geschrieben hat, zeigt François-Xavier Roth mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Dazu kommt ein Alterswerk: die 1945 vollendeten „Metamorphosen“. Für den russischen Pianisten Grigory Sokolov kommt der Weg ins Studio nicht in Frage. Seinen Schallplattenvertrag erfüllt er dadurch, dass er Konzertmitschnitte, in denen er die höchsten Erwartungen erfüllt hat – nämlich seine eigenen – auswählt: dieses Mal, ungewöhnlich genug, Mozarts Konzert in A-Dur KV 488 und das dritte Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow. Zunächst aber eine Sammlung von Arien aus Opern von Georg Friedrich Händel mit der Sopranistin Sonya Yoncheva, über die jüngst im Magazin Magazin „Opera News“ zu lesen war, dass sie mit den schönsten Klängen verzaubere, die heute auf der Opernbühne zu hören sind. Die Bulgarin hat einen vollen, klangreichen lyrischen Sopran, der gleichsam aus Gold und Silber legiert ist, in der tiefen Lage reizvoll changiert und in der hohen Lage leuchtet. Dass die schönsten Melodien „unbezwinglich traurig“ sind, wie der Schriftsteller André Gide einmal sagte, spüren wir bei dem Todesgesang der Theodora aus Händels gleichnamigen Oratorium. „With darkness deep“ ist ein in lichten Höhen langsam beginnender Gesang, der in jene Tiefen sinkt, die „conceal’d from human sight“ sind, wie es im Text heißt. Sonya Yoncheva wird begleitet von der Academia Montis Regalis unter Alessandro de Marchi. Georg Friedrich Händel: „Theodora“, „With darkness deep“
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Das war die bulgarische Sopranistin Sonya Yoncheva mit der Arie der Theodora. Die Protagonistin des Oratoriums ist eine Christin, die von Valens, dem römischen Statthalter von Antiochia, in Haft genommen, im Kerker ihren Tod erwartet. Sie wird den Tod finden, gemeinsam mit dem römischen Offizier Didymus, den sie zum Christentum bekehrt hat. Als der große englische Musikhistoriker Winton Dean seine Studie über die Opern Händels mit der Zielvorgabe veröffentlichte, er wolle den Musik-Dramatiker Händel in eine Rangordnung mit Monteverdi, Mozart und Verdi stellen, wurde dies als Wunschdenken angesehen, vielleicht auch belächelt. Das war 1987 – in der Zeit der gerade beginnenden Händel-Renaissance und der Geburt einer neuen Interpreten-Generation. Sängerinnen und Sänger traten hervor, die den Ansprüchen von Händels Musik technisch wie stilistisch gewachsen waren. Sie brauchten Qualitäten, die der Musikreisende Charles Burney bei den Kastraten erlebte: „in der Stimme Kraft, Süße und Umfang, im Stil das Zärtliche, das Anmutige und das Rasche“. Das Rasche meint: Agilität, Beweglichkeit der Stimme. All diese Qualitäten sind unabdingbar für Händels Heroinen: Alcina, Rodelinda oder Cleopatra. Für die ägyptische Königin Cleopatra hat Händel acht Arien geschrieben – ja: acht Arien, in denen jeweils die Seelenlage der Figur abgebildet wird wie in „Se pietà di me non senti“ aus dem zweiten Akt der Oper „Cesare in Egitto“. Cleopatra, die den römischen Imperator zunächst mit den Waffen einer Frau besiegen wollte, entdeckt in dem Moment, da sie ihn in Gefahr weiß, dass sie ihr Herz an ihn verloren hat. Der große Händel-Forscher Hugo Leichtentritt zählte dieses Seelenbild mit dem inneren Kampf von Furcht, kämpferischer Glut und Liebe „zu den eindrucksvollsten Eingebungen aller Zeitalter“: Georg Friedrich Händel: „Cesare in Egitto“, „Se pietà di me non senti“
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Sonya Yoncheva mit der Herzensergießung der Cleopatra „Se pietà di me non senti“ aus Händels „Cesare in Egitto“. Ein völlig anderes Gesicht zeigt Cleopatra in einem spöttischen, gegen ihren Bruder Ptolemäus gerichteten Gesang: Wenn seine bösen Pläne, gerade die gegen Cäsar, nicht aufgingen, solle er doch ein anderes Glück suchen: das der Liebe. Sie hören die zweite Strophe, in der Sonya Yoncheva die Fermate von „Chi sa“ für eine Kadenz nutzt, in welcher der weißgolden glänzende Glockenklang ihres schön timbrierten lyrischen Soprans zu bewundern ist. Georg Friedrich Händel: „Cesare in Egitto“, „Non disperar, chi sa“
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Sonya Yoncheva mit der wie ein Scherzo daherkommenden Arie der Cleopatra, in der sie sich über ihren launenhaften Bruder Ptolemäus belustigt: „Non disperar, chi sa?“ Die 35-jährige bulgarische Sopranistin, 2010 Gewinnerin des unter der Ägide von Plácido Domingo stehenden Wettbewerbs „Operalia“, zeigt mit dem betörenden Wohllaut ihres Singens, dass das Schöne das Geistige ist, das sich sinnlich äußert. Die Aufnahme ist bei Sony erschienen. Dem Satz, dass die Klarinette dem menschlichsten Herzen am nächsten ist, lässt sich leicht zustimmen, wenn man die Adagio-Kantilene aus Mozarts Klarinettenkonzert KV 622 hört. Auch dann, wenn sie sich in dem Weltabschiedsgesang des Alvaro in Verdis „La Forza del Destino“ der Stimme anschmiegt und zum Echo ihrer Empfindungen wird. Es war der Nürnberger Instrumentenbauer Johann Christoph Denner, der im dritten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eine – Zitat – „neue Art von Pfeiffen-Werken, die sogenannte Clarinette“, bekannt machte. Durch das für die gesamte Entwicklung der Musik typische Wechselspiel von künstlerischer Entwicklung und technischem Fortschritt wurde aus der länglichen, fast zylindrisch gebohrten Schallröhre zunehmend ein auch für Virtuosen interessantes Instrument. Für eine Reihe, in der das Label Gallo renommierten Instrumentalisten die Möglichkeit gibt, sich solistisch für ihr Instrument zu engagieren, hat der italienische Klarinettist Luigi Magistrelli eine Sammlung von „Unknown Classical Clarinet Sonatas“ zusammengestellt; und er beweist, dass „unknown“ nicht unbedingt als „zu Recht vergessen“ bedeuten muss, auch wenn Komponisten-Namen wie François Baissière, Paul Friedrich Struck oder Carl Arnold nur noch lexikalisch bekannt sind. Samuel Friedrich Heine, acht Jahre nach Mozart und sechs Jahre vor Beethoven geboren, diente als Flötist im Hoforchester von Schwerin, hatte aber als Komponist mehr Fortune denn als Solist. Er schrieb Sinfonien, zwei Flötenkonzerte, Lieder und eine der ersten im Druck veröffentlichten Sonaten für Klarinette und Klavier, aus der Sie das Rondo Andante hören. Luigi Magistrellis Partnerin ist Chiara Nicola. Samuel Friedrich Heine: Sonate B-Dur, Rondo Andante
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Luigi Magistrelli, begleitet von Chiara Nicola, mit dem langsamen Rondo aus der Sonate für Klarinette und Klavier von Samuel Friedrich Heine. Betörend hier vor allem der kantable Ton und der reiche Klang im tiefen Register. Das Wechselspiel zwischen künstlerischen und technischen Fortschritt – dazu gehört, dass Komponisten in Zusammenarbeit mit ihren Interpreten technische Grundlagen-Stücke geschrieben haben; die Caprices von Paganini und die Etüden von Chopin seien als besondere Beispiele genannt. Der aus Lausanne gebürtige Jean-Xavier Lefèvre, in Frankreich ausgebildet und von den besten Orchestern umworben, hat zwölf Sonaten für Klarinette und Bass geschrieben – zu didaktischen Zwecken. 1791 sorgte er dafür, dass das technisch noch nicht ausgefeilte System der Griffe um eine Cis-Gis-Klappe erweitert wurde. Luigi Magistrelli hat die dritte Sonate von Jean-Xavier Lefèvre ausgewählt – und weist zu
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Recht wohl darauf hin, dass einige Parts technisch sehr anspruchsvoll sind. Sie hören den ersten Satz: Allegro moderato. Jean-Xavier Lefèvre: Sonate Nr. 3 op. 12, Allegro moderato
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Das Allegro moderato aus der dritten Sonate für Klarinette und Klavier von Jean-Xavier Lefèvre, gespielt von Luigi Magistrelli und Chiara Nicola. Den Continuo-Part übernahm die Cellistin Elisabetta Soresina. Auch kleine Dinge können uns entzücken, heißt es in Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“, und weiter ist von den Perlen die Rede, die teuer bezahlt werden. Eine der Perlen der Sammlung ist der zweite Satz aus der dritten Sonate von François Baissière. Im Archiv der Allwissenheit, als Google bekannt, ist nichts über diesen komponierenden Klarinettisten zu finden. In der Biografie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique von François-Joseph Fétis findet sich Baissière als Klarinettist und Lehrer in Reims. Fétis, einer der bedeutendsten Musik-Biografen des 19. Jahrhunderts, erwähnt zahlreiche Kompositionen von Baissière: sechs Klarinettensonaten, Variationswerke und auch Solo-Stücke. – Hier also das Andante aus der Sonate op. 3 Nr. 1 von François Baissière mit Luigi Magistrelli und Chiara Nicola. Für den Continuo-Part ist wieder die Cellistin Elisabetta Soresina zuständig. François Baissière: Sonate op. 3 Nr. 1, Andante
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Sie hörten das Andante aus der Sonate op. 3 Nr. 1 von François Baissière, gespielt von Luigi Magistrelli, Chiara Nicola und Elisabetta Soresina. Die vom Repertoire her ausgefallene CD des Meister-Klarinettisten Luigi Magistrelli ist bei Gallo erschienen. Amüsiert über Kollegen, die sich beim Komponieren schwer taten oder gar quälen mussten, hat Richard Strauss gesagt, dass man fähig sein müsse, auch das Telefonbuch zu komponieren – oder auch die privaten Begebenheiten des Alltags. „Papa arbeitet“, „Mama bringt Buben zu Bett“ oder „Bubi schreit, fröhliches Erwachen“ – das sind Eintragungen in dem von Strauss während der Komposition der „Sinfonia domestica“ geführten Tagebuch. Diese privaten Notizen finden sich jedoch nur im Particell, nicht aber in der Partitur – mit dem Riesenaufmarsch von Piccolo, drei Flöten, zwei Oboen, Oboe d’amore, Englischhorn, Klarinette in D und A, zwei B-Klarinetten, Bassklarinette, vier Saxofonen, vier Fagotten, Kontrafagott, acht Hörnern, vier Trompeten, drei Posaunen, Basstuba, Pauken, Glockenspiel, Triangel, Becken, großer Trommel, zwei Harfen und Streichern. Gewidmet ist das sinfonische Selbst- und Familienportrait „Meiner lieben Frau und unserem Jungen“. Strauss selber sagte gegenüber dem Schriftsteller und Musikkenner Romain Rolland, für ihn sei die „Sinfonia domestica“ keine bloße Beschreibung banaler Vorgänge des Lebens, sondern – wie auch Beethoven über seine „Pastorale“ äußerte – Ausdruck der von den alltäglichen Vorgängen ausgelösten Empfindungen. Hier der zweite Satz des Straussschen Bekenntniswerks: Die Oboe d’amore intoniert eine Variante des „Bubi-Themas“, wie der Komponist seinen Sohn Franz rief. Das Thema der Oboe d’amore wird vom Englischhorn und den ersten Geigen verdoppelt und verbindet sich mit einer Variante der Oboen und der Klarinette. „Bubi wird müde.“ Wieder spielt die Oboe d’amore sein Thema, jetzt zur Begleitung dreier Klarinetten. „Der Papa schlägt vor, etwas anderes zu spielen“ (Solovioline). „Dann machen die Eltern das Kind fürs Bettchen fertig.“ François-Xavier Roth leitet das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Richard Strauss: „Sinfonia domestica“ op. 53, Scherzo
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Das war der zweite Satz – das Scherzo – aus der „Sinfonia domestica“ von Richard Strauss, vom SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter François-Xavier Roth mit äußerster Differenzierung des Charakteristischen gespielt, aber ohne geschmäcklerischen Oberflächenglanz. Das zweite Strauss-Werk auf dieser CD sind die „Metamorphosen“. Die Zerstörung des Münchner Nationaltheaters, einer zentralen Wirkungsstätte des Komponisten und Dirigenten Strauss, war wohl einer der äußeren Anlässe für den Komponisten, dieses Werk zu schreiben. Zu den inneren gehörte ein spätes Gedicht aus den „Xenien“ von Goethe, das mit den mit den Worten beginnt: Niemand wird sich selber kennen, Sich von seinem Selbst-Ich trennen. Hören Sie die auf das thematische Material des Anfangs zurückgreifende Coda aus der für 23 Streicher gesetzten „Metamorphosen“ – den Abschluss einer 25 Minuten langen Trauermusik mit dem Motto: in memoriam. Dazu erklingt molto lento das Thema aus dem Trauermarsch von Beethovens „Eroica“: Richard Strauss: „Metamorphosen“, Coda
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Das war der Abschluss der „Metamorphosen“ von Richard Strauss mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter François-Xavier Roth. Mit der Erinnerung an Beethovens „Eroica“ hatte Strauss vier Jahrzehnte zuvor sein „Heldenleben“ begonnen. Die „Metamorphosen“ sind als späte biografische Selbsterkundung ein ergreifendes Gegenstück. Die Aufnahme unter Roth zeichnet sich aus durch eine heilige Nüchternheit. Die Stimme der Klarinette ist dem Herzen am nächsten? Warum hat Beethoven dann, ließe sich fragen, im Gesang des Florestan die Oboe zur Stimme des Engels Leonore gemacht? – Damit zur zweiten CD aus der von dem Label Gallo aufgelegten Serie – nun der Oboe gewidmet. Der italienische Oboist Omar Zoboli, zu dessen Lehrern auch Heinz Holliger und, im weiteren Sinne, auch Frans Brüggen und Nikolaus Harnoncourt gehörten, hat seit vielen Jahren kleine Stücke gesammelt, die der Poesie nahe oder auch als intime Tagebuchblätter der Komponisten zu begreifen sind. Ausgewählt hat Zoboli Werke, die durchweg im 20. Jahrhundert entstanden sind. Es sind Miniaturen, die beim Hörer womöglich andere Emotionen wecken oder Bilder evozieren – so schreibt der Oboist in seiner knappen Einführung – als bei ihm, dem Interpreten selber. Frank Martins „Petite complainte pour hautbois et piano“ – also: „Kleine Klage für Oboe und Klavier“ – aus dem Jahr 1941 versteht oder deutet Omar Zoboli als „ein extrem konzentriertes Portrait eines Gefühls: des Gefühls von Schweizer Identität“. Sein Partner am Klavier ist Friedemann Rieger. Frank Martin: „Petite complainte pour hautbois et piano“
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Das war die „Petite complainte pour hautbois et piano“ von Frank Martin, gespielt von Omar Zoboli mit einem elegischen wie von einem Trauerrand umzogenen Ton; Zobolis Klavierpartner war Friedemann Rieger. In eine erhabene Tradition stellt Zoboli das faszinierende und transzendental virtuose „Epitaph für Oboe und Klavier“ von Witold Lutoslawski: in die Reihe der musikalischen Grabmäler – nach dem Vorbild etwa von „Le Tombeau de Couperin“. Witold Lutoslawski: „Epitaph für Oboe und Klavier“
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Witold Lutoslawski – „Epitaph für Oboe und Klavier“, mit Omar Zoboli und Friedemann Rieger. Der lyrischen, romantischen Ausdruckswelt entstammen zwei Fantasie-Stücke des dänischen Komponisten Carl Nielsen aus dem Jahr 1889. In der elegischen Romanze kann das Instrument seelenvoll singen. Carl Nielsen: Fantasiestücke für Oboe und Klavier op. 2, Romanze
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Nach der kontrastreich-reizvollen Anthologie mit Miniaturen für Oboe und Klavier – ausgewählt von dem italienischen Oboisten Omar Zoboli – zu dem heute von Weltruhmesglanz besonnten Grigory Sokolov. Sokolov wurde 1950 in Leningrad geboren, gewann 1966 den ersten Preis und die Goldmedaille des Tschaikowsky-Wettbewerbs, fand aber im Westen nach anfänglichen Erfolgen nicht die Aufmerksamkeit, die etwa Emil Gilels oder Svjatoslav Richter zuteilwurden. Weithin bekannt wurde Sokolov erst nach dem Kollaps der Sowjetunion. Inzwischen ist er – verzeihen Sie mir das unverzeihliche Wort – zu einer Kultfigur geworden, obwohl er sich eben dem Starkult verweigert. Er meidet das Studio, weil nach seiner Ansicht nur im hic et nunc einer Aufführung die Aura des Einmaligen zu erreichen ist; und er gibt keine Interviews, weil sie weder ihm noch der Sache nützlich sind. Ein wunderbares Zeugnis dieser in Twitter-Tagen wohltuenden Abstinenz ist ein Film von Nadia Zhdanova. Er trägt den Titel: „A conversation that never was“ und ergänzt die beiden Konzertmitschnitte aus den Jahren 2005 und 1995. Sokolov selber kommt in dieser knapp einstündigen Dokumentation nicht zu Wort. Es ist eine Annäherung über Freunde und künstlerische Partner, die seinen Weg begleitet haben. Unter ihnen ist des Pianisten 2013 verstorbene Frau Inna Sokolova, deren Gedichte den Film durchziehen – und in dieser „Konversation, die nie stattgefunden hat“, wird mehr gesagt und mehr gezeigt als in jedem Interview. Für seine neue CD hat Sokolov die Mitschnitte von zwei Konzerten ausgewählt: von Mozart das Konzert in A-Dur KV 488, das er 2005 mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Trevor Pinnock in Salzburg gespielt hat; und das d-Moll-Konzert von Sergej Rachmaninow, bei dem er 1995 in der Londoner Royal Albert Hall vom BBC Philharmonic Orchestra unter Yan Pascal Tortelier begleitet wurde. Ließe sich der Wunsch der Marschallin aus dem „Rosenkavalier“ erfüllen, nämlich die Uhren anzuhalten, bekämen Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, sowohl den mit meditativer Ruhe gespielten und kantabel ausgezierten zweiten Adagio-Satz aus Mozarts Konzert in A-Dur wie auch das Adagio aus dem d-Moll-Konzert von Rachmaninow zu hören. Ich bitte die Mozart-Gemeinde um Pardon, dass ich das seelenschwere, seelentiefe Intermezzo aus dem Konzert von Rachmaninow ausgewählt habe. Sergej Rachmaninow: Konzert für Klavier und Orchester d-Moll, Intermezzo
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Der zweite Satz aus dem Klavierkonzert in d-Moll von Serge Rachmaninow. Im Moment der höchsten Spannung hält die Musik am Ende des Satzes an – und es ist zu ahnen, dass darauf eine vulkanische Entladung folgt. Sokolov, zur Zeit der Aufnahme 45 Jahre alt, besaß das Gespür für den elegischen Zauber und die Pranke für ein Werk, das als „Konzert für Elefanten“ bezeichnet worden ist. Das aufwendig ausgestattete Album mit den beiden Konzerten und dem Film „A conversation that never was“ – das Dokument eines Titanen – wurde wurde von der Deutschen Grammophon herausgebracht. Und damit sind wir auch schon am Ende. Nähere Angaben zu den heute vorgestellten CDs bzw. das Manuskript finden Sie im Internet unter www.swr2.de. Dort steht die Sendung auch noch eine Woche lang zum Nachhören. Mit herzlichem Dank für Ihr Interesse verabschiedet
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sich Jürgen Kesting. Hier, in SWR2, geht es jetzt weiter mit dem Kulturservice, und danach folgt aktuell mit Nachrichten.