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2.9.16, 20 Uhr · 3.9.16, 19 Uhr Semperoper
1. SYMPHONIEKONZERT Christian
THIELEMANN Daniil
TRIFONOV MOZART
Klavierkonzert C-Dur KV 467
BRUCKNER Symphonie Nr. 3 d-Moll
2.9.16, 20 Uhr · 3.9.16, 19 Uhr Semperoper
1. SYMPHONIEKONZERT Christian
THIELEMANN Daniil
TRIFONOV
1. SYMPHONIEKONZERT FR EITAG 2.9.16 20 UHR
S A M STAG 3.9.16 19 U H R
PROGRAMM
SEMPEROPER DRESDEN
Christian Thielemann
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Dirigent
Klavierkonzert C-Dur KV 467 1. Allegro maestoso 2. Andante 3. A llegro vivace assai
Daniil Trifonov Klavier
PAU S E
Anton Bruckner (1824-1896) Symphonie Nr. 3 d-Moll WAB 103 (1877) 1. Gemäßigt, mehr bewegt, misterioso 2. Andante. Bewegt, feierlich, quasi Adagio 3. Scherzo. Ziemlich schnell – Trio. Gleiches Zeitmaß 4. Finale. Allegro
Trifonovs Mozart Zu Beginn der neuen Spielzeit setzt Christian Thielemann seine Auseinandersetzung mit dem symphonischen Werk von Anton Bruckner fort. Der dritten Symphonie ist wiederholt nachgesagt worden, Impressionen eines Gebirges hervorzurufen. Bruckners Streifzüge in ein unwegsames Gelände bieten landschaftliche Ausblicke von schroffer Schönheit, die in Mozarts beliebtem C-Dur-Klavierkonzert von dem vielfach bewunderten Capell-Virtuosen Daniil Trifonov harmonisch aufgefangen werden. Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper
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An beiden Konzertabenden signiert Daniil Trifonov in den Konzertpausen CDs im Oberen Rundfoyer
1. SYMPHONIEKONZERT
Christian Thielemann CHEFDIRIGENT DER S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
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ie Saison 2016 / 2017 ist Christian Thielemanns fünfte Spielzeit als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle. Über Stationen an der Deutschen Oper Berlin, Gelsenkirchen, Karlsruhe, Hannover und Düsseldorf kam er 1988 als Generalmusikdirektor nach Nürnberg. 1997 kehrte der gebürtige Berliner in seine Heimatstadt als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin zurück, bevor er das gleiche Amt von 2004-2011 bei den Münchner Philharmonikern innehatte. Neben seiner Dresdner Chefposition ist er seit 2013 Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele Salzburg, deren Residenz orchester die Staatskapelle ist, und seit Juni 2015 Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Den Komponistenjubilaren der Jahre 2013 und 2014, Wagner und Strauss, widmete er sich am Kapell-Pult in Konzert und Oper. Er leitete Neuproduktionen der »Elektra« in Dresden sowie »Parsifal«, »Arabella« und »Otello« in Salzburg. Für seine Interpretation der »Frau ohne Schatten« bei den Salzburger Festspielen 2011 wählte ihn das Fachmagazin Opernwelt zum »Dirigenten des Jahres«. Eine enge Zusammenarbeit verbindet Christian Thielemann mit den Berliner und Wiener Philharmonikern sowie mit den Bayreuther Festspielen, die er seit seinem Debüt im Sommer 2000 (»Die Meistersinger von Nürnberg«) alljährlich durch maßstabsetzende Interpretationen prägt und deren musikalischer Berater er seit 2010 ist. 2015 und 2016 fand hier sein Dirigat von »Tristan und Isolde« große Beachtung. Im Zuge seiner vielfältigen Konzerttätigkeit folgte er Einladungen u. a. der führenden Orchester in Amsterdam, London, New York, Chicago und Philadelphia und gastierte außerdem in Israel, Japan und China. Christian Thielemanns Diskographie als Exklusivkünstler der UNITEL ist umfangreich. Im Rahmen seiner zahlreichen Aufnahmen mit der Staatskapelle erschienen jüngst der gemeinsame Brahms-Zyklus, Bruckners Symphonie Nr. 5 sowie Strauss’ »Elektra« und »Arabella« auf CD bzw. DVD. Mit den Wiener Philharmonikern legte er eine Gesamteinspielung der Symphonien Beethovens vor. Er ist Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London sowie Ehrendoktor der Hochschule für Musik »Franz Liszt« Weimar und der Katholischen Universität Leuven (Belgien). Im Mai 2015 wurde ihm der Richard-Wagner-Preis der Richard-Wagner-Gesellschaft der Stadt Leipzig verliehen.
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1. SYMPHONIEKONZERT
Daniil Trifonov C A P E L L - V I R T U O S 2 0 1 6 | 2 0 17 D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
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aniil Trifonov ist einer der leuchtendsten Namen der jungen Pianistengeneration. Mit einer Mischung aus Kraft und Poesie zeugt sein Klavierspiel von einer einzigartigen Begabung. 1991 in Nischni Nowgorod geboren, trat er als Achtjähriger erstmals mit einem Orchester auf. Später studierte er an der renommierten Gnessin-Musikschule in Moskau bei Tatiana Zelikman. 2008 gewann der 17-Jährige den fünften Preis beim Vierten Internationen Skrjabin-Wettbewerb in Moskau. Im Jahr darauf nahm er auf Tatiana Zelikmans Empfehlung ein Klavierstudium bei Sergei Babayan am Cleveland Institute of Music auf, wo er auch Kompositionsunterricht erhielt. 2011 gewann er den 13. Internationalen RubinsteinKlavierwettbewerb in Tel Aviv, dann sicherte er sich den Ersten Preis und den Grand Prix beim 14. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Dort verlieh man ihm zudem den Publikumspreis und den Preis für die beste Aufführung eines Mozart-Konzerts. »Was er mit seinen Händen macht, ist technisch unglaublich«, schwärmte ein Kommentator kurz nach seinem Triumph im Finale des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs. »Hinzu kommt sein Anschlag – er hat Zartheit und auch das dämonische Element. Ich habe so etwas noch nie gehört.« Diese Äußerung stammt nicht von einem professionellen Kritiker, sondern von einer der größten lebenden Pianistinnen, Martha Argerich. Beeindruckt stellt sie fest, ihr junger Kollege verfüge über »alles und noch mehr«. Seither bereist der Ausnahmepianist die ganze Welt. Er musiziert mit vielen der weltbesten Orchester und Dirigenten in zahlreichen renommierten Konzertsälen und bei angesehenen Festivals. Im Juli 2015 erklärte die Londoner Times Trifonov zum »erstaunlichsten Pianisten unserer Zeit«. Seine Aufführung von Prokofjews Klavierkonzerten Nr. 1 und Nr. 3 mit dem London Symphony Orchestra unter Valery Gergiev bildete einen der Höhepunkte bei den BBC Proms 2015. Daniil Trifonov ist Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon. Im Rahmen seiner Residenz bei der Sächsischen Staatskapelle wird er mit Klavierkonzerten von Mozart und Ravel, einem Klavierrezital sowie als Kammermusiker bei den Osterfestspielen Salzburg zu erleben sein.
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1. SYMPHONIEKONZERT
Wolfgang Amadeus Mozart * 27. Januar 1756 in Salzburg † 5. Dezember 1791 in Wien
»HIER IST DOCH GEWIS DAS CLAVIERLAND!« Zu Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 467
Klavierkonzert C-Dur KV 467 1. Allegro maestoso 2. Andante 3. A llegro vivace assai
ENTSTEHUNG
BESETZUNG
Februar / März 1785
Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Klavier und Streicher
U R AU F F Ü H R U N G
10. (12.) März 1785 in einer musikalischen Akademie im k.k. National-Hof-Theater Wien
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DAU ER
ca. 30 Minuten
Es ist, als feiere der europäische Adel sich noch einmal selbst – in vollen Zügen, genusssüchtig, repräsentativ. Das alte, vorrevolutionäre Weltbild scheint trotz mancher Risse unverrückbar. Die von Gottes Gnaden abgeleitete Ordnung bestimmt weiterhin die Verhältnisse, wonach zwischen oben und unten, Adel und Bürgertum geschieden wird. Indes gerät die Grenzlinie in den Jahren vor der Französischen Revolution zusehends unter Druck. Jene, die weniger begünstigt sind, streben danach, mit den Begünstigten gleichauf zu stehen, treten selbstbewusster auf und fordern ihre Rechte ein. Die Hierarchien kommen in Bewegung. In Salzburg bittet Mozart um seine Entlassung aus fürsterzbischöflichem Dienst als Kapellmeister und Kammerdiener und riskiert damit einen ungewöhnlichen Vorgang – ist es doch allein das Recht des Dienstherrn, über das Wohl und Wehe seiner Untertanen zu verfügen. Mozarts herausforderndes Auftreten provoziert den in der Musikgeschichte wohl bekanntesten Fußtritt in den Hintern, durchgeführt von seinem direktem Vorgesetzten Oberstküchenmeister Graf Arco. Ein Eklat, der in den Augen von Mozarts Vater Leopold verheerend ist, für seinen Sohn aber den lang ersehnten Befreiungsschlag bedeutet. Mozart zieht es als freier Musiker nach Wien. Er, der »nun immer zu componieren habe«, braucht »einen heitern Kopf und ruhiges Gemüt«, wie er im Juni 1781 an den Vater schreibt, und bittet ihn deshalb, nicht mehr von der »ganzen Sache« zu sprechen. Lieber macht er seinem Vater die Vorzüge der kaiserlichen Hauptstadt deutlich: »Die Wiener sind wohl leute die gerne abschiessen – aber nur am Theater. – und mein fach ist zu beliebt hier, als daß ich mich nicht Souteniren [behaupten] sollte. Hier ist doch gewis das Clavierland!« Wien lässt ihn gewähren, schnell sind seine Werke in Kreisen des Adels und unter Musikern bekannt und werden seine Melodien auf Wiens
1. SYMPHONIEKONZERT
Gassen gespielt. 1782, ein Jahr nach seiner Ankunft an der Donau, reüssiert er mit seinem Singspiel »Die Entführung aus dem Serail« selbst im Theater und gewinnt die Gunst des Kaisers, der das Bühnenwerk in Auftrag gegeben hat. Joseph II. soll nach einer »Entführung«-Aufführung gesagt haben: »Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viele Noten, lieber Mozart.« Worauf ihm Mozart selbstbewusst entgegnet: »Gerade so viele Noten, Eure Majestät, als nötig sind.« Seine Musik kommt an, er organisiert musikalische Akademien, für die er zahlreiche neue Werke schreibt, und fährt auch in finanzieller Hinsicht Erfolge ein. Als ihn Leopold Mozart vom 11. Februar bis 25. April 1785 in Wien besucht, schreibt der Vater an die Tochter: »Ich glaube, daß mein Sohn, wenn er keine Schulden zu bezahlen hat, izt 2000f. in die bank legen kann; das Geld ist sicher da, die Hauswirthschaft ist, was Essen u. Trinken betrifft, im höchsten Grad ökonomisch.« Während seines Wiener Aufenthalts wird Leopold Mozart mehrfach Zeuge, wie die Musik seines Sohnes bei unterschiedlichen Anlässen gefeiert wird. Ein längerer Auszug aus seinem Brief vom 14. Februar fängt die Atmosphäre ein, in der sein Sohn zu dieser Zeit lebt und arbeitet: »Den nämlichen freÿtag abends fuhren wir um 6 uhr in sein [Mozarts] erstes subscriptions Concert, wo eine grosse versammlung von Menschen von Rang war. iede Person zahlt für diese 6 FastenConcert einen Souvrain d’or oder 3 dugatten. Es ist auf der Mehlgrube; er zahlt für den Saal iedesmahl nur einen halben Souvrain d’or. das Concert war unvergleichlich, das Orchester vortrefflich, außer den Synfonien sang eine Sängerin vom welschen theater 2 Arien. dann war ein neues vortrefliches Clavier Concert vom Wolfgang, wo der Copist, da wir ankammen noch daran abschrieb, und dein Bruder das Rondeau noch nicht einmahl durchzuspielen Zeit hatte, weil er die Copiatur übersehen musste. [gemeint ist das Klavierkonzert d-Moll KV 466, das am 11. Februar von Mozart erstmalig während eines Subskriptionskonzertes gespielt wurde] daß nun da viele bekannte angetroffen, und mir alles zulief, kannst dir leicht vorstellen: beÿ andern aber wurde aufgeführt. am Samstag war abends h: Joseph Haydn und die 2 Baron Tindi beÿ uns, es wurden die neuen quartetten gemacht, aber nur die 3 neuen die er zu den andern 3, die wir haben, gemacht hat, – sie sind zwar ein bischen leichter, aber vortrefflich Componiert: h: Haydn sagte mir: ich sage ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der grösste Componist, den ich von Person und dem Nahmen nach kenne: er hat Geschmack, und über das die grösste Compositionswissenschaft. Am Sontag abend war im Theater die accademie der ital: Sängerin Laschi, die itzt nach Italien reiset. Sie sang 2 Arien, es war ein Violoncello Concert, ein Tenor und Bass sangen ieder eine Aria und dein Bruder spielte ein herrliches Concert, das er für die Paradis nach Paris gemacht hatte. Ich war hinten nur 2 Logen
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Der Vater: Leopold Mozart, Porträt um 1765 von Pietro Antonio Lorenzoni
von der recht schönen würtenb: Prinzessin neben ihr entfernt und hatte das Vergnügen alle abwechslungen der Instrumente so vortrefflich zu hören, daß mir vor Vergnügen die thränen in den Augen standen. als dein Bruder weg gieng, machte ihm der kayser mit dem Hut in der Hand ein Compt: hinab und schrie bravo Mozart. – als er herauskam zum spielen,
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wurde ihm ohnehin zugeklatscht. – gestern waren wir nicht im Theater, – denn es ist alle Tage Accademie.« Kein Wunder, Wien feiert Fasching und trifft sich auf zahllosen Empfängen, wo nach Leopold Mozart nichts anderes als »Fleischspeisen« aufgetragen werden. Am 18. Februar notiert der Vater: »Noch hat man hier keine fastenspeiß gegeben« – stattdessen Fasan zur Tafel »beÿm jüngern Stephani«, am Ende Austern, das herrlichste Konfekt und »viele Boutellien champagner wein nicht zu vergessen. überall Coffeé.« Mozarts Arbeitspensum hält nach der Faschingszeit ungemindert an. In einer Nachricht wird angekündigt: »Donnerstag den 10ten März 1785. wird Hr. Kapellmeister Mozart die Ehre haben in dem k.k. National-Hof-Theater eine grosse musikalische Akademie zu seinem Vortheile zu geben, wobey er nicht nur ein neues erst verfertigtes Forte piano-Konzert spielen, sondern auch ein besonders grosses Forte piano Pedal beym Phantasieren gebrauchen wird. Die übrigen Stücke wird der grosse Anschlagzettel am Tage selbst zeigen.« Hinter dem von Mozart gebrauchten Zusatzinstrument verbirgt sich eine nicht mehr erhalten gebliebene Pedalklaviatur. Das »neue erst verfertigte Forte piano-Konzert« meint indes das Klavierkonzert in C-Dur KV 467. Auch dieser Akademie wohnt der Vater bei, der über die Schönheit des Klavierkonzerts und den errungenen Beifall zu Tränen gerührt ist, wie er seiner Tochter nach Salzburg mitteilt. Innerhalb weniger Wochen erobert Mozart mit den beiden Klavierkonzerten KV 466 und KV 467 das »Clavierland« neuerlich im Sturm – nicht zu vergessen die Zählung des im Dezember 1784 komponierten F-Dur-Klavierkonzerts KV 459. Scheinbar mühelos verteidigt er seinen Platz als maßgeblicher Klavierkomponist, nachdem er bereits 1784, ein Jahr zuvor, 5 weitere Klavierkonzerte in Wien vorgelegt hat.
Zusammenbringen der Gegensätze Haydns Bemerkung, Mozart verfüge über die »grösste Compositionswissenschaft«, galt den sogenannten Haydn-Quartetten. Das Lob trifft auf das C-Dur-Klavierkonzert KV 467 gleichermaßen zu. Unisono wird das erste Thema in der Streichern vorgestellt, zweimal unterbrochen durch einen punktierten Marschgestus in den Bläsern. Auffällig in der Melodienbildung ist eine Sechzehnteltriole, die bereits im ersten Thema des vorangegangenen d-Moll-Klavierkonzerts KV 466 eine herausgehobene Rolle spielte und dort in einem synkopischen Umfeld auftaktig für Ordnung sorgte, was hier zum Nachsatz einer Phrase wird. Die ersten Themen dieser beiden Klavierkonzerte wirken wie eine Klammer und lassen vermuten, dass Mozart mit dem C-Dur-Klavierkonzert KV 467 ein ergänzendes Gegenbild zu seinem Vorgänger schaffen wollte. In der
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Der Sohn: Mozart am Klavier, unvollendetes Ölgemälde von Joseph Lange, vermutlich im Winter 1782 / 83
Folge gewinnt das erste Thema im Allegro maestoso (KV 467) feierliche Züge und arbeitet mit teils theatralen, teils aus der Harmoniemusik stammenden Versatzstücken. Wie im Eingangssatz zum d-Moll-Klavierkonzert wird auch hier das erste Thema mit vorwärtsdrängenden Synkopen rhythmisch aufgeladen. Im Vorspiel gelingt Mozart ein überreiches
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Beginn zweiter Satz (Andante), KV 467, Autograph
orchestrales Zusammenwirken mit repräsentativen, kammermusikalischen und kontrapunktischen Abschnitten. Dem Klavier bleibt nichts anderes übrig, als sich mit gebrochenen Sechzehntel-Ketten in den instrumentalen Fluss zu fügen. Selbst wenn das erste Thema in den Streichern wiederholt wird, schreibt Mozart einen über vier Takte währenden Triller in der rechten Hand vor. Erst danach tritt das Klavier in vollgültigem Sinne solo auf. Neben dem Allegro-maestoso-Gestus des Orches ters setzt es vor allem virtuose, zuweilen lyrische Akzente. »Die schönste Harmonie entsteht durch Zusammenbringen der Gegensätze«, schreibt der vorsokratische Philosoph Heraklit in seinen Fragmenten. Im hinlänglich bekannten, unerreicht schönen zweiten Satz (Andante) scheint sich das zu erfüllen. Auch wenn man meint, das Andante oft genug gehört zu haben, sollte man den Versuch unternehmen, es mit neuen Ohren aufzunehmen – konzentriert, rein und ungefiltert. In diesem Sinne könnte Heraklits Stichwort des »Zusammenbringens der Gegensätze« nahe an den Begriff der »schönsten Harmonie« heranführen. Gleich mehrfach ist das im Andante zu beobachten: Was durch fortwährende Achtel-Triolen in den zweiten Violinen und Bratschen zunächst an untergründiger Unruhe einfließt, löst sich in eine
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größere, übergeordnete Ruhe auf. Die Triolen der Begleitung stehen im Kontrast zu einer sich aufschwingenden Melodie, die formal in Viertel, Achtel und Sechzehntel unterteilt ist. Der rhythmische Gegensatz fällt nicht ins Gewicht, umstandslos hebt er sich zwischen Melodie und Begleitung auf. Mindestens ebenso auffällig sind extreme Tonsprünge ungefähr in der Mitte des Themas. Für einen kurzen Moment spalten sie den melodischen Verlauf dialogisch auf, um danach zu einer umso wirkungsvolleren harmonischen Beruhigung zu gelangen: Die intervallische Zerklüftung Einladung zu Mozarts Akademie mündet in eine cantable Linie, bei im Burgtheater, März 1785 der man das Gefühl hat, sie nie verlassen zu haben. Dieses kunstvolle Prinzip steht für das Empfinden der gesamten klassizistischen Epoche, in der die Lust am aufsprengenden Detail eingebunden ist in eine übergreifende Grundstimmung. Mozart fühlt sich im Andante jedoch kaum daran gehindert, das Hauptthema in entfernte Tonarten zu rücken. Was er damit erreicht, ist eine Intensivierung des ohnehin schon schwebenden, entrückten Satzes. Im zwanzigsten Jahrhundert wird die Steigerung mit den Mitteln des Films noch verstärkt. 1967 findet das Hauptthema des Andante-Satzes Eingang in Bo Widerbergs Spielfilm »Elvira Madigan« und kann seine Popularität auf diesem Weg weiter mehren. Das Allegro vivace ist mindestens ebenso kunstvoll angelegt wie sein Vorgängersatz. Auf Grundlage eines heiteren Refrainthemas fügt Mozart die Rondoform mit der Sonatensatzform zusammen und dokumentiert damit neuerlich seine Meisterschaft in der formalen Durchdringung. Mozart steht im Zenit seines Schaffens, nicht nur hinsichtlich der Akzeptanz seiner Werke, sondern auch in seinem Selbstverständnis als frei schaffender Künstler. Was er im Juni 1781 nach seinem Weggang aus Salzburg an den Vater geschrieben hatte, nämlich »nun immer zu componieren«, ist in wünschenswerter Weise eingetreten. Vulkanisch schleudert er seine Produktivität hinaus und vermittelt den Eindruck, noch lange nicht am Verlöschen zu sein.
ANDRÉ PODSCHUN
1. SYMPHONIEKONZERT
Anton Bruckner * 4. September 1824 im oberösterreichischen Ansfelden † 11. Oktober 1896 in Wien
»AUFFÜHREN, AUFFÜHREN, DAS MUSS AUFGEFÜHRT WERDEN!« Bruckners dritte Symphonie
Symphonie Nr. 3 d-Moll WAB 103 (1877) 1. Gemäßigt, mehr bewegt, misterioso 2. Andante. Bewegt, feierlich, quasi Adagio 3. Scherzo. Ziemlich schnell – Trio. Gleiches Zeitmaß 4. Finale. Allegro
A ENTSTEHUNG
BESETZUNG
1873 (erste Fassung); 1874 Überarbeitungen; 1876-78 (zweite Fassung); 1887-89 (dritte Fassung)
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken und Streicher
WIDMUNG
Richard Wagner
V E R L AG
Edition Leopold Nowak U R AU F F Ü H R U N G
in der zweiten Fassung, vermutlich stark gekürzt, am 16. Dezember 1877 im Wiener Musikvereinssaal mit dem Gesellschafts-Orchester unter Leitung des Komponisten
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ca. 60 Minuten
ller Anfang ist Suggestion, Vorstellung einer zur Welt kommenden Aufschichtung. Eine Urszene setzt sich in Gang, eherne Gründe geraten in Bewegung. Die Perspektive weitet sich, gewinnt an Fläche und gibt den Blick frei auf eine ins Monumentale versetzte Auftürmung. Man hat Bruckners dritte Symphonie gelegentlich mit einem aufragenden Gebirge vergli chen, dessen unwegsames Gelände den Einzelnen verführt, nicht selten entführt in zerklüftete Gesteinslandschaften. Wuchtige Grate säumen archaisch anmutende Hochebenen, ihre Dimensionen vermitteln eine Ahnung vom Erhabenen, in die sich der Betrachter zu verlieren droht. Doch bergen derlei Bilder zumeist die Gefahr einer Verwirrung, leiten sie doch um, weg vom Werk. Lässt man ihren assoziativen Lauf jedoch einen Augenblick zu, eröffnen sie eine Welt, in der der Mensch aus seiner gewohnten Orientierung geworfen ist. Genau darum geht es. Bruckner intoniert einen Aufbruch aus der Kraft der Materie. Seine Vorliebe für alpine Berge wie dem Großglockner mit knapp 3.800 Metern oder dem Montblanc mit 4.800 Metern ist bezeichnend für diese Genese, die eine Extremsituation modelliert und daraus eine Architektur ableitet. »Wer hohe Türme bauen will, muß lange beim Fundament verweilen«, soll Anton Bruckner einmal gesagt haben. Die Statik muss stimmen. Pfeiler sind so einzuschlagen, dass ihre tragende Funktion zu jeder Zeit gewährleistet ist. Im ersten Satz seiner dritten Symphonie gewinnt Bruckner eine der stützenden Säulen aus einem Kernmotiv, das in der Lage ist, die gebündelten Kräfte umzulenken, sie zu verteilen. Es ist der Sprung in die Unterquart und Unteroktave – anfänglich ausgeführt von der Solotrompete –, der absichert und die Voraussetzung schafft für den späteren Überbau. Das Fundament wird gegossen. Im anschließenden
1. SYMPHONIEKONZERT
Aufstieg zum Ausgangston verdichtet Bruckner das begonnene Material und schließt die motivische Verlaufskurve ab. Eine Verstrebung ist entstanden, ihr folgen weitere. Zunächst leitet Bruckner eine seiner typischen Steigerungswellen ein, an deren Ende ein absteigendes Viertonmotiv im Unisono steht. Die kurze viertönige Linie wird später in harmonischer Verankerung ihren ganzen Sinn entfalten, zunächst ist sie Teil einer im Entstehen begriffenen Tragekonstruktion. Stück für Stück erarbeitet Bruckner einen Formteil, spinnt fort, unterbricht, führt einen anderen weiter, kehrt zum ersten zurück, setzt an und verfüllt nach und nach die Zwischenräume. Der Komponist verfolgt das Modell einer Entwicklung, die vor allem Zeit braucht. Langgezogene Spannungsbögen fordern den Hörer, der zumeist auf das Ende einer in sich geschlossen wirkenden Phrase reagiert, die bei Bruckner allerdings oft nur das Erreichen eines Zwischenschritts darstellt und gedanklich weiter trägt. Ein Hören auf Fernsicht. Bruckners Zeitgenossen (und nicht nur sie) sind erkennbar überfordert. Eduard Hanslick, Wiens einflussreicher Musikkritiker, bemerkt dazu im Zusammenhang mit der Uraufführung von Bruckners zweiter Symphonie: »So zwischen Trunkenheit und Öde hin und hergeschleudert gelangen wir ... zu keinem künstlerischen Behagen. Alles fließt unübersichtlich, ordnungslos, gewaltsam in eine grausame Länge zusammen.« Oft reagiert man verständnislos auf seine Musik, geht zu ihr in Distanz. Nicht selten verlassen große Teile des Publikums den Saal. Zum Beispiel bei der Uraufführung der revidierten Fassung seiner dritten Symphonie am 16. Dezember 1877 im Großen Musikvereinssaal anlässlich eines Konzerts der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit dem Gesellschafts-Orchester, den heutigen Wiener Philharmonikern, unter Leitung des Komponisten. Einen Tag später steht in der Wiener Abendpost zu lesen: »Man kommt bei dieser Musik aus dem Kopfschütteln nicht heraus, greift sich wohl auch zeitweilig an den Puls, um sich zu überzeugen, ob das Gehörte nicht etwa das Produkt selbsteigenen Fiebers sei.« Ohne es zu ahnen, hält der Rezensent eine Spur in der Hand. Der Hinweis nämlich auf den Zustand einer fieberhaften Erhitzung ist nicht abwegig. Als Bruckner im Frühjahr und Sommer des Jahres 1873 weite Teile seiner Dritten in Wien komponiert, wird die Donaumetropole von drei herausragenden Ereignissen erfasst. Der Börsencrash im Mai, die Weltausstellung auf dem Gelände des Praters und nicht zuletzt die ausbrechende Cholera sind die beherrschenden Themen der Stadt. Vielleicht will man ihre Auswirkungen in späterer Zeit verdrängen oder zumindest nicht mehr wahrhaben, wenn der Bruckner-Biograph Max Auer zur Uraufführung der Dritten in der Fassung von 1877 vermerkt: »Die Musiker hatten nach der letzten Note eiligst die Flucht ergriffen, und Bruckner stand allein inmitten des großen Podiums. Seine Noten zusam-
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Anton Bruckner, Photographie von W. Jerie, Marienbad 1873
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menraffend, einen wehmutsvollen Blick in den leeren Saal werfend, verließ er dann den Schauplatz der großen Niederlage.« Seine Vision einer Dämmerung des Werdens aus dem Geiste der Musik, ihre Sprengung des Zeitlichen, hat bei seinen Zeitgenossen nicht verfangen. Einer der Zurückge bliebenen ist der junge, unbeirrte Verleger Theodor Rättig, der das Werk später herausbringen wird. Mit dem Erstdruck der Dritten Ende 1878 erscheint erstmalig eine Symphonie von Bruckner, allerdings mit einem verlegerischen Desaster: Der Verlust des Unternehmens beläuft sich auf Der Verleger Theodor Rättig mehrere tausend Gulden. Im Saal verharrt ein weiterer Gast: der 17-jährige Gustav Mahler, der angesichts seiner Begeisterung einen vierhändigen Klavierauszug der zweiten Fassung anfertigt.
»Wie eine unförmige glühende Rauchsäule« Wie hatte Hanslick über Bruckners Dritte geschrieben? Die Musik schließe mit »Wagners ›Walküre‹ Freundschaft«, um schließlich »unter die Hufe ihrer Pferde« zu geraten: »Es bleibt ein psychologisches Rätsel, wie dieser sanfteste und friedfertigste aller Menschen – zu den jüngsten gehört er auch nicht mehr – im Moment des Komponierens zum Anarchisten wird, der unbarmherzig alles opfert, was Logik und Klarheit der Entwicklung, Einheit der Form und der Tonalität heißt. Wie eine unförmige glühende Rauchsäule steigt seine Musik auf, bald diese, bald jene groteske Gestalt annehmend.« Als Bild passt Hanslicks »glühende Rauchsäule« gut in eine Zeit, in der sich die Möglichkeiten der Materialverwertung explosionsartig vermehren. Die Jahre nach der deutschen Reichsgründung 1871 läuten in Mitteleuropa ein neues Zeitalter ein. Die Welt wird unübersichtlicher, rückt dabei um so enger zusammen. Gewichte verschieben sich und brechen überkommene Strukturen auf. Man spürt, wie das Deutsche Reich, und damit auch das von ihm abgespaltene Österreich-Ungarn, auf der Suche nach einem Narrativ ist, um die nicht selten als richtungslos empfundene Gegenwart mit zeitgemäßer Bedeutung
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aufzuladen. Als musikalischer Visionär einer heraufdämmernden Zukunft gilt vielen dabei Richard Wagner, der von Bruckner regelrecht verehrt wird. Die dritte Symphonie ist denn auch als »Wagner-Symphonie« in die Musikgeschichte eingegangen. Besonders deutlich wird ihre Kennzeichnung in der ersten Fassung mit Bezügen zur »Walküre« und zu »Lohengrin«. Im Zuge der drei Versionen des Werks verkürzt sich nicht nur die Aufführungsdauer von anderthalb auf insgesamt eine knappe Stunde, auch fallen einige der deutlichsten Wagner-Anspielungen weg. Nicht zum Opfer fallen ferne Bezüge zum »Tannhäuser« und zu »Tristan und Isolde«. Das sichtbarste Zeichen der fast grenzenlosen Bewunderung ist die Widmung der Dritten: »Sr. Hochwohlgeboren Herrn Herrn (sic!) Richard Wagner, dem unerreichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefster Ehrfurcht gewidmet von Anton Bruckner.« Im September 1873 reist Bruckner zu seinem Idol nach Bayreuth, wo Wagner gerade mit dem Bau des Festspielhauses und der Villa Wahnfried beschäftigt ist. Im Gepäck trägt er zwei Symphonien – die spätere Zweite in c-Moll und die Dritte in d-Moll. Wagner gewährt dem »armen Organisten aus Wien«, so Cosima in ihrem Tagebuch, Audienz, der schließlich mit der Frage aufwartet, welche der beiden Symphonien er dem Bayreuther Meister widmen dürfe. »Der Hochselige«, erinnert Bruckner sich später, »weigerte sich wegen Mangel an Zeit (Theaterbau) u. sagte, er könne jetzt die Partituren nicht prüfen, da selbst die Nibelungen auf die Seite gelegt werden mußten. Als ich erwiderte: ›Meister, ich habe kein Recht, Ihnen auch nur ¼ Stunde zu rauben, und glaubte nur, bei dem hohen Scharfblick des Meisters genüge ein Blick auf die Themen, und der Meister wissen, was an der Sache ist.‹ Darauf sagte der Meister, mich auf die Achsel klopfend: ›Also kommen Sie‹, ging mit mir in den Salon u. sah die 2. Sinf. an. ›Recht gut‹, sagte er, schien ihm aber doch zu zahm gewesen zu sein (denn in Wien hatte man mich anfangs ganz zusammengeschreckt), und nahm die 3. (D-Moll) vor, u. unter den Worten, schau, schau – a was – a was –‚ ging er die ganze 1. Abteilung durch (die Trompete hat Hochderselbe besonders erwähnt) und sagte dann: ›Lassen Sie mir dieses Werk hier, ich will es nach Tisch (es war 12 Uhr) noch genauer besichtigen.‹« Während des Essens lässt Wagner ein Fässchen Weihenstephaner kommen und bittet den sich sträubenden Bruckner zum Trinken. Glaubt man Cosimas Tagebuchaufzeichnungen, so schenkt Wagner immer von neuem ein Glas voll: »Der gute Bruckner trank und trank, trotz Jammer und Gegenwehr, die seine musikalischen Gespräche in komischer Weise unterbrachen.« Am nächsten Tag kann sich der wenig trinkfeste Komponist schlechterdings nicht mehr entsinnen, welche der beiden Symphonien vom Meister zur Widmung auserwählt wurde. Verlegen sendet er ihm einen Zettel: »Symfonie in d Moll, wo die Trompete das
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Thema beginnt«, woraufhin dieser lakonisch antwortet: »Ja! Ja! Herzlichen Gruß!« Bruckners Devotion soll sich auszahlen, das verspricht ihm Wagner noch bei der letzten Begegnung in Wien: »Verlassen Sie sich, ich selbst werde [die Dritte] und alle Ihre Werke aufführen.« Dabei ist Wagner gesundheitlich zu gezeichnet, um sein Versprechen noch umsetzen zu können.
Subjektivität ohne Beiwort Dass Bruckners demiurgischer Zugriff im ersten Satz umschlossen ist von Gottes Wagner reicht Bruckner seine Wirken, zeigt sich in den ChoralSchnupftabakdose. Schattenbild Anklängen, die er aus dem ersten von Otto Böhler, um 1890 Thema herausfiltert. Spätestens hier erlangt er Klarheit über seinen Status, gewinnt er dank einer wissenden Selbsteinschließung in Gottes Weben bekenntnishafte Züge. Bruckner, der sich als ein aus Gott Hervorgegangener versteht, hält sich in Gottnähe auf. Mit dem Choral, im Autograph ausdrücklich als solcher bezeichnet, schließt sich die Lücke zum Limbus, der Ort der Gottesferne. Bruckners Ansatz einer schöpferischen Heraufkunft wird von einem naturreligiösen Impetus geleitet, beflügelt von der Vorstellung, dass sich der Teufel vertreiben lässt, wo nach Kräften gesungen wird, und sei es auf instrumentale Weise. In dem anfangs von Bruckner konzipierten Naturraum hält der Mensch Einzug. Und er bleibt dort, auch im Wissen um seine Beschränktheit. »Wer im Schatten der Berge aufwächst, lebt in der Gegenwart des Größeren, er erfährt die Natur als Gott, den Berg als Macht. So ist der Mensch in seiner Kleinheit eigentlich Gottesdiener, wo er Bauer ist, und die letzte Form der Naturreligion auf deutschem Boden beschwört die Heiligkeit und Unantastbarkeit der Berge.« (Roger Willemsen) Es wundert daher nicht, dass Bruckner im zweiten Satz eine Subjektivität ohne Beiwort intoniert und im Ausdruck Formen gestirnter Seelenfunken kreiert. Schnell beginnt man zu ahnen, wohin es ihn treiben wird in den großen Adagio-Sätzen seiner späteren Symphonien. Auch das Scherzo trägt deutliche Züge der nachfolgenden. Es bleibt von den teils weitreichenden Neubearbeitungen weitgehend unberührt – vielleicht auch deshalb, weil es von Anfang an eine günstige
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Seite aus dem ersten Satz, Autograph
Aufnahme bei Publikum und Kritikern findet. Bruckner arbeitet auch hier mit energiegeladenen Steigerungswellen und rasanten Crescendoanläufen, die im Trio-Abschnitt auf robust-volkstümliche wie charmantgrazile Passagen treffen. Das Finale knüpft an die Grundpfeiler des ersten Satzes an, namentlich an seine Fanfarenfigur. Das ausgedehnte Gesangsthema kombiniert den Gestus einer Streicherpolka mit dem Duktus eines Bläserchorals. Dramatische Vorgänge sowie eine ausgesuchte NaturTopik treten hinzu. Erkennbar wird ein Kaleidoskop an Stimmungen. Man gewinnt den Eindruck, einer Versuchsanordnung für einen »weltumspannenden Kosmos« beizuwohnen, in der das Gefühl für Zeit, ihre Gliederung, in eine neue Dimension eintritt.
Bruckner und Dresden Das beziehungsreiche Kapitel Bruckner und Dresden beginnt mit der dritten Symphonie. Vermutlich ist es der Vermittlung des Bildhauers Gustav Adolph Kietz zu verdanken, dass am 11. Dezember 1885 mit der Dritten unter Ernst von Schuch erstmals ein Werk von Bruckner in der Elbresidenz erklingt. Kietz, in Leipzig geboren und 1908 in Laubegast
1. SYMPHONIEKONZERT
M
eister Wagner ließ sich erbitten, u. durchblätterte langsam die Partitur. Da er großes Interesse zeigte, bath ich, selbe dediciren zu dürfen. Doch erst Abends, nachdem der große Meister
das Werk vollständig durchgesehen hatte, empfing mich Wagner mit einer Umarmung, u. sprach so schmeichelhafte Anerkennung aus, die ich dermalen wohl nie sagen, zugleich bemerkte der Meister, mit der Dedication habe es seine Richtigkeit, u. ich bereitete ihm damit das größte Vergnügen. Seither habe ich auch schriftlich die so großartige Anerkennung, u. die Einladung zu den Festspielen erhalten …
Widmungsentwurf in Bruckners Taschen-Notizkalender
Vor zwei Jahren sprach der Meister bei seiner Ankunft am Westbahnhofe vor einem großen Publikum: »Ich habe die
gestorben, ist seit 1864 Ehrenmitglied der Dresdner Akademie und stammt aus der Schülerschaft um Ernst Rietschel. Mit diesem arbeitet er u. a. am Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar zusammen. In Dresden sind mit dem Gustav-Nieritz- und dem Julius-Otto-Denkmal zwei seiner Arbeiten erhalten, beziehungsweise wieder rekonstruiert. Reichliche drei Monate nach der Erstaufführung eines Werks von Anton Bruckner in Dresden empfängt der Komponist nach der Wiener Premiere seiner siebten Symphonie 1886 eine Wagner-Büste von Kietz, von der er schlicht begeistert ist: »Ich erhielt auch am Morgen die Büste des Unsterblichen aus Dresden, die ich unter Thränen heiß beküßte.« Die Plastik aus den Händen eines Ehrenmitglieds der Dresdner Akademie bringt Bruckner und den Bayreuther Meister über dessen Tod hinaus auf verklärende Weise neuerlich zusammen. Vielleicht ist es auch diese Verbindung oder Leidenschaft, die dazu führt, dass ausgerechnet die Dritte, Bruckners sogenannte Wagner-Symphonie, das erste Werk des oberösterreichischen Komponisten ist, das in der sächsischen Residenzstadt zur Aufführung gelangt. Dass die Uraufführung der ersten Fassung der Dritten 1946 von der Staatskapelle Dresden geleistet wird, mag diese These weithin bestärken.
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Sinfonie (N 3) neuerdings durchgesehen, sehr brav, sehr brav, aufführen, aufführen, das muß aufgeführt werden!« Anton Bruckner über seinen Aufenthalt in Bayreuth 1873, autobiographische Skizze für Wilhelm Tappert, 1. Oktober 1876 1876 versuchte Bruckner, seine vierte Symphonie in Berlin zur Aufführung zu bringen. Aus diesem Grund stand er mit dem dortigen Musikgelehrten Wilhelm Tappert in Verbindung. Einem Schreiben an Tappert war ein handschriftlicher Lebenslauf Bruckners beigelegt, in dem er in knappen Worten seinen Werdegang vom Schulgehilfen bis zum Lektor an der Universität Wien schildert.
ANDRÉ PODSCHUN
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1. SYMPHONIEKONZERT
1. Symphoniekonzert 2016 | 2017 Orchesterbesetzung
1. Violinen Kai Vogler / 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Federico Kasik Michael Frenzel Christian Uhlig Volker Dietzsch Jörg Kettmann Susanne Branny Birgit Jahn Martina Groth Wieland Heinze Anja Krauß Anett Baumann Annika Thiel Anselm Telle Franz Schubert
2. Violinen Heinz-Dieter Richter / Konzertmeister Holger Grohs / Konzertmeister Matthias Meißner Stephan Drechsel Jens Metzner Ulrike Scobel Olaf-Torsten Spies Alexander Ernst Mechthild von Ryssel Emanuel Held Kay Mitzscherling Martin Fraustadt Robert Kusnyer Yukiko Inose
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Bratschen Michael Neuhaus / Solo Stephan Pätzold Anya Dambeck Michael Horwath Uwe Jahn Ulrich Milatz Zsuzsanna Schmidt-Antal Susanne Neuhaus Juliane Böcking Luke Turrell Björn Sperling** Torsten Frank*
Violoncelli Friedwart Christian Dittmann / Solo Simon Kalbhenn / Solo Martin Jungnickel Uwe Kroggel Bernward Gruner Johann-Christoph Schulze Jakob Andert Anke Heyn Titus Maack Aleisha Verner
Kontrabässe Andreas Wylezol / Solo Torsten Hoppe Helmut Branny Christoph Bechstein Fred Weiche Reimond Püschel Thomas Grosche Johannes Nalepa
Flöten Rozália Szabó / Solo Bernhard Kury
Oboen Céline Moinet / Solo Sibylle Schreiber
Posaunen Uwe Voigt / Solo Jürgen Umbreit Frank van Nooy
Pauken Manuel Westermann / Solo
Klarinetten Robert Oberaigner / Solo Dietmar Hedrich
Fagotte Joachim Hans / Solo Erik Reike
Hörner Jochen Ubbelohde / Solo David Harloff Julius Rönnebeck Lars Scheidig**
Trompeten Mathias Schmutzler / Solo Helmut Fuchs / Solo Sven Barnkoth Gerd Graner
* als Gast ** als Akademist / in
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Vorschau
Gustav Mahler Jugendorchester Auf Einladung der Sächsischen Staatskapelle Dresden S A M S TAG 3.9.16 11 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N
Philippe Jordan Dirigent Christian Gerhaher Bariton Johann Sebastian Bach Kantate »Ich habe genug« BWV 82 Anton Bruckner Symphonie Nr. 9 d-Moll
Sonderkonzert am Gründungstag der Sächsischen Staatskapelle Dresden Im Rahmen des Bachfestes Dresden D O N N ER S TAG 2 2 .9.16 2 0 U H R
Alessandro De Marchi Dirigent Emily Dorn Sopran Christina Bock Mezzosopran Levy Sekgapane Tenor Evan Hughes Bassbariton Vocal Concert Dresden Johann Sebastian Bach Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066 Sofia Gubaidulina »Meditationen über den Bach-Choral ›Vor Deinen Thron tret ich hiermit‹« Johann Gottlieb Naumann Missa Nr. 18 d-Moll Zum 275. Geburtstag des Komponisten
1. SYMPHONIEKONZERT
IMPRESSUM
Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2016 | 2017 H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © September 2016 R E DA K T I O N
André Podschun G E S TA LT U N G U N D L AYO U T
schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK
Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB
Christian Thielemann Chefdirigent Katharina Riedeberger Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung André Podschun Programmheftredaktion, Konzerteinführungen
Matiss Druvins Assistent des Orchesterdirektors
EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351 / 25 00 670 e-Mail:
[email protected] www.kulturwerbung-dresden.de
Elisabeth Roeder von Diersburg Orchesterdisponentin
T E X T N AC H W E I S E
Agnes Thiel Dieter Rettig Vincent Marbach Notenbibliothek
Der Artikel zu Mozarts KV 467 ist ein Originalbeitrag. Erstveröffentlichung im Sonderkonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden zu Rudolf Buchbinders 70. Geburtstag im Januar 2016. Der Text zu Bruckners Dritter ist ein Originalbeitrag für dieses Programmheft. Zitat S. 25: Anton Bruckner, Hoforganist … Ein Lebenslauf, kommentierte Faksimileausgabe des Briefes vom 1.10.1876 an Wilhelm Tappert, herausgegeben von Theophil Antonicek, Andreas Lindner und Klaus Petermayr, Linz 2010.
Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH RICHARD-WAGNER-STÄTTEN GRAUPA Richard-Wagner-Straße 6 · 01796 Graupa Tel.: 03501 4619650 · www.wagnerstaetten.de
Matthias Claudi PR und Marketing
Matthias Gries Orchesterinspizient
Veranstaltungen im Jagdschloss Graupa So | 25. Sept. | 11 Uhr | Konzertsaal
Tickets für alle Veranstaltungen unter www.ticket.pirna.de
So | 16. Okt. | 16 Uhr | Konzertsaal
B I L D N AC H W E I S E
Matthias Creutziger (S. 4); Dario Acosta Photography / DG (S. 7); Stiftung Mozarteum Salzburg (S. 11); Volkmar Braunbehrens, KarlHeinz Jürgens, Mozart. Lebensbilder, Bergisch Gladbach 1990 (S. 13, 15); www.themorgan.org/ music/manuscript/115396, aufgerufen im Dezember 2015 (S. 14); Anton Bruckner, Ein Handbuch, herausgegeben von Uwe Harten, Salzburg und Wien 1996 (S. 19, 20, 22-24)
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Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E
DER flIEGENDE HollÄNDER
MEISTERWERkE DES fIN DE SIéClE
Eine Kinderoper zum Zuhören und Mitmachen mit Sprecherin Norma Strunden, Solisten der Hochschule für Musik, dem Kinderchor der Anna-Magdalena-Bach-Grundschule Leipzig und Irina Roden, die die stürmische Kinderfassung am Flügel illustiert.
Yuki Manuela Janke und Johannes WulffWoesten spielen bei diesem Duoabend für Violine und Klavier Meisterwerke von Igor Strawinsky, Richard Strauss, César Franck und Maurice Ravel - eine besonder und schöne Mischung.
Eintritt: 14 Euro, erm. 10 Euro, Kinder 5 Euro
Eintritt: 16 Euro, erm. 12 Euro
weitere Informationen unter Tel. 03501 461965-0 und www.wagnerstaetten.de