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Call for Abstracts: Zur Praxis des Entwerfens. Offene Zukunft und geschlossene Gegenwart im Zeitalter des Designs Ad-hoc-Gruppe auf dem 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 26.09.2016 bis zum 30.09.2016 an der Universität Bamberg
Valentin Janda (Technische Universität Berlin)
[email protected] Dr. Hannes Krämer (Europa-Universität Viadrina)
[email protected]
In der Ad-hoc-Gruppe werden verschiedene Ansätze einer Soziologie des Entwerfens diskutiert. Die Ad-hoc-Gruppe folgt damit der Beobachtung, dass Entwerfen zwar eine Grunddimension menschlichen Tätigseins darstellt (vgl. u.a. Marx, Weber, Schütz), die Entwurfspraxis aber in ihrer historisch Kontingenz sowie soziomateriellen Vielfältigkeit soziologisch noch nicht ausreichend erfasst ist. Entwurfsprozesse werden heute von verschiedenen Einzeldisziplinen untersucht. Soziologisch interessant sind, neben den Analysen der Planungs- und Steuerungstheorie, vor allem die Studien aus der Design- und Architekturforschung, welche die technische, mediale, epistemische und symbolische Praxis des Entwurfsgeschehens analysieren. Entwerfen ist in diesem Sinne als eine gemachte soziomaterielle Praxis zu verstehen. In diesem Zusammenhang bilden die Untersuchungen der Science and Technology Studies, die Akteur-Netzwerk-Theorie und phänomenologische Ansätze einen wichtigen theoretischen sowie empirischen Bezugspunkt. Einerlei ob in Wissenschaft, Wirtschaft oder im Alltagshandeln, Entwerfen bildet in diesen Studien nicht nur eine Form der Gegenwartsbearbeitung, sondern kann ebenso als ein Modus der Zukunftssteuerung und -gestaltung verstanden werden. Trotz der vielfältigen Einzelstudien fehlt es bislang an einer systematischen soziologischen Auseinandersetzung mit dem Entwerfen. Dies ist überraschend, bildet das Entwerfen doch gerade vor dem Hintergrund einer Gegenwartsgesellschaft, welche maßgeblich auf die Gestaltung von Gesellschaft, Natur und Technik setzt, einen wichtigen Bezugspunkt. Folgt man etwa der Diagnose der „zweiten Moderne“ (Beck) sehen sich zeitgenössische Akteur*innen gezwungen, in ihren Handlungsentwürfen künftige Nebenfolgen zu berücksichtigen. So werden im Entwerfen situative sowie regelhafte Handlungsbedingungen einbezogen, um neue Praktiken und Verfahren zu erschaffen. Eine solche reflexive Position verweist nicht nur auf eine fortwährende Prüfung der Handlungssituationen und -konsequenzen, sondern ebenso auf einen Bedeutungsgewinn des Künftigen in jedwedem Handlungsentwurf. Auch in anderen Gegenwartsdiagnosen wie beispielsweise der Innovationsgesellschaft (Rammert et al.) oder der Kreativgesellschaft (Reckwitz) wird dem Entwerfen – als ein spezifischer Modus der Auseinandersetzung mit dem Kommenden – ein herausgehobener Stellenwert zugesprochen. Die Ad-hoc Gruppe greift diese vielfältigen, aber dennoch vereinzelten interdisziplinären Bezüge auf und bündelt sie in einer soziologischen Auseinandersetzung mit der Form und dem Stellenwert des Entwerfens. Wenn Entwerfen eine basale Grundtätigkeit des Sozialen darstellt, dann ist es soziologisch von Interesse nach verschiedenen Arten und Weisen des Entwerfens sowie nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Entwurfspraxis zu suchen. Hierfür sind empirische, methodologische und auch theoretische Beiträge eingeladen, die das Entwerfen in den Blick nehmen. Das Ziel ist es, einem soziologischen Begriff des Entwerfens Kontur zu verleihen.
Mögliche Fragen und Themenfelder, die in der Ad-hoc-Gruppe diskutiert werden, sind: -
Wie laufen Entwurfsprozesse ab? Welche sozialen Praktiken, Materialien, Medien werden für das Entwerfen eingesetzt? Wie werden Entwürfe evaluiert und stabilisiert? Welche historischen Veränderungen sind Entwurfsprozesse unterworfen? Weisen differenzierte Gesellschaften Bereiche auf, die auf das Entwerfen spezialisiert sind? Welche sind das und was zeichnet deren spezifische Entwurfspraxis aus? Greifen Entwurfspraktiken auf andere gesellschaftliche Bereiche über, in denen sie traditionell nicht vorkommen? Existieren feldübergreifend vergleichbare Entwurfsmuster von Verbildlichung, Inszenierung, Materialisierung und Algorithmisierung? Wie ist das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft im Entwurfsprozess zu denken? Wie offen oder geschlossen ist die Zukunft im Entwurf konzipiert? Orientieren sich Zukunftsbezüge im Entwurfsprozess ausschließlich an prospektiven Gestaltungswünschen oder dienen sie eher der Legitimation aktueller Handlungsprobleme? Wie ist das Verhältnis von Vergangenem und Zukünftigem im Entwurfsprozess? In welchem Verhältnis stehen einzelne Entwurfstechniken zu anderen Verfahren wie etwa der Simulation oder dem Forecasting? Wenn das Künftige an Relevanz gewinnt, wie wird diese Verschiebung jenseits von Design und Planung organisiert und realisiert?
Wir freuen uns über Abstracts, die diese Fragen in theoretischer, methodologischer oder empirischer Perspektive in den Blick nehmen. Bitte senden Sie Ihren Beitragsvorschlag von max. einer Seite (ca. 2.000-2.500 Zeichen) bis zum 22.4.2016 an beide Organisatoren. Über die Annahme der Abstracts wird zeitnah entschieden, da für das Programm die Titel und Abstract spätestens am 11.5.2016 hochgeladen werden müssen.