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62-jährige Tumorpatientin Mit Arthralgien In Beiden

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WISSEN AKTUELL • CANCERDRUGS www.cancerdrugs.ch ist eine kostenlose Webseite zum Management der oralen Tumortherapie für medizinische Fachpersonen. Kernstück ist die Suchmaschine, die eine einfache und schnelle Suche wissenschaftlicher Informationen erlaubt. Zu den häufigsten unter oraler Tumortherapie auftretenden Nebenwirkungen und Begleitsymptomen sind fundierte Vor­ schläge zur Prävention und Behandlung abrufbar. Patienten-Merkblätter, erarbeitet unter fachlicher Leitung der Arbeitsgruppe «Adhärenz bei oraler Tumortherapie» (www.oraletumortherapie.ch), stehen in Deutsch und Französisch zum Download zur Verfügung. Der Inhalt wird kontinuierlich von einem Steering Committee aus Ärzten, Spitalapothekern und Onkologiepflegenden überprüft. Die Aktualisierung erfolgt mindestens einmal monatlich. Prof. Thomas Cerny Vorsitzender Steering Committee Der konkrete Fall 62-jährige Tumorpatientin mit Arthralgien in beiden Kniegelenken Eine 62-jährige Patientin kommt in die Praxis und klagt über Gelenkschmerzen. Ein häufiger Fall. Meist wird dahinter eine rheumatische Erkrankung vermutet. Arthralgien können aber auch eine Nebenwirkung von Tumortherapien sein. Der aktuelle Fall von Arthralgien unter dem oralen Zytostatikum Anastrozol verdeutlicht, wie die Webseite www.cancerdrugs.ch im Praxisalltag eingesetzt werden kann. Patientin, 62-jährig, Status nach Mammakarzinom mit positivem Östrogen- oder Progesteron-Rezeptor-Status. Medikamente: Adjuvante endokrine Therapie mit Anastrozol, seit fünf Monaten Symptome: Die Patientin wird in der Hausarztpraxis mit Gelenkschmerzen in beiden Kniegelenken vorstellig. Sie klagt über stärkere Schmerzen und Steifheit am Morgen. Zudem berichtet sie, dass die Fingerringe plötzlich zu eng seien und dass sie die Hände nicht richtig schliessen könne. Alltägliches wie Haushaltsaktivitäten und Treppensteigen sind beeinträchtigt. Status: Die Patientin zeigt eine leichte Schwellung der Weichteile an den Händen und Kniegelenken. Die morgendliche Steifheit dauert weniger als eine Stunde. Es liegen keine Kontrakturen vor. Untersuchungen: Anamnese und Statuserhebung. Auf dem Röntgen sind keine Veränderungen erkennbar. Laboruntersuchungen lassen einen inflammatorischen Prozess ausschliessen. Frage 1: Können die Symptome in Zusammenhang mit der Anastrozol-Behandlung stehen? Antwort unter www.cancerdrugs.ch: Unter einer Anastrozol-Behandlung sind muskuloskelettale Symptome bekannt (35,6%). Arthralgien treten bei 15,1% der Patientinnen auf. Die Dunkelziffer dürfte allerdings höher liegen. 6–18 Monate nach Beginn verschwindet ein Teil der Arthralgien. Die Östrogenspiegelminderung unter adjuvanter endokriner Therapie mit Aromataseinhibitoren (AI) bewirkt eine verstärkte Nociception und kann zu Arthralgien führen. Der Effekt des verminderten Östrogenspiegels auf den Knorpel, ein Gewebe welches Östrogenrezeptoren exprimiert, kann ebenso an der Entstehung von Gelenkbeschwerden beteiligt sein. AI-induzierte Arthralgien gehören in die Differentialdiagnose aller neu aufgetretenen Gelenkbeschwerden unter AI-Therapie. Die Herausforderung für den Arzt liegt in der korrekten Unterscheidung zwischen AI-induzierten Arthralgien und ossären, inflammatorischen oder degenerativen entzündlichen Arthralgien sowie von sekundären Arthralgien aufgrund von anderen Erkrankungen. Eine gute Übersicht mit Flussdiagramm zur Diagnosestellung, Differentialdiagnosen und Therapieentscheidung findet sich in Thorne C. Management of arthralgias associated with aromatase inhibitor therapy. Curr Oncol, 2007. Diagnose: Ein Zusammenhang zwischen der Tumormedikation und der Symptomatik liegt nahe. Deshalb wird die Diagnose AI-induzierte Arthralgie gestellt. Frage 2: Wie sieht das weitere Vorgehen aus? Antwort unter www.cancerdrugs.ch: Nichtpharmakologische Interventionsmöglichkeiten: Anpassungen des Lebensstils wie Gewichtsreduktion, regelmässige Bewegung (z.B. Krafttraining), Verzicht auf Rauchen und übermässigen Alkoholkonsum und ergänzende Kalzium- und Vitamin D-Supplementierung zur Unterstützung des pharmakologischen Ansatzes. Hitze kann die Symptome lindern. Heisse Duschen, heisse Massagen, Akupunktur, Akkupressurtechniken oder transkutane elektrische Nervenstimmulation werden deshalb empfohlen. Allerdings sollten Patientinnen mit Osteoporose der Wirbelsäule Massagen der tiefen Muskulatur vermeiden. Zusätzlich sind regelmässiges Stretching, Übungen zur Mobilisierung der Gelenke und Physiotherapie zur Stärkung der Muskulatur, Erhöhung der Beweglichkeit und Verminderung von Verspannungen empfohlen. Bei schmerzbedingtem emotionalem Stress und depressiven Symptomen können gemäss Thorne (s.o.) psychiatrische Interventionen indiziert sein. Pharmakologische Behandlung: Die pharmakologische Intervention ist auf Analgetika limitiert. NSAIDs, Paracetamol und COX-2 Inhibitoren sind bei der Mehrheit der Patientinnen wirksam. Obwohl bei Bedarf auch stärkere Analgetika wie Opiate verschrieben werden können. Bei zusätzlichem gastrointestinalem Risiko ist ergänzend zu NSAIDs die Gabe eines Protonenpumpenhemmers sinnvoll. Therapie: Die Tumortherapie muss nicht unterbrochen werden. Die Patientin erhält Acetaminophen und kann es bei Bedarf selbstständig einnehmen. Zusammen mit der Patientin werden die notwendigen Lebensstilanpassungen besprochen. Zudem wird sie darüber aufgeklärt, dass ihre Schmerzen und die morgendliche Steifheit der Gelenke nicht mit einem inflammatorischen Prozess und der für Arthritis typischen Gelenkzerstörung in Zusammenhang stehen. Durch die Therapie werden keine bleibenden Veränderungen oder Schädigungen der Gelenke verursacht und die Symptome sind nach Absetzten der Therapie reversibel. Auch dass die Exazerbation von Gelenksymptomen ein Zeichen für die Wirksamkeit der Therapie sein kann und sich die Symptome sehr wahrscheinlich mit der Zeit bessern, ist eine hilfreiche Information. Verlauf: Die Symptome klingen wie erwartet nach einiger Zeit ab. Die Patientin wird dazu angehalten, die Anpassungen ihres Lebensstils weiterzuführen. wwSonia Fröhlich de Moura Weitere Informationen und Literaturangaben unter www.cancerdrugs.ch _ 2015 _ der informierte arzt 7204