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2., 3. und 4. März 2017 Semperoper
8. SYMPHONIEKONZERT Donald
RUNNICLES Geir
DRAUGSVOLL BRITTEN GUBAIDULINA VAUGHAN WILLIAMS ELGAR
2., 3. und 4. März 2017 Semperoper
8. SYMPHONIEKONZERT Donald
RUNNICLES Geir
DRAUGSVOLL
8. SYMPHONIEKONZERT D O N N ER STAG 2. 3.17 20 UHR
FR EITAG 3. 3.17 20 UHR
S A M STAG 4. 3.17 11 U H R
PROGRAMM SE M PERO PER D R E SD EN
Donald Runnicles Dirigent
Benjamin Britten (1913-1976)
Geir Draugsvoll Bajan
»Four Sea Interludes« op. 33a aus der Oper »Peter Grimes« 1. Dämmerung. Lento e tranquillo 2. Sonntagmorgen. Allegro spirituoso 3. Mondschein. Andante comodo e rubato – attacca 4. Sturm. Presto con fuoco
Sofia Gubaidulina (*1931) »Fachwerk« für Bajan, Schlagzeug und Streichorchester PAU S E
Ralph Vaughan Williams (1872-1958) Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis für doppeltes Streichorchester
Edward Elgar (1857-1934)
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Pfade der Inspiration
»In the South« (Alassio) Konzertouvertüre op. 50
Seit einigen Jahren ist Donald Runnicles regelmäßig bei der Staatskapelle Dresden zu Gast. In diesem Jahr präsentiert er mit Britten, Vaughan Williams und Elgar Komponisten aus seiner britischen Heimat. Sofia Gubaidulinas Bajankonzert trägt den Titel »Fachwerk«, sein Wortklang besitzt für sie eine faszinierende Ausstrahlung. Neben dem Aspekt der handwerklichen Arbeit erinnert der Begriff an Fachwerkhäuser, deren gestalterischer Reiz für die diesjährige Capell-Compositrice inspirierend wirkte.
Aufzeichnung durch MDR Kultur Sendetermin: 3. März 2017, ab 20.05 Uhr live bei MDR Kultur Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der Semperoper
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8. SYMPHONIEKONZERT
Donald Runnicles Dirigent
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onald Runnicles stammt aus Schottland und ist seit 2009 / 2010 Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin. Zugleich ist er Conductor Emeritus des BBC Scottish Symphony Orchestra. Seit 2006 leitet er außerdem das Grand Teton Music Festival in Jackson, Wyoming, und ist Principal Guest Conductor des Atlanta Symphony Orchestra. Runnicles studierte in seiner Heimatstadt Edinburgh sowie in Cambridge und begann seine musikalische Karriere in Deutschland, wo er u. a. General musikdirektor in Freiburg war. Sein USA-Debüt geriet zur Sensation, als er 1988 kurzfristig eine »Lulu«-Produktion an der Met in New York übernahm. Zwei Jahre später leitete er den »Ring des Nibelungen« an der San Francisco Opera, was zu seiner Berufung zum dortigen Music Director führte. Zwischen 1992 und 2009 dirigierte er dort über 60 Produktionen, u. a. die Uraufführungen von John Adams’ »Doctor Atomic«, Conrad Susas »The Dangerous Liaisons« und Stewart Wallaces »Harvey Milk«. Zahlreiche Dirigate führten ihn zu den Festspielen nach Bayreuth, Glyndebourne und Salzburg, an die Metropolitan Opera New York, die Opéra National de Paris, die Mailänder Scala, die Staatsoper Berlin, die Kölner Oper, die Bayerische Staatsoper München, die Hamburgische Staatsoper, die Königliche Oper Kopenhagen, die Oper Zürich und die Netherlands Opera. Zudem arbeitet er häufig mit dem BBC Symphony Orchestra, dem NDR Elbphilharmonie Orchester, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Israel Philharmonic Orchestra, dem Orchestre de Paris, den Münchner Philharmonikern, den Wiener Symphonikern, dem Royal Concertgebouw Orchestra und sowohl den Berliner als auch den Wiener Philharmonikern. Zahlreiche CD-Einspielungen dokumentieren seine Arbeit, darunter Gesamtaufnahmen von Humperdincks »Hänsel und Gretel«, Brittens »Billy Budd« oder Wagners »Tristan und Isolde«. Neben seinen Aufgaben als Dirigent ist Donald Runnicles auch ein gefragter Pianist und tritt bei Kammerkonzerten und als Liedbegleiter auf. 2004 verlieh ihm Queen Elizabeth II. den »Order of the British Empire«. Mit der Staatskapelle Dresden nahm er 2008 eine Einspielung mit Auszügen aus dem »Ring«Zyklus auf und leitete hier zuletzt im November 2015 ein Konzert mit Werken von Rachmaninow, Elgar und Sibelius.
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Geir Draugsvoll Bajan
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eir Draugsvoll gilt international als einer der wichtigsten Musiker auf seinem Instrument, dem Bajan – einer osteuropäischen Variante des Chromatischen Knopfakkordeons. Während der letzten zehn Jahre sorgte er für Schlagzeilen, die ihn u. a. eine musikalische Sensation nannten. Mit einem Repertoire, das von Bach, Mozart, Grieg und Strawinsky bis zu zeitgenössischen Komponisten wie Sofia Gubaidulina, Luciano Berio und Astor Piazzolla reicht, trat er in ganz Europa auf und tourte auch durch China und Japan. Dabei spielte er u. a. in der Mariinsky Hall (St. Petersburg), dem Großen Saal des Moskauer Konservatoriums, der Barbican Hall (London), der Alten Oper Frankfurt, dem Lockenhaus Festival (Österreich), dem Edinburgh Festival, der Philharmonie Luxemburg, dem Rheingau Festival, dem Mittelfest (Italien), dem Konzerthaus Berlin, der Laeiszhalle Hamburg, dem Bergen International Festival und an zahlreichen anderen Orten. Zu den namhaften Orchestern, mit denen er gemeinsam musiziert hat, gehören das London Symphony Orchestra, das Mariinsky Orchestra, das Russian National Orchestra, das Netherlands Symphony Orchestra, die Kremerata Baltica, die Moscow Soloists, das Norwegian Radio Symphony Orchestra und viele andere. Er stand bereits mit Valery Gergiev, Vasily Petrenko, David Geringas, Yuri Bashmet und Reinbert de Leeuw auf der Bühne. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit zahlreichen lebenden Komponisten gilt Draugsvoll als Pionier seines aus klassischer Sicht relativ jungen Instruments und ist für eine Reihe von Uraufführungen verantwortlich. Eine der maßgeblichsten Uraufführungen spielte er am 13. November 2009, als Sofia Gubaidulinas »Fachwerk« für Bajan, Schlagzeug und Streichorchester in Gent unter der Leitung von Reinbert de Leeuw aus der Taufe gehoben wurde. Das Werk, das heute zur Aufführung kommt, hat die Komponistin Draugsvoll gewidmet. Geboren wurde der norwegische Musiker 1967. Er lebt in Kopenhagen, wo er eine Professur für Akkordeon an der Königlichen Musikakademie innehat.
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Sofia Gubaidulina C A P E L L - C O M P O S I T R I C E 2 0 1 6 / 2 0 17 D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
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em Dresdner Publikum ist Sofia Gubaidulina spätestens seit der Spielzeit 2014 / 2015 bekannt, als sie hier schon einmal den Titel der Capell-Compositrice trug. Die damalige Zusammenarbeit erwies sich als überaus glücklich und führte zu dem Wunsch der Komponistin, neue Werke für die Staatskapelle zu schreiben. Ihr Anliegen greift die Staatskapelle gern auf und freut sich auf eine weitere produktive Partnerschaft mit einer der bedeutendsten und meistgespielten Komponistinnen der Gegenwart, die am 24. Oktober 2016 ihren 85. Geburtstag gefeiert hat. Mit »Der Zorn Gottes« wird sie im 10. Symphoniekonzert ein neues Orchesterwerk vorstellen, das sie für die Staatskapelle und Christ ian Thielemann geschrieben hat. Ihre Ausnahmestellung ist an den unzähligen Kompositionsaufträgen durch namhafte Institutionen, an den vielen Einspielungen ihrer Musik durch renommierte Künstler und an der schier endlosen Reihe von Ehrungen ablesbar – eine beeindruckende Karriere, die sich auch durch die äußeren Widerstände und Restriktionen in den Anfangsjahren ihres Schaffens nicht aufhalten ließ. Die sowjetische Kritik begegnete ihr mit Skepsis, Musikfunktionäre lehnten ihre Musik ab, weil ihr die gesellschaftliche Relevanz fehle. Dies bedeutete nicht nur lange Zeit Ruhm hinter vorgehaltener Hand, sondern auch Diffamierungen, Ausreise- und Aufführungsverbote. Offizielle Anerkennung und öffentliches Interesse blieben der Künstlerin vorerst versagt. Der internationale Durchbruch gelang 1981 mit der Uraufführung ihres ersten Violinkonzerts »Offertorium« in Wien durch Gidon Kremer – nicht zuletzt dank seines Einsatzes hielten ihre Werke rasch Einzug in die Konzertprogramme weltweit.
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In ihre Partituren flossen Elemente östlicher Philosophie ein, sie vertonte altägyptische und persische Dichter, aber auch Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihre tiefe Verbundenheit mit der deutschen Kultur wirkt sich ebenso auf ihr Schaffen aus wie ihre Religiosität – das Komponieren ist für sie ein sakraler Akt. Eine besondere Nähe fühlt sie zur Musik Bachs, was sich in ihrem Sinn für musikalische Formen und Proportionen, in ihrer Vorliebe für Zahlenspiele und -symbolik spiegelt. »Den größten Einfluss auf meine Arbeit«, bekennt die Komponistin allerdings, »hatten Dmitri Schostakowitsch und Anton Webern. Obwohl dieser Einfluss in meiner Musik scheinbar keine Spuren hinterlassen hat, ist es doch so, dass mich diese beiden Komponisten das Wichtigste gelehrt haben: ich selbst zu sein.«
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SPIEGELBILDER DER SEELE
Benjamin Britten
Brittens »Four Sea Interludes«
* 22. November 1913 in Lowestoft † 4. Dezember 1976 in Aldeburgh
»Four Sea Interludes« op. 33a aus der Oper »Peter Grimes« 1. Dämmerung. Lento e tranquillo 2. Sonntagmorgen. Allegro spirituoso 3. Mondschein. Andante comodo e rubato – attacca 4. Sturm. Presto con fuoco
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BESETZUNG
zwischen Januar 1944 und Februar 1945
2 Flöten (beide auch Piccolo), 2 Oboen, 2 Klarinetten (2. auch Es-Klarinette), 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Streicher
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am 7. Juni 1945 an der Sadler’s Wells Opera London (Dirigent: Reginald Goodall)
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ca. 15 Minuten
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enjamin Britten hatte in seiner englischen Heimat schon mit Werken wie der »Simple Symphony« op. 4 oder den »Variations on a Theme of Frank Bridge« op. 10 auf sich aufmerksam gemacht, als er im Sommer 1939 gemeinsam mit seinem Freund, dem Tenor Peter Pears, nach Amerika aufbrach. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stand unmittelbar bevor, in der »Neuen Welt« erhofften sich beide bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Fast drei Jahre blieben Britten und Pears in den USA, hier entstanden Werke wie die »Sinfonia da Requiem« oder die »Michelangelo-Sonette«. Und doch spürte Britten schon bald eine große Sehnsucht nach seiner Heimat – die noch verstärkt wurde, als er im Sommer 1941 in Kalifornien auf eine Versdichtung des englischen Dichters George Crabbe (17541832) stieß, die in Brittens Heimat Suffolk spielte. Sofort war der Komponist Feuer und Flamme; mit der Geschichte um den tragischen Fischer Peter Grimes hatte er das Sujet für seine erste Oper gefunden! Über den Dirigenten Serge Koussevitzky und dessen Musikstiftung erhielt er einen Kompositionsauftrag, ausgearbeitet hat er das Werk in den Jahren 1944 / 45, nach seiner Rückkehr nach England. Am 7. Juni 1945 ging »Peter Grimes« in der Londoner Sadler’s Wells Opera mit sensationellem Erfolg über die Bühne, Pears sang die Titelrolle. Schon bald galt das Werk als »die« englische Nationaloper des zwanzigsten Jahrhunderts. Noch vor der Opernuraufführung stellte Britten vier der insgesamt sechs orchestralen Vor- und Zwischenspiele zu einer Suite zusammen, um sie unter dem Titel »Four Sea Interludes« (Vier See-Zwischenspiele) op. 33a auch für den Konzertsaal zugängig zu machen. Die Zwischenspiele boten sich für diese Art der Bearbeitung an, da sie bereits in der Oper – ganz ähnlich wie die Zwischenmusiken in Debussys »Pelléas et Mélisande« oder Schostakowitschs »Lady Macbeth von Mzensk« – die Funktion kleiner »Tondichtungen« übernehmen, in denen die Hand-
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Benjamin Britten in Dresden (April 1955)
lung, das Innen- und Außenleben der Personen, gespiegelt wird. Bei der Zusammenstellung hielt sich Britten weitgehend an die Reihenfolge der Oper – mit einer Ausnahme: Die furiose Sturmmusik, das Zwischenspiel aus dem ersten Akt, stellte er ans Ende der Suite – wohl, um eine stärkere Schlusswirkung zu erzielen. In dieser Form gibt sich das Werk als eine »symphonische« Folge von See- bzw. Seelenbildern, zwischen Tag und Nacht, Ruhe und Sturm.
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Auch wenn man also die Hand»Den größten Teil meines Lebens lung – die tragische Geschichte habe ich in enger Berührung eines unverstandenen Außenmit dem Meer verbracht. In seiters, der von der Gesellschaft ›Peter Grimes‹ wollte ich mein letztlich zum Selbstmord getrieben Wissen um den ewigen Kampf wird – nicht kennt, kann man die von Männern und Frauen, deren Musik der »Four Sea Interludes« Existenz vom Meer abhängig ist, nachvollziehen. Die einleitende zum Ausdruck bringen.« »Dämmerung« (»Dawn«) zeichnet Benjamin Britten mit dem Wechsel zwischen einer Violin-Kantilene, einer spielerischen Bewegung u. a. der Klarinetten und dem erwachenden Bläsersatz ein Bild von Luft, Wellen und Weite. In der Oper verbindet diese Musik das »Vorspiel« mit dem ersten Akt. »Sunday Morning« (Sonntagmorgen), das Vorspiel zum zweiten Akt, wird durch den Klang der Hörner eröffnet, die – gemeinsam mit den anderen Instrumenten – das sonntägliche Glockengeläut nachahmen. In klanglichem Gegensatz dazu beginnt mit einer ruhigen Linie der Streicher der Kirchgang. Einen Ruhepol bildet das Vorspiel zum dritten Akt, »Moonlight« (Mondschein), das sich in den tiefen Streichern und Bläsern ausdrucksvoll entfaltet, durchzuckt von Einwürfen in Flöte und Harfe, später im Xylophon. Der Schlusssatz beruht im Wesentlichen auf einem chromatischen Hauptthema, das mit heftigen Impulsen von Höhepunkt zu Höhepunkt jagt: ein Bild der aufgepeitschten See. Am Ende scheint in den Streichern eine expressive Kantilene auf – in der Oper die Vision von einem glücklicheren Leben –, die aber vom Sturm regelrecht hinweggefegt wird. Nach dem großen Erfolg seines »Opernerstlings« verfolgte Britten den eingeschlagenen Weg konsequent weiter; fortan komponierte er in erster Linie Opern und Vokalmusik – meistens mit einer zentralen Partie für Pears – und festigte mit Werken wie »The Rape of Lucretia«, »The Turn of the Screw« oder »Death in Venice«, seinem letzten Bühnenwerk, seinen Ruf als einer der bedeutendsten Opernkomponisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Die mit »Peter Grimes« einsetzende künstlerische Umorientierung ging übrigens mit einer geografischen einher: Ab 1947 ließen sich Britten und Pears in Aldeburgh nieder, jenem Ort in der Grafschaft Suffolk, der so großen Anteil am Erfolg der Oper hatte und wo Britten zum Mittelpunkt des seit 1948 alljährlich stattfindenden Aldeburgh Festivals wurde.
TOBIAS NIEDERSCHL AG
Am 13. April 1951 spielte die Staatskapelle die Dresdner Erstaufführung der »Four Sea Interludes«, die seither in den Kapellkonzerten 2006 unter Yannick Nézet-Séguin und 2012 unter Sir Colin Davis erklungen sind.
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Sofia Gubaidulina * 24. Oktober 1931 in Tschistopol (Tatarische Autonome Sowjetrepublik)
VERSTREBUNGEN Gubaidulinas »Fachwerk«
»Fachwerk« für Bajan, Schlagzeug und Streichorchester
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BESETZUNG
2009
Bajan, Schlagzeug und Streicher
WIDMUNG
Geir Draugsvoll, Professor für Akkordeon an der Königlichen Musikakademie Kopenhagen U R AU F F Ü H R U N G
13. November 2009 mit Geir Draugsvoll (Bajan), Anders Loguin (Schlagzeug) und der Amsterdam Sinfonietta unter Reinbert de Leeuw in Gent (Belgien)
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ca. 36 Minuten
ie gilt als lebende Legende der Neuen Musik und als wichtigste russische Komponistin der Gegenwart – Sofia Gubaidulina. Ihre Prägung als Komponistin erfährt sie in den Jahren des Kommunismus, als ihre Werke von den sowjetischen Funktio nären mehrheitlich verschwiegen werden. Unbeirrt geht sie ihren Weg und wird darin unter anderem von Dmitri Schostakowitsch bestärkt. Die Musik und ein tief verwurzelter Glaube geben ihr Zuflucht vor der Realität der Terror- und Kriegsjahre, in die sie hineingeboren wird: »Ich habe in diesen Jahren oft gebetet«, erinnert sie sich, »zu Hause, wenn ich allein war, im Wald … Und als ich einmal eine Sternschnuppe fallen sah, wünschte ich mir, Komponistin zu werden … So betete ich, dass Gott mir aus dieser ausweglosen Situation auf den Weg helfen solle. Aber wie – das wusste ich auch nicht.« Dabei kommt es zu einer Konstellation, die für ihr Schaffen beispielhaft wird: Die Verschränkung der Vertikalen, der Sternschnuppe als Symbol für eine göttliche Himmelserfahrung, mit der Horizontalen, ihrer irdischen Gebundenheit. Im Augenblick ihres Aufeinandertreffens kreuzen sie sich, symbolhaft dargestellt im Kreuz Jesu oder in Verstrebungen, die eine bestimmte Form zum Ausdruck bringen. Die Konstruktion eines Fachwerks steht stellvertretend für eine Ordnung, in der ein gegenseitiges Abstützen maßgeblich dazu beiträgt, dass überhaupt etwas entsteht. Der Titel ihrer Komposition »Fachwerk«, bemerkt Gubaidulina, könne unmittelbar auf ihre »Begeisterung für die architektonische Besonderheit von Fachwerkhäusern zurückgeführt werden. Dies ist ein hoch spezialisierter, einzigartiger Stil, bei dem die konstruktiven Elemente eines Gebäudes nicht hinter der Fassade versteckt sind, vielmehr offen gezeigt werden. Diese für die Statik unverzichtbaren Elemente, also Wandstreben, Fenster- und Türverbindungen und Balkendecken bilden verschiedene geometrische Muster
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und damit ein eigenes ästhetisches Phänomen. Und manchmal scheint hinter dieser Schönheit ein noch tieferes Phänomen durch, ein wesentliches, systeminternes Phänomen.« Das freigelegte Fachwerk macht den Bauplan sichtbar, dem es zugrunde liegt. Wesentliche Elemente sind der sogenannte Wilde Mann – eine Variante des Strebenkreuzes – und das Andreaskreuz mit zwei diagonal verlaufenden sich kreuzenden Balken. Der Name verweist auf den Apostel Andreas, der als Märtyrer an einem solchen Kreuz gestorben ist, nachdem er die Frau des Statthalters in Patras geheilt, bekehrt und sie zur ehelichen Enthaltsamkeit angehalten haben soll. Als Apostel Kleinasiens gilt er den Russen noch heute als Nationalheiliger, dessen Bedeutung für die orthodoxe Kirche vergleichbar ist mit der seines Bruders Petrus für die römisch-katholische Kirche. Auch hier wird eine Verschränkung von christlicher Symbolik und architektonischem Formsinn deutlich, in deren Fluchten sich Gubaidulina durchaus heimisch fühlt, wohnt sie doch seit ihrem Weggang aus Russland 1991 bald in Appen in der Nähe von Hamburg, wo Fachwerkbauten vielerorts das Stadtbild prägen. Man kann sich gut vorstellen, wie die Tragekonstruktion zusammengesetzt ist und das lateinische Verbum componere seine ureigene Bedeutung für ein solches Zusammenfügen zurückerlangt. Stück für Stück wird ein Formteil erarbeitet. Man wirkt fort, unterbricht, führt einen anderen aus, kehrt zum ersten zurück, setzt an und verfüllt nach und nach die Zwischenräume, beim Fachwerk Gefache genannt, die meist durchsetzt sind mit Holzgeflecht und Lehmbewurf – alles klassische Arbeiten eines Zimmermanns, dem obendrein eine besondere Funktion in der christlichen Heilslehre zukommt. Regelrecht zimmermannsmäßig werden die Holzteile miteinander verbunden, unter weitestmöglichem Verzicht auf metallische Verbindungsmittel wie Nägel oder Schrauben. Die Verstrebungen sind gefügt, geflochten. Aus dieser Bedeutung leitet sich auch die mittelhochdeutsche Bezeichnung »vach« für ›Flechtwerk‹ ab. Etymologisch ist ›Fach‹ auch mit ›fügen‹, ›Fuge‹ verwandt – ein Fach-Werk also, dass im weitesten Sinne gefügt ist.
Aspekte einer universalen Ordnung Damit deutet sich an, wie Gubaidulina ihr Werk (oder sollte man besser sagen Klanggebäude?) für Bajan, Schlagzeug und Streichorchester konstruiert: »Ich habe mir vorgestellt, dass man auch in der Musik etwas zeigen könnte, das an diesen Stil erinnert«, erläutert die Komponistin, »d. h. so zu komponieren, dass die Konstruktion eines bestimmten Instrumentes sichtbar gemacht und in etwas Ästhetisches umgewandelt wird.« Die Komponistin denkt dabei an den Bajan, eine in Russland weit verbreitete Form des Akkordeons mit speziellen Funktionen. In Russ-
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Reinheit des Ausdrucks: Sofia Gubaidulina
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land, wo Handzuginstrumente vor allem in den ländlichen Regionen eine lange Tradition haben, wird der Begriff Bajan hauptsächlich für Akkordeons mit einer fünf- oder sechsreihigen linken Tastatur und einer drei- oder fünfreihigen rechten Tastatur verwendet. Schnell steigt das Instrument in der Gunst der zeitgenössischen Komponisten. Man strebt nicht mehr danach, Orgel oder Klavier nachzuahmen, sondern erforscht das spezifisch Eigene der Tonfärbung. Das führt zu einer fast experimentellen Anwendung von Klangballungen, Zittertönen, Biegeund Ziehtönen sowie Schnauf- und Keuchgeräuschen. 1994 bekennt der Finne Magnus Lindberg: »Das außerordentlich große dynamische und klangliche Spektrum des Akkordeons, sein von der Beschaffenheit der Manuale herrührendes ›virtuoses Potential‹, seine harmonischen und polyphonen Möglichkeiten und die dem Bogen des Streichinstruments vergleichbaren Charakteristiken der Balgführung machen es für mich zu einem enorm faszinierenden Instrument.« Mauricio Kagel hebt die Mischung aus »Bauchorgel, Schoßharmonium und Kniemundharmonika« hervor und verwendet nicht zufällig Begriffe aus dem Bereich des menschlichen Körpers. Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino bewundert die dem Akkordeon innewohnende Kraft zum Atmen. Adriana Hölszky, die das Akkordeon als Blasinstrument mit Klangfarbenänderungen und Schwebungen gedehnter Töne erkundet, reizt hingegen »dieses Nervöse, dieser ständig vibrierende flatternde Klang«. Und Sofia Gubaidulina? Auch sie sorgt maßgeblich für die Verbreitung des Instruments in der Kunstmusik. In »Fachwerk« verfolgt sie einen kompositorischen Ansatz, der die Strukturen der Verstrebungstypen auf den Bajan zu übertragen versucht: »Ein Musikinstrument gibt es in der Tat, mit dem man diese Idee verwirklichen könnte. Es ist der Bajan, auf dem man die Tastatur aus dem melodischen in den akkordischen Modus umschalten kann.« Im Gegensatz zum Akkordeon hat der Bajan auf beiden Seiten Knöpfe und kann Basstöne auch nicht-akkordisch wiedergeben. »In dieser Struktur gibt es im Prinzip eine Dominante (die melodische Linie oben), eine Subdominante (die melodische Linie unten) und eine Tonika (Akkorde im Zentrum des Systems) – drei Aspekte, die das Wesen der universalen Ordnung bestimmen«, erläutert Gubaidulina und richtet den Blick wiederum auf die Bedeutung von Gliederungen. Ergänzend fügt sie hinzu: »In meiner Komposition für Bajan, Schlagzeug und Streicher habe ich versucht, diese Eigenschaft des Instruments in den kadenzierenden Momenten einer Variationsform aufzuzeigen. In einem der wichtigsten Abschnitte jedoch klingt die Akkordfolge der im Akkordmodus gespielten Klaviatur gleichzeitig mit ihrer melodischen Variante. Und hier könnte ich ohne Übertreibung sagen: Diesen Abschnitt hat das Instrument selbst komponiert.«
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»Verweilen der Seele im Geistigen« Zu Beginn agiert das Soloinstrument tonal, wenngleich akkordisch unverbunden, statisch, um zunächst ein Gleichgewicht der Kräfte herzustellen. Gubaidulina geht es um ein Austarieren im Sinne eines Vermessens, bevor die einzelnen Teile miteinander ›verfugt‹ werden. Später, wenn die Konturen eines Rohbaus sichtbar sind, macht der Bajan Einwürfe, die wie Verwitterungseinlagerungen ›klingen‹ – Zeugen aus einer anderen, keineswegs verstummten Zeit. »Das wichtigste Ziel eines Kunstwerkes«, sagt sie einmal, ist »die Verwandlung der Zeit. Der Mensch trägt diese andere Zeit – die Zeit des Verweilens der Seele im Geistigen – in sich. Doch kann sie verdrängt werden durch unser alltägliches Zeiterleben, in dem es keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern lediglich das Gleiten auf dem schmalen Grat einer sich unablässig bewegenden Gegenwart gibt. Die Aktivierung der anderen, essentiellen Zeit kann nur im Kunstwerk stattfinden.« Es ist die Ästhetik eines Erzeugnisses, das aus einer anderen Zeit stammt und dennoch präsent ist. Sein Anspruch auf Gegenwart gilt ungemindert, auch wenn es zeitentrückt scheint. Mitunter entwirft Gubaidulina Visionen eines Dies-irae-Szenarios, in dem das Gebaute zum Prüfstein des Gefügten wird – ein Wille zu Vernichtung, dem das Vorhandene jedoch stand hält und schließlich in einen »hoffnungsvollen Glockenklang mündet«, wie es der Musikkritiker Klaus Ackermann beschreibt. »Fachwerk«, das bereits dreißig Aufführungen weltweit erlebt hat, steht repräsentativ für Gubaidulinas Œuvre. Ihr Schaffen kennzeichnet ein fast vollständiges Fehlen von absoluter Musik. Auf geradezu selbstverständliche Weise reichen ihre Werke meist über das rein Musikalische hinaus – sei es ein Text, ein Ritual oder eine instrumentale Aktion. Unverändert gilt, was Gidon Kremer über die Welt von Gubaidulina gesagt hat, indem er auf die Beseeltheit ihrer Werke hinwies: Ihre Musik »wühlt nie in den uns umgebenden Geräuschen herum. Ihre Welt ›säubert‹ diese Geräusche und erhebt uns in andere Dimensionen.« Komponieren versteht Gubaidulina als einen fast schon ›vegetativen‹ Akt: »Es gibt Komponisten, die ihre Werke sehr bewusst bauen, ich zähle mich dagegen zu denen, die ihre Werke eher ›züchten‹« – und wendet den Blick schließlich ab von einer rein rationalen Bewältigung von Form und Materie: »Nicht konstruieren, nein, nicht konstruieren! Komponieren besteht nicht aus intellektueller Arbeit. Es ist das Hören überhaupt, was den einen Weg von dem anderen unterscheidet«, lautet ihr Credo. Fernab der Verstrebungen von Stoff und Zeit vermittelt sich das Geheimnis des Hörens darin, die gewohnten Verknüpfungen aufzuheben und sich neue Verbindungen der Intuition zu erschließen.
ANDRÉ PODSCHUN
8. SYMPHONIEKONZERT
Ralph Vaughan Williams * 12. Oktober 1872 in Down Ampney (Gloucestershire) † 26. August 1958 in London
NEUES AUS DEM GEISTE DER RENAISSANCE Vaughan Williams’ »Tallis-Fantasie«
Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis für doppeltes Streichorchester
R E N T S T EH U N G
BESETZUNG
1910 im Auftrag des englischen »Three Choirs Festival« über ein Thema von Thomas Tallis; 1913 und 1919 revidiert
mehrfach unterteiltes Streichorchester DAU ER
ca. 17 Minuten U R AU F F Ü H R U N G
am 6. September 1910 in der Kathedrale von Gloucester (London Symphony Orchest ra, Dirigent: Ralph Vaughan Williams)
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alph Vaughan Williams war ein ausgesprochener »Spätentwickler«: Sein Lehrer Henry Wood glaubte nicht daran, dass jemals ein Komponist aus ihm werden könnte, die Studienkollegen (ausgenommen sein Freund Gustav Holst) hielten ihn für hoffnungslos unbegabt, und auch er selbst beklagte noch Jahre später seine »amateurhafte Technik«. Noch 1908, als 36-Jähriger, ging er nach Paris, um einige Monate lang bei Maurice Ravel zu lernen. Dass sich Vaughan Williams während seiner Ausbildung nicht hervortun konnte, ist wohl aus einer gewissen Ratlosigkeit zu erklären: Seine Lehrer, neben Wood vor allem Hubert Parry und Charles Villiers Stanford, richteten sich noch stark an der deutschen Romantik aus; der junge Komponist spürte aber, dass diese ästhetische Orientierung in einer Zeit des sozialen und kulturellen Umschwungs keine Zukunft haben konnte. Erst allmählich wurde aus vagem Unbehagen eine künstlerische Vision: Die englische Musik konnte sich nicht durch Imitation fremder Modelle, sondern nur aus ihren eigenen Traditionen heraus erneuern. Volks- und Kunstmusik waren Vaughan Williams dabei gleich wichtig. Wie Kodály und Bartók einige Jahre später, sammelte auch er Volkslieder (insgesamt mehr als 800 Lieder und Varianten). Und als promovierter Musikwissenschaftler befasste er sich mit der Edition älterer englischer Musik, etwa von Henry Purcell. Diese musikwissenschaftlichen Aktivitäten wirkten sich auch auf sein kompositorisches Schaffen aus: Vaughan Williams erforschte die charakteristischen Intervalle, Konturen und Rhythmen der englischen Musik und schuf daraus einen eigenen Stil, der vom Publikum bald als persönlich und zugleich »typisch britisch« wahrgenommen wurde. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg dahin gelang ihm 1910. Als das
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»Three Choirs Festival« ihm in diesem Jahr einen Kompositionsauftrag erteilte, entschied er sich, dem Werk ein Thema des englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis (um 1505-1585) zugrunde zu legen. Mit der Melodie hatte er sich bereits 1906 zum ersten Mal befasst; für seine Neuausgabe des Kirchengesangbuchs »The English Hymnal« hatte er sie harmonisiert und ihr Joseph Addisons Hymnus »When rising from the bed of death« unterlegt. Nun bearbeitete er das Thema in Form einer »Fantasia« – so nannte man im England des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts eine Gattung von Instrumentalstücken, die sich aus den vokalen Motetten und Madrigalen entwickelt hatte. Eine solche Fantasia (auch »Fancy« genannt) gliederte sich in zahlreiche, deutlich voneinander getrennte Abschnitte, in denen eine imitatorische Behandlung der Themen überwog. Vaughan Williams gewinnt sein thematisches Material vor allem dadurch, dass er die Tallis-Melodie in ihre einzelnen Phrasen zerlegt. Diese verarbeitet er dann auf höchst mannigfaltige, fantasievolle Weise; die Bandbreite seiner Mittel reicht von blockhaft aneinander gereihten Akkorden bis hin zu dichtester Polyphonie. Eine wichtige Rolle für Struktur und Klang des Stücks spielt die Aufteilung des Orchesters. Es besteht nach der Vorgabe des Komponisten aus drei Gruppen unterschiedlicher Stärke, die getrennt voneinander aufzustellen sind: ein großes Streicherensemble, ein kleineres und schließlich ein Streichquartett (das von den Stimmführern des großen Ensembles übernommen wird). Mit dieser Bildung verschiedener »Chöre« greift Vaughan Williams auf historische Vorbilder zurück und schafft doch eine völlig eigenständige, originelle Komposition. Ähnliches gelingt ihm auch auf dem Gebiet der Harmonik: Tallis’ Melodie steht in einer der alten Kirchentonarten, nämlich der phrygischen, und Vaughan Williams entwickelte daraus für sein Werk eine konsequent modale (d. h. dur-moll-geprägte) Harmonik – ein damals unerhörtes Vorgehen. Nun musste zwar das System der Kirchentonarten in der Kunstmusik schon um 1600 dem modernen Dur-Moll-System weichen, doch in der Volksmusik der britischen Inseln ist es bis heute lebendig. Deshalb klang Vaughan Williams’ Musik in den Ohren seiner Zeitgenossen modern und vertraut zugleich. Oder, wie es der Musikkritiker Fuller Maitland nach der Uraufführung formulierte: »Von Anfang bis Ende ist man nie ganz sicher, ob man etwas ganz Altes oder etwas ganz Neues hört.«
JÜRGEN OSTM ANN
Am 17. / 18. Juni 1976 spielte die Staatskapelle die DDR-Erstaufführung der »Tallis-Fantasie«, Dirigent war der Amerikaner Lawrence Foster.
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Bedeutender britischer Symphoniker: Ralph Vaughan Williams (um 1920)
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IM SÜDEN
Edward Elgar * 2. Juni 1857 in Broadheath bei Worcester † 23. Februar 1934 in Worcester
»In the South« (Alassio) Konzertouvertüre für Orchester op. 50
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BESETZUNG
Winter 1903 / 04
3 Flöten (3. mit Piccolo), 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe und Streicher
WIDMUNG
Leo F. Schuster Musikliebhaber, Freund und Unterstützer von Elgar U R AU F F Ü H R U N G
16. März 1904 im Royal Opera House, Covent Garden, London mit dem Hallé Orchestra unter Leitung des Komponisten
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ca. 22 Minuten
Elgars »In the South«
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n Alassio, irgendwo an der Riviera di Ponente zwischen Genua und Nizza, wird Edward Elgar klar, was es heißt, wenn die Sphären sich berühren. Er befindet sich auf einem Spaziergang, das Wetter ist schlecht, als die Eingebung jäh dazwischen schlägt: »Wie ein Lichtblitz kam es über mich – die Bäche, die Blumen, die Hügel; die entfernten schneebedeckten Berge auf der einen Seite und auf der anderen das blaue Mittelmeer; das Aufeinandertreffen der Heere vor sehr langer Zeit an genau diesem Ort, wo ich nun stand; der Kontrast von Ruinen und Hirten – und dann, ganz plötzlich, war ich wieder in der Realität. In diesem Moment hatte ich die Ouvertüre komponiert. Ich musste sie nur noch aufschreiben.« Elgar zeichnet eine Stimmungslandschaft, die sich zu einem Seelengemälde weitet. Die Wechselspiele der Geschichte führen vor Augen, wie Generationen um Generationen die malerische Kulisse zu etwas geformt haben, was keineswegs abgeschlossen vorliegt. Der Faden der Erinnerung reicht in die Gegenwart. Er wird von jenen weiter gesponnen, die ihn bereitwillig aufnehmen. Und das sind nicht wenige. Ende des neunzehnten Jahrhunderts steigt Alassio zu einem besonders bei Engländern beliebten touristischen Zentrum auf. Die Familie Hanbury legt die botanischen Gärten bei Ventimiglia an. Man frönt der Landschaft und dem Klima. So auch die Elgars. Im Winter 1903 / 04 weilen sie an der ligurischen Küste und beziehen ihr Feriendomizil in einem Nachbarort von Alassio. Über die Anfänge der Ouvertüre fährt der Komponist fort: »Ich habe diese Musik an einem langen und wunderschönen Tag im Freien im Tal von Andora gewebt. Und sie versucht nicht, über jene Impression hinauszugehen.« Darin klingt die Freude über eine neu gewonnene Freiheit an, die schwer erarbeitet ist. Nach dem großen Erfolg seines Oratoriums »The Apostles« im Herbst 1903 kann sich Elgar einen ersten Urlaub leisten. Und ist dabei produktiv, Erfolg spornt an. Erste Skizzen zu einer geplanten Symphonie gehen über in ein Werk, das an die Tradition der Konzertouvertüre von Mendelssohn anknüpft. Es ist jene Anverwandlung in eine Gegend mit ihren Menschen, die zu einer schöpferischen Spannkraft führt. »Vielleicht meine eigenen Eindrücke und Gefühle – Romantik, wenn man so will – in angenehmer Umgebung und geistesverwandter Gesellschaft«, wie Elgar es nennt. Der Beginn der Ouvertüre entfesselt eine Flutwelle, die
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eine vitale Kraft in das Werk hineinträgt. Doch stammt das eröffnende Motiv der Hörner, Bratschen und Celli aus Elgars bereits 1898 skizzierten »Stimmungen von Dan«. Dan ist nichts anderes als die Bulldogge von G. R. Sinclair, dem Organisten der Hereford Cathedral, in dessen Gästebuch Elgar mehrere Entwürfe von Dans Späßen festgehalten hat. »Dan triumphiert nach einem Kampf!«, lautet das ursprüngliche Motiv, das seine Aufnahme schließlich in die Ouvertüre findet. Es verrät eine stilis tische Verwandtschaft zu Richard Strauss. Emphatischer Aufschwung, melodische Eleganz, harmonische Elastizität und dramatische Beweglichkeit – alles Schlagworte, die man gern mit dem bayerischen Komponisten verbindet – sind ebenso in Elgars Ouvertüre bestimmend. Mitunter scheint es, als ob die Silberklänge aus Strauss’ »Der Rosenkavalier« in den Violinen (hier ohne Celesta) hervorschimmerten oder die Hörner, Bratschen und Celli anfangs eine Variation auf das berühmte Eingangsthema des »Rosenkavalier«-Vorspiels anstimmten. In der lebhaften Szene schafft Elgar Überblendungen. Charakteristische Einwürfe der Hörner in den von Streichern getragenen melodischen Fluss erinnern neuerlich an Strauss’ Handschrift. Lyrische Einsprengsel und verbreiterte Auftakte, besonders in den ersten und zweiten Violinen, bilden eine Atmosphäre, die kantable Geschmeidigkeit mit überschäumendem Ideenreichtum koppelt. Italien steckt eben an. 1886 hatte das Land den 22-jährigen Strauss bereits zu einer umfangreichen symphonischen Fantasie angeregt, die schlicht den Titel »Aus Italien« trägt. Beide Komponisten verbindet viel, sie begegnen sich mehrmals. Strauss adelt Elgar 1902 gar zum »ersten Progressiven Englands«. Der zweite Abschnitt der Ouvertüre, bezeichnet mit »Moglio« (eine Ortschaft unweit von Alassio), ist deutlich ruhiger, gefolgt von zwei Zwischenspielen, deren erstes von Elgar als »römischer Abschnitt« bezeichnet wird: »Ein Klangbild der Kämpfe und Kriege, der Trommeln und Tritte späterer Zeiten«, wie der Komponist erläutert. Wenn später die Solobratsche ihren Auftritt inmitten der geteilten Streicher und Harfe hat, verweist Elgar auf »Harold en Italie« von Hector Berlioz – klingendes Psychogramm einer wandernden Seele in den Bergen des Apennin. Bei Berlioz verkörpert die Bratsche den einsamen Protagonisten. Bei Elgar wird sie zu einem Hirten, der leise sein Volkslied singt. Die Melodie dieser berückenden Serenade, auch bekannt als »Canto Popolare«, verwendet Elgar später für die Vertonung eines Gedichts von Shelley mit dem Titel »In Moonlight«. Der Komponist drückt damit eine Wertschätzung für dieses Stück klingender Ruhe aus, von dem eine friedliche Stimmung ausgeht. Doch endet die Ouvertüre in einer ausgelassenen Feier, hymnisch bündelnd, was die Flut der Einfälle dem Komponisten anfänglich beschert hatte. Führender Komponist des Empire: Edward Elgar
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ANDRÉ PODSCHUN
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8. Symphoniekonzert 2016 | 2017 Orchesterbesetzung
1. Violinen Roland Straumer / 1. Konzertmeister Thomas Meining Jörg Faßmann Michael Frenzel Jörg Kettmann Johanna Mittag Susanne Branny Barbara Meining Martina Groth Anett Baumann Roland Knauth Sae Shimabara Franz Schubert Michael Eckoldt Raffael Novák Ludovica Nardone
2. Violinen Reinhard Krauß / Konzertmeister Holger Grohs / Konzertmeister Matthias Meißner Stephan Drechsel Jens Metzner Olaf-Torsten Spies Alexander Ernst Robert Kusnyer Elisabeta Schürer Emanuel Held Kay Mitzscherling Martin Fraustadt Yukiko Inose Christian Dibbern*
Bratschen Sebastian Herberg / Solo Andreas Schreiber Michael Horwath Uwe Jahn Ulrich Milatz Zsuzsanna Schmidt-Antal Susanne Neuhaus Luke Turrell Yi-Te Yang Veronika Lauer Christina Voigt** Raimund Eckertz*
Violoncelli Friedwart Christian Dittmann / Solo Tom Höhnerbach Uwe Kroggel Volkmar Weiche* Johann-Christoph Schulze Jörg Hassenrück Anke Heyn Matthias Wilde Aleisha Verner Fernando García-Baró Huarte**
Kontrabässe Viktor Osokin / Solo Martin Knauer Helmut Branny Christoph Bechstein Fred Weiche Thomas Grosche Johannes Nalepa You Young Lee
Flöten Andreas Kißling / Solo Eszter Simon** Carla Velasco*
Oboen Sebastian Römisch / Solo Andreas Lorenz Volker Hanemann
Klarinetten Wolfram Große / Solo Jan Seifert Martin Möhler**
Fagotte Philipp Zeller / Solo Erik Reike Andreas Börtitz
Posaunen Nicolas Naudot / Solo Frank van Nooy Jonathan Nuss**
Tuba Hans-Werner Liemen / Solo
Pauken Manuel Westermann / Solo
Schlagzeug Bernhard Schmidt Jürgen May Stefan Seidl
Harfe Isabel Goller**
Hörner Robert Langbein / Solo Andreas Langosch Manfred Riedl Miho Hibino
Trompeten Helmut Fuchs / Solo Gerd Graner Johannes Häusle**
* als Gast ** als Akademist / in
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Vorschau
international
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Freunde
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engagement begeistern
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gewinnen Staatskapelle
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Gesellschaft
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hautnah
Außerordentlicher Kammerabend Porträtkonzert der Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina S A M S TAG 4 . 3.17 17 U H R S CH LO S S K A P EL L E D E S D R E S D N ER R E S I D E N Z S C H LO S S E S
Musiker der Sächsischen Staatskapelle Dresden Geir Draugsvoll Bajan Andrej Kasik Klavier Michael Schöch Klavier Werke von Sofia Gubaidulina, Dmitri Schostakowitsch, Johann Sebastian Bach, Anton Webern und Viktor Suslin
7. Kammerabend S O N N TAG 2 6 . 3.17 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N
GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N E . V. KÖNIGSTRASSE 1 01097 DRESDEN | GERMANY I N F O @ G F S K D D . D E | W W W. G F S K D D . D E
Wir freuen uns auf Sie! Come and join us!
Ensemble Bento Paul Rivinius Klavier Sabine Kittel Flöte Anke Heyn Violoncello Philippe Gaubert »Pièce romantique« für Flöte, Violoncello und Klavier Jean Françaix Trio für Flöte, Violoncello und Klavier Felix Mendelssohn Bartholdy Trio c-Moll op. 66 für Klavier, Violine (Flöte) und Violoncello
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IMPRESSUM
Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2016 | 2017 H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © März 2017 R E DA K T I O N
André Podschun G E S TA LT U N G U N D L AYO U T
schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK
Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB
Maria Grätzel Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung André Podschun Programmheftredaktion, Konzerteinführungen Matthias Claudi PR und Marketing Friederike Lochow Assistentin des Orchesterdirektors
EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351 / 25 00 670 e-Mail:
[email protected] www.kulturwerbung-dresden.de
Elisabeth Roeder von Diersburg Orchesterdisponentin
T E X T N AC H W E I S E
Steffen Tietz Golo Leuschke Wolfgang Preiß Robert Mühle Orchesterwarte
Die Einführungstexte von Tobias Niederschlag, Jürgen Ostmann und André Podschun sind Originalbeiträge für die Programmhefte der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Das Zitat von Benjamin Britten auf S. 13: Norbert Abels, Benjamin Britten, Reinbek bei Hamburg 2008. B I L D N AC H W E I S E
Matthias Creutziger (S. 5); privat (S. 6); Bruno Caflisch (S. 9); Archiv der Sächsischen Staatstheater (S. 12 und 23); Priska Ketterer (S. 17); Jerrold Northrop Moore, Elgar. A Life in Photographs, London 1972 (S. 26)
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E
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Christian Thielemann Chefdirigent
Staatskapelle li e
Matthias Gries Orchesterinspizient
Agnes Thiel Dieter Rettig Vincent Marbach Notenbibliothek
W W W.FACEB O O K .CO M / STA AT SK A PELLE.D R E SD EN