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Abschlussbericht
Die Idee und meine daraus entstandene Motivation ein akademisches Praktikum außerhalb des deutschsprachigen Raumes zu absolvieren, resultierte aus meiner Erfahrung welche ich in meinem ERASMUS Jahr am University College Dublin (UCD) gesammelt habe. So schien es mir, dass gerade der geisteswissenschaftliche Diskurs welcher - im Gegensatz zur Naturwissenschaft - nicht in erster Linie auf empirisch messbaren Daten beruht davon lebt, unterschiedliche Meinungen und verschiedene Vorgehensweisen zu erlernen, um von einem neuen Blickwinkel aus den Forschungsgegenstand zu betrachten. Die Disziplin der Ethnomusikologie wird gerade im deutschsprachigen Raum weitgehend vernachlässigt. Dank meiner Erfahrungen in Irland konnte ich daher musikwissenschaftliche Fragen auf diesem Gebiet durch andere Ansätze und Methoden angehen. Ein wissenschaftliches Praktikum als Assistent an einem Forschungsprojekt schien mir perfekt zu sein, um die gelernte Theorie in der Praxis anzuwenden. Auf Anfrage habe ich daher verschiedene Dozenten an unterschiedlichen Universitäten in Großbritannien und Irland kontaktiert. Zu meiner Verwunderung habe ich durchgehend positive Rückmeldungen bekommen, die mein Vorhaben unterstützten. Meine Entscheidung mit Dr. Jaime Jones (UCD) an Dublins Underground Music Scene zu forschen, traf ich, weil ich mich bereits in meinem Abschlussprojekt in dem Modul Methods of Ethnomusicology dem Thema gewidmet hatte. Die
durch
die
Feldforschung,
eine
fundamentale Methode
der
Ethnomusikologie,
gesammelten Grundkenntnisse dienten als Fundament für mein Praktikum, auf dem ich weiter aufbauen konnte. Nicht nur im Hinblick auf eine fachliche Vertiefung, sondern um durch die Ethnomusikologie einen genaueren Blick in die irische (Musik-)Kultur und vor allem in die spezifisch urbane Subkultur zu erhaschen, haben sich meine Erwartungen weitgehend erfüllt. Meine Motivation und Erwartungen an ein ethnomusikologisches Praktikum in Dublin lässt sich treffend durch ein Zitat von Frank Zappa beschreiben: „the mainstream comes to you, but you have to go to the underground“. Dank der Assistenz an Dr. Jones Projekt über Dublins Underground Music Scene, konnte ich also direkt mit einer musikalischen Vielfalt in Berührung kommen, welche sich einem internationalen, kommerziellen Marketing entzieht. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Auseinandersetzung mit einer regional bedingten Subkultur bedeutet, sich auch den Themen und Problemen einer Generation zu widmen, welche durch die Musik ausgedrückt werden. Dies bedeutet, dass ich nicht nur in der Lage war, meine theoretischen Grundlagen in die Praxis umzusetzen, sondern auch die Möglichkeit
nutzte um eine Kultur besser und tiefgründiger kennenzulernen. Vielleicht kann ich nun behaupten, dass ich jetzt in der Lage bin diese an mancher Stelle zu verstehen. Mein einjähriges ERASMUS Studium in Dublin war darüber hinaus eine sprachliche, sowie fachliche als auch eine
kulturelle Vorbereitung für mein Praktikum. Wie bereits erwähnt,
konnte ich meine theoretischen Kenntnisse, welche ich in meinem Auslandsstudium gesammelt hatte, nun endlich praktisch umsetzen. Meine Tätigkeiten lassen sich grob in zwei Bereiche einteilen: Erstens meine Arbeit an dem Forschungsprojekt Dublins Underground Music Scene in dem ich direkt ethnomusikologische Methoden anwenden konnte und zweitens nebensächliche Aufgaben, wobei es sich in erster Linie um organisatorische Aufgaben für die School of Music (UCD) handelte. Um mit der Materie des Projekts besser vertraut zu werden, musste ich zunächst einige Texte lesen welche mir an die Hand gegeben wurden. Außerdem habe ich damit begonnen, eine Übersicht anzulegen, in der ich den Großteil irischer Untergrund Bands aufgelistet habe, welche in der Dubliner Szene involviert sind. Dabei entstand ein Katalog von über 190 Bands der sämtliche relevanten Informationen enthält: Gründung und falls vorhanden der Zeitpunkt der Auflösung, die Namen der Mitglieder, veröffentlichte Alben, Labels und Weblinks. In einem zweiten Schritt musste ich die Informationen des Band-Katalogs herunterbrechen um eine feinkörnige Datenbank zu erstellen, da Überschneidungen nicht ersichtlich waren. In dieser wurden nun Verknüpfungen zwischen Bands-Labels, Mitgliedern-Bands, LabelsMitgliedern herausgearbeitet. Daraus konnte geschlossen werden, wie die Szene aufgespannt wird d.h. welche Labels einen höheren Einfluss auf die Dubliner Szene haben, welche Bands und welche Musiker eine höhere Präsenz aufweisen. Sowohl der Katalog als auch die Datenbank bilden eine Art tabellarische Landkarte der Untergrund Musikszene Dublins. Der Datensatz dient also sowohl dem Überblick als auch der Orientierung, um konkretere Nachforschungen zu betreiben. In einem dritten Schritt, habe ich die dreizehn wichtigsten Künstler herausgenommen um detailreiche Künstlerprofile zu erstellen, in denen alle auffindbaren Zeitungs-, Blog-Artikel und Auftritte in online Sendungen aufgelistet wurden. Durch die Aufnahme solcher Taste-Maker in den Datensatz wurde eine weitere Ebene der Szene genauer unter die Lupe genommen. Freie Blogger, Redakteure und Journalisten aus online Sendungen wie beispielsweise The Parlour oder Community of Indipendents stellen neue und alte Bands vor und sind neben live Auftritten ausschlaggebend dafür, ob sich Musiker in der Szene etablieren können oder nicht. Da die Sendung Community of Indipendents 2015 auslief, sich jedoch durchaus einer hohen Beliebtheit erfreute, war es
wichtig die Struktur und ihre Inhalte zumindest der letzten Staffel genauer herauszuarbeiten, um das in gewisser Weise historisch werdende Material zu archivieren. Neben dieser etwas langwierigen und manchmal monotonen Recherche konnte ich dank der Analyse zweier Musikvideos wesentlich mehr Eigenleistung und Kreativität aufbringen als in meinen übrigen Tätigkeiten. Die Analyse basiert auf einem bereits veröffentlichten Paper von Dr. Jones mit dem Titel Beyond Interlocutors: Ethnography and Self-Curating Musical Communities, in dem sie das ästhetische Ideal definiert, welches in den Musik-Videos von Séan Treacy und Dave Knox angestrebt wird. Hierfür habe ich zwei konträre Musikstücke ausgewählt, welche sich durch Besetzung, Instrumentierung, Tempo und Tonart unterscheiden. Beide Stücke erhalten so ihren jeweiligen Charakter. Die Analyse sollte zeigen, inwieweit Bild und Musik korreliert sind wobei man zwischen dem Filmprozess selbst und der Nachbearbeitung im Studio unterscheiden muss. Bei dem ersten Stück handelt es sich um ‚Thieves‘, geschrieben und aufgeführt durch die Interpretin Katie Kim in der online Sendung The Parlour. Die im Sekundentakt hämmernden Akkorde und die sich darüber entfaltende, durch blue notes angereicherte gesungene Melodie, gibt dem Song seinen melancholischen Charakter. Das zweite Stück der Band I Heart The Monter Club mit dem Titel ‚Too Bad About Windom Earle’ ist wesentlich schneller und wirkt durch seine volle Bandbesetzung merklich schwungvoller als das melancholische Stück von Katie Kim. Ebenso wie das erste ist auch das zweite Stück live aufgenommen worden. Zur Analyse musste ich zunächst beide Stücke transkribieren um eine Partitur zur Hand zu haben, um im nächsten Schritt Kamerawechsel markieren zu können. Als nächstes arbeitete ich eine grafische Übersicht der Kamerawechsel in Relation zur Echtzeit aus. Eine Grafik entstand, in welcher die verschiedenen Schnitte in Relation zur musikalischen Zeit und zur Echtzeit dargestellt werden konnten. Die Auswertung ergab, dass der Prozess des Zusammenschneidens, welcher nach den Aufnahmen in einem Studio erfolgt, höchst korreliert ist zur Zähl-Zeit, zu Harmoniewechseln oder auch zum Einsatz anderer Instrumente. Im Fall von Too Bad About Windom Earle wurde deutlich, dass beide Kameramänner besonders auf Solo-Passagen einzelner Instrumente fokussiert sind, um das musikalische Geschehen auch im Bild einzufangen. Darüber hinaus repräsentiert eine feinkörnige Analyse, inwieweit sowohl Bewegungen als auch die Schärfung des Bildes, oder kurz das Verhalten der Kameramänner während des Filmens mit der Musik korreliert ist. Dr. Jones Theorie zu einem unbewussten musikalischen Sein in der Szene, neben einem bewussten musikalischen Ausdruck beispielsweise zu tanzen oder zu musizieren - konnte dadurch überprüft und bestätigt werden.
Eine weitere Tätigkeit in Verbindung mit The Dublin Underground war das Transkribieren zweier Interviews, welche von Dr. Jones aufgenommen worden waren. Diesen habe ich mich in erster Linie dann gewidmet, wenn ich weniger ausgelastet war. Dadurch konnte ich meinen Arbeitstag stets füllen. Meinem gesamten Praktikum kam zugute, dass ich in der ersten Woche ein instruktives Handout bekommen habe, in dem alle meine Aufgaben aufgelistet waren. In diesem Leitfaden wurde mir mein Aufgabenbereich kurz beschrieben, worauf ich durch weitere persönliche Überlegungen aufbauen konnte. Diese Freiheit hat mir ermöglicht, kreative und vor allem selbständige Entscheidungen zu treffen wovon in erster Linie die Ergebnisse der Projektarbeit profitierten. Auch meine persönliche Erfahrung im Praktikum hat von dieser Selbständigkeit profitiert, da meine Überlegungen, Ergebnisse und Anmerkungen merklich stets ernst genommen wurden und in wöchentlichen Meetings besonders konstruktiv mit meiner Betreuerin besprochen werden konnten. Da mir jederzeit das Gefühl vermittelt wurde, ein ernst zunehmender Mitarbeiter zu sein, konnte ich zunehmend selbstbewusst handeln, um eine Steigerung meiner Kreativität und ein dadurch über mich Hinauswachsen zu erfahren. Dank meines Auslandstudiums hatte ich bereits einen bestehenden Freundeskreis in Dublin. Aufgrund der äußerst schwierigen Wohnungssituation in der irischen Hauptstadt konnte ich fünf Wochen bei der Familie eines Freundes verbringen. Für die restliche Zeit bot sich mir die Möglichkeit in eine WG einzuziehen, die mir ebenso durch Freunde vermittelt wurde. Dank irischer Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit wurden die zwei Monate auch zu einer sehr persönlichen Erfahrung. Schnell habe ich mich bei meiner Gastfamilie eingelebt und ebenso dauerte es nicht lange bis ich integriert war. Wundervolle Gespräche bei einem Pint oder kleine musikalische Auftritte von alten Bekannten haben mir wieder die unkomplizierte Mentalität näher gebracht, welche in den gemütlichen Pubs auf einen wartet. Auch das kulturelle Angebot Dublins, welches nicht besonders groß ist aber durchaus einen hohen Anspruch besitzt, habe ich gerne genutzt. Gerade für Studenten sind Theaterbesuche oder ein Konzert in der National Concert Hall äußerst erschwinglich und Kinofilme im Irish Film Institute (IFI) seien demjenigen an die Hand gelegt, der dem kommerziellen und monotonen Programm in gängigen Kinos entfliehen möchte. Mein
Englisch
hat
sich
merklich
verbessert.
Nicht
nur
der
Umgang
mit
musikwissenschaftlichen Fachtermini und mein Verständnis für akademisches Englisch wurden geschärft, sondern auch mein Gespür für umgangssprachliche und landestypische Eigenheiten. Selbst der überaus starke und harsche Irische Akzent hat mir gegen Ende keine Probleme mehr bereitet.
Ein akademisches Auslandspraktikum sei jedem zu empfehlen, der von einem neuen Blickwinkel aus seinen jeweiligen Fachbereich betrachten möchte. Die gesammelten Erfahrungen öffnen gedankliche Türen um neue Ideen zu entwickeln. Gerade durch den kulturellen Austausch kann gerade die Geisteswissenschaft nur profitieren aber auch die persönliche Entwicklung jedes einzelnen. Es ist jedoch wichtig, eigene Initiative zu zeigen. Besitzt man diese, öffnen sich viele Wege. Das Praktikum hat mich akademisch bestärkt und gezeigt, dass ich mich auf einem guten Weg befinde. Alte Zweifel, ob meine Entscheidung Musikwissenschaft zu studieren wirklich die richtig gewesen ist, haben sich gänzlich verflüchtigt. Gestärkt, motiviert und selbstbewusst beginne ich nun das neue Semester zurück in München. Das Praktikum hat mir einen Zwischenstand meiner eigenen Fähigkeiten gegeben, der zwar positiv ist aber auch ein Hinweis darauf gibt, dass es ich noch viel zu lernen habe.