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Affektive Störung - Universitätsklinikum Des Saarlandes

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Affektive Störungen ICD-10 (F3) Petra Heidkamp Klinik für Kinder- u. Jugendpsychiatrie, Psychosomatik u. Psychotherapie Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg 1 Einleitung Affectus (lat.)= Stimmung, krankhafter Gemütszustand, Leidenschaft, Begierde Bleuler (1943): „Gesamtheit des emotionalen Geschehens“ Stimmung: subjektiv wahrgenommene Gefühlszustände, die sich zwischen den Polen Lust u. Unlust, Trauer u. Freude, Angst u. Jubel, Liebe u. Hass, Wut u. Gleichgültigkeit ansiedeln lassen 2 Definition (ICD-10) Gruppe von Störungen, deren Hauptsymptom die krankhafte Veränderung der Stimmungslage ist Störungen tendieren zu wiederholtem Auftreten Klassifikation gemäß ICD-10 gilt für alle Altersgruppen 3 Klassifikation (ICD-10) F F F F F 30 Manische Episode 31 Bipolare affektive Störung 32 Depressive Episode 33 Rezidivierende depressive Störung 34 Anhaltende affektive Störung F 34.0 Zyklothymia F 34.1 Dysthymia 4 Klassifikation (ICD-10) Weitere relevante Diagnosen: F 43.20-.23 Anpassungsstörungen F 92.0 SSV mit depressiver Störung F 41.2 Angst und depressive Störung, gemischt 5 Definition u. Klassifikation der Depression deprimere (lat.)= niederdrücken Begriff der Depression findet sowohl in der Alltagssprache als auch in der Terminologie der Psychiatrie Verwendung Kielholz (1966): Einteilung der Depression nach ätiologischen Gesichtspunkten in endogen, psychogen u. somatogen in der ICD-10 und DSM-5 kategoriale Einteilung nach Schweregrad 6 Definition u. Klassifikation der Depression Im ICD-10 wird zwischen den Ausprägungsgraden der Symptomatik unterschieden (leicht, mittelgradig, schwer oder rezidivierende depressive Störung, evtl. mit psychotischen Symptomen) Episoden (aller drei Schweregrade)= ab einer Dauer von zwei Wochen Rezidiv= mind. zweimonatiges beschwerdefreies Intervall Depressive Störungen können sicher ab dem Alter von drei Jahren diagnostiziert werden (Luby u. Belden 2006) 7 Depressive Störungen im DSM-5 gemeinsames Merkmal: traurige o. reizbare Stimmung o. Gefühl der Leere, begleitend von somatischen o. kognitiven Veränderungen Unterschiede bzgl. Dauer, zeitliches Auftreten und Ätiologie Störungsdiagnosen: Disruptive Affektregulationsstörung (bis 12. Lj) Major Depression (einzelne Episoden von min. 2 Wochen) Persistierende Depressive Störung (Dysthymie) Prämenstruelle Dysphorische Störung Substanz-/Medikamenteninduzierte Depressive Störung Depressive Störung aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors Andere näher bezeichnete Depressive Störung n.n.b. Depressive Störung 8 Diagnostische Kriterien 9 Epidemiologie Lebenszeitprävalenz depressiver Störungen: 10-20% Altersgruppe 9-17 Jahre: 6%; in 4,9% major depression Prävalenzraten USA: 2,1% im Vorschulalter, 2,8% der Schulkinder, 5,6% der Jugendlichen Prävalenz steigt ab dem 12.Lj deutlich an ab Jugendalter weibliche Geschlecht häufiger (2:1) 10 Depressive Störungen bei Kindern u. Jugendlichen 11 Klinik Kleinkind (1-3 J.): eher somatische Symptome, wie Appetit-, Schlaf-, Gedeih- u. Entwicklungsstörungen o. Bauchschmerzen; cave: Diagnose aber erst ab dem Alter von 3 Jahren Vorschulkind (4-6 J.): reduzierte Psychomotorik, Lustlosigkeit, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit u. Aggressivität spezifischte Symptom: Anhedonie sensibelste Symptom (bei 98%): Traurigkeit/ Irritabilität 12 Klinik Schulkind (7-12 J.): Selbstbericht über Traurigkeit, Schuldideen, Versagensängste, sozialer Rückzug, erste suizidale Gedanken Jugendalter (13-18 J.): Leistungsprobleme, sozialer Rückzug, Antriebs- u. Interessenverlust, Zukunftsängste, Selbstwertprobleme, Suizidalität 13 Komorbidität Angststörungen (bis zu 75%) Störungen des SSV (bis zu 50%) Substanzmissbrauch u./o. Aggressivität (25%) Essstörungen Zwangsstörungen 14 Komorbidität Vorschulkinder: hohe Komorbiditätsraten mit externalisierenden Störungen (Luby et al., 2003): 42% ADHS 62% ODD 41% ADHS+ODD 28% Angststörung gleichzeitige Auftreten von einer depressiven u. einer externalisierenden Störung (ADHS u./o. ODD) keine Verschlechterung der Symptomatik 15 Ätiologie u. Pathogenese Ursachen ungenügend geklärt biologische und psychosoziale Modelle biologische Modelle: neuroendokrine, biochemische u. genetische Hypothesen 16 Ätiologie u. Pathogenese Genetische Faktoren: Risiko steigt mit zunehmendem Verwandtschaftsgrad, bei zwei erkrankten Elternteilen bis 50% höhere Konkordanzraten bei eineiigen Zwillingen (40% für eineiige und 14% für zweieiige Zwillingspaare) Polymorphismus (Gen-Variante) des Serotonintranspoter-Gens Gen-Umwelt-Interaktion 17 Ätiologie u. Pathogenese Neurotransmission: Dysregulations- und Dysbalancemodelle: Überwiegen der cholinergen Aktivität gegenüber noradrenerger und serotoninerger Grundlage der depressiven Affektlage Neuroendokrine Faktoren: Störungen der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse mit erhöhter Cortisolsekretion 18 Ätiologie u. Pathogenese Psychosoziale Modelle: Psychoanalytische Theorie: Depression als eine gegen das Selbst introjizierte Aggression in Reaktion auf Liebesverlust oder Trennung Verhaltentheoretisches Modell: Depression als Mangel an positiver Verstärkung oder sozialen Fertigkeiten Kognitionspsychologische Ansätze: Modell der gelernten Hilflosigkeit u. der kognitiven Verzerrung 19 Ätiologie u. Pathogenese jeder Mensch ist zu depressiven Reaktionen in der Lage, intraindividuelle Unterschiede liegen in der Vulnerabilität Hypothese der „biologischen Narbe“, z.B. Verlusterlebnisse, Traumata, und pathologische Beziehungs- und Erlebensmuster führen zu neuronalen Netzwerken; diese bilden das anatomische und neuroendokrinologische Profil d.h. Ausgangspunkt für die Genese depressiver Störungen sind einerseits eine genetisch determinierte Vulnerabilität, andererseits defizitäre Erlebnisse bzw. Umstände im psychosozialen Bereich 20 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression Prädisponierende Faktoren: Biologische Faktoren: genetische Vulnerabilität, körperliche Erkrankungen Psychologische Faktoren: schwieriges Temperament, niedriger Selbstwert Familiäre Faktoren: psychische Störungen der Eltern, Disharmonie, Bindungsdefizit, defizitäre Erziehungsstile Lebensgeschichte: Verlust- u. Trennungserfahrungen, Missbrauch Auslösende Faktoren: Verlust- u. Trennungserfahrungen, Missbrauch, Mobbing, Krankheit, Leistungsversagen, Trauma 21 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression Aufrechterhaltende Faktoren: Biologische Faktoren: Neurotransmitterstörung, Dysregulation des endokrinen Systems, Dysregulation des Immunsystems Psychologische Faktoren: negative Kognitionen, Defizite an Sozialkompetenz u. Bewältigungsstrategien Familiäre Faktoren: psychische Störungen der Eltern, Disharmonie, Bindungsdefizit, defizitäre Erziehungsstile, Vernachlässigung 22 Diagnose u. Differenzialdiagnostik Eigenanamnese: Entwicklung der Symptome, Symptommanifestation (saisonal, zyklisch), Erstmanifestation vs. Rezidiv, lebensgeschichtlicher Kontext, körperliche Krankheiten Familienanamnese: affektive Störungen, andere psychische Störungen, Familiensituation Psychopathologischer Befund Körperliche Untersuchung (EEG, ggf. Labor) Testpsychologische Untersuchung Diagnostische Klassifikation gemäß ICD-10 DD: Angststörungen, emotionale Störungen, Ausschluss somatogene o. pharmakogene Genese 23 Verlauf u. Prognose Im Kindes- u. Jugendalter bisher nur begrenzte Erfahrungen: Anpassungsstörungen mit depressiver Stimmung insgesamt günstige Prognose Major Depression: ein Jahr nach Behandlungsbeginn 70-80% geheilt, 10% haben eine anhaltende Depression Persistenz der Depression korreliert mit Schweregrad zu Beginn, einer komorbiden Zwangsstörung, anhaltenden belastenden Lebensereignissen, psychoendokrinen Fehlfunktionen in 40-80% kommt es zu Rückfällen innerhalb von 2 Monaten nach Remission, bei 50% innerhalb von 3-5 Jahren die Dysthymie hat einen Verlauf von 3-4 Jahren, mit hoher psychiatrischer und psychosozialer Morbidität, erhöhtes Risiko für Major Depression schwere depressive Störungen: erhöhtes Risiko für Suizidalität, Suizid, Substanzmissbrauch 24 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) Leitlinie bezieht sich auf Kinder u. Jugendliche im Alter von 3-18 Jahren mit depressiven Störungen gemäß den ICD-10 Kriterien (F32;F33;F34.1;F92.0) Zunächst eingehende Diagnostik u. Klassifikation nach den Kriterien des ICD-10 durch dafür ausgebildetes Fachpersonal. 1. Empfehlung: Aktiv abwartende Maßnahmen/Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit bei leichten depressiven Störungen ohne Komorbidität, ohne Risikofaktoren, ohne familiäre Vorbelastungen oder Warnsignale für einen Rückfall über einen Zeitraum von 6-8 Wochen Nachkontrolle nach 2 Wochen 25 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 2. Empfehlung: Ambulante Behandlung In der Regel erfolgt die Behandlung depressiver Störungen bei Kindern u. Jugendlichen ambulant. Voraussetzung: angemessenes psychosoziales Funktionsniveau. 3. Empfehlung: Stationäre und teilstationäre Behandlung Kriterien für eine stationäre Behandlung: Suizidalität verbunden mit fehlender Absprachefähigkeit erheblicher Mangel an Ressourcen o. erhebliche aktuelle abnorme psychosoziale Belastungen erhebliche Funktionseinschränkungen Eine teilstationäre Behandlung ist unter Berücksichtigung des Schweregrades der Störung, der Ressourcen des familiären und sozialen Umfeldes sowie der regionalen Versorgungskapazitäten zu prüfen u. ggf. zu empfehlen. 26 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 4. Empfehlung: Behandlung der ersten Wahl für Kinder u. Jugendliche ab 8 Jahren kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder interpersonelle Psychotherapie bei leichter bis mittelgradiger Depression zunächst Psychotherapie bei schwerer Depression Kombination aus KVT und Fluoxetin bei Pharmakotherapie Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen beobachten und empfohlene Kontrolluntersuchungen durchführen 5. Empfehlung: Alternativen zu Behandlung der ersten Wahl wenn bei älteren Kindern u. Jugendlichen kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder interpersonelle Psychotherapie nicht möglich o. nicht gewünscht ist, sollte eine psychodynamische o. systemische Psychotherapie empfohlen werden wenn die Gabe von Fluoxetin nicht möglich ist o. nicht gewünscht ist, sollten die Medikamente Escitalopram, Citalopram o. Sertralin empfohlen werden 27 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 6. Empfehlung: Trizyklische Antidepressiva (TZA): Sollten bei Kindern u. Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden. 7. Empfehlung: Paroxetin, Venlafaxin u. Mirtazapin Sollten bei Kindern u. Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden. 8. Empfehlung: Moclobemid (MAOI) Sollte bei Kindern u. Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden. 9. Empfehlung: Elektrokonvulsionstherapie (EKT) bei Kindern nicht empfohlen evtl. bei Jugendlichen mit sehr schweren Formen der Depressionen, bei denen die anderen empfohlenen Therapien keine Wirkung gezeigt haben 28 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) Behandlungsansätze mit unzureichender Evidenz Gesprächspsychotherapie, künstlerische Therapien (Kunst- u. Musiktherapie), Ergotherapie, Maßnahmen der Jugendhilfe, repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), Vagusnervstimulation, Schlafdeprivation/Wachtherapie, Massagen Für diese Methoden liegt bisher keine ausreichende Evidenz vor, daher kann keine Empfehlung für oder gegen diese Ansätze ausgesprochen werden. Gegen den Einsatz von Johanniskraut und Agomelatin sprechen mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen. 29 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 10. Empfehlung: Überprüfung des Therapieerfolgs zu Beginn der Behandlung sollten Zielkriterien der Therapie festlegt werden regelmäßige Überprüfung des Therapieerfolges: frühestens nach 4 Wochen durch die Patienten (z.B. DTK), ihre Bezugspersonen (z.B. FBB-DES) u. die Behandelnden (z.B. Kinder-DIPS) wenn nach 12 Wochen keine klinisch bedeutsame Verbesserung bzw. bei Pharmakotherapie nach 4 Wochen keine Response, kann Veränderung der Behandlungsmodalitäten vorgenommen werden 11. Empfehlung: Vorgehen nach einem gescheiterten ersten Behandlungsversuch Nach einem gescheiterten Behandlungsversuch können Kinder u. Jugendliche eine bisher nicht verwendete Form der Psychotherapie oder ein bisher nicht verwendetes Medikament (Fluoxetin, Escitalopram, Citalopram o. Sertralin) oder eine bisher nicht eingesetzte Kombinationstherapie erhalten; ggf. Wechsel des Behandlungssettings 30 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 12. Empfehlung: Fortsetzung der Behandlung nach einer Erholung (d.h. mind. 2 Monate ohne klinisch relevante Symptome) sollte eine medikamentöse Behandlung für mind. 6 weitere Monate fortgesetzt werden nach einer Erholung von mind. 6 Monaten Dauer kann bei einer Erstmanifestation einer depressiven Störung das Absetzen der Pharmakotherapie erwogen werden regelmäßige kinder- u. jugendpsychiatrische Überprüfung des Therapieerfolges bei älteren Jugendlichen mit einer rezidivierenden depressiven Störung sollte die nationale Versorgungsleitlinie für Erwachsene mit unipolarer Depression angewendet werden 13. Empfehlung: Abschluss der Behandlung Kinder u. Jugendliche in Erholung für mind. 12 Monate regelmäßige Wiedervorstellungen anbieten bei erhöhtem Risiko für ein Rezidiv für mind. 24 Monate regelmäßige Wiedervorstellungen 31 Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern u. Jugendlichen (S3-Leitlinie, Stand: 01.07.13) 14. Empfehlung: Prävention von Rückfällen und Rezidiven über Rückfall- u. Rezidivrisiko aufklären Lösungsstrategien entwickeln, um Rückfälle u. Rezidive verhindern Bezugspersonen sollten über mögliche Hilfen informiert werden 32 Definition/Klassifikation: Manie und Bipolare Störungen Manie (Kraepelin, 1883): „Eine abnorme Erleichterung des Vorstellungsverlaufes und die Umsetzung zentraler Erregungszustände in Handlungen.“ Bleuler (1943): „Die manische Verstimmung besteht in übertriebenem Frohgemut. Diese Euphorie schlägt aber schnell in Zorn und Wut um.“ 33 Definition/Klassifikation: Manie und Bipolare Störungen F30 manische Episode: F30.0 Hypomanie F30.1 Manie ohne psychotische Symptome F30.2 Manie mit psychotischen Symptomen ICD 10 fordert als gemeinsames Kriterium der drei Schweregrade der manischen Episode: Gehobene Stimmung (häufig situationsinadäquat). Steigerung im Ausmaß und in der Geschwindigkeit der körperlichen und psychischen Aktivität. Häufig kommt es außerdem zu: „Rededrang“, vermindertes Schlafbedürfnis, Verlust sozialer Hemmungen, überhöhte Selbsteinschätzung, Größenwahn, leichtsinniges Verhalten, gesteigerte Libido. 34 Definition/Klassifikation: Manie und Bipolare Störungen Die isolierte manische Episode ist selten. Bei vorbekannter depressiver Episode ist eine bipolar affektive Störung zu diagnostizieren. Bipolare Störungen: Auftreten wiederholter Episoden von Depression und oder Manie. Dazwischen freie Intervalle. Auftreten häufig ohne erkennbaren Anlass und werden später als persönlichkeitsfremd erlebt. 35 Bipolare und verwandte Störungen (DSM-5) im DSM-V werden bipolare u. verwandte Störungen von den depressiven Störungen getrennt betrachtet Diagnosen: Bipolar-I-Störung (klassisch manisch-depressive Erkrankung; Kriterien für mindestens eine manische Episode wurden erfüllt) Bipolar-II-Störung (charakterisiert durch mind. einer Episode einer Major Depression u. mind. einer hypomanen Episode) Zyklothyme Störung (über mind. 2 Jahre, bei Kinder 1 Jahr, Perioden mit hypomanen u. depressiven Symptomen) Substanz-/Medikamenteninduzierte bipolare u. verwandte Störungen Bipolare u. verwandte Störungen aufgrund eines anderen medizinischen Krankheitsfaktors andere näher bezeichnete bipolare u. verwandte Störungen n.n.b. bipolare u. verwandte Störungen 36 Epidemiologie und Prävalenz: Manie und Bipolare Störungen Prävalenz der bipolaren affektiven Störung: 0,5%3%; im Kindes- und Jugendalter: 0,1%-1%. In der Pubertät sind Jungen häufiger betroffen, im Erwachsenenalter überwiegen Frauen. Erkrankungsalter häufig zwischen 20 und 50 Jahren. Nur ca. 15-20% der Patienten erkranken vor dem 20. Lebensjahr. Depressive Phasen treten häufiger auf als manische. 37 Klinisches Bild: Manie und bipolare Störungen Symptome im Jugendalter wie im Erwachsenenalter. Im Kindesalter ist das Spektrum unspezifischer. Klinisches Bild ist gekennzeichnet durch: Kürzere Phasen der Verstimmung Rascheren Phasenwechsel (rapid cycling, ultrarapid cycling) Phasen mit normaler Stimmungslage ebenfalls deutlich kürzer. 38 Klinisches Bild: Manie und bipolare Störungen depressive Phasen: Kinder niedergeschlagen, freudlos, antriebsschwach, gehemmt, Weinen leicht und ohne erkennbaren Anlass, wirken schwunglos, interesselos, Schuld- und Versündigungsideen, erhöhtes Suizidrisiko! manischen Phasen: im Kindesalter Irritabiltät, emotionale Labilität, Hyperaktivität, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Rededrang, Trennungsängste, Größenwahn und Hochstimmung; im Jugendalter bizarre Verhaltensweisen, bizarre Kleidung, gesteigertes Risikoverhalten, gehobene Stimmung, Irritabilität, Rededrang, Ideenflucht. 39 Ätiologie: Manie und bipolare Störungen Familiäre Häufungen: Kinder betroffener Eltern haben ein 24% Risiko selbst zu erkranken, 50% wenn beide Eltern betroffen sind. D.h. genetische Faktoren sind von besonderer Bedeutung. Konkordanz eineiige Zwillinge: 70%, zweieiige 20%. Vererbt wird allerdings nur die Anlage, durch das Einwirken von unspezifischen Umweltfaktoren kann es zur Krankheitsmanifestation kommen. Als biochemische Faktoren werden biogene Amine (GABA- Mangel-Hypothese) bei der Verursachung der bipolaren Störungen bedeutsam. 40 Diagnose: Manie und bipolare Störungen Bei Verdacht auf manische Entwicklungen sind alterstypische Größenideen von manischen oder hypomanischen Zuständen abzugrenzen. Erst im Verlauf durch die Periodizität lässt sich die Diagnose sichern. Familiäre Belastung: stützendes Kriterium. DD: ADHS, emotional instabile Persönlichkeitsstörungen, schizophrene Psychosen. 41 Therapie: Manie und bipolare Störungen Ziel: Remission der akuten Symptome und Vorbeugung von Rückfällen. Multimodale Behandlung mit Psychopharmaka, Psychoedukation, stützender Psychotherapie, stationärer Therapie. Pharmakotherapie: allgemein: Auswahl der Medikation richtet sich nach der vorliegenden Erkrankungsphase 42 Therapie: Manie und bipolare Störungen Bei bipolaren Störungen können Antidepressiva manische Symptome und oder schnelle Phasenwechsel provozieren. Behandlung manischer Phasen: Neuroleptika (Olanzapin, Risperdal, Quetiapin, Aripiprazol) und Stimmungsstabilisatoren (Lithiumsalze und Antikonvulsiva). Letztere dienen auch der Prophylaxe erneuter Phasen und sollen Stimmungsinstabilitäten verhindern. Sie vergrößern nachweislich die Zeitdauer des freien Intervalls. Therapeutischer Plasmaspiegel für Lithium: 1,01,5mmol/l; Rezidivprophylaxe: 0,6-1,2mmol/l. 43 Therapie und Verlauf: Manie und bipolare Störungen Carbamazepin: Tagesdosis von 600-1.200mg (Serumspiegel 4-12µg/ml) Valproat: 600-1500mg/d Lamotrigin: 100-200mg/d Benzodiazepine (z.B. Lorazepam, Clonazepam): Behandlung von Agitation und Schlaflosigkeit bei der akuten Manie, in Kombiantion mit Stimmungsstabilisatoren; zeitlich begrenzt, max. 2 Wochen Verlauf: 60% der Pat. sind nach 20 Jahren sozial gut integriert, 20% signifikant beeinträchtigt, 25% chronisch krank. Gute Compliance bei Lithiumeinnahme kann Verlauf günstig beeinflussen. 44 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 45