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KANZLEI DR. JÄKEL MEDIZINRECHT ARZNEIMITTELRECHT MEDIZINPRODUKTERECHT
IN KOOPERATION MIT
BERLIN • DÜSSELDORF
Arzthaftung durch Verletzung von Hygienevorschriften
Märkischer Praxistag KVBB Potsdam 12.03.2016
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DR. CHRISTIAN JÄKEL, RECHTSANWALT UND ARZT FACHANWALT FÜR MEDIZINRECHT
Inhalt 1. Haftungsrelevante Rechtsvorschriften im Bereich der Hygiene 2. Arzthaftung – Patientenrechtegesetz/BGB 3. Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler 4. Behandlungsfehler im Bereich Hygiene 5. Infektionsschutzgesetz (IfSG) 6. Hygieneverordnung (MedHygV) 7. Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) 8. Arzneimittelgesetz (AMG)
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Einführung: Arzthelferin als Keimträger BGH, 20.03.2007 - VI ZR 158/06 Spritzenabszess eines Patienten infolge einer Infektion durch eine als Keimträger feststehende Arzthelferin voll beherrschbare Risiken Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich in der Arztpraxis elementare Hygienegebote missachtet keine Anleitung/Überprüfung Hygieneverhalten der Arzthelferinnen, Desinfektionsmittel umgefüllt und Alkohole verkeimt, Durchstechflaschen mehrere Tage verwendet, Flächendesinfektionsmittel zur Hautdesinfektion, keine Händedesinfektion vor Aufziehen einer Spritze, Arbeitsflächen nur wöchentlich desinfiziert ©
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Haftungsrelevante Rechtsvorschriften im Bereich der Hygiene Zivilrecht §§ 630a ff. BGB
Strafrecht §§ 222, 223 StGB
Behandlungsvertrag
fahrlässige Tötung/ Körperverletzung
Verwaltungsrecht IfSG MedHygV MPG/MPBetreibV AMG ©
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Sozialrecht SGB V G-BA ÄQM-Richtlinie KBV/GKVSpV Vereinbarung ambulantes Operieren
Arzthaftung – Patientenrechtegesetz 26.02.2013 (Gesetz vom 20.02.2013, BGBl. I S. 277) Patientenrechtegesetz = Ergänzung BGB um Behandlungsvertrag (§ 630a BGB) Behandelnder = Arzt (Vertragspartner des Patienten beim Behandlungsvertrag) Hauptleistungspflichten (§ 630a BGB) Nebenleistungspflichten (§§ 630c bis 630g BGB, z. B. Aufklärung, Einwilligung, Dokumentation, Einsichtsrecht) Beweislastregeln (§ 630h BGB) ©
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Voraussetzungen der Arzthaftung
Behandlungsfehler Schaden Kausalität von Fehler und Schaden entscheidend für Arzthaftungsverfahren Verschulden (gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet)
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Voraussetzungen der Arzthaftung Beispiel
Behandlungsfehler: Hautantiseptikum Gelenkpunktion < 1 min (Arzneimittelzulassung) Schaden: Gelenkinfektion Kausalität von Fehler und Schaden? Hat die zu kurze Einwirkzeit die Gelenkinfektion verursacht oder andere Ursachen? Siehe nächste Folie: Beweislast
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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler Grundsatz
Beweislast Patient für Behandlungsfehler Schaden Kausalität von Fehler und Schaden
Beweislast Arzt für Fehlendes Verschulden (Verschulden wird vermutet) Aufklärung des Patienten und Einwilligung (ggf. hypothetische Einwilligung) ©
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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler Besonderheiten
Bereich des voll beherrschbaren Risikos – Rechtsfolge: Fehlervermutung Verstoß Dokumentationspflicht – Rechtsfolge: Vermutung Maßnahme wurde unterlassen mangelnde Befähigung – Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von mangelnder Befähigung und Schaden grober Behandlungsfehler/Befunderhebungsfehler – Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von Fehler und Schaden
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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler Fehlervermutung - voll beherrschbares Risiko wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat z. B. Geräteeinsatz, Hygienemängel § 630h Abs. 1 BGB Rechtsfolge: Vermutung Fehler und Verschulden keine Vermutung der Kausalität
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Voll beherrschbare Risiken Beispiele:
Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit Verbrennung OP Elektrokauter Tupfer/Instrument etc. im OP-Gebiet zurückgelassen Lagerungsschäden (OP, Eingriffe) Darmverletzung bei Darmeinlauf (außer Prädisposition/Anomalie) unbemerkt gebliebene Entkopplung Infusionssystem Funktionstüchtigkeit Narkosegerät ©
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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler Vermutung unterlassener Maßnahme – Verstoß Dokumentationspflicht medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht in Patientenakte aufgezeichnet/ Patientenakte nicht aufbewahrt § 630h Abs. 3 BGB Rechtsfolge: Vermutung Unterlassen der Maßnahme OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2015 – I-8 U 107/13, 8 U 107/13 –, juris: Allgemeine Desinfektionsmaßnahmen sind nicht im Operationsbericht dokumentationspflichtig
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Beweislast bei Haftung für Behandlungsfehler Vermutung Kausalität (Beweislastumkehr) – mangelnde Befähigung und grober Behandlungsfehler/Befunderhebungsfehler § 630h Abs. 4 BGB: mangelnde Befähigung Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von mangelnder Befähigung und Schaden § 630h Abs. 5 BGB: grober Behandlungsfehler/Befunderhebungsfehler Rechtsfolge: Vermutung Kausalität von Fehler und Schaden ©
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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene kein direkter Rückschluss von Infektion auf Hygienemängel OLG Köln, Beschluss vom 13. November 2012 – I-5 U 69/12, 5 U 69/12 –, juris (Facetteninfiltration und Spondylodiszitis) Beweislastumkehr bei behaupteten Hygienemängeln im Krankenhaus kommt dem Kläger nur zugute, wenn feststeht, dass eine eingetretene Infektion aus einem hygienisch voll beherrschbaren Bereich stammt. Die Anforderungen an die diesbezügliche Darlegung sind hoch anzusetzen und erfordern das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Hygienemängel. ©
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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene Anhaltspunkte für Hygienemängel:
Kein Hygieneplan Verstoß gegen Vorgaben Hygieneplan Sonstige Verstöße gegen Hygienevorschriften (medizinisch notwendige organisatorische Hygienemaßnahme nicht eingehalten oder fehlerhaft ausgeführt) Vermutung Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft bei Beachtung Empfehlungen KRINKO und ART (§ 23 Abs. 3 Satz 2 IfSG)
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Behandlungsfehler im Bereich Hygiene Beispiele Hygienemängel: Krankenhauspfleger eröffnet Abszess; trägt dabei Handschuhe, mit denen er zuvor die Türklinke des Krankenzimmers berührt hat (nicht grob) keine tägliche Kontrolle Infektion, Injektion in Ferse (grob) Verwechslung, Wunddesinfektion mit Flächendesinfektionsmittel (grob) Nichteinhaltung aseptischer Kautelen bei periartikulärer Injektion (Tragen von Straßenkleidung anstatt Schutzkleidung, mangelhafte Desinfektion der Einstichstelle; grob) verunreinigte Infusionslösung ©
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Infektionsschutzgesetz § 23 Abs. 3 Satz 1 IfSG – geforderter Standard
Die Leiter folgender Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden: [...] Einrichtungen für ambulantes Operieren Arztpraxen, Zahnarztpraxen [...] ©
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Infektionsschutzgesetz § 23 Abs. 3 Satz 2 IfSG – gesetzliche Vermutung Einhaltung Standard Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut beachtet worden sind.
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http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ Krankenhaushygiene/Kommission/kommission_node.html
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IfSG § 23 Abs. 4 IfSG – Niederschriften Leiter von Krankenhäusern und von Einrichtungen für ambulantes Operieren nosokomiale Infektionen und Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen/Multiresistenzen (http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Nosokomiale_ Infektionen/liste_noso.html) inkl. Bewertung und Schlussfolgerungen zu Präventionsmaßnahmen Daten zu Art und Umfang des Antibiotika-Verbrauchs (http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz /BGBl_7_2013_Antibiotikaverbrauch.html) ©
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IfSG § 23 Abs. 5 IfSG – Hygienepläne
Inhalt: innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene Leiter von [...] Einrichtungen für ambulantes Operieren Ergänzung durch Landesrecht möglich Brandenburg: Pflicht auch Arztpraxen, Zahnarztpraxen, sonstige Praxen von Heilberufsangehörigen bei invasiven Eingriffen in der Praxis (§ 4 i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 6 MedHygV) Berlin: dito (§ 1 Abs. 3 Hygieneverordnung) ©
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MedHygV Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (MedHygV) vom 06.02.2012, GVBl. II Nr. 8 erforderliche Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen u. a. Arztpraxen, Zahnarztpraxen, sonstige Praxen von Heilberufsangehörigen bei invasiven Eingriffen betrieblich-organisatorische und baulich-funktionelle Voraussetzungen für die Einhaltung der Hygiene Hygienepläne ©
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MedHygV Identifizierung Risikopatienten nosokomiale Infektionen, geeignete Schutzmaßnahmen, Dokumentation inkl. Aufbewahrungspflicht 10 Jahre, Info Personal (bußgeldbewehrt) Schulung/Information Personal bei Arbeitsaufnahme und mind. 1x jährlich; Unterschrift sektorübergreifender Informationsaustausch (bußgeldbewehrt) – an aufnehmende oder weiterbehandelnde Einrichtung, ggf. auch Krankentransportdienste, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen – Datenschutz, bei „ggf.“ Einwilligung Patient erforderlich ©
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Medizinproduktebetreiberverordnung Aufbereitung von Medizinprodukten - § 4 MPBetreibV unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird gesetzliche Vermutung ordnungsgemäße Aufbereitung bei Beachtung RKI/BfArM-Empfehlung (BAnz AT 12.10.2012 B1; Bundesgesundheitsbl. 2012, 1244) „quasiverbindlich“ bußgeldbewehrt ©
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Arzneimittelgesetz Haftungsfalle Arzneimittelherstellung in der Praxis erlaubnisfrei zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten, unter unmittelbarer fachlicher Verantwortung Arzt (§ 13 Abs. 2b AMG) Anzeigepflicht Behörde (Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit) Qualitätsvorgaben inkl. Hygiene verunreinigtes Desinfektionsmittel (beim Umfüllen H2O2) BGH, Urteil vom 09. Mai 1978 – VI ZR 81/77 –, juris Fachinformation (Rekonstitution) ©
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Fazit Hygieneverstöße – erhöhtes Haftungsrisiko Sorgfaltsmaßstab: Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft (IfSG, RKI) + eigene Hygienepläne + Vorschriften (IfSG, MedHygV, MPBetreibV, AMG, G-BA-Vorgaben QM, Verträge KBV/GKV-SpV) Hygiene – voll beherrschbares Risiko; wenn aus diesem Bereich (Beweislast dafür Patient), dann Entlastungsbeweis Arzt erforderlich (alle organisatorischen und technischen Vorkehrungen Vermeidung Infektion) ABER: kein automatischer Rückschluss von Infektion auf Hygienemängel ©
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: KANZLEI DR. JÄKEL Berliner Straße 37 15907 Lübben (Spreewald)
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