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Beat Jost aus Aarau will Monopoly-Weltmeister werden. >56
Warum eine Schulklasse für drei Tage offline geht und im Wald lebt – ganz ohne Whatsapp, SMS und Google. >58
Schweiz am Sonntag, Nr. 36, 6. September 2015
Matthias Lüscher hilft Männern, die zu Hause zuschlagen – doch nicht allen ist zu helfen. >55
AARGAU
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So schafften Parteilose in Städten die Wahl In Baden will Erich Obrist (Ex-SP) Stadtrat werden – und 2017 möglicherweise Stadtammann. Was braucht es für einen Coup? VON PIRMIN KRAMER ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
I
n Baden hat Erich Obrist (54) diese Woche seine Stadtrats-Kandidatur bekannt gebeben – als Parteiloser. Er kehrt der SP nach vielen Jahren den Rücken und versucht sein Glück gegen seinen ehemaligen Parteikollegen Jürg Caflisch sowie Mario Delvecchio (FDP) ohne die Unterstützung einer Partei. Die Parteilosen sind im Kanton Aargau in den vergangenen Jahren zu einer bedeutenden Gruppierung angewachsen: Zu Beginn der laufenden Amtsperiode war die grosse Mehrheit der Gemeindeammänner parteilos (siehe Grafik). Das Phänomen von parteilosen Exekutivpolitikern zeigt sich vor allem in kleinen Gemeinden, in denen keine Ortsparteien existieren. «Dort schaffen es Kandidaten regelmässig ohne Partei im Rücken in den Gemeinderat – oft auch, weil es keine Kampfwahl gibt», sagt Hans Geser, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Zürich. Er verfasste mehrere Studien zu parteilosen Kandidaten in der Kommunalpolitik.
IN DEN STÄDTEN SIND parteilose Regierungsmitglieder aber noch immer eine Seltenheit. Es stellt sich die Frage: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine wilde Kandidatur, wie diejenige von Erich Obrist in Baden, Erfolg haben kann? «Die Ausgangslage in Städten ist insofern anders, als die Parteien dort stark verankert sind» sagt Geser. «Gerade die breite Wählermasse, welche die Kandidaten persönlich nicht kennt, orientiert sich stark an der Parteizugehörigkeit. Wer es in einer Stadt als Parteiloser in die Regierung schaffen will, muss darum einen grossen Bekanntheitsgrad aufweisen und eine starke Gruppierung hinter sich wissen.» Zu den bekanntesten Beispielen hierfür
Hans Thalmann war parteiloser Stadtpräsident in Uster ZH.
Hans-Ruedi Hottiger, parteiloser Zofinger Stadtammann.
Emilie Lieberherr schaffte parteilos die Wiederwahl in die Zürcher Regierung.
Erich Obrist will als wilder Kandidat in den Badener Stadtrat.
zählt Emilie Lieberherr (86†). Sie sass von 1970 bis 1994 in der Zürcher Stadtregierung. Gewählt worden war sie ursprünglich für die SP – doch 1990 kam es zum Zerwürfnis mit ihrer Partei. Lieberherr wurde formell von der SP ausgeschlossen, doch sie schaffte die Wiederwahl auch als Parteilose. «Lieberherr war in der Stadt schon so bekannt, dass sie nicht mehr auf eine Partei angewiesen war», erklärt Geser.
Blockbildung.» Der Weg sei offen gestanden für einen parteiunabhängigen Vermittler, sagt Thalmann. Das frühere FDPParteimitglied schaffte als Parteiloser die Wahl zum Stadtpräsidenten – und wurde in der Folge zweimal mit Spitzenresultaten wiedergewählt. Für Furore sorgte im Jahr 2004 Hans-Ruedi Hottiger in Zofingen. Er schaffte den Sprung in den Stadtrat als Parteiloser. «Ich genoss vor allem in Handballerkreisen einen grossen Be-
kanntheitsgrad, und in Zofingen ist Handball enorm wichtig», sagt er rückblickend. Seine Wahl ermöglicht habe gleichzeitig die spezielle Ausgangslage: «Es handelte sich um eine Ersatzwahl mitten in der Legislatur. Die Parteien hatten kein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Kandidaten, waren personell nicht gut vorbereitet.» Hottiger schaffte 2006 sogar die Wahl zum Stadtammann, er hat dieses Amt noch heute inne. Mit Blick auf Baden sagt Hottiger: «Mir scheint, als ob sich die politischen Diskussionen in Baden in einem etwas veralteten Links-rechts-Schema bewegen. Wenn die Bevölkerung genug hat von diesen Grabenkämpfen, hat der parteilose Kandidat durchaus Chancen, auch wenn ich sein Profil nicht kenne.» Weiter sagt Hottiger: «Wenn es in einer Stadt nicht rund läuft, dann ist für viele Wähler die Parteifarbe nicht entscheidend, sondern die sozialen Kompetenzen und die Führungsqualitäten der Politiker.»
idealer Mix für eine erfolgreiche wilde Kandidatur herausgestellt. In Baden ist man im Lager von Erich Obrist überzeugt, dass genau diese Voraussetzungen nun gegeben sind. Orlando Müller, langjähriges SPMitglied, sagt: «Erich Obrist ist breit vernetzt; er engagiert sich seit Jahren in der Stadt Baden, sei es im Einwohnerrat, in der Stiftung Langmatt oder als Präsident von Traktandum 1, einer Gruppe, die sich für eine starke Region einsetzt.»
DEN COUP, als wilder Kandidat gewählt zu werden, schaffte auch Hans Thalmann. Er war jahrelang der einzige parteilose Stadtpräsident in der Schweiz. Von 1986 bis 1998 regierte er in Uster ZH. Ein grosser Bekanntheitsgrad alleine genüge nicht, glaubt er. «Politologe Andreas Ladner von der Uni Lausanne formulierte es kürzlich in der ‹Berner Zeitung› treffend: Es braucht politisch günstige Umstände, damit man es als Parteiloser in einer Stadt in die Regierung schafft.» In Uster bestand die besondere lokale Konstellation darin, dass sich die Stadt in einer Krise befand, erzählt Thalmann. «Einerseits hatte die Stadt finanzielle Schwierigkeiten und Verkehrsprobleme, anderseits waren die politischen Parteien zerstritten, es gab eine
PARTEIEN DER AARGAUER GEMEINDEAMMÄNNER Zu Beginn der Legislatur Diverse 2% SP 3%
Parteilos 42%
CVP 9% 20
7 6 90
40
53 FDP 19% QUELLE: SCHWEIZ AM SONNTAG
SVP 25% GRAFIK: SAS/MTA
BEKANNTHEITSGRAD UND EINE aussergewöhnliche politische Konstellation haben sich in der Vergangenheit also als
EBENSO BEFINDE sich Baden in einer aussergewöhnlichen Ausgangslage: «Die Fronten zwischen dem Bürgerblock auf der einen und rot-grün auf der anderen Seite sind verhärtet. Als Folge davon ist eine gewisse Lähmung in der Badener Politik spürbar», so Orlando Müller. In dieser Situation sei Erich Obrist sozusagen als Sprengkandidat eine optimale Lösung. «Eine gute Gelegenheit besteht für ihn als wilden Kandidaten auch darum, weil seine Konkurrenten in ihren jeweiligen Parteien nicht unumstritten sind. Das zeigte sich bei den sehr knappen internen Ausmarchungen.»
Offizieller SP-Kandidat ist «sehr enttäuscht» Jürg Caflisch, den die Badener SP für die Stadtratswahl vom 18. Oktober portiert, äussert sich zur wilden Kandidatur von Erich Obrist VON PIRMIN KRAMER ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Per E-Mail hat SP-Stadtratskandidat Jürg Caflisch am Donnerstagmorgen vom Parteiaustritt und von der Kandidatur Erich Obrists für den Badener Stadtrat erfahren – in einer Nachricht, die gleichzeitig auch an den SP-Vorstand und die Fraktion ging. Caflisch obsiegte
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in einer parteiinternen Ausmarchung Anfang Juli sehr knapp, der unterlegene Erich Obrist steigt nun als «wilder» Kandidat in den Ring. Caflisch findet deutliche Worte für seinen ehemaligen Parteikollegen: «Mir würde es nie in den Sinn kommen, nach einer in einem fairen Auswahlverfahren erlittenen Niederlage aus der Partei auszutreten oder wild zu kandidieren. Ich bin menschlich sehr enttäuscht von Erich Obrist.» VOR ZWEI JAHREN war Caflisch der heu-
tigen Stadträtin Regula Dell’Anno in der internen Ausmarchung äusserst knapp unterlegen. «Ich war danach sogar in ihrem Komitee», sagt Caflisch. Schwerwiegender als seine persönliche Enttäuschung sei der Schaden, den die politische Kultur nehme, sagt der offizielle sozialdemokratische Kandidat: «Solch ein Alleingang gibt all jenen Stimmen recht, die behaupten, Politiker seien Egoisten, denen es nur um ihre eigene Haut geht.»
Seinen Wahlkampf wird Caflisch so durchziehen wie geplant. «Es ist schwierig abzuschätzen, wie viele Stimmen aus der SP und den anderen linken Parteien zu Obrist abwandern werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Obrist auch aus dem bürgerlichen Lager
«
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Solch ein Alleingang gibt all jenen Stimmen recht, die behaupten, Politiker seien Egoisten.»
JÜRG CAFLISCH (SP) ÜBER ERICH OBRIST ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Stimmen erhält.» Wie werden die Geschehnisse dieser Woche das Verhältnis zwischen Caflisch und Obrist verändern? «Ich denke, wir werden weiterhin einen sachlichen, aber sicher kühleren Umgang pflegen als bisher», so Jürg Caflisch.
Am 18. Oktober wird es zu einem Dreikampf um den freiwerdenden Stadtratssitz kommen. Für die Bürgerlichen tritt Mario Delvecchio (FDP) an. Er sagt zur neuen Ausgangslage: «Faktisch ist Erich Obrist nach wie vor ein SPMann. Ich bin davon überzeugt, dass seine Kandidatur keinen Einfluss auf meine Wahlchancen hat.» Denn die bürgerlichen Parteien SVP, CVP und FDP hätten ihm deutlich gesagt und gleichzeitig zu spüren gegeben, «dass sie mich zu einhundert Prozent unterstützen», sagt Delvecchio. Eine seiner Aufgaben im Wahlkampf werde es zusammen mit seinem Wahlteam nun sein, all jene Wähler zu überzeugen, die keine Parteimitglieder sind, aber den Bürgerlichen nahestehen. «Ich bin seit vielen Jahren Unternehmer und unabhängig und werde frischen Wind in den Stadtrat bringen.» AUF DIE FRAGE, inwiefern Obrist – Ober-
leutnant der Schweizer Armee und in der Stadt gut vernetzt – auch bürgerli-
che Werte vertrete und ihm Stimmen streitig machen könnte, antwortet Delvecchio: «Die Chancen, dass das Rennen um den Stadtratssitz erst in einem zweiten Wahlgang entschieden wird, sind durch seine Kandidatur sicher gestiegen.» Der FDP-Kandidat gibt sich trotz nun doppelter Konkurrenz selbstsicher: «Ich glaube an meine Chancen.»
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