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Bericht Zur Zielgruppenanalyse

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Bericht zur Zielgruppenanalyse ‚aidshilfe dortmund‘. Autor: Adam Khalaf, M.A., Soziologe und Evaluationsbeauftragter am Fachbereich Sozialwesen der FH Münster. Auftraggeber: aidshilfe dortmund e.V. Inhalt 1. Allgemeine Übersicht und Hinweise ............................................................................................... 4 1.1. 2. Wichtige Themen für die Befragten/ Geschlechterverteilung ................................................ 4 Bekanntheit und Besuch der aidshilfe dortmund ........................................................................... 5 2.1. Überblick ................................................................................................................................. 5 2.2. Detailbetrachtung.................................................................................................................... 6 Detailbeschreibung Gruppe 3 ......................................................................................................... 6 Detailbeschreibung Gruppe 2 ......................................................................................................... 6 Detailbeschreibung Gruppe 1.......................................................................................................... 8 Grafiken zu Kapitel 2.2: ................................................................................................................... 9 3. Offene Antworten ..................................................................................................................... 11 4. Fazit ........................................................................................................................................... 12 2 Die aidshilfe dortmund (AD) hat Interesse daran, ihre Angebotsstruktur zu überprüfen und attraktiver für einen größeren Teil der Zielgruppe zu werden. Aus diesem Grunde wurden im ersten Quartal 2016 ca. 200 Personen mit HIV befragt,    welche Themen in Bezug auf HIV für sie von Interesse sind, wie bekannt die AD ist, welche Motivlage für oder gegen eine Teilnahme an Angeboten der AD besteht. Der Fragebogen (siehe Anhang) ist zwar kurz gehalten, ermöglicht dennoch aber eine Gruppenbildung anhand der wichtigsten persönlichen Daten und Motivlagen, sodass sich strukturelle Merkmale in den (nicht-)Besuchergruppen der AD vergleichen lassen sollten. In Fragenkomplex drei kam es zwar in vielen Fällen zu missverständlichen Antworten, die aber aufgrund der weiteren auswertbaren Antworten und offenen Felder zum größten Teil bereinigt werden konnten (siehe entspr. Kapitel in diesem Bericht). An der Umfrage haben erfreulicherweise 226 Personen teilgenommen, was den erwarteten Rücklauf deutlich übertroffen hat. Zur besseren Lesbarkeit werden alle Prozentwerte ohne Kommastellen angegeben. Aufgrund der Rundungsungenauigkeit kann es daher vereinzelt dazu kommen, dass sich Gesamtwerte nicht auf 100% addieren lassen. Im Folgenden kurz zur Struktur der Stichprobe: Ca. 23% der Befragten gaben an, weiblich zu sein. Dies entspricht auch in etwa der Verteilung der Geschlechter bei HIV-Infektionen insgesamt.1 Anteil der Befragten nach Alter in Prozent ü. 61 Jahre 44-60 Jahre 28-43 Jahre Bis 27 Jahre 0 10 20 30 40 50 60 Abb. 1a, N= 226 Wie lange wissen Sie schon von Ihrer Infektion? über 25 Jahre 21-25 Jahre 16-20 Jahre 11-15 Jahre 6-10 Jahre bis 5 Jahre 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Abb. 1b, N=226 Menschen in der zweiten Lebenshäfte stellen die Mehrheit der Befragten (Abb. 1a), da sie auch die Mehrheit der Infizierten in Deutschland bilden. Der Vergleich mit bundesweit erhobenen Daten 1 vgl. Epidemiologisches Bulletin Nr. 27 Robert Koch-Institut, 240f 3 ergibt auch hier eine gute Übereinstimmung mit den Erwartungswerten. Der weitere Abgleich der Eckdaten mit der genannten Erhebung des RKI lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass zu der vorliegenden Umfrage eine geeignete Stichprobe gezogen wurde, die die Struktur der Grundgesamtheit aus Dortmund abbildet. 1. Allgemeine Übersicht und Hinweise 1.1.Wichtige Themen für die Befragten/ Geschlechterverteilung Der vollständige Fragebogen befindet sich im Anhang. Im Folgenden werden die Fragen verkürzt wiedergegeben. Fragenkomplex 1 (Themen) nach Geschlecht Medizinische Fragen Austausch mit anderen Betroffenen Eigener Umgang Religiöse Fragen Gesamt Männer Berufliche Auswirkungen Frauen Mit wem kann/muss man sprechen Auswirkung auf das Privatleben Reaktionen des Umfeldes 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Abb. 2, n = 224 Die Themen wurden grafisch nach Geschlecht (Männer: mittiger Balken, Frauen: unterer Balken) aufgeteilt, da sich zeigt, dass es deutliche Unterschiede gibt. Da die kumulierten Werte (oberer Balken) stark von dem Antwortverhalten der Männer geprägt werden, welche wie gesagt die deutliche Mehrheit der Befragten bilden, sollte dies bei der weiteren Rezeption der Ergebnisse stets ‚im Hinterkopf‘ behalten werden. Die Darstellung wird außerdem dominiert von Personen, die die AD zwar kennen, aber noch nicht besucht haben, da diese Gruppe mit Abstand den größten Anteil stellt (siehe Kapitel 2). Die Frauen trafen im Fragenkomplex 1 häufiger eine breitere Auswahl, d.h. sie wählten im Durchschnitt mehr Themenfelder aus der gegebenen Auswahl aus. Dies lässt darauf schließen, dass sie sich insgesamt eher mit mehr unterschiedlichen Dimensionen der Infektion beschäftigen. Insbesondere die Frage der Kommunikation über die Infektion, aber auch die Auswirkungen auf die 4 Familie / das Privatleben und die eigene Bewältigungsstrategie sind für Frauen besonders wichtig. In Bezug auf die Gesamtgruppe liegt auf der Hand, dass die Reaktionen des Umfeldes und die Frage mit wem man über die Infektion sprechen kann oder muss, neben der stets präsenten Frage der medizinischen Dimension, die wichtigsten Themen sind. Eine nähere Betrachtung zeigt ferner, dass die persönliche Beschäftigung mit der Frage nach der Reaktion des Umfeldes mit Angaben zu den Auswirkungen auf das Privatleben, dem ‚darüber Sprechen‘, dem Austausch mit Anderen sowie die Fragen nach den Auswirkungen im Beruf korreliert. Das bedeutet: Wer sich mit der Frage beschäftigt, wie das eigene soziale Umfeld wohl reagiert, tut dies häufig mit Blick auf alle (erfragten) Dimensionen des sozialen Umgangs (‘Lebensbereiche‘). Die Angaben in den offenen Antworten stützen diesen Befund Zwar haben nur wenige Menschen offene Antworten gegeben, allerdings zeigt sich neben dem Thema ‚Medizinisches‘ vor allem ein Gefühl der „nach wie vor herrschenden Stigmatisierung“ und des Ärgers über das „Unwissen [und die] Unaufgeklärtheit der Menschen“, denen sich die Befragten auch im Jahr 2016 noch immer ausgesetzt fühlen. Die sozialen Fragen sind also neben den medizinischen Fragen am wichtigsten. Die eher psychologische Dimension des eigenen Umgangs oder gar religiöse Fragen spielen dagegen eine untergeordnete, respektive sogar ganz zu vernachlässigende Rolle. Dies können für die AD bereits erste Hinweise sein, in welche Richtung gehend Angebote gestaltet sein müssen, um den Bedarf der Zielgruppe zu treffen, wenn man davon ausgeht, dass die Themen, die die Befragten beschäftigen, auch Themen sind, über die sie einen Austausch mit anderen oder die Unterstützung von Fachkräften wünschen. 2. Bekanntheit und Besuch der aidshilfe dortmund 2.1.Überblick In Fragenkomplex 3 wurde in Abstufungen zunächst danach gefragt, ob die AD bekannt ist und ob Angebote der AD besucht worden sind. Jeweils anschließend sollten diese Angaben näher konkretisiert werden. Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe von Befragten hat allerdings, wie einleitend bereits erwähnt wurde, unplausible Antworten gegeben. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Fragen im Erhebungsbogen spezifisch die aidshilfe dortmund als Bezugspunkt nennen. Eine Person, die die AD nicht kennt, aber eine Aidshilfe in einer benachbarten Stadt besucht, hat möglicherweise Schwierigkeiten die Fragen korrekt auszufüllen und entscheidet sich dann für das Ankreuzen mehrerer Items, die eigentlich keine Überschneidung zulassen sollten. Einige der offenen Antworten lassen diese Erklärung plausibel erscheinen. Ließen sich die zweifelhaften Angaben nicht plausibilisieren, so fielen sie ggf. aus der jeweiligen Auswertung heraus. Die meisten Angaben ließen sich aber nach einer Bereinigung in Bezug auf die Fragestellung brauchbar auswerten. Die hohe Rücklaufquote tut ihr Übriges dazu, um die folgenden Detailauswertungen des Fragenkomplexes möglich zu machen. Die bereinigten Daten (n=174) 2 ergeben folgendes Bild:   Gruppe 1 (G1): Ca. 18% der Befragten besuchen die AD bereits oder haben das in der Vergangenheit getan. Gruppe 2 (G2): Die Mehrheit von ca. 70% der Befragten kennt die Aidshilfe, besucht aber keine Angebote. 2 29 Personen machten hier keine Angaben, weitere 23 ließen sich nicht zweifelsfrei plausibilisieren. Dies ergibt einen Rest von 174 auswertbaren Antworten auf die Frage 3. 5  Gruppe 3 (G3): 12% der Befragten ist die AD unbekannt. Einige gaben in offenen Antworten aber andere Aidshilfen, bspw. Hagen oder Unna an. Im Folgenden betrachten wir die einzelnen Gruppen und ihre strukturellen Merkmale genauer. Dabei werden stets nur noch die Gruppennamen (G1 bis G3) verwendet, um umständliche und redundante Beschreibungen der Gruppenzugehörigkeiten zu vermeiden. Die Schwerpunkte der folgenden Detailauswertung mögen willkürlich erscheinen, es werden aber mit Rücksicht auf die Länge des Berichtes stets nur die relevantesten Aspekte der Auswertung dargestellt, die verwertbare Ergebnisse mit direktem Bezug zur Fragestellung erbringen. 2.2.Detailbetrachtung Eine grafische Aufschlüsselung fast aller besprochenen Werte findet sich als Übersicht in den Abbildungen 4a-d unter dem Text des Kapitels. Die relativ hohe Auflösung sollte ein Kopieren und Weiterverarbeiten erleichtern, würde aber im Fließtext nur stören. Detailbeschreibung Gruppe 3 Es wurde oben bereits festgestellt, dass die Gesamtgruppe vor allem den Komplex der sozialen Bezüge in allen erfragten Dimensionen (privat, beruflich, etc.) als wichtig erachtet. Dies ist sowohl bei bisherigen Besuchern (G1) als auch Nichtbesuchern (G2) der Fall. Nur bei denjenigen, denen der AD bisher unbekannt gewesen ist (G3), zeigt die Auswahl der Themen keine Korrelation untereinander. Das heißt, das Interesse für eine der Dimensionen einer HIV Infektion ist nicht mit dem Interesse an weiteren Dimensionen verbunden. Gleichzeitig hat diese Gruppe im Durchschnitt die schlechteste berufliche Situation: Über 40% gibt an, arbeitslos zu sein. Der Frauenanteil beträgt dabei knapp unter 30%. Die Infektionsdauer ist im Durchschnitt gegenüber den beiden anderen Gruppen am kürzesten (ca. 8 Jahre). Zudem spielen die Beschäftigung mit Fragen nach den Auswirkungen auf das Privatleben und den Beruf wie auch die medizinische Dimension jeweils eine sehr deutlich untergeordnete Rolle (je nur ca. 20%). Wenngleich zu wenige Variablen zum sozialen Hintergrund abgefragt wurden, um dies wirklich sicher sagen zu können, umranden die Hinweise das Bild eines Personenkreises, der insgesamt möglicherweise weniger oder fragmentiertere soziale Bezüge hat als die Vergleichsgruppe, auf jeden Fall aber noch nicht so lange infiziert ist und medizinische Fragen eher ausklammert. Bisher ist es der AD bei diesen Menschen nicht gelungen, auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. Künftige Angebote könnten darauf abzielen, den eigenen Umgang mit HIV zu thematisieren und vermutlich ist es sinnvoll, andere oder breitere Schwerpunkte der Sozialen Arbeit für diese Gruppe in der Angebots- und PR-Gestaltung einzubeziehen. Denn die Ergebnisse zeigen auch, dass das grundsätzliche Bedürfnis, insbesondere über HIV und die Reaktionen des Umfeldes zu sprechen, sogar höher ist als bei den anderen Vergleichsgruppen. Detailbeschreibung Gruppe 2 Die weitaus größere Gruppe der Menschen, die die AD zwar kennen, aber bisher nicht an Angeboten teilnehmen, stehen dagegen deutlich fester im Leben, wie man vorsichtig aus den zur Verfügung stehenden Informationen herleiten kann: so zeichnet sich diese Gruppe u.a. vor allem dadurch aus, am stärksten beruflich eingebunden zu sein und die Arbeitszeit am wenigsten flexibel gestalten zu können. Bei den Antworten auf die Frage, warum bisher keine Angebote besucht wurden, obgleich die AD bekannt ist, dominiert das Motiv des nicht vorhandenen Bedarfs (36% der Angaben) vor dem der nicht vorhandenen Information (26%), gefolgt von fehlender Motivation (18%). Zeit, Ort und die Angst gesehen zu werden, sind eher vernachlässigbare Probleme. Die Befragten dieser Gruppe haben 6 des Weiteren zwar nur eine unwesentlich längere durchschnittliche Infektionsdauer als die G3, nämlich 9 Jahre, sind aber im Durchschnitt schon 47 Jahre alt und damit näher an Gruppe 1 als an Gruppe 3 zu verorten. Gründe, keine Angebote zu besuchen, obwohl die AD bekannt ist Kein Zugang Keine Motivation Will nicht gesehen werden Unpassender Ort Angaben zu Gründen Keine Zeit Keine Information Kein Bedarf 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% Abb. 3 Es gibt aber einige Anhaltspunkte dafür, wie man diese Gruppe der auf den ersten Blick eher desinteressierten Menschen erreichen kann: Der Blick auf die Themen aus Frage eins (Abb. 4d, unten) zeigt zwei Auffälligkeiten: Es gibt zum einen gegenüber den Vergleichsgruppen einen sogar leicht erhöhten Wert in Bezug auf die Frage mit wem man über die Infektion sprechen kann/muss und zum anderen haben die Befragten dieser Gruppe im Durchschnitt 2,2 Kreuze in Frage 1 gesetzt, während G1 und G3 jeweils nur etwa 1,8 Kreuze setzten. Es wurden also nominal häufiger Angaben zu mehreren Themen gleichzeitig gemacht. Das bedeutet, dass sich die Mitglieder dieser Gruppe insgesamt mit mehr Themen gleichzeitig beschäftigen, sich also aktiver mit ihrer Situation auseinandersetzen. Ein breiteres Interesse dürfte generell positiv zu einer Teilnahme an Angeboten beitragen. Zwar gab auch ein Drittel der Befragten an, keinen Bedarf an Angeboten zu haben. Von den übrigen zwei Dritteln sollten sich einige Personen mit entsprechend motivierenden Angeboten, vielleicht niedrigschwelligen ohne regelmäßige Teilnahme, aktivieren lassen, denn das größte Problem nach der fehlenden Information ist die fehlende Motivation (siehe Abb. 3). Auffällig ist auch, dass der Anteil der Frauen in G2 sehr gering ist: Er beträgt nur 10%. Angebote an diese Gruppe sollten sich also eher auf berufstätige Männer richten, da die Frauen sowieso schon überproportional häufig die AD besuchen (siehe unten: G1). Zusammengefasst besteht bei der Mehrheit dieser Gruppe also relativ unzweifelhaft ein Bedarf, sich mit der Infektion auseinanderzusetzen. Menschen unter 40 geben dabei deutlich häufiger an, keine Informationen zu Angeboten zu haben, als die älteren. Zeit, Ort und die Angst, gesehen zu werden, spielen dagegen keine so große Rolle, außer bei den erst relativ frisch Infizierten. Schwer zu erschließen wird vermutlich die Untergruppe der voll berufstätigen Männer sein, die angeben, die AD bereits zu kennen. Hier ist das Interesse, an Angeboten teilzunehmen, vergleichsweise sehr gering: Fast die Hälfte dieser Gruppe gibt an keinen Bedarf zu haben (keine Abbildungen). Man kann spekulieren, dass Menschen, die sozial (also auch beruflich) gut eingebunden sind, weniger Bedarf haben, sich in speziellen Interessengruppen zu treffen. Fehlende Zeit und fehlende Motivation tun ihr 7 Übriges. Es ist nämlich nicht etwa so, dass die Angehörigen dieser Untergruppe sich für die genannten Themen rund um die Infektion nicht interessieren würden. Sie tun das in vergleichbarem Maße, der Bedarf an Angeboten der Sozialen Arbeit ist aber deutlich weniger hoch. Detailbeschreibung Gruppe 1 Bisher zeigten sich nur vereinzelt deutliche Kontraste zwischen den Gruppen. Das ändert sich allerdings, wenn man Gruppe 1 – die aktuellen und vergangenen Besucher der AD – näher betrachtet. Diese Gruppe ist mit deutlichem Abstand am längsten infiziert (16 Jahre) und - nicht überraschend - damit auch die im Durchschnitt älteste Gruppe (49 Jahre), wenngleich nur mit ca. 1 Jahr Vorsprung vor G2, was innerhalb der statistischen Messungenauigkeit liegt. Die G1 zeichnet sich außerdem, wie schon G3, durch eine relativ hohe Arbeitslosigkeit aus. Bereits angesprochen wurde der hohe Frauenanteil von knapp über einem Drittel der Befragten. Sehr interessant ist vor allem der Blick auf die Themenbereiche, die die Befragten dieser Gruppe beschäftigen: Der allgemeine Komplex der sozialen Fragen, der bei den anderen Gruppen einigen Raum einnahm, ist hier weniger vordergründig: Das darüber-Sprechen, der eigene Umgang, die Reaktion des Umfeldes und die Frage, wie andere mit ihrer Infektion umgehen, werden deutlich seltener angegeben als in den Vergleichsgruppen. Wenngleich man aus den vereinzelt abgefragten Daten keine validen Rückschlüsse auf die komplexe soziale Realität der Befragten ziehen kann, so fällt doch auf, dass die Besucher der AD insgesamt viel weniger Themen angeben, die sie beschäftigen und insgesamt weniger einzelne Kreuze in der Mehrfachauswahl der angebotenen Antworten gesetzt haben. Menschen, die Angebote für HIV-Betroffene besuchen, scheinen also insgesamt weniger stark beeinträchtigt von Fragen des Umgangs mit HIV zu sein. Aus den Daten folgt aber keine Kausalität: Es kann also nicht mit Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass der Besuch von Angeboten dazu führt, dass die Befragten daraus folgend weniger Probleme haben, mit der Krankheit umzugehen, es ist aber möglich. Klarheit könnten hier nur qualitative Befragungsmethoden liefern. Von den bisherigen Besuchern plant etwa die Hälfte, auch weiterhin Angebote in Anspruch zu nehmen. Wer in Zukunft nicht mehr teilnehmen kann oder will, tut dies häufig unfreiwillig, also aus persönlichen Hinderungsgründen (wie z.B. fortschreitender Erkrankung) und nur seltener als aus mangelndem Interesse. Die Arbeit der AD wird von den ehemaligen Besuchern also mehrheitlich positiv bewertet. 8 Grafiken zu Kapitel 2.2: Wie lange wissen Sie schon von Ihrer Infektion? Infektionsdauer nach Gruppen Gesamt G3 (Unbekannt) Jahre G2 (Bekannt) G1 (Besucht) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Abb. 4a Alter in Jahren nach Gruppen Wie alt sind Sie? Gesamt G3 (Unbekannt) Alter in Jahren G2 (Bekannt) G1 (Besucht) 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Abb.4b Berufliche Flexibilität nach Gruppen (1=sehr flexibel, 5=sehr unflexibel) Berufliche Flexibilität Gesamt G3 (Unbekannt) Flexibilität G2 (Bekannt) G1 (Besucht) 1,00 1,50 2,00 2,50 Abb. 4c 9 3,00 3,50 4,00 4,50 5,00 Themen nach Gruppen 41% 20% Thema: Medizinische Fragen 47% 41% 24% 26% 25% Thema: Austausch mit anderen Betroffenen 16% 15% 16% 16% Thema: Eigener Umgang 10% 2% Thema: Religiöse Fragen 7% 1% 0% Gesamt G3 (Unbekannt) G2 (Bekannt) 22% 19% 21% Thema: Berufliche Auswirkungen G1 (Besucht) 28% 41% 39% 43% Thema: Mit wem kann/muss man sprechen 32% 24% 20% 24% 26% Thema: Auswirkung auf das Privatleben 39% 45% Thema: Reaktionen des Umfeldes 40% 31% 0% 10% Abb. 4d 10 20% 30% 40% 50% 3. Offene Antworten An der einen oder anderen Stelle wurde bereits vorsichtig Bezug auf offene Antworten genommen. Insgesamt sind derer zu wenige vorhanden, um daraus nachhaltige Schlüsse für differenzierte Untergruppen ziehen zu können. Es ist aber die Erfahrung des Autors, dass die offenen Antworten vor allem für die Mitarbeiter der Organisation stets einen hohen Wert haben, da sie die Äußerungen im Kontext ihrer täglichen Erfahrungen häufig sinnvoll interpretieren können. Daher werden sie im Folgenden mit aufgeführt: Offene Antworten zu Themen, die die Befragten beschäftigen (Tippfehler korrigiert):                Krämpfe und deren Folgen Optimale Ernährung Fragen der gruppenbezogenen Diskriminierung, auch im medizinischen Bereich; rechtliche Fragen. 25 Jahre HIV Stigmatisierung immer noch Thema Wie ist den Menschen die "Nichtinfektiösität" bei nicht nachweisbarer Viruslast (EVAF) zu vermitteln ist, dass sie es tatsächlich glauben!! Warum verdient sich die Pharmaindustrie an den Medikamenten dumm und dusselig, während in armen Ländern die Menschen wegsterben?? Potenz HIV-Spezialisten und behandelnde Ärzte, die mit HIV-Patienten arbeiten Die Unwissen-Unaufgeklärtheit der Menschen ärgert mich! Mittlerweile fast jeden neuen Tag "in Erwartung" möglicherweise neue auftretende Komplikationen zu [..]. Das stresst immer mehr und begleitet einen. Wechselwirkung von Medikamenten zu 1a: insbesondere in entstehenden neuen Partnerschaften Bin vollauf zufrieden und ausreichend aufgeklärt in der Ambulanz PREP, TasP HIV und älter werden? (Wenn die AD unbekannt ist): Welche anderen Organisationen für HIV-Betroffene kennen Sie?       AIDS-Hilfe Olpe AIDS-Hilfe Hamm AIDS-Hilfe Hamm AIDS-Hilfe Unna AIDS-Hilfe Hagen AIDS-Hilfe Hamm, AIDS-Hilfe Soest (Wenn die AD bekannt ist, aber nicht besucht wird): Warum nicht?        Hintergrund ist meistens die Entfernung Lüdenscheid-Dortmund Keine Zeit Kein Interesse Finde es gut, dass es AIDS-Hilfen gibt Nicht immer weiß ich, was es für Angebote gibt (Zufall, dass ich das im Wartezimmer beim Arzt erfahre) Ich weiß nicht, wo die AIDS-Hilfe zu finden und zu erreichen ist?! Besuche die AIDS-Hilfe Hagen 11      Ich gehe zur AIDS-Hilfe in Hagen Obwohl seit 20 Jahren betroffen, immer noch nicht "dazugehören" zu wollen Für mich liegt die AIDS-Hilfe Bochum näher Wohne nicht in Dortmund Ich lebe in Hamm und bin nur selten in Dortmund (wenn die AD besucht wurde): Welche Angebote wurden besucht?              Frühstück, Beratung Gespräche, zusammen gefrühstückt u.s.w., Sommerfest (seit ca. 26 Jahren) Patientenverfügung Positiven-Frühstück Telefonberatung Beratung, Frühstück, Selbsthilfegruppe War selbst tätig in der AIDS-Hilfe (z.B. Spenden gesammelt, als Kondom auf der Boys herumgelaufen und aufgeklärt) Gespräche mit Helmut (früher mit Anke) Frauengruppen, Frühstück (Sonntag und Montag) Frauengruppe, Flic Flac (Freizeitangebote), Wohlfühltage, Waldschlösschen Frühstück (Sonntag und Montag), Frauentreffen jeden 2. Mittwoch im Monat, Regelmäßige Besuche des Café Plus Ernährungsberatung, Einzelgespräche, Ehrenamtliche Tätigkeiten (Aktiv)?! Frühstück, Just for Fun (wenn die AD besucht wurde, aber nun nicht mehr): Warum nicht mehr?        Habe ungefähr 10 Jahre die Frauengruppe der AIDS-Hilfe Dortmund besucht (Kein Interesse mehr, waren zu negativ eingestellt) Frauentreffen (Waren mir zu oberflächlich und wenn es ernster wurde, Café zum Frühstück war mir zu schwulenlastig)3 Ich arbeite in Dortmund im sozialen Bereich, kenne viele Menschen und möchte nicht, dass mein [..] bekannt wird. Entfernung zum Wohnort (Ich werde mich aber verstärkt bemühen) Hauptsächlich zeitliche Gründe Interesse ja, aber noch Hemmschwellen aus zeitlichen Gründen 4. Fazit Die vorangegangenen Betrachtungen sind bereits weitgehend besprochen worden. Es soll nun versucht werden, einen Bogen um die vielfältigen Ergebnisse zu ziehen. Das ist keine einfache Aufgabe, denn es zeigt sich in den Daten vor allem eines: Die Motivlagen und Strukturen innerhalb der Zielgruppe sind komplex. Dennoch konnten einige Tendenzen erkannt werden, die eine Überprüfung der bestehenden Angebote der AidshilfeDortmund entlang der Ergebnisse der Erhebung erlauben: So wird deutlich, dass insbesondere Frauen und Menschen mit längerer Infektionsdauer und höherem Alter eher bestehende Angebote nutzen, während Jüngere und vor allem berufstätige Männer dies eher seltener erwägen. In den obigen Betrachtungen wurde stets 3 Kommentar leicht verändert, um Anonymität der Mitarbeiter zu bewahren 12 Wert auf eine starke Differenzierung gelegt. Es zeigte sich aber während der Auswertungsphase immer wieder, dass die Infektionsdauer, das Alter und weitere Gruppierungsvariablen - bis auf die hier bereits gezeigten Ausnahmen - keinen allzu großen Einfluss auf die Themen hatten, die HIVInfizierte beschäftigen. Immer spielen – in unterschiedlich starker Ausprägung – vor allem medizinische Fragen und das ‚Outing‘ mit den damit verbundenen sozialen Folgen eine große Rolle. Angebote, die auf diese Fragen zugeschnitten sind, sollten daher im Regelfall einen großen Anteil aller betrachteten Gruppen interessieren. Die Menschen, die bisher keine Angebote besuchen, machen sich durchaus einige Gedanken über die Infektion. Es ist also nicht so, dass diese Menschen sich über alle Fragen, die mit der Infektion verbunden sind, bereits im Klaren sind. Es könnte daher gut sein, dass diese Menschen bisher lediglich kein ausreichendes Bild von der Angebotsstruktur haben, um mögliche Hemmschwellen (siehe Kap. 2.2) zur Teilnahme zu überwinden. Niedrigschwellige, vielleicht auch (gut produzierte) digitale Angebote, und Angebote mit Bezug zum Umgang mit HIV in der Berufstätigkeit, möglicherweise ja in Zusammenarbeit mit großen Arbeitgebern der Region könnten diese Gruppe möglicherweise besser erschließen. Die Gruppe der jüngeren Menschen mit kürzerer Infektionsdauer hebt sich insofern noch einmal ab, als dass die Fragen des eigenen Umgangs mit der Infektion und die Angst, gesehen zu werden eine größere Rolle spielen. Dies muss bei Angeboten an junge Leute und frisch Infizierte stets berücksichtigt werden. Denkbar wären anonyme Angebote oder Einzelberatungen für diese Menschen. Sehr sinnvoll erscheint es auch, die Menschen zu erreichen, die bisher noch keine Kenntnis von der AD hatten. Sie sind in Bezug auf viele der abgefragten Sozialdaten der Gruppe der bestehenden Besucher relativ ähnlich und wurden bisher einfach noch nicht auf die AD aufmerksam. Da die Befragung hauptsächlich über Arztpraxen verteilt wurde, könnte man hier sicher auch ansetzen, um die PR Maßnahmen zu verstärken. Dass die bereits bestehenden Besucher sich deutlich weniger häufig als andere mit Fragen zu den sozialen Auswirkungen von HIV beschäftigen, war auffällig (siehe Kapitel 2.2, Detailbeschreibung G1). Man möchte diesen Effekt gerne den Angeboten der AD zuschreiben und es erscheint auch plausibel. Die Daten erlauben aber ihrer Natur nach keine kausale Schlussfolgerung, dafür müsste man eine Reihenbeobachtung machen. Dennoch sollte dieses Ergebnis vor dem Hintergrund der Praxiserfahrungen von der Organisation selbst sicher noch einmal interpretiert werden. Dabei kann man auch die Frage stellen, ob die ‚Stammkundschaft‘ möglicherweise neue Interessenten ‚abschreckt‘, weil die „wichtigsten Themen“ für beide Gruppen unterschiedlich sind. Neuankömmlinge kommen eventuell mit anderen Bedarfen, mit anderen Fragen. Ob bei der Gestaltung kommender Angebote der Schwerpunkt auf Angebote für bereits interessierte Personen gelegt und ausgebaut werden soll, oder ob es sinnvoller erscheint, neue Personenkreise zu erschließen, muss die Aidshilfenatürlich selbst entscheiden. 13