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Kandidatur für den Juso-Bundesvorstand
Liebe Genossinnen und Genossen, auf unserem Bundeskongress in Bremen kandidiere ich für den JusoBundesvorstand. Ich möchte Euch im Folgenden meine inhaltlichen Schwerpunkte und Projekte der kommenden zwei Jahre vorstellen und hierfür um Eure Unterstützung werben.
Alles Krise(n)? Der Kapitalismus ist strukturell krisenbehaftet. Dies ist eine grundsätzliche Erkenntnis der Analyse kapitalistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen. Dennoch leben wir in einer Phase des Kapitalismus, in der sich unübersehbar die Krisenzyklen verkürzen. So befinden wir uns seit 2007 in einer Dauerschleife krisenhafter Entwicklungen: Von der Finanz-, zur Banken- über die Wirtschafts- hin zur, in eine Staatsschuldenkrise umgedeuteten, Euro- und schließlich weiter zur Flüchtlingskrise. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind das Ergebnis einer Politik, die durchdrungen ist von neoliberaler Ideologie und ihrer Devise „there is no alternative“. Wenn dies aber wirklich so wäre, ist Demokratie überflüssig und wir könnten unsere politische Arbeit einstellen. Stattdessen ist richtig, dass die gegebenen Verhältnisse nie alternativlos sind oder waren. Als Jusos haben wir dies immer deutlich gemacht und die SPD zurecht an vielen Stellen kritisiert, wo sie in den TINA-Chor einstimmte. Wir sind für die Formulierung von Alternativen ein wichtiger Motor in der sozialdemokratischen Bewegung und müssen dies auch weiterhin bleiben, weil … … eine andere EU möglich ist! Die europapolitischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts lässt manch eineN resignieren, sind diese doch geprägt von zunehmender Re-Nationalisierung und einer Zuspitzung des Integrationsprozesses auf eine unsolidarische, unsoziale und nicht zuletzt auch undemokratische Austeritätspolitik. Die Errungenschaften und Hoffnungen, die mit der europäischen Einigung verbunden waren, verblassen zunehmend im Zeitalter eines disziplinierenden und autoritären Politikstils der EU und Teile ihrer Mitgliedstaaten. Im linken politischen Spektrum wird immer häufiger auch über einen Ausstieg und damit einem Ende der Europäischen Union nachgedacht. Einige progressive Kräfte verabschieden sich so von der Idee eines gemeinsamen Europas. Wir Jusos sollten für einen anderen Ansatz werben, denn tragen wir die EU zu Grabe, wirft dies Europa um annähernd 60 Jahre zurück. Wir müssen weiter für eine andere EU kämpfen. Für eine EU, die sich von ihrer marktliberalen Integrationsweise verabschiedet und endlich Schritte in Richtung einer politischen Union geht, die einen solchen Namen verdient. Demokratisierung der Strukturen und inhaltliche Neuausrichtungen vieler EU-Politiken bleibt das Ziel jungsozialistischer Politik, getragen im Verbund mit unseren YES-PartnerInnenorganisationen. Die Zeit ist mehr als reif für eine andere EU und für eine neue Definition europäischer SozialistInnnen über die Ziele des europäischen Integrationsprozesses. Die gescheiterte Austeritätspolitik, die immer
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noch bedrohlich-hohe Arbeitslosigkeit junger Menschen in vielen Mitgliedstaaten und gerade auch die Unfähigkeit der EU eine humanitäre Flüchtlingspolitik zu gestalten, um stattdessen wieder Grenzzäune zu errichten, verdeutlichen diese Notwendigkeit eindrucksvoll. Wir Jusos müssen hier weiter vorweg gehen und für unsere europapolitischen Alternativen werben. … eine andere Form des Wirtschaftens nötig ist! Eng verbunden mit der Zukunft der Europäischen Union ist auch ein nötiges Umdenken in der Wirtschaftspolitik, stellt die EU im Rahmen des wettbewerbsstaatlichen Umbaus der europäischen Wirtschafts- und Sozialordnung(en) doch eine Hauptpromoterin einer solchen Politik dar. Die Folgen dessen sind unübersehbar: Die soziale Sicherung nimmt ab, Arbeit prekarisiert sich und Errungenschaften marktregulierender Sozial- und Wirtschaftspolitik werden im Namen des Wettbewerbs abgebaut – Unsicherheiten und zunehmende Ungerechtigkeit innerhalb der europäischen Gesellschaft(en) sind das Ergebnis dieser Politik. Das „unternehmerische Ich“ ist nicht zuletzt auch unter dem Schlagwort der Digitalisierung das Leitbild Wirtschaftsliberaler. Solidarität hat in einem solchen Wirtschaftsverständnis keinen Platz mehr. Diesen Entwicklungen gilt es sich entgegen zu stellen. Wir als JungsozialistInnen sind gefordert die Arbeits- und Wirtschaftswelt 4.0 zu denken und zu gestalten. Hierzu zählt insbesondere die konzeptionelle Weiterentwicklung von Wirtschaftsdemokratie. Die Demokratisierung von Wirtschaft bleibt eine Antwort, um die Arbeits- und Produktionsverhältnisse in Richtung einer solidarischen Wirtschaft im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsversprechens zu entwickeln. Die Erstellung und Weiterentwicklung eines solchen Leitbilds wird unsere gemeinsame Aufgabe in den nächsten zwei Jahren sein. … eine andere Handelspolitik entscheidend ist! Zum solidarischen Wirtschaften gehört auch eine andere Handelspolitik. Handelspolitik ist ein entscheidendes Mittel, um Globalisierungsprozesse zu gestalten. Unter dem Deckmantel des Freihandels wird allerdings auch hier der politische Gestaltungsanspruch aufgegeben und die zukünftige Entwicklung den Märkten und Kapitalinteressen überlassen. Die Freihandelspolitik hat dazu beitragen, dass sich Länder des globalen Südens immer noch in einem krassen Abhängigkeitsverhältnis zu den Industrieländern des globalen Nordens befinden. In der deutschen Öffentlichkeit wurde lange Zeit nicht wahrgenommen, dass durch Freihandelspolitik ein Handelsregime entstanden ist, das demokratische, sozialpolitische und rechtsstaatliche Errungenschaften offen angreift. Erst als nun mit TTIP & CETA implementierte Instrumentarien freien Handels auch gegen Errungenschaften innerhalb der Industriestaaten eingesetzt werden sollen, regt sich nennenswerter Widerstand. Der politische Kampf muss deshalb nicht nur gegen TTIP & CETA geführt werden, sondern darüber hinaus produktiv für eine Neuordnung des gesamten Welthandels genutzt werden. Wir werden auf dem Bundeskongress hierzu einen richtungsweisenden Antrag beraten, in dem wir Grundzüge einer solidarischen, gerechten und demokratischen Handelspolitik aufzeigen. Die Devise lautet: Fairhandel statt Freihandel! Hierfür gilt es zu kämpfen und unser Diskussionsergebnis in die SPD hineinzutragen, um den Druck auf die Parteispitze weiter zu erhöhen. … unsere Zukunft mehr wert ist! Auch innerstaatlich gilt es Weichenstellungen zu verändern. Wir sehen, dass unter dem Diktat der Austeritätspolitik – nicht nur in vermeintlichen „Krisenländern“ – die öffentlichen Haushalte zusammengestrichen und in der Folge dringend notwendige Investitionen
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nicht vorgenommen werden. Dies bedroht die Existenzgrundlage zukünftiger Generationen! Nicht die schwarze Null ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, sondern Investitionen in Bildung, soziale Sicherung und öffentliche Infrastruktur. Viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens leiden unter starker Unterfinanzierung und der Investitionsstau ist Land auf, Land ab bereits heute eklatant. Zurecht sagen wir deshalb: Unsere Zukunft ist mehr wert! Als Jusos müssen wir uns weiter für ein Umdenken in der Steuer- und Finanzpolitik einsetzen. Steuergerechtigkeit ist und bleibt hierfür der Schlüssel. So müssen wir u. a. weiter für höhere Besteuerung von Vermögen und für die Eindämmung des ruinösen Steuerwettbewerbs innerhalb der EU im Bereich der Unternehmens- und Kapitalbesteuerung kämpfen.
Argumente aufwerten Die Konsequenz aus diesen vier inhaltlichen Schwerpunkten lautet: Es liegt viel Arbeit vor uns und wir Jusos müssen weiterhin die starke Stimme für progressive Politik innerhalb der SPD bleiben. Hierzu braucht es Foren, in denen wir über unsere politischen Vorstellungen mit PartnerInnen aus der Sozialdemokratie und unseren BündnispartnerInnen diskutieren können. Neben den großen Basisveranstaltungen sind die Argumente-Hefte ein solches Forum. Bereits in den letzten zwei Jahren konnten die Argumente inhaltlich weiterentwickelt werden. Die Neustrukturierung unseres Debattenmagazins ist allerdings noch nicht abgeschlossen und eine wichtige Aufgabe für den neuen Bundesvorstand. Nach meiner Vorstellung sollen die Argumente für unsere Mitglieder noch ansprechender und interessanter werden, um hierdurch auch theorie-geleitete Diskussionen wieder stärker in den Verband zu tragen.
Zu meiner Person Ich wurde am 14. März 1989 in Buxtehude geboren. 2003 habe ich im Unterbezirk Stade (Bezirk Nord-Niedersachen) mit der Juso-Arbeit begonnen. Seit 2008 lebe ich in Kassel (Bezirk Hessen-Nord), wo ich zwei Jahre lang dem Juso-Unterbezirk vorsaß. Nach dem Bundeskongress 2013 wurde ich in den Juso-Bundesvorstand kooptiert. Seit März 2013 bin ich stellvertretender Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Kassel-Stadt. Ich arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft und promoviere am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel zu kriseninduzierten Veränderungen europäischer Staatlichkeit im Kontext der „Euro-Krise“. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn ich mit meinen Ausführungen Euer Interesse wecken konnte und freue mich mit Euch über meine Themenschwerpunkte und Ziele für die Arbeit im Bundesvorstand ins Gespräch zu kommen. Mit jungsozialistischen Grüßen! Johannes / Jogi
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