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Bewusstsein V – Entstrubbelungsversuch

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Bewusstsein V Entstrubbelungsversuch – Der 5. Teil der wissenbloggtBewusstseins-Serie befasst sich mit dem Denken. Dafür werden wieder die Schleifen bemüht, die im Hirn anscheinend für diese Tätigkeit sorgen. Um die Argumentation zu vereinfachen, wird das Bewusstsein selbst vorerst ausgeklammert. Es ist auch so schon kompliziert genug (Bild: OpenClipart-Vectors, pixabay). In den vier vorangegangenen Bewusstseins-Artikeln wurde eine kleine Übersicht versucht (1). Dann ging es mit etwas eigener Nachhilfe voran (2), und danach wurde eine Vorstellung abgeliefert, wie Kognition, Lernen und Erinnern konstruiert sein könnten (3). Zuletzt war das Träumen dran, in Form von dem Bild, welches das innere Kino zur Verfügung stellt (4). Der 5. Teil schlüsselt die Schritte 4 (Mentales) und 5 (Bewusstes) aus dem 2. Teil breiter auf. So wird ein Versuch der Entflechtung oder Entstrubbelung gewagt. Dass dieses Areal nicht abschließend beackert ist – wenn überhaupt -, lässt Raum frei für Amateue. Überhaupt werden in diesem Artikel Freiheiten genutzt, etwa beim freizügigen Gebrauch der Begriffe. Bis die Wissenschaft einheitliche Benamsungen spendiert, wird das verwendet, was opportun erscheint. Und auf einen zentralen Begriff wird gleich ganz verzichtet. Mentales Jetzt trifft es das Mentale. Die Aussage dazu ist, in neuronalen System entstehen emergent mentale Eigenschaften. Doch sobald das Wort mental auftaucht, gibt es Verständigungsprobleme. Weil das Wort noch in jeder Diskussion für Verwirrung und Missverständnisse gesorgt hat, soll im weiteren so weit wie möglich auf das Wort mental verzichtet werden. Es ist aus pragmatischen Gründen ein ungeeigneter Ausdruck für diesen Text, und neuronal trifft das Beabsichtigte auch nicht richtig. Hier geht es um die Tätigkeit des Netzwerks von Nervenzellen im Gehirn, des Konnektoms. Das wird gern als small world network beschrieben, weil alle Neuronen über ein paar Stationen zusammenhängen. Dies neuronale Netz ist voll von Rückkopplungen, wo ein Neuron feuert und über seine Synapsen das nächste Neuron aktiviert. Das feuert dann auch, aktiviert wiederum das nächste usw., bis wieder das erste erreicht wird. Und dann geht die Schleife von vorn los. In der Literatur wird das auch als rekurrente Netze, reziproke Kopplung oder Reentry bezeichnet. Solche Schleifen, in denen Dinge rekursiv miteinander interagieren, gibt es auch woanders. Man kennt Rückkopplungen von Mikrofonen, die zu dicht an den Lautsprechern stehen, oder von Opas Hörgerät, das nicht richtig passt. Der Schall geht vom Lautsprecher zum Mikro, wird verstärkt und macht die nächste Runde. Ergebnis sind Pfeiftöne, Größenordnung 1000 Hz. Die Rückkopplungen im Hirn sind langsamer, sie liegen bei 40 Hz, also 40 Umdrehungen pro sec. Akustisch wären das tiefe Brummtöne, was die Hirn-Schleifen in lockerer Sprechweise zu Brummkreiseln macht. Im weiteren soll es aber nicht Brummkreisel oder Schleife oder Zyklus heißen, sondern Loop. Man mag neidisch nach Amerika gucken, wo die Wissenschaftler sicher was Peppiges draus machen würden. Z.B. bloops für brain loops oder gar sloops wie Schaluppen … Und wofür die ganzen Abschweife? Was diese Loops machen, ist in erster Näherung das Denken. Die dynamischen Änderungen der Loops sind der Denkprozess. Das Denken ist die Hauptaktivität vom Gehirn. Zumindest bei letzterem sind sich alle Quellen einig, auch dass das meiste davon unbewusst passiert. Die Zahlenangaben gehen von 95% bis 99%. U-Denken und B-Denken Wer sich an die Unterscheidung U-Musik und E-Musik erinnert, wird sich auch mit U-Denken und B-Denken abfinden. B-Denken soll kein Wortspiel mit Bedenken sein, und bei U-Denken soll das U auch nicht für Unterhaltung stehen. U-Denken soll die 95-99% der Hirnaktivität umfassen, das Unbewusste Denken. Vom Bewussten Denken, dem B-Denken ist später die Rede. Erstmal soll mit den einfachen Sachen angefangen werden. Unbewusst denkt man, wenn man die Umgebung sieht & erkennt, wenn man Hindernisse & Stolperschwellen ortet und ihnen automatisch ausweicht. Auch viele Entscheidungen fallen unter das unbewusste Denken, welchen Fuß man setzt, ob man drüber oder dran vorbei geht. Da werden automatisch Alternativen erdacht und eine davon ausgeführt, während das Bewusstsein anderweitig beschäftigt ist, z.B. mit dem Braten, den man jagt. Das ermöglicht der dorsale Pfad, der die Bewegungs- und Positionswahrnehmung am Bewusstsein vorbei organisiert. Wenn jetzt vom "Denken" gesprochen wird, ist das U-Denken gemeint, und nicht das, was passiert, wenn "ich denke". Das Bewusstsein, das "Ich", soll vorerst ausgeklammert sein. In der Konsequenz kann man sich "computermäßig" oder "mechanistisch" mit dem Denken befassen. Der Charme ist, dass man das Denken als Datenverarbeitung analysieren kann, ohne dass die störende Innensicht in die Quere kommt und alles verkompliziert. Das ontologische Auseinanderklabüsern von Denken und Innensicht wird bestärkt durch die Einstufung von David Chalmers. Der sprach von einem easy problem (of explaining the ability to discriminate, integrate information, report mental states, focus attention, etc.): "Easy problems are easy because all that is required for their solution is to specify a mechanism that can perform the function." Ein Einstieg in das hard problem of conciousness wird erst danach versucht (am Ende von teil 5 und im Teil 6). Dann sollen Vorstellungen entwickelt werden, wie das Bewusstsein dazupasst, was es bringt, und wie es sich ins Gesamtbild einfügt. Entitäten Die Dinge, die der Artikel als Basis fürs Denken auffasst, sind die Loops. Es werden also nicht mehr Neuronen betrachtet, wie sie feuern, und Synapsen, wie sie die Anregung zum nächsten Neuron übertragen usw. Stattdessen setzt die Sicht eine Ebene höher an. Die Loops sind Prozesse in Systemen von Neuronen, und diese Systeme entwickeln dabei emergent neue Eigenschaften. Als Parallele soll eine Menschenmenge in einem Stadion dienen. Wenn sich die einzelnen im passenden Rhythmus erheben und wieder setzen, entsteht emergent etwas Neues, eine Welle, auch La Ola genannt. Einzelne Menschen können keine Welle sein, aber alle zusammen sind es. Diese Welle ist ein konkretes Ding mit Eigenschaften, die ihre Bestandteile, die Menschen, nicht haben; z.B. hat sie die Eigenschaft, sich in 10 sec rund ums Stadion zu bewegen. So eine schnelle Stadionrunde schafft kein einzelner Mensch. Entsprechend sollen nun die Loops angeschaut werden. Die Loops sind konkrete Dinge mit Eigenschaften, die ihre Bestandteile, die Neuronen mitsamt Synapsen, nicht haben. Wenn man ins Detail geht, sieht man natürlich wieder die Neuronen und Synapsen und ihre Rückkopplungen. Noch tiefer kann man runtergehen bis zur Molekülebene und bis zu den Atomkernen und deren Vibrationen. Passend dazu gelten die physikalischen, chemischen und biologischen Gesetze. Aber zusätzlich gelten nun die Gesetze des U-Denkens. Es geht also über das biologische bzw. neuronale System hinaus, es ist jetzt ein U-Denksystem. Das U steht dafür, dass hier nicht die normalen Denkgesetze (der Logik usw.) gemeint sind. Und schon gar nicht das, was man sonst "Denksystem" oder "Denkschema" nennt. Es geht um das Denken im Sinn von Datenverarbeitung der Loops. Gesetze und Eigenschaften Die Aussage ist nun, aus einem neuronalen System wird emergent ein Denksystem (mit Denken im Sinn von Datenverarbeitung der Loops). Das Denksystem umfasst den größten Teil des Hirns. Es besteht aus Loops mitsamt dem Substrat, auf dem die Loops "laufen", also dem Neuronennetz. Damit ist eine neue Ebene oberhalb der biologischen bzw. neuronalen Ebene eingeführt, die Denk-Ebene (im Artikel 2 war das noch die "Ebene des Mentalen", aber jetzt greift das Verbot des M-Worts). Auf dieser Denk-Ebene gelten die Gesetze des U-Denkens: Die Loops verhalten sich dynamisch und selbstorganisierend und hochgradig parallel, also viele entwickeln sich zugleich. Sie beinhalten offensichtlich eine Logiksteuerung der Schleifendynamik. Sie folgen den evolutionären Prinzipien von Erhaltung, Variation und Selektion (das wird in mehreren Publikationen erwähnt, nur wie das genau geht, darüber wird nichts ausgesagt). Das Denksystem hat emergente neue Eigenschaften. Außer den Fähigkeiten zur Selbstorganisation ist das vor allem die Eigenschaft, dass die Loops Begriffe repräsentieren können. Wenn man dem Artikel 3 folgen will, kann das ein "Baum" sein, ein "Hund" oder die Tätigkeit "Herumlaufen". Die Loops sind demnach hierarchisch in Kaskaden organisiert. Der Loop "Hund" hat den Unterloop "4" und "Beine". "Beine" hat wiederum die Unterloops "lang" und "dünn". Das Denken ist dann ein Prozess von Zustandsänderungen im Denksystem. Wie die einzelnen Ereignisse aussehen, die die Loops vom einen in den nächsten Zustand versetzen, wird ansatzweise im Artikel 3 angesprochen. Für die Denkvorgänge Erkennen, Lernen und Erinnern sind dort Vorschläge gemacht, wie das implementiert sein könnte. In dem Artikel wird von Bündeln gesprochen, über die Loops (dort noch "Zyklen" und "Schleifen") aktiviert werden. Die "Bündel" werden präsentiert als ein Neuron mit vielen Synapsen, doch so muss es nicht realisiert sein. Es wird auch der Vorschlag gemacht, das 1. Neuron vom Loop könnte speziell aktiviert werden und gibt dann die spezielle Aktivierung reihum weiter. Die Literatur sagt niemals Bündel, sondern es ist immer die Rede von Rekurrenz, Reziprozität, Reentry, also letztlich Schleife. Deshalb lönnte man bei der vermuteten Realisierung der Bündelung zu Loops mit spezieller Markierung oder speziellem Modus tendieren. Ausweitung Die Überlegungen zur Trennung von Denken und bewusstem Denken finden sich ansatzweise in der Literatur, wo z.T. das Bewusstsein als eigenes Phänomen betrachtet wird. Dabei ist vor allem der theoretische Philosoph Thomas Metzinger zu nennen. Auf dessen "Selbstmodell" baut der 6. Artikel auf. Hier soll zunächst betrachtet werden, wie sich das Gedankengebäude mit dem U auf die bewussten B-Zustände ausweiten lässt. Obwohl sie besonders wichtige Rollen spielen, war ja bisher keine Rede von höherwertigen Gedankengütern wie Intentionen, Emotionen, Ich und Bewusstsein. Das Bewusstsein ist ein Extra-Feature, das über den bisherigen Ansatz hinausgeht. Erstmal soll von der Innensicht auf niedriger Basis die Rede sein, wie sie wohl bei einfachen Wirbeltieren realisiert sein mag. Zentral ist dabei das "innere Kino", die "Repräsentation der Umgebung", die "innere Benutzerschnittstelle", das "virtuelle Modell der Innen- und Außenwelt" oder schlicht "das innere Modell". Nach allgemeiner Ansicht brachte die Evolution zuerst eine Verortung von Körper und Gliedmaßen im Raum hervor, wo Richtung und Abstand der erkannten Objekte in Relation zum Körper repräsentiert werden. Dieses innere Modell entwickelte sich bis zum "Bewusstseinsraum, welcher Körper-, Raum-, Sinnes- und Denkbewusstsein vereinigt". Der Text folgt der Ansicht, dass hier ein Dreh- und Angelpunkt für das Bewusstsein liegt. Innensicht-Ebene Ziel ist nun, eine Ebene über der Denk-Ebene zu etablieren. Weil der Begriff Bewusstsein auch ständig zu Problemen und Missverständnissen führt, soll vorerst das bescheidenere Wort Innensicht benutzt werden. Die Ebene wäre demnach die Ebene der Innensicht oder die Innensicht-Ebene. Aus einem Denksystem wird dann emergent ein Innensicht-System (im Artikel 2 war das noch das "bewusstseinstragende System"). Die emergenten neuen Eigenschaften der Innensicht-Ebene sind direkt gegeben: die Innensicht, das Bewusste, das, worum es hier letztlich geht. Das Innensicht-System umfasst nur einen kleinen Teil des Hirns (nachdem ja auch nur 1%-5% der Gedanken bewusst sind). In der Literatur werden, wenn überhaupt, die intralaminären Kerne vom Thalamus genannt, mitsamt den aufsteigenden und absteigenden dynamischen Neuronenbahnen. Auch wenn die Lokalisierung unklar ist, gibt es als simples Prinzip diese Entsprechung: B-Denken ≙ U-Denken + Innensicht Bewusstes Denken ist wie unbewusstes Denken plus Innensicht. Auf der Innensicht-Ebene gelten die Gesetze des B-Denkens. Natürlich gelten auch die Gesetze des U-Denkens, und zusätzlich gelten die Gesetze der Innensicht. Z.B. dass sie sequentiell arbeitet und den Fokus immer nur auf eine Sache richtet (das ist im Artikel 2 dargelegt). Dieses vom optischen System übernommene Feature schränkt die parallele Datenverarbeitung der Denk-Ebene stark ein. Bremse Die Innensicht bremst. Aufbau und Instandhaltung des inneren Modells kosten Zeit. Das ist ein Feature, das Grund zu grundlegenden Erwägungen bietet. Zunächst die Frage, wie man das erlebt – jeder macht die Erfahrung, wie es um diesen Bremseffekt steht. Ausgangspunkt ist jetzt das Körpertraining, etwa beim Balancierenlernen. Da kommt es noch nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern auf die Konzentration. Sobald man sich eine gedankliche Abschweifung gestattet, wackelt man. Man muss also das ganze Bewusstsein an die Balance wenden, um die schwierige Aufgabe zu bewältigen. Solange man bei solchen Aktionen mitdenken muss, handelt man zwar wirkmächtig und flexibel, aber langsam. Das merkt man bei weiteren Übungen, z.B. bei Tätigkeiten wie Fisch ausnehmen oder den Rückhandschlag beim Tennis lernen. Da braucht man das Gegenteil. Erst wenn die Innensicht abgeschaltet, neutralisiert oder kurzgeschlossen ist, wird man schnell. Mit anderen Worten: 1. Solange die Innensicht aktiv beteiligt ist, stellt sie das volle Potential zur Verfügung, aber sie bremst die Tätigkeit. Das sieht man beim Balancierenlernen, da wird die Innensicht voll einbezogen und steuert den Vorgang. 2. Wenn die Innensicht passiv oder ausgeblendet bleibt wie beim Fischausnehmen oder Rückhandschlagen, läuft sie bloß parallel (das innere Modell bleibt ja immer auf dem Laufenden, ohne sich in diesem Fall einzumischen). Das erlaubt eine grobe Vorstellung für den ganzen Ablauf: Die Sensorik liefert Muster, die Kognition erkennt Objekte und Aktivitäten, das innere Modell wird entsprechend upgedated. Eine passende Reaktion wird gefunden, und die stößt entsprechende Handlungsprogramme an, die am Ende die Motorik steuern. Die passende Reaktion zu finden, das leistet gewöhnlich ein Teil des Hirns außerhalb vom inneren Modell. Da werden Alternativen selektiert oder konstruiert, und diejenige mit der besten Wertung wird ausgeführt. Der Unterschied wäre also: 1. unbewusst: das innere Modell läuft nur passiv nebenoder hinterher, dann ist es schnell 2. bewusst: das innere Modell übernimmt aktiv die Regie, wägt die Wertungen ab und/oder Handlungsschritte, das dauert Bis hierher ist nur gesagt, bewussten Aktivitäten gibt, Teil des Hirns umfasst, und kosten. Wie das organisiert Informationen liefern. Da Annäherung ans Bewusste. kontrolliert die dass es eine Systemebene für die dass das System nur einen kleinen dass die bewussten Prozesse Zeit ist, darüber soll der 6. Artikel kommt ein weiterer Versuch der Wilfried Müller Das augenbetörende Bild gibt schon mal einen Vorgeschmack auf die Innensicht … Die sechs Artikel im Zusammenhang: Bewusstsein Bewusstsein Bewusstsein Bewusstsein Bewusstsein Bewusstsein I – kleine Übersicht II – Schritt für Schritt III – Bündeltheorie IV – wie sieht man beim Traum? V – Entstrubbelungsversuch VI – Innensicht als Extra-Feature (ab 5.2.) Weitere Links dazu: Rezension Bunge/Mahner Über die Natur der Dinge I Rezension Bunge/Mahner Über die Natur der Dinge II Rezension – Gerald M. Edelman – Das Licht des Geistes Rezension – David Eagleman – Inkognito Kritik des Buchs “Komplexität” von Klaus Mainzer Rezension des Buchs “Komplexität” von Klaus Mainzer Schnelles Denken, langsames Denken reloaded Schnelles Denken, langsames Denken Die Kraft der Naturgesetze, Günter Dedié Günter Dediés wb-Artikel zur Emergenz Noodle bobble 2/II – Bewusstseinsraum Noodle bobble 2/I – Bewusstseinsraum Schein oder Bewusstsein Serie Kann ich meinem Hirn trauen? Bunge/Ardila Philosophie der Psychologie (noch ohne Rezension)