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Bilanz-Pressekonferenz 2015 20.01.2016
Monika Breuch-Moritz Präsidentin Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: 20. 01. 2016, 11.00 Uhr 1
Einleitung: herzlich willkommen hier im GAUSS-Saal des BSH. Ich freue mich über die rege Teilnahme an unserer Bilanz-Pressekonferenz. Wir blicken zurück auf das Jahr 2015 und geben einen Ausblick auf die Arbeit des laufenden Jahres.
Zuerst der Blick auf unser 25. Jähriges Jubiläum als Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.
Dann werden wir an einigen Beispielen zeigen, wie das BSH mit seiner Arbeit technische Innovationen voranbringt oder Entwicklungen anstößt. Dazu gehören
die Modernisierung und Digitalisierung von Seevermessung, Seekarten und nautischen Informationssystemen an Bord von Schiffen,
Fortschritte für den Meeresumweltschutz sowie zur Überwachung von Schifffahrt und Meer und
unsere aktive Unterstützung bei der Entwicklung der Offshore-Windindustrie.
Und nicht zuletzt engagieren wir uns, ein attraktiver und moderner Arbeitgeber zu sein.
25 Jahre BSH
2015 war ein spannendes und ereignisreiches Jahr. Die Veranstaltungen rund um den 25. Jahrestag des BSH unter dem Motto „25 Jahre BSH im wiedervereinigten Deutschland“ sorgten für außergewöhnliche Arbeit, aber auch für Spaß. Wir öffneten unsere Dienstsitze in Hamburg und Rostock sowie die Schiffe WEGA und DENEB für jeweils einen Tag. Das Interesse und die positiven Rückmeldungen unserer insgesamt rund 2.500 Besucherinnen und Besucher waren eine tolle Bestätigung unserer Arbeit und für uns eine besondere Anerkennung.
Besonders bedanken möchten wir uns für den feierlichen Empfang der Stadt Hamburg im Rathaus. Er wird uns allen in langer und besonderer Erinnerung bleiben.
Der 25. Geburtstag des BSH war Anlass für einen Rückblick auf die Geschichte: Natürlich sind viele Aufgaben des BSH viel älter und reichen bis zur Gründung der norddeutschen Seewarte im Jahr 1868 zurück. Am 1. Juli 1990 fasste die Bundesrepublik Deutschland wesentliche maritime Aufgaben unter dem Dach des BSH zusammen. Es entstand eine Behörde mit neuen Aufgaben in der Schifffahrtsverwaltung. Gleichzeitig wurden die vorhandenen Aufgaben aus den Bereichen Schifffahrt, Seevermessung, Kartographie und Meereskunde sowie die angewandte Forschung kontinuierlich fortgeführt.
Während der Vorbereitung der Neuorganisation fiel die Mauer und die deutsche Wiedervereinigung war absehbar. Mit dem 3. Oktober 1990 übernahm das BSH die Zuständigkeit für die maritimen Aufgaben auch in den neuen Bundesländern – so, dass die 2
Schifffahrt nichts von der Umorganisation merkte. Das war eine besondere Leistung aller Verantwortlichen der damaligen Zeit.
Die Küstenlinie Deutschlands verdoppelte sich fast – von 1.835 km auf rund 3.550 km - und das BSH hat mit Rostock und Hamburg seither zwei Dienstsitze.
25. Meeresumweltsymposium
Auch das Meeresumweltsymposium feierte 2015 sein 25. Jubiläum. Über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutierten Themen wie Meeresgovernance (international geltende Regelungssysteme für die Meere), Meeresmüll, Tiefseebergbau und Meeresüberwachung. Vertreter der Schifffahrt stellten ihre bemerkenswerte Entwicklung im Umweltschutz dar, z.B. zur Senkung von Schiffsemissionen.
Beispiele technischer Innovationen und Entwicklungen 1990 markiert auch die Geburtsstunde der digitalen Welt, denn das Internet wurde für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Parallel entwickelten sich immer größere und umfangreichere Rechenkapazitäten; die Möglichkeiten zur Datenspeicherung und –verarbeitung vervielfachten sich.
Die digitale Welt veränderte auch die Arbeit des BSH. Die Behörde war bei der Digitalisierung von Seekarten und Informationssystemen, der Entwicklung neuester Technik zur Meeresüberwachung, Umweltschutz und Offshore-Windenergie an vorderster Front dabei.
Modernisierung und Digitalisierung von Seevermessung, Seekarten und Informationssystemen an Bord von Schiffen - Anstoß von ECDIS und AIS
Die Entwicklung des elektronischen Seekartendarstellungs- und Informationssystem ECDIS (Electronic Chart Display and Information System) und des automatischen Schiffsidentifikationssystems AIS initiierte das BSH schon früh.
1999 ließ das BSH das erste ECDIS weltweit zu. Damit begann die Entwicklung der ENavigation, einer der wichtigsten Initiativen der Weltschifffahrtsorganisation IMO zur sicheren Schiffsführung und Navigation. Heute ist ECDIS das zentrale Brückensystem an Bord der Schiffe. Für die Sicherheit der Seeschifffahrt und den Schutz der marinen Umwelt ist es unentbehrlich geworden.
16 Jahre später, am 16. September 2015, fanden hier im BSH, an dem Ort, an dem die weltweit erste ECDIS-Anlage zugelassen wurde, Präsentationen und Workshops des weltweit ersten „World ECDIS Day“ statt - initiiert von der Firma SevenCs und unterstützt unter anderem von der IMO. Rund 300 Teilnehmer diskutierten über die Bedeutung und Weiterentwicklung von ECDIS und E-Navigation für die Schifffahrt.
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Digitalisierung in der Kartographie und Konzept neuer Herstellungsprozesse
Die Herstellung von Seekarten ist eines unserer Kerngeschäfte. 1990 haben wir für Tiefenmesswertaufzeichnungen Magnetbänder ausgelesen. Topographische Karten wurden mit der Hand gezeichnet. Für Korrekturen verwendeten die Kartographinnen und Kartographen geklebte Buchstaben und Seezeichen. Linien tuschten sie mit der Hand. Heute werden die Daten von der Vermessung über die fertige elektronische Seekarte (der ENC Electronic Navigational Chart), bis zur Darstellung in ECDIS (dem Electronic Chart Display and Information System) digital und ohne Medienbruch be- und verarbeitet.
Um die digitale Herstellung von Papierseekarten, Seehandbüchern und ENC-Daten zu ermöglichen, entwickelte das BSH 1990 das Konzept des "Nautisch-Hydrographischen Informationssystems NAUTHIS". Weiterentwickelt zu einer Hydrographischen Produktionsdatenbank ist es heute die Basis für die die Herausgabe nautischer Publikationen.
ECDIS ist als System akzeptiert
Dieser Schritt spielte eine wichtige Rolle für den Einsatz von ECDIS. Seit dem 1. Juli 2012 wird die Ausrüstungspflicht mit ECDIS für Schiffe schrittweise eingeführt. Ab 2018 müssen nahezu alle Schiffe in der internationalen Fahrt ECDIS an Bord haben.
2015 fuhr erstmals die Mehrheit der rund 60.000 Schiffe, die unter das SOLAS Übereinkommen fallen, mit ECDIS. (SOLAS = International Convention for the Safety of Life at Sea, Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See). Die Technologie ist in der Schifffahrt akzeptiert; auch Schiffe, die noch nicht ausrüstungspflichtig sind, setzen sie ein.
Mit diesem System hat sich die Navigation grundlegend geändert. Auch wenn die Grundidee von ECDIS mit dem Konzept eines Navigationssystems auf der Straße vergleichbar ist, bietet es sehr viel mehr Funktionen. Vereinfacht gesprochen ist es ein Navigationssystem, das den aktuellen Wetterbericht und den Bericht zur „Verkehrslage“ in Echtzeit mit Warnberichten über Gefahrenlagen und mit Informationen über den aktuellen Zustand des „Verkehrsweges“ kombiniert.
ECDIS ist heute also das zentrale System zur sicheren Schiffsführung und Navigation. AIS - Informationen über andere Schiffe, unter anderem deren Name, IMO-Nummer, Reiseziel, Kurs, Geschwindigkeit, gegebenenfalls auch Auskünfte über gefährliche Ladung, können direkt im ECDIS dargestellt werden. In das System eingegebene Informationen zum Tiefgang des eigenen Schiffes kombiniert mit Echolotdaten und den Seekarteninformationen können vor zu geringer Wassertiefe warnen. Kombinierte Seekarten- und Eigenschiffsbewegungsdaten informieren über die Annäherung an ein Sperrgebiet. ECDIS wird zu einem Geodateninformationssystem an Bord der Schiffe und damit langfristig ein Baustein auf dem Weg zum autonomen Fahren. 4
Neue Produkte in der Kartographie
ECDIS verbessert die Möglichkeiten der Navigation erheblich. Doch wenn ein Schiff in den Hafen fährt, sind die Fähigkeit der Verkehrszentralen und der Lotsen gefragt. Sie müssen vor allem große Schiffe und Schiffe, die einen besonderen Tiefgang haben, sicher in den Hafen bringen. Sehr detailgenaue Karten „ihrer Fahrwasser“ sollen sie bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen. Das BSH hat 2015 in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) und der Bundeslotsenkammer digitale Spezialkarten für die Revierfahrt entwickelt. Die Pilotphase für die Reviere Rostock und Emden ist bereits angelaufen.
Fortschritt für den Meeresumweltschutz und die Überwachung von Schifffahrt und Meer
In den vergangenen 25 Jahren hat der Schutz der marinen Umwelt stark an Bedeutung gewonnen. Damit wurden zahlreiche Innovationen auch in der Schifffahrt angestoßen und eingeführt. Das BSH gewährleistet wichtige Anteile des Umweltmonitoring in Nord- und Ostsee kontinuierliche Meeresbeobachtungen ebenso wie Untersuchungen, die analysieren, wie sich die Schifffahrt und die Meeresnutzung auf die Umwelt auswirken. Dabei wird eng mit Forschungsinstituten und Universitäten, aber auch mit Partnern aus der Industrie zusammengearbeitet.
Nur dauerhafte und regelmäßige Datenerhebungen zeigen, wie sich der Zustand der Meere entwickelt, ob Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt greifen oder ob ein Bedarf zur Nachsteuerung besteht.
Ergebnisse aus der Arbeit des BSH 2015 Letztes Jahr habe ich Ihnen berichtet, dass die Einleitung von Öl in das Meer erheblich zurückgegangen ist. Insgesamt können wir auf der Basis unserer chemischen und physikalischen Monitoring-Ergebnisse feststellen, dass in beiden Meeren die Konzentration solcher Schadstoffe, die verboten oder streng geregelt wurden, immer weiter zurückgeht. Bei Paraffin-Einleitungen in das Meer ist das leider noch nicht zu beobachten.
Auch auf Grundlage der Ergebnisse des BSH zu den Paraffinverschmutzungen hat die IMO Ende 2015 den Regelungsbedarf für das Einleiten von Paraffin in die Meere auf die Tagesordnung gesetzt. Wir freuen uns darüber, denn damit ist das Thema international anerkannt.
Wir gehen davon aus, dass in der IMO eine internationale Regelung entwickelt wird, und wir arbeiten bereits an einem Verfahren, um – ähnlich wie bei Ölverschmutzungen - die Herkunft des Paraffins eindeutig identifizieren zu können.
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Ganz andere „Einleitungen“ haben auch positive Effekte:
Die Ostsee kann seit Dezember 2014 zum dritten Mal tief durchatmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) berichteten von einem erneuten Einstrom großer Mengen Nordseewassers mit hohem Sauerstoffgehalt in die Ostsee zwischen dem 14. und 22. November 2015. Insgesamt kamen 1,4 Gigatonnen Salz hinzu, eine Menge, die die Fläche der Größe der Stadt Hamburg fast einen Meter hoch bedecken würde. Der Dezembereinbruch 2014 transportierte insgesamt 3,98 Gigatonnen Salz in die Ostsee.
Das IOW untersucht und überwacht im Auftrag des BSH den Zustand der Ostsee und erhält seine Erstinformation durch das marine Umweltmessnetz (MARNET) des BSH.
Das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut für Ostseefischerei geht davon aus, dass sich mit diesem weiteren Salzwassereinbruch vor allem für Dorsche in der westlichen Ostsee die Lebensbedingungen deutlich verbessern werden. Sehr vereinzelt fanden Fischer „exotische“ Fische wie Mondfische, Dornhaie und Seehechte, die in salzhaltigeren Meeren heimisch sind.
Neues zum Klima - wieder Rekordtemperaturen in der Nordsee
15°C und mehr an Heiligabend, Grillen statt Glühwein, offene Straßencafés – solche Bilder sah man Weihnachten in Deutschland. Nach Aussagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) war der Dezember 2015 der wärmste Dezember seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Wärme kam auch in der Nordsee an.
Dezember 2015 und Dezember 2006 wiesen mit 9,5 C die höchsten Oberflächenwassertemperaturen seit Beginn der Messungen 1971 auf. Auffallend war, dass zwischen dem 22. und dem 24. Dezember die Oberflächentemperatur ganz leicht anstieg – ein im Dezember sehr ungewöhnliches Phänomen.
Die langfristigen Beobachtungen zeigen, dass die Temperaturen von Randmeeren wie Nord- und Ostsee in den letzten Jahrzehnten erkennbar steigen. Ob dies noch im Bereich normaler Temperaturschwankungen liegt, muss weiter untersucht werden. Generell ist die Bedeutung der Meere ein großes Thema für die Klimaforschung, denn der Wärmehaushalt der Meere gibt weiteren Aufschluss über den Klimawandel. Das BSH unterstützt auch diese Meeresforschung mit Daten.
Erkenntnis braucht Daten - Automatisierung der Datenerfassung
Datenerfassung und -übertragung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig verändert. Statt der 1990 noch üblichen Verbreitung mit Telex können heute Daten in „Echtzeit“, d.h. zum Zeitpunkt der Messung, übermittelt werden. Das ermöglicht, Beobachtungen von Satelliten mit sogenannten „InSitu“ (vor Ort erfassten)-Daten zu vergleichen, zu kombinieren und 6
unmittelbar in Computermodellen weiter zu verarbeiten. Dieses Zusammenspiel macht heute auch in der Ozeanographie immer bessere Vorhersagen möglich.
Seit 2005 sind alle 12 ortsfesten automatischen Messstationen des Marinen Umweltnetzes MARNET des BSH in Nord- und Ostsee dauerhaft im Einsatz. Das BSH betreibt dieses Messnetz arbeitsteilig mit dem IOW. Die MARNET-Stationen erheben im Stundentakt in mehreren Wassertiefen Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Strömung und Bruttogammastrahlung sowie wichtige meteorologische Daten wie Lufttemperatur, Windrichtung und –geschwindigkeit.
Satelliten empfangen (einmal pro Stunde) die Daten der einzelnen Stationen und senden sie in Echtzeit an das BSH und den DWD – unverzichtbare Daten unter anderem für die Warndienste. Eine Station sendet pro Jahr 8.760 Datensätze. Ein Datensatz besteht aus rund 25 Messwerten.
Um das Messnetz betreiben zu können, arbeiten wir sehr gut und eng mit der Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes zusammen. Sie unterhält die unbemannten Feuerschiffe Ems, Deutsche Bucht und Elbe.
International von Bedeutung ist das Messsystem der ARGO-Floats – automatisierte Treibbojen, die in den Weltmeeren ausgesetzt werden. Seit 1999 sind bis zu 4000 Floats gleichzeitig unterwegs, das BSH steuert jährlich 35 Floats bei. Auch deren Ergebnisse sind Bestandteil des Meeres-Monitorings.
Diese Floats erheben physikalische Daten wie Temperatur, Salzgehalt und Wasserdruck für die Ozean-, Wetter- und Klimaforschung. Die ersten Floats aus dem Jahr 1999 erfassten Daten über 50 Tiefenstufen bis zu einer Tiefe von knapp 2000 m. Heute messen sie über zirka 1.000 Tiefenstufen.
Erst die ARGO-Daten ermöglichten, das seit dem 16. Jahrhundert bekannte Phänomen El-Niño wissenschaftlich aufzuklären und seine weltweiten Wechselwirkungen zu erkennen.
Nach jetzigem Kenntnisstand hat El-Niño zwar kaum Auswirkungen auf Europa, das derzeitige El-Niño Ereignis ist aber eines der heftigsten der letzten Jahrzehnte und richtet in vielen Ländern dramatische Schäden an.
Ich sehe die Klima- und Meeresforschung der entwickelten Länder in der Pflicht, auch weiterhin mit modernsten Beobachtungssystemen und intensiver Forschung dazu beizutragen, verbesserte Vorhersagen und Warnungen zu entwickeln. Das gelingt nur in enger internationaler Zusammenarbeit. Das BSH wird dies auch weiter nach Kräften unterstützen.
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Ein Beispiel dafür ist die europäische wissenschaftliche Kooperation EuroARGO, an der auch das BSH mitwirkt. 2015 kamen im Rahmen dieser Kooperation erstmals Prototypen von ARGO-Floats zum Einsatz, die bis zu 4.000 Meter tief tauchen und damit auch in die für die Klimaforschung relevanten Tiefenwassermassen vordringen können.
Neben festen Stationen wie MARNET, Satelliten und ARGO Floats sind die Daten, die im Rahmen schiffsgestützter Monitoringfahrten gewonnen werden, nach wie vor unentbehrlich. Die Verteilung umweltrelevanter Stoffe - zum Beispiel von Chemikalien - in Nord- und Ostsee können wir flächendeckend nur im Rahmen von Forschungsfahrten erfassen. Seit den sechziger Jahren gehören die Fahrten durch die gesamte Nordsee mit ihren umfangreichen Sammlungen von chemischen und physikalischen Umweltdaten zum festen Monitoring-Programm des BSH.
Die vom BSH erhobenen Daten werden nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen wie dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, dem Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), dem Helmholz-Zentrum Geesthacht (HZG) und anderen Einrichtungen für ihre Forschung zur Verfügung gestellt.
Mit dem weltweiten Datenaustausch steigt die Nachfrage nach Mobilfunkverbindungen und Funkfrequenzen. Das betrifft den wissenschaftlichen Datenaustausch ebenso wie die Navigationsunterstützung durch ECDIS und AIS. Der Aufteilung und sauberen Trennung der einzelnen Frequenzen kommt eine immer größere Bedeutung zu, da das zur Verfügung stehende Frequenzspektrum eine endliche Ressource ist. Mit dieser Aufgabe befasste sich die Weltfunkkonferenz 2015, an der auch das BSH teilnahm. Frequenzen für neue Systeme der Erdbeobachtung über Satelliten waren ebenso Thema wie Frequenzen und Regelungen für AnBord-Kommunikation von Schiffen.
Seit 1995 tagt die Weltfunkkonferenz alle 2 bis 4 Jahre, um unter anderem Funkbetriebsverfahren zu definieren, Qualitätsanforderungen für Funkpersonal festzulegen und Frequenzbänder an die verschiedenen Funkdienste wie zum Beispiel Seefunkdienst, Flugfunkdienst und Rundfunkdienst zuzuweisen.
Internationale Übereinkommen und ihre Wirksamkeit – Anstoß für Innovationen
Ziel des Monitorings ist auch, herauszufinden, wie internationale Übereinkommen wirken. So sind nicht nur die Wasserqualität, sondern auch die Luftverschmutzung durch Schiffe ständige und hochaktuelle Themen.
Seit dem 1. Januar 2015 ist ein neuer Grenzwert für den Anteil von Schwefel in Kraft, der die SO2 – Belastung in sogenannten Schwefelemissionsüberwachungsgebieten (SECA) um 90 Prozent senken soll; ein guter Grund, rechtzeitig die Entwicklung von Messstationen für die Überwachung von Schiffsemissionen anzustoßen. Damit befasst sich das Forschungsprojekt MeSMarT (Measurements of Shipping emissions in the Marine Troposphere), das vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen im Auftrag und in Kooperation mit dem BSH durchgeführt wird. 8
Um die Einhaltung der Grenzwerte durch die Schifffahrt zu überwachen, werden an Stationen in Wedel und auf Neuwerk Messungen der Emissionen von Schiffen im Elbetransit durchgeführt. Die Stationen erfassen den Schadstoffausstoß vorbeifahrender Schiffe unmittelbar, und damit kann auf die Verwendung regelkonformen Kraftstoffs rückgeschlossen werden.
Die ermittelte Zusammensetzung der Abgasfahnen liefert Hinweise auf mögliche Verstöße. Damit können von den jeweiligen Schiffen Kraftstoffproben veranlasst und im BSH-Labor in Sülldorf analysiert werden. Dieser zweite Schritt ist für einen gerichtsfesten Nachweis von Verstößen notwendig.
Unsere Messungen im Jahr 2015 - seit Einführung des neuen Grenzwerts von 0,1 Prozent Schwefel – zeigen, dass die Schifffahrt die Grenzwerte sehr gut einhält. Die Verschärfung der Grenzwerte hat nachweisbar zu einer Verbesserung der Luftqualität geführt. Reeder und die Motorenhersteller haben schnell reagiert.
Unsere Beobachtungen decken sich mit den Ergebnissen von Untersuchungen anderer Länder, z.B. von Dänemark, die kürzlich veröffentlicht wurden.
Als nächster Schritt ist vorgesehen, die Stationen zu automatisieren und das Stationsnetz auf 6 Stationen weiter auszubauen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt das Vorhaben und wird den Ausbau finanzieren.
Als weitere Technik zur Überwachung untersuchen die European Maritime Safety Agency (EMSA) und die European Space Agency (ESA) den Einsatz von sogenannten Drohnen (Remotely Piloted Airborne Systems), die direkt in die Abgasfahnen fliegen sollen. Auch hieran beteiligt sich das BSH.
Wir ergänzen die stationären Messungen mit Messkampagnen auf einem Forschungsschiff während der großen Sommeraufnahme. Mit diesen Daten kalibrieren wir Daten, die über Satellit von dem Seegebiet der Nordsee erhoben werden. Dadurch lässt sich ableiten, wie sich die neuen Grenzwerte über dem Seegebiet der Nordsee insgesamt auswirken.
Das BSH beabsichtigt, den noch in der Ausschreibung befindlichen Ersatzbau unseres Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffes ATAIR mit einem Antrieb für LNG auszustatten. Wir setzen uns schon lange für andere Optionen ein, die geeignet sind, die Emissionen von Schiffen zu reduzieren. Um die Einführung des schadstoffarmen verflüssigten Gases (LNG) als Schiffsbrennstoff anzustoßen, holte das BSH schon vor ein paar Jahren relevante Branchen – Reedereien, Werften, Motorenhersteller, Klassifikationsgesellschaften und LNG-Lieferanten - an einen Tisch. Inzwischen ist die Verwendung von LNG als alternativer Treibstoff anerkannt.
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Neues vom Ballastwasser-Übereinkommen
Ein weiteres wichtiges Umweltübereinkommen, mit dem wir uns seit Jahren befassen, ist das Internationale Übereinkommen zur Kontrolle und Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen, das sogenannte Ballastwasser-Übereinkommen.
Seine ausreichende Ratifizierung rückt nun endlich in greifbare Nähe: Anfang Dezember 2015 haben 47 Staaten (notwendig sind 30) mit 34,56 Prozent der Welthandelstonnage das Übereinkommen ratifiziert. Hier fehlen nur noch 0,44 Prozent an dem notwendigen 35 Prozent Tonnagekriterium.
Auch die Einhaltung dieses neuen Übereinkommens muss überwacht werden. Dafür werden effiziente Verfahren benötigt, mit denen das Ballastwasser der Schiffe schnell und zuverlässig analysiert werden kann.
Nachdem das BSH 2013 mit einem Wettbewerb die Entwicklung solcher Verfahren angestoßen hat, stehen inzwischen eine Reihe vielversprechender Lösungen zur Verfügung. 2015 hat das BSH mit Unterstützung des Kanadischen Ministeriums für Fischerei und Ozeane das Projekt "Reliability of Ballastwater Testprocedures" (ReBaT) aufgesetzt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 11 Ländern unter Leitung des BSH prüften an Bord des Forschungsschiffs Meteor, das über eine Behandlungsanlage verfügt, 14 Verfahren auf ihre Wirksamkeit. Der zulässige Anteil und die zulässige Größe fremder Organismen im Ballastwasser darf nicht überschritten werden und die Analyseverfahren müssen hierüber schnell und zuverlässig Auskunft liefern können.
Ein erster Bericht über das Projekt auf der Londoner Ballast-Wasser-ManagementTechnologie-Konferenz am 08. Dezember 2015 erregte großes Interesse im Markt. Abschließende Ergebnisse des Vergleichs der Verfahren erwarten wir im Februar 2016. Aktive Unterstützung der Offshore-Windenergie Nicht nur in der technologischen Entwicklung auf Schiffen oder bei der Umweltüberwachung ist das BSH Innovationstreiber. Auch mit der Entwicklung der Verfahren zur Zulassung von OffshoreWindenergieanlagen und der Raumordnung auf See war das BSH weltweit Vorreiter. Offshore-Windenergie – von der Genehmigung zur Bauaufsicht
2015 war ein ereignisreiches Jahr für die Offshore-Windenergie und damit auch für die Arbeit des BSH. Auf See wird an vielen Stellen gebaut und damit hat sich der Schwerpunkt unserer Arbeit von der Erteilung von Genehmigungen auf die Bauaufsicht verschoben.
Aktuell sind 4 Windparks in der Nordsee im Bau. 11 Windparks laufen bereits im Probebetrieb. Wenn alle Nebenbestimmungen erfüllt sind, können die Windparks die abschließende Betriebsfreigabe erhalten. Unter wirtschaftlichen Aspekten gibt es keinen Unterschied zwischen einem Probebetrieb und einem Betrieb nach Betriebsfreigabe, da der eingespeiste Strom regulär vergütet wird. 10
Ende des Jahres 2014 waren 135 Windenergieanlagen am Netz, Ende 2015 speisten 738 Anlagen mit 3 041 MW installierter Leistung Strom ein. Wir haben also heute bereits rund 50 Prozent der Ausbauziele für 2020 (6 500 MW) erreicht.
Für eine noch effizientere Arbeit in den Windparks hat das BSH zusammen mit dem Havariekommando, der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger „DGzRS“, der GDWS und Anlagebetreibern Seekarten und ein Handbuch „Windparks in deutschen Seegewässern“ entwickelt. Sie werden im Moment in Zusammenarbeit mit den zukünftigen Nutzern im Praxisbetrieb geprüft und optimiert.
Das BSH – ein moderner und attraktiver Arbeitgeber Wir engagieren uns auch dafür, das BSH als modernen und attraktiven Arbeitgeber zu gestalten und bekannt zu machen.
So haben wir moderne und wirksame Methoden zur Personalauswahl und –gewinnung eingeführt. In Ausschreibungen und Personalauswahlverfahren spielen sogenannte „Softskills“ eine große Rolle, die mit Verfahren wie Rollenspielen oder praktischen Übungen „abgeprüft“ werden.
Vor allem Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen. Sie werden den Wandel managen, den die „Digital Natives“ – die schon mit der Digitalisierung aufgewachsenen jungen Leute – mit sich bringen. Geeignete Foren und Führungskräftefortbildungen werden diesen Prozess unterstützen.
Auf die „Neue Arbeitswelt“ haben wir uns schon 2014 mit einer neuen „Dienstvereinbarung Gleitzeit“ eingestellt, die den Beschäftigten großen Spielraum in der individuellen Gestaltung der Arbeitszeit gibt und gut angenommen wird. Telearbeit und flexible Teilzeitmodelle ergänzen unsere Angebote.
Auf die besondere Herausforderung im Zusammenhang mit dem im Mai/Juni 2015 lang andauernden Streik in Kindertagesstätten reagierte das BSH schnell mit flexiblen Angeboten für seine Beschäftigten. Beispielsweise wurde die Möglichkeit eröffnet, von zuhause zu arbeiten, Kinder mit zur Arbeit zu bringen oder noch mehr Gleittage zu nehmen.
Inzwischen haben wir die Möglichkeit geschaffen, bis zu 10 Tage mobil zu arbeiten. Dies hilft den Beschäftigten in kurzfristigen Sondersituationen wie Streiks oder Verkehrsproblemen und ist an keine persönlichen Voraussetzungen gebunden. Das Angebot wurde umgehend sehr gut angenommen.
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Ausblick auf 2016
Das Wissenschaftsjahr 2016 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) steht unter dem Thema „Unsere Ozeane – Deine Zukunft“. Das BSH wird sich gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) auf dem Meeresumweltsymposium am 31. Mai und 1. Juni 2016 diesem Thema widmen.
Am 20. April werden das BSH und der DWD im Verbund des Klimacampus an die höchste Sturmflut in Hamburg vor 40 Jahren erinnern und über Vorhersagen und Vorsorge informieren.
Am 8. Juni 2016 findet in Rostock der Ostseetag des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde, des Thünen-Instituts, des Deutschen Meeresmuseum Stralsund und des BSH statt. Freuen Sie sich auf Ergebnisse der Forschung des IOW und des Thünen-Instituts zum Salzwassereinbruch in der Ostsee – das wird mit Sicherheit spannend.
Aus Anlass des Wissenschaftsjahres wird auch unser Labor in Hamburg Sülldorf am 1. Oktober einen Tag der Offenen Tür veranstalten. Dort erfahren Sie das Neueste rund um Umweltüberwachung und Auswirkungen von Schifffahrt und Meeresnutzung.
Um Seeleute und Reeder noch besser zu betreuen, werden wir in 2016 einen 24/7/365-Dienst im BSH einrichten. Die Fachabteilung ist dann rund um die Uhr - nicht mehr nur durch einen NotfallPlan - sondern auf direktem Wege über eine Service-Nummer erreichbar und steht durch eine ständige Rufbereitschaft Reedern, Seeleuten und Behörden bei all ihren Fragen zur Verfügung.
Neuzuschnitte der Seekarten und Print on Demand
Wir beobachten, dass sich durch den Einsatz von ECDIS der Bedarf an Papierseekarten verändert. Daher werden wir in diesem Jahr die Seekarten für die Nordsee neu zuschneiden und dabei ihre Gesamtzahl verringern, im Einklang mit den Bedürfnissen der Kunden. Zudem werden wir ab 2016 im Bereich der Seekarten „Print on Demand“ einführen. Damit entfällt die händische Berichtigung vor Auslieferung der Karten.
Neue Satelliten unterstützen die Meereskunde
Die Analyse und Interpretation von Satellitendaten spielt für das Verständnis der Prozesse und Systeme und ihrer Wirkungen im Meer eine immer wichtigere Rolle. Im Rahmen des europäischen COPERNICUS-Programms (ehemals GMES – Global Monitoring for Environment and Security) schickt die ESA (European Space Agency) den Sentinel 3a – Erdbeobachtungssatelliten am 4. Februar 2016 in die Erdumlaufbahn. Er wird Land- und Ozeanfarben aufnehmen sowie Land- und Meerestemperatur messen. Darüber hinaus erfasst er die Topographie von Meeresoberfläche und Eis. Diese kombinierten Messungen sind wichtig für die Überwachung von Küsten, Vorhersagen über Strömungen und Wellengang auf den Meeren und für Umweltdaten an Land. Das BSH wird die Daten von Nord- und Ostsee auswerten und für die Nutzer aufbereiten.
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Diese Daten werden die COPERNICUS-Dienste für marine Sicherheit, Meeresumwelt- und Küstenschutz, Wetter, saisonale Vorhersagen, Klima und Fischbestandsmanagement kontinuierlich verbessern.
Ersatzbau Atair Die Baubeschreibung für den Ersatzbau ATAIR ist fertiggestellt. Die Ausschreibung läuft. Die Frist für die Abgabe von Angeboten endet am 2. Februar 2016.
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