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Branche Unter Besonderer Beobachtung

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52 Lebensmittel Zeitung MARKETING Edeka trommelt für vegane Ernährung Branche unter besonderer Beobachtung LZ 6 12. Februar 2016 Hildmann lässt den Sensenmann im Edeka-Spot „Begegnung der veganen Art“ ganz schön alt aussehen. Hamburg. In der neuen crossmedialen Kampagne der Edeka-Gruppe steht vegane Ernährung im Fokus. Beworben wird die vegane Produktpalette des Handelsunternehmens im TV, in Publikumzeitschriften und mit Aufstellern in den Märkten. Der Auftritt stammt von der Edeka-Leadagentur Jung von Matt. Das Vollsortimentsunternehmen bekommt bei der Aktion einmal mehr Unterstützung vom WWF-Panda. Online zeigt Vegan-Koch Attila Hildmann mit dem „Veganizer“, wie auch „klassische Rezepte“ einfach in vegane Alternativen verwandelt werden können. Ebenfalls zur Kampagne zählen das sportliche Webspecial „5 x Fit“, ein Gewinnspiel und das Edeka-Kochstudio. cvh/lz 06-16 Payback nimmt Allianz mit ins Boot München. Der Bonusprogrammanbieter Payback und Allianz Deutschland haben eine Kooperation über fünf Jahre geschlossen. Ab sofort können 27,5 Millionen Kunden auch bei Neuabschlüssen von Allianz-Krankenversicherungsprodukten über Payback Punkte sammeln. Die Partnerschaft startet mit Zahnzusatzversicherungen, die bei einem Direktabschluss online oder per Telefon zunächst mit jeweils 5 000 Punkten belohnt werden. Zum bereits angebotenen Kfz-Tarif von AllSecur rundet eine Reisekrankenversicherung das Paket ab. lz 06-16 FOTO: ALDI SÜD Ex von Clooney wirbt für Aldis Expressi Witzig: Elisabetta Canalis trotzt der Nespresso-Kampagne mit Clooney. Mülheim/Ruhr. Dass Discounter bisweilen auch humorvoll sein können, beweist die aktuelle Expressi-Kampagne von Aldi Süd. Geschickt haben die Mülheimer für ihr Kapselsystem die Ex von Nespresso-Langzeit-Testimonial George Clooney an Land gezogen. Das italienische Model ist das neue Werbegesicht und die Markenbotschafterin von Expressi. Während der einst heiß begehrteste Junggeselle der Welt in den Spots salopp mit dem Slogan „Nespresso – What else?“ keinem anderen Kaffee eine Chance gibt, hält Elisabetta Canalis mit „Expressi – of course“ lässig dagegen. Im Fokus sollen die „ausgezeichnete“ Kaffeequalität und das neue Design der Expressi-Produkte stehen. Auch soll Canalis mit „of course“ zeigen, wie „selbstverständlich sich qualitativer Kaffeegenuss mit günstigen Discountpreisen kombinieren lässt“, heißt es bei Aldi Süd. dr/lz 06-16 Ob Keime in der Wurst, Aluminium im Essen oder der Preiskrieg ums Brot – im vergangenen Jahr haben die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten die Lebensmittelbranche in über 500 Beiträgen einmal mehr unter die Lupe genommen. Wie bereits in den vergangenen Jahren hat die Unternehmensberatung für Kommunikation Engel & Zimmermann die Aufregerthemen im deutschen Fernsehen für 2015 ausgewertet. Auch wenn QualitätsChecks mit 29 Prozent aller Beiträge weiterhin an erster Stelle stehen (2014: 17 Prozent), hat sich laut den Gautinger Kommunikationsprofis doch auf den folgenden Plätzen einiges getan: Am zweithäufigsten wurden mit 11 Prozent Beiträge über vermeintliche „Werbelügen“ – sei es von den Lebensmittelherstellern oder dem Lebensmitteleinzelhandel – berichtet (2014: 8 Prozent, Rang 3). „Von der Mogelpackung über versteckte Preiserhöhungen bis hin zum Marketing-Gag: Dieses breite Spektrum verdeutlicht einmal mehr, dass schlagzeilenträchtige Themen auch 2015 die TV-Medienlandschaft dominierten“, resümiert Sybille Geitel, Vorstand Engel & Zimmermann die Auswertungsergebnisse. Diese These belege auch der aktuelle Rang 3. Denn mit 9,5 Prozent aller gezählten Beiträge folge das Themenfeld Produktbelastungen, zum Beispiel durch Keime, Antibiotika und Umweltgifte (2014: 7 Prozent, Rang 5). Trotz vermeintlicher Aufreger- und Quoten bringender Themen scheint sich der deutsche Fernsehzuschauer am meisten für Qualitäts-Checks zu interessieren. Von Honig über Apfelmus bis hin zu Trinkwasser wurde 2015 nahezu jedes Lebensmittel getestet. Im Frühjahr stand der Spargel, im Winter der Glühwein auf dem Prüfstand. Ferner musste sich der Lebensmitteleinzelhandel mehreren Qualitäts-Checks stellen, so das 1985 gegründete, inhabergeführte Beratungsunternehmen im Bereich der Wirtschafts- und Markenkommunikation sowie des strategischen Krisenmanagements, das nach eigenen Angaben mehr als 60 zumeist klangvolle mittelständische Beratungskunden betreut, darunter unter anderem Develey, Eckes-Granini, Gerolsteiner, Berentzen, Rügenwalder und PHW/Wiesenhof. Zur besten Sendezeit: In der ZDFSendung „Alle gegen Aldi – Wer schlägt den Discountriesen?“ fahndet Koch Nelson Müller nach der besten Qualität und der günstigsten Ware. Verbrauchersendungen wie diese haben hohe Einschaltquoten. FOTOS: ZDF/WILLI WEBER Bio-Alternativen: Vegan-Koch Attila Gauting. Die Kommunikationsexperten von Engel & Zimmermann haben über 500 TV-Beiträge aus dem vergangenen Jahr gesichtet und ausgewertet. Ihr nicht ganz uneigennütziges Fazit: Die Markenindustrie und der Handel sind immer für echte und vermeintliche Aufregerthemen gut. Pranger ... In die Beiträge schleichen sich nicht selten kritische Untertöne im Hinblick auf Herkunft und Herstellung von Nahrungsmitteln ein. ... oder Prüfstand? Wie gesund sind unsere Lebensmittel? Im deutschen TV wird getestet, gecheckt und verglichen auf Teufel komm raus. „Auffällig an vielen dieser Beiträge ist, dass es keine klassischen Verbraucherstücke mehr sind. Oft geht es nicht nur darum herauszufinden, welches Produkt das bessere ist. Kritische Untertöne im Hinblick auf die Herkunft und Herstellung der Lebensmittel schwingen vermehrt mit. Hier gehen wir davon aus, dass dies künftig weiter zunehmen wird“, erklärt Geitel. Dass in manchem Beitrag unterschwellig Stimmung gemacht und Vorurteile gepflegt würden, moniert auch Christoph Minhoff: Schon die verwendete Sprache entspreche „nicht der guten journalistischen Praxis“. Da heißt es „die Industrie trickst, die Hersteller führen hinter das Licht“, als stecke ein böser Wille hinter der Absicht, Produkte zu verkaufen. „Journalisten meinen, mit dem Mainstream schwimmen zu müssen, und da sind die NGO für das Gute Wahre und die Lebensmittelwirtschaft für Täuschung, Tricks und Trug zuständig“, so der BVE- und BLLHauptgeschäftsführer. Dieses Weltbild trage aber nicht zur Beschreibung der Wirklichkeit bei. „Die Zuschauer sind da längst weiter“, so Minhoff. „Ebenso wie sie nicht mehr an glückliche Kühe auf Lebensmittelverpackungen glauben, durchschauen sie diese Art von Dokumentationen. Deshalb bekommen insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zunehmend ein Glaubwürdigkeitsproblem.“ Laut Engel & Zimmermann werden vor allem die Fleischbranche und die Milchindustrie besonders kritisch beäugt. In den meisten 2015 ausgestrahlten TV-Beiträgen über diese beiden Branchen ging es um die Themen Tierhaltung und Erzeugung. Aber auch multiresistente Keime und das Thema Milchquote standen im Mittelpunkt. „Auffällig ist, dass es im Vorjahr auch Beiträge gegeben hat, die sich speziell auf Tierrechtsorganisationen fokussiert haben und auch gezeigt haben, wie diese gezielt gegen die Unternehmen vorgehen“, so Geitel. In 88 TV-Beiträgen ging es explizit um die Fleischbranche. Über die Getränkebranche wurde 36 Mal berichtet, wobei es in mehr als der Hälfte dieser Beiträge um Kaffee ging. Auf Rang 3 folgt die Milchindustrie mit 32 Beiträgen, über die Backwarenindustrie wurden 20 Beiträge produziert. Kaffee gilt als eines der beliebtesten Getränke in Deutschland. Schätzungen zufolge konsumiert jeder Deutsche rund 5 Kilogramm Kaffee im Jahr. Auch im TV rückt der hohe Kaffeekonsum zusehends in den Fokus. In 19 Beiträgen wurde laut Engel & Zimmermann nicht nur untersucht, welche Kaffeesorten oder Kaffeekapseln am besten schmecken, sondern auch der Acrylamid-Gehalt in Kaffee wurde kriFortsetzung auf Seite 53 „Wir müssen Debatten führen ohne Furcht vor der veröffentlichten Meinung“ Herr Becker-Sonnenschein, wie bewerten Sie die TVBerichterstattung über die Lebensmittelbranche? Die TV-Sendungen bilden einen Kulturwandel ab. Lebensmittel sind heute Ausdruck des Lebensstils von Verbrauchern. Die Diskussion um Unter-, Mittel- und Oberschicht wird nicht mehr über Einkommen oder Bildung geführt, sondern über die Esskultur. Das ist erschütternd, weil die ,echten’ Themen nicht mehr sachlich, sondern ideologisiert und emotionalisiert abgearbeitet werden. Tenor: Wer günstige Lebensmittel für die Massen herstellt, muss irgendwie schlecht handeln und dann auch noch profitieren. F O TO : P H I L I P P V O N B R U C H H A U S E N F O TO : L Z - S C R E E N S H OT TV-Berichte über Lebensmittel immer kritischer – Qualitäts-Checks auf Platz 1 – Jeder sechste Beitrag fokussiert die Fleischbranche Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer Die Lebensmittelwirtschaft Heißt das, die Debatte über Lebensmittel soll die Leistungsfähigkeit und Effizienz einer Gesellschaft spiegeln? Ja, und der Disput wird primär auf dem Rücken der Lebens- mittelproduzenten geführt. Die können aber gar nicht allein gewährleisten, was alles von ihnen gefordert wird. Es ist höchste Zeit, dass Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen und Branchen inklusive der Medien, der Politik und der Food-Industrie darüber debattieren, wie die sich wandelnde Kultur aussehen soll. Kann die Ernährungswirtschaft skandalisierender Berichterstattung begegnen? Die Branche muss lernen, ihre verantwortungsbewusste Haltung zu demonstrieren und sich in der emotional aufgeheizten Diskussion um die kulturelle Veränderung oder die Globali- sierung der Prozesskette einzubringen. Sie muss sich ohne Furcht vor der veröffentlichten Meinung an Debatten beteiligen. Nur wer mitredet, wird gehört und hat die Chance, Veränderungen mitzugestalten. Wie kann Ihr Verein FoodHerstellern dabei helfen? Wir weisen auf Trends hin, die die Haltung der Verbraucher zu Lebensmitteln beeinflussen. So wird etwa die Digitalisierung in der Lebensmittelproduktion viel Erklärung und Aufklärung erfordern. Darauf bereiten wir die Branche mit Studien und Veranstaltungen vor. Dabei ergänzen wir die politische und sachliche Facharbeit der Verbände. Was ist noch möglich? Als „Think Tank“ beziehen wir bisher nicht involvierte gesellschaftliche Gruppen in die Debatte ein. Wir verstehen uns zudem als Plattform für den Dialog mit Kritikern. Unsere Studien über Medien und Verbraucher liefern wichtige Erkenntnisse für die Branchenkommunikation. Wie bauen Sie darauf auf? Wir entwickeln Argumentationsstrategien für alle Mitgliedsverbände und betreiben mit dem Forum Moderne Landwirtschaft die MultimediaPlattform Food Culture Net. Dort zeigen wir crossmedial, wie die Lebensmittelwirtschaft be/lz 06-16 arbeitet. MARKETING LZ 6 12. Februar 2016 K U R Z N OT I E RT „Dramatisieren und Moralisieren gehören zum Konzept“ Herr Professor Kepplinger, im TV laufen immer mehr Magazine rund um die Themen Ernährung, Food-Marken und Food-Händler. Wie erklären Sie das? Es gibt mehrere Ursachen. Alle Medien setzen seit einigen Jahren auf Ratgeberbeiträge. Ernährung ist ein dankbares, große Reichweiten versprechendes Thema. Derlei Berichte können zwei starke Emotionen hervorrufen – Freude und Furcht. Beide bleiben lange im Gedächtnis und fördern die Bindung der Zuschauer an die Sender. Nachhaltiger: Ab Anfang März erhebt Karstadt für Einwegtragetaschen aus Kunststoff großenabhän- gige Gebühren von 5, 10, 20 oder 30 Cent. Anfang Mai führt der Warenhausbetreiber in allen Filialen Mehrwegtragetaschen ein, die aus Polyethylen mit 70 Prozent Recyclinganteil bestehen. Spielen dabei auch Konsumtrends eine Rolle? Ja. Die meisten Deutschen haben lange Zeit weniger Wert auf hochwertige Lebensmittel gelegt als etwa die meisten Franzosen. Das hat sich geändert, und einhergehend damit hat sich der Markt gespalten: Ein Teil legt immer mehr Wert auf hochwertige Lebensmittel, ein anderer achtet verstärkt auf Niedrigpreise. Infolgedessen steigt der Beratungsbedarf. Negativ-Award: Die Dose, in der Johnson & Johnson die Bebe-Zartcreme verpackt, wurde von der Verbraucherzentrale Hamburg zur Mogelpackung des Jahres 2015 gekürt. Mit 32,6 Prozent der Voten von 26 000 Verbrauchern landete die Metallverpackung im Ranking vor rund 1000 „Konkurrenten“. Johnson & Johnson hat den Packungsinhalt bei drei Größenvarianten reduziert, ohne die Verpackung entsprechend anzupassen. Personalisiert: Der Lebensmittelproduzent Mars Food setzt bis Mitte April seine auf das Nudelgericht Mirácoli fokussierte Aktion „Hol’ dir deinen Namensteller“ fort. Wöchentlich können Verbraucher nach dem Kauf von vier Mirácoli-Produkten online einen mit ihrem Namen versehenen Pastateller ordern. Außerdem launcht Mars für kleinere Haushalte die Produktneuheit „Mirácoli Klassiker 2 Portionen“. Am POS wirbt Mars mit Displays und Lamasäulen. Insbesondere ARD und ZDF locken mit Themen wie dem täglichen Einkauf oder Produktqualität Millionen vor die Bildschirme. Handel und Industrie kritisieren so manches davon. Zu Recht? Die Hersteller und der Handel ärgern sich natürlich über kritische Berichte. Bisweilen ist die Kritik angemessen, bisweilen übertrieben und manchmal – mit Blick auf traditionelle Kriterien – auch abwegig. Etwa die Kritik an niedrigen Verbraucherpreisen für Milch, über die zumindest der Handel nicht froh sein kann, weil er mit niedrigen Preisen wirbt. Image-Verjüngung: Der Mineralwasserhersteller Gerolsteiner trom- melt seit Kurzem für eine TV-Kampagne mit 20-Sekündern und erstmals auch für einen 60-sekündigen Spot. Themen wie Longboarden, Surfen und Joggen sollen neben FOTO: GEROL STEINER Formate wie Wiso, Plusminus, Hart aber fair, Mex, ZDF-Zeit oder die ,Check‘Riege thematisieren gern Gesundheitsrisiken, Verkaufstricks oder Verbraucherfallen. Die Stoßrichtung zeigen oft schon die Titel der Beiträge an. Wie ergebnisoffen sind die Recherchen? Ein großer Teil solcher Be- Bunte Vielfalt: Der Getränkehersteller Klosterquell-Hofer hat die Erklärungen und Argumente viel zu kurz kommen, Belastendes zugespitzt und Entlastendes ausgeblendet wird. Ist dem so? Von derlei Erfahrungen berichten die meisten Großunternehmen und Verbände, über die negativ berichtet wurde. Diese Klagen sind, wie systematische Medienanalysen zeigen, berechtigt. Allerdings kennen viele der Betroffenen gang mit Journalisten beachten. Häufig wird zudem moniert, die vorgeführte Marktforschung sei alles andere als repräsentativ. Was halten Sie von Qualitätsurteilen, die auf Geschmackseinstufungen von einer Handvoll Verbrauchern basieren? In weiten Bereichen der quantitativen Umfrageforschung ist Und eine offenbar erfolgversprechende Option ... … sind medienwirksame Kampagnen gegen tatsächliche oder vermeintliche Missstände, Gefahren, Tricks oder Fallen. Kampagnen von NGOs sind potenziell aussichtsreich, weil sie gleich drei Interessen bedienen: die der Verbraucher, die der Medien und nicht zuletzt auch Eigeninteressen. Beiträge werden mitunter durch Schlagworten wie Profitgier, Etikettenschwindel oder Essen als Massenware angekündigt. Wird zu oft und zu sehr moralisiert? Einige Medien zählen das Dramatisieren mehr oder weniger großer Missstände und das Moralisieren von Ursachen zu ihrem Erfolgskonzept. Zugrunde liegt ein einfaches Schema. Zunächst wird die sachliche Einordnung von Missständen ausgeblendet. Etwa unbedeutende gesundheitliche Folgen des Verzehrs der Eier von Hühnern, in deren Futter Spuren von Dioxin waren. Anschließend werden derart isolierte Missstände als Folge von Eigennutz und Gewissenlosigkeit dargestellt und mutmaßlich Verantwortliche mit drastischen Begriffen angeprangert. Professor Hans Mathias Kepplinger, Kommunikationswissenschaftler, Mainz eine wichtige Ursache der einseitigen Berichterstattung nicht. Und die wäre ...? Akteure erklären eigene Schwächen und Fehler überwiegend mit den Umständen ihres Handelns. Beobachter führen die gleichen Unzulänglichkeiten auf den Charakter und die Motive der Akteure zurück. Journalisten sind professionelle Beobachter. Sie berichten kaum über Umstände und vermitteln Akteuren mitunter den Eindruck, von Medien absichtlich ins Unrecht gesetzt zu werden. Das geschieht gelegentlich durchaus, jedoch nicht immer. Akteure sollten dies wissen und bei ihrem Um- Was soll das? Empörung entfachen, Konsumverzicht auslösen und Dankbarkeit gegenüber jenen wecken, die Leser, Hörer und Zuschauer, so das Kalkül, vor Schlimmem bewahren. Viele Hersteller von FoodMarken klagen, dass Ihre Fortsetzung von Seite 52 tisch hinterfragt. Bier, Softdrinks und Mineralwasser spielten hingegen 2015 im TV eine untergeordnete Rolle. Ein Trendthema in den Print- und Online-Medien war im vergangenen Jahr ganz klar der Vegetarismus. Immer wieder belegen Studien aufs Neue, dass die Zahl der Veganer und Vegetarier steigt. So haben viele Lebensmittelhersteller das Segment für fleischfreie Produkte für sich erkannt und eine Vielzahl an Veggie-Produkten auf den leider ein Niedergang des Methodenbewusstseins zu beobachten. Zu den Treibern zählen auch die Auftraggeber. Alles muss schnell und möglichst billig gemacht werden – auch um den Preis, dass Ergebnisse nicht mehr repräsentativ sind. Ein besonderes Problem sind in der Tat Interviews mit vermeintlichen Sachkennern. Deren Auswahl bleibt oft obskur und kann in jede Richtung verzerrt sein. Sind derlei Mankos nur Auftraggebern oder Magazinmachern anzukreiden? Teilweise auch den Zuschauern und Lesern. Bei nicht wenigen fallen die Resultate solcher Kleinstumfragen oft mehr ins Gewicht als solide statistische Markt gebracht. Auch im TV wurde in 14 Beiträgen über den Vegetarismus berichtet und unter anderem der Frage nachgegangen, wie gesund eine Ernährung ohne tierische Bestandteile ist. Das Thema Gesundheit von Lebensmitteln genießt weiterhin eine ho- Ergebnisse seriöser repräsentativer Erhebungen. Mitunter selbst dann, wenn diese im gleichen Bericht genannt werden. Sehr beliebt im TV sind Star-Köche, die Produkte aus dem LEH zubereiten. Das hat oft ein Geschmäckle. Wie werden Akteure wie Tim Mälzer, Léa Linster oder Sarah Wiener quasi zu moralischen Instanzen? Solche Vertragspartner sind für TV-Sender wichtig, weil Prominente Interesse wecken, und ein Teil des Publikums sich mit ihnen identifiziert. Und zwar umso intensiver, je mehr Defizite Zuschauer in einem Bereich wie etwa dem Kochen haben oder zu haben glauben. Demnach sind wir dafür fast alle anfällig? Zumindest diejenigen, die dazu neigen, Leitbilder überhöht positiv wahrzunehmen, sozusagen als strahlende Helden. Dabei handelt es sich um eine seit den 1940er-Jahren erforschte Form des Eskapismus: Die Betroffenen fliehen vor ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Problemen in eine problemlose Scheinwelt, in der alles zu gelingen scheint. kon/lz 06-16 Prof. Hans Mathias Kepplinger leitete von 1982 bis zu seiner Emeritierung 2011 das Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz . Der Spezialist für empirische Kommunikationsforschung hat zahlreiche Analysen der Medienberichterstattung durchgeführt. Er hält Vorträge unter anderem zur Entstehung, zu den Mechanismen und zum Umgang mit Krisen, Konflikten und Skandalen, etwa im Bereich der Lebensmittel- und Pharmabranche. Außerdem befasst er sich mit dem Selbstverständnis und der Arbeitsweise von Journalisten, dem Verhältnis von Medien und Politik sowie der Darstellung und Wahrnehmung von Technikfolgen und Risiken. he Popularität und belegt Rang 4 in der Gesamtauswertung der Top 5-TV-Themen 2015. Denn ob Zucker, Fertigprodukte oder Energy-Drinks – sie alle wurden auf ihre möglichen Gesundheitsgefahren für den deutschen Verbraucher untersucht. kon/lz 06-16 Q UALITÄ T S V E RGLE ICH E S IND BE LIE BT Die Top 5 TV-Themen im Überblick – Angaben in Prozent 29 Verpackungen seines Kinderprodukts Dreh und Trink überarbeitet. Jede der 20 Geschmacksrichtungen ist in eine Kunststoffflasche mit individueller Färbung abgefüllt. Für jede Farbvariante gibt es zusätzlich vier Etikettenmotive, die verschiedene Persönlichkeiten darstellen. Längere Spots: Das populäre Fotosharing-Netzwerk Instagram verlängert seine Video-Ads auf eine Minute. Das soll den Bilderdienst für TV-Werbekunden interessanter machen. Für Nutzer gibt es weiterhin nur 15 Sekunden Bewegtbild. richte wird von außen angestoßen. Bei Lebensmitteln denkt man sofort an die Hersteller und den Handel, aber nicht an Organisationen wie Foodwatch, Greenpeace, oder BUND. Die verstehen sich zwar als Sachwalter der Konsumenten, handeln allerdings nicht selbstlos, sondern auch im Eigeninteresse. Sie müssen Mitarbeiter bezahlen und Projekte finanzieren. Auf Spenden angewiesen, erhalten sie umso mehr Geld, je mehr sie medial beachtet werden. F O T O : P R I VAT Während der neuen Kampagne für Oreo stattet Hersteller Mondelez die Kekse bis April mit verschiedenen Gravuren aus, packt eine Geschenkhülle gratis dazu und veranstaltet ein Gewinnspiel. Für die POS-Werbung stehen verschiedene Display-Elemente zur Verfügung, unter anderem Sampling-Schütten. Begleitende Werbung läuft im TV und in Sozialen Medien. Keks-Kampagne: den traditionellen Zielgruppen jetzt auch Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen. Mitentwickelt hat den Auftritt die Agentur Deepblue. Seit 2009 laufen die TVClips unter dem Claim „Das Wasser mit Stern“. Lebensmittel Zeitung 53 17 11 8 QualitätsChecks 2014 Verbrauchertäuschung 9.5 7 belastete Lebensmittel 9.5 8 Gesundheit 8 7 Tierhaltung 2015 QUELLE: ENGEL & ZIMMERMANN, 2016 LEBENSMITTEL ZEITUNG GRAFIK Vorwurf „Dauerwerbesendung“: Der Chefredakteur von „Ökotest“ wird in den TVVerbrauchersendungen gerne als Kritiker herangezogen. Der Öko-Test-Verlag ist privatwirtschaftlich organisiert. Er lebt vom Verkauf der Zeitschrift und von Anzeigen.