Transcript
1 Bürgerbrief: EU und ihre Politiker agieren wie geistig umnachtet parteiübergreifend von Franz Witsch Hamburg, 12.07.2015 Liebe FreundeInnen des politischen Engagements, im November 2012 schrieb ich in der Einleitung zu "Die Politisierung des Bürgers, 2. Teil: Mehrwert und Moral" (DP2), dass "die im Bundestag vertretenen Parteien" sich nach Kräften bemühten, "den Euro gegen die Wand zu fahren und sehr wahrscheinlich die EU gleich mit." Es herrsche "umfassende Orientierungslosigkeit, schichtübergreifend, auch und gerade unter Experten." Übertrieben? Nun, genau so ist es gekommen. EU und ihre Politiker agieren mittlerweile wie geistig umnachtet: mental vollkommen überfordert, die Griechenland-Problematik konstruktiv in einem umfassenderen sozialen und ökonomischen Kontext zu diskutieren, geschweige denn Lösungen zu entwickeln. (Vgl. Q1, Q2) In DP2 versuche ich zu begründen, dass es im Kapitalismus keine Lösung gebe; man müsse zunächst Zeit kaufen, um Lösungen zu erarbeiten, die freilich nur nachhaltig seien, wenn jene Lösungen zugleich die Abschaffung des Kapitalismus einbeziehen würden. Diese Zeit würde man verstreichen lassen. Die Folgen liegen heute klar und deutlich, für alle sichtbar, vor. Und trotzdem streiten sich Experten wie Politiker immer noch wie die Kesselflicker (vgl. Q8) – an der Sache vorbei. Die moralische Problematik geben die Texte (Q1, Q2) zutreffend wieder; freilich ohne dass man von ihnen im Hinblick auf nachhaltige Lösungen etwas Neues erführe. Sie beten wie gehabt die alte Leier nach, die in der falschen Alternative "Austerität oder Keynesianismus: Sparen oder (mehr) Schulden" besteht. Der Keynesianer würde, wie üblich, einwenden, dass längerfristig eine höhere Verschuldung durch Wirtschaftswachstum verhindert werde, die Gesamtverschuldung gar zurückgeführt werden könne. Ein leider nur frommer Wunsch. Man wird, diesmal von heute auf morgen, durch mehr Schulden (plus 80 Mrd. €) einmal mehr Zeit gewinnen müssen, die sich in Zukunft allerdings von mal zu mal verringern wird, in der also immer dringender nachhaltige Lösungen gegen den Kapitalismus zu erarbeiten wären, um zukünftige Katastrophen zu verhindern – als da sind: Kriege, Flüchtlinge, Umweltzerstörungen, kurz: weltweit wachsende absolute Verelendung. Man muss sich fragen, ob unsere (EU-) Politiker, allen voran Merkel und Schäuble, aber auch Linke wie Gysi, Wagenknecht, Syriza etc., denn alle verrückt geworden sind? Auch Linke wegen ihrer leerbegrifflichen Leisetreterei (vgl. BB-086, BB087), die über mehr Schulden nicht hinauskommt, verknüpft mit dem leerbegrifflichen Prinzip "Hoffnung" auf mehr Wachstum, das die Schulden dann wieder zurückführen würde. Ganz schlimm ist die Kriegshetze aus den USA: Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges "der USA mit China oder Russland" wachse, hört man von dort.(Vgl. Q7) Völlig ungerührt lässt der designierte Generalstabschef Joseph Dunford, also einer, der von der Obama Regierung in seinen Job gehievt worden ist, "bei einer Anhörung im Kongress" verlauten, dass Russland "die größte Bedrohung für unsere nationale Sicherheit" darstelle, größer noch "als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)." Nach Russland komme China, dann Nordkorea und an vierter Stelle der IS.(Vgl.Q3)
2 Überhaupt Putin als gefährlicher als den IS hinzustellen, zeigt, dass Politiker den Bezug zur Realität verloren haben, nicht erst heute, auch deutsche Politiker, weil sie die US-Ansichten unwidersprochen stehen lassen, geschweige denn als hochgradig verantwortungslos ablehnen. Man kann sie nicht mehr kritisieren einfach nur noch ablehnen. Man kann die wachsende US-Kriegshetze, von der EU flankiert, mit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zusammenbringen: Die USA fürchten einen wachsenden ökonomischen Bedeutungsverlust gegenüber China oder Russland (vgl. Q5), den sie militärisch zu begegnen suchen, auch indem sie Europäer in Stellung gegen Russland (siehe den Ukraine-Konflikt) und bald auch China bringen. Das sagen sie ganz offen, ohne dass hierzulande irgendein Politiker dies als brandgefährlich ablehnt.(Vgl. Q6) Quellen: BB-086: Bürgerbrief: Heldengesänge im Abgrund http://film-und-politik.de/BB-086.pdf BB-087: Bürgerbrief: Politiker an der Regierung machen mit faschistischer Gesinnung Politik http://film-und-politik.de/BB-087.pdf DP2: Franz Witsch, Die Politisierung des Bürgers, 2. Teil: Mehrwert und Moral, Norderstedt 2013 Q1: Eisberg voraus: In der Krise versagt die EU als Egoisten-Union DWN vom 12.07.2015 http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/12/eisberg-voraus-in-der-kriseversagt-die-eu-als-egoisten-union/ Q2: Euro-Zone akut gefährdet: Italien geht frontal auf Deutschland los DWN vom 12.07.2015 http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/07/11/euro-zone-akut-gefaehrdetitalien-geht-frontal-auf-deutschland-los/ Q3: US-General: Russland größere Bedrohung als IS-Terrormiliz Welt.de vom 10.07.2015 http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article14380407 6/Russland-groessere-Bedrohung-als-IS-Terrormiliz.html Q4: US-General warnt: Putin ist gefährlicher als der Islamische Staat Focus.de vom 10.07.2015 http://www.focus.de/politik/ausland/islamischer-staat/us-general-warnt-russlandund-china-schlimmer-als-die-is-terrormiliz_id_4807638.html Q5: US-Regierung zettelt Kriege an, um den Dollar zu retten DWN vom 14.06.2015 http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/06/12/us-regierung-zettelt-kriegean-um-den-dollar-zu-retten/ Q6: Stratfor: USA wollen deutsch-russische Allianz verhindern DWN vom 17.03.2015 http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/17/stratfor-usa-wollen-deutschrussische-allianz-verhindern/ Q7: Neuer Strategiebericht: US-Militär stuft Russland und China als Bedrohung ein. Ein Krieg der USA mit China oder Russland? Die Wahrscheinlichkeit dafür wächst. Spiegel.de vom 02.07.2015 http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-militaer-stuft-russland-und-china-alsbedrohung-ein-a-1041660.html
3 Q8: Griechenland und Eurozone: Streit zwischen Deutschland und Frankreich gefährdet Europa, TS vom 12.07.2015 http://www.tagesspiegel.de/politik/griechenland-und-eurozone-streit-zwischendeutschland-und-frankreich-gefaehrdet-europa/12044910.html