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Business Innovation – Wie Unternehmen Sich Regelmäßig Neu Erfinden

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Finanzierung www.cf-fachportal.de Unternehmensführung/Mittelstand/Innovationsmanagement »CF0696456 Prof. Dr. Arnold Weissman / Stephan Wegerer, beide Nürnberg Business Innovation – wie Unternehmen sich regelmäßig neu erfinden Prof. Dr. Arnold Weissman gründete 1987 die heutige Strategieberatung Weissman & Cie., die sich auf die Beratung und Begleitung von Unternehmerfamilien spezialisiert hat. Arnold Weissman ist Professor für Unternehmensführung für Familienunternehmen sowie Marketing an der OTH Regensburg, Kompetenzbereichs-Leiter für Strategie an der Zürich International Business School (ZIBS) und externer Dozent an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Dipl. Kfm. Stephan Wegerer ist als Berater bei der WeissmanGruppe in den Kompetenzfeldern Business Innovation, Trend-, Innovations- und Ideenmanagement sowie in Strategic Foresight, Digitaler Strategie und Digitaler Transformation tätig. Kontakt: [email protected] In den nächsten Jahren werden zahlreiche neue Herausforderungen auf Unternehmen zukommen. Technologie und Märkte verändern sich in rasendem Tempo. Schon heute ist an den großen Megatrends wie Digitalisierung, Globalisierung, Ressourcen-Verknappung, Nachhaltigkeit und demografischer Wandel abzusehen, dass der Wandel das einzig Beständige sein wird. Eine neue Gesellschaft mit veränderten Ansprüchen und einem veränderten Wertesystem bildet sich heraus. Viele Trends treten vernetzt auf, so sind Digitalisierung und Globalisierung untrennbar miteinander verbunden. Jedes Unternehmen muss sich damit befassen und herausfinden, was diese Veränderungen und Trends für seine Produkte oder Dienstleistungen bedeuten. Welche Risiken gilt es zu beachten, welche Chancen entstehen und welche Kompetenzen muss das Unternehmen aufbauen, um sie wahrnehmen zu können – nicht nur heute, sondern in Zukunft? I. Einleitung Deutschen Unternehmen geht es gut. Gerade mittelständische Familienunternehmen verzeichnen eine gesunde Entwicklung ihrer Geschäftszahlen. Ihre Eigenkapitalquote ist hoch. Ihre Unternehmensstrategie haben sie bereits vor Jahren festgelegt und seither konsequent verfolgt. Moderates Wachstum gibt Anlass zu Zuversicht. Doch der schöne Schein trügt. In Zeiten, in denen sich Märkte und Rahmenbedingungen in rasantem Tempo verändern, indem sich die Produktionszyklen immer weiter verkürzen, Distributionen in Technologien und Märkten die Regel und globaler Konkurrenzdruck unausweichlich sind, reicht es nicht mehr, sich alle paar Jahre mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens zu befassen. Der technologische Wandel und die Globalisierung lassen Geschäftsmodelle von heute auf morgen veralten. Die Märkte sind zunehmend gesättigt, die Kundengewinnungskosten hoch und echtes Wachstum scheint nur noch durch Übernahmen möglich. In der Folge reagieren die meisten Unternehmen mit Kostensenkung, Effizienzprogrammen und sinkender Innovationsrate. Eine fatale Entwicklung, denn ohne Innovation ist langfristiger Erfolg nicht möglich. Wie aber erreicht man das Ziel innovaCORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015 tiv zu wachsen? In jedem Falle anders als alle Anderen und mit System. Als Folge der Situation in den meisten Märkten benötigen wir eine grundlegende Veränderung. Stellt sich doch die Situation wie folgt dar: Zu viele ähnliche Firmen, beschäftigen ähnliche Mitarbeiter mit ähnlicher Ausbildung, die ähnliche Arbeiten durchführen. Sie haben ähnliche Ideen und produzieren ähnliche Dinge zu ähnlichen Preisen in ähnlicher Qualität. Unternehmen, die zu dieser Gruppe gehören, werden es künftig schwer haben. Schlimmer: Ohne Differenzierung wird keines dieser Unternehmen die nächsten fünf Jahre überleben. Denn austauschbare Leistungen führen in stagnierenden oder rückläufigen Märkten zwingend zu negativen Wachstumsraten und Renditeentwicklung aller Marktteilnehmer. Die zentrale Herausforderung für Unternehmen ist es heute, die eigene Überlebensfähigkeit und Unabhängigkeit in einem zunehmend volatilen Marktumfeld zu sichern und dabei profitabel mit vertretbarem Risiko zu wachsen. Um dieses Basisziel zu erreichen, müssen geeignete strategische Stoßrichtungen festgelegt werden, die zu einer Verbesserung der Werttreiber Rendite, Wachstum und Risiko führen. II. Survival of the fittest – Wer überlebt ist angepasst! .... und besser als alle anderen, könnte man ergänzen. Die Natur zeigt uns, dass der Weg, sich von anderen zu unterscheiden, der richtige ist. Nur diejenigen Arten überleben langfristig, die einzigartig sind. Der russische Biologe Georgi Gause hat das Prinzip „be different or die“ an Experimenten mit Einzellern eindrucksvoll beschrieben.1 Er legte dar, dass sich zwei Arten niemals gleich ernähren, denn wenn sie es tun, kommt es unweigerlich zum Kampf um die knappe Nahrung. In der Natur überlebt, wer seine ökologische Nische gefunden hat, dort intelligent kooperiert und sein Feld auch zu verteidigen weiß. Trotzdem verharrt die Mehrzahl unserer Unternehmen in der Austauschbarkeit und reibt sich über einen ständigen Verdrängungskampf über den Preis auf. Doch gerade für Familienunternehmen – und wir sprechen von 96% der deutschen Unternehmen – ist dieser Kampf nur selten zu gewinnen. Sobald aber ein Unternehmen die brennenden Probleme seiner Kunden sichtbar besser löst als andere, hat es seinen Wettbewerbern etwas voraus: Es unterscheidet sich. Die Märkte haben sich schon immer verändert, doch heute verändern sie sich, insbesondere durch die Digitalisierung aller Dinge, so schnell wie nie zuvor. Unternehmen, die sich nicht anpassen, scheiden aus dem Markt aus. Unternehmen, die sich nur anpassen, aber nicht aktiv den Markt mitgestalten, haben es schwer. Das heißt, Unternehmen müssen den Wandel des Marktumfelds nicht nur erkennen und verstehen, sondern sich 1 Vgl. Gause, The struggle for existence, 1934. 191 Finanzierung www.cf-fachportal.de Abb. 1: Grundlegende Wachstumsoptionen Wachstum im Kernmarkt (mit bestehenden Produkten) Neue Märkte (geographisches Wachstum) Neue Produkte (Markt-/Kunden-Wachstum) Diversifizierung (neue Produkte/Branchen) Kooperation Akquisition Innovation als langfristig größter Hebel für organisches Wachstum Abb.  2: Basis für den Erfolg sind Wettbewerbsvorteile und ­Kernkompetenzen Rendite Wachstum Risiko Nachhaltig Nicht frei käuflich Verteidigungsfähig Marktchance Fähigkeiten/ Ressourcen ERFOLG WETTBEWERBSVORTEILE GESCHÄFTSMODELL/ KERNKOMPETENZEN Produkt Dienstleistung Marke/Beziehung Entwicklung/ Prozess Innovationsfähigkeit aktiv am Wandel beteiligen. Angelehnt an die Natur, in der die Gesetze der Evolution wie sie uns heute bekannt sind, auf der Abfolge von Mutation, Selektion und Retention basieren, werden nur solche Unternehmen eine gesicherte Zukunft haben, die sich nicht nur an aktuelle Marktsituationen anpassen können, sondern die bedeutsamsten Entwicklungen der Zukunft zu antizipieren in der Lage sind. Es gilt also Probleme der Zukunft zu erkennen und bereits heute die Lösungen dafür zu entwickeln. Das kybernetische Management-System lässt sich entsprechend heranziehen.2 Ist das zentrale Problem der Zukunft erst einmal erkannt, gilt es, unter Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen, bessere Problemlösungen zu entwickeln als die Konkurrenz und damit einzigartige Kompetenz sichtbar zu machen. III. Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile als Basis für Erfolg Grundlage für jedweden unternehmerischen Erfolg sind zweifelsohne ein tragfähiges, verteidigungsfähiges und nicht frei verfügbares Geschäftsmodell und das Vorhandensein einzigartiger Fähigkeiten sprich Kernkompetenzen. Wettbe- werbsvorteile können sich aus dem Produkt bzw. der Dienstleistung selbst, aus der Marke bzw. Beziehung zum Kunden, aus der Entwicklungsfähigkeit und nicht zuletzt aus der Innovationsfähigkeit ergeben. Der tatsächliche Erfolg eines Unternehmens leitet sich aus dem Verhältnis von erreichter Rendite, Wachstum und Unternehmensrisiko ab. Erfolg ist, wenn der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert wird. Legt man nun die Maxime „Wir wollen nachhaltig, profitabel, mit vertretbarem Risiko, gesund wachsen!“ zugrunde, stehen wie in Abb. 1 dargestellt fünf Wachstumsoptionen zur Verfügung: das Wachstum im Kernmarkt mit bestehenden Produkten, das Wachstum im Kernmarkt mit neuen Produkten bzw. Kunden, geographisches Wachstum und das Wachstum durch Diversifizierung 3 , d.h. mit neuen Produkten in neuen Branchen sowie als fünfte Option service- oder produktbezogene Kooperation und Akquisition. Vergleicht man die Auswirkungen dieser fünf Optionen auf die langfristige Wachstumsfähigkeit eines Unternehmens, so erweist sich Diversifizierung als langfristig größter Hebel für organisches Wachstum. IV. Innovation als Grundlage für Wachstum Wenn Anpassung nicht mehr reicht, müssen Veränderungen vorausgesehen werden. Besser noch man eilt ihnen aktiv voraus. Aber wie erkennt man frühzeitig Nischen, in denen das Unternehmen überleben kann, und wie verhält man sich im Wandel? Nach Erkenntnissen der Evolutionstheorie verändert das flexibelste Glied in der Kette das ganze System. Langfristige und vor allem verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile erzielt ein Unternehmen nur, wenn es, wie in Abb. 2 ersichtlich, selbst die Schlüsselfaktoren des Markts verändert und relevante Veränderungen, die für die Kunden echten Nutzen bieten, in die Wertschöpfungskette des Markts einbringt. Nicht Benchmarking ist der Schlüssel zum Erfolg sondern Benchbreaking. Regeln brechen und Neues 3 2 Vgl. Beer, Brain of the Firm – The Managerial Cybernetics of Organisation, 2. Aufl. 1995. 192 Vgl. Ansoff, Corporate Strategy – An Analystic Approach to Business Policy for Growth and Expansion, 1965, S. 98 (99). CORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015 www.cf-fachportal.de Finanzierung Abb. 3: Trendbarometer Innovations-Cockpit wagen – Benchbreaker betreten neues Terrain und setzen neue Standards, an denen sich künftig die anderen Marktteilnehmer orientieren müssen. Diese Art der Koevolution operiert mit dem Bedarf von morgen, nimmt Erwartungen und Herausforderungen im Sinne einer selektiven Wahrnehmung geistig vorweg, um dadurch verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Innovation ist also der Schlüsselfaktor für langfristigen Erfolg. Wie aber etabliert man den Faktor Innovation funktionsfähig im Unternehmen und schafft mit ihm echten Mehrwert? Gelingen kann dies nur durch ein systematisches Innovationsmanagement und entsprechende Investitionen. Entgegen der verbreiteten Meinung, dass sich Innovation zufällig ereignet – hier werden gerne Erfindungen wie post it, Coca Cola oder Viagra angeführt, die allesamt spontan erfolgten – müssen Unternehmensinnovationen immer systematisch erarbeitet werden. Instrumente wie Innovations-Scouting und/oder Marktforschung sind unerlässlich. Die Nichtvorhersehbarkeit der Zukunft unbestritten, lässt sich mittels Trendforschung zumindest erkennen, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln. Bestes Beispiel ist der demografische Wandel – er zeichnet sich seit gut 40 Jahren ab und trotzdem haben wir erst CORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015 in den letzten Jahren begonnen, uns intensiver damit auseinanderzusetzen. V. Mit strategischer Planung ambitionierte Ziele erreichen Bevor Unternehmen in die Ideenfindungsphase mit zahlreichen Kreativitätstechniken einsteigen, sollte zunächst der gesamte Innovationsprozess vom Umfeldscanning über das Innovationsportfolio bis hin zum sog. Roadmapping klar strukturiert und ein offener Innovationsprozess im Unternehmen etabliert sein. Die zugrundeliegende Vision – wo will das Unternehmen hin – beinhaltet neben der branchen- und produktorientierten Ausrichtung immer das Ziel der Ertragssteigerung. Die strategische Planung zur Erreichung dieses Ziels erfordert die grundsätzliche Entscheidung der Stoßrichtung d.h. neue Kunden, neue Produkte und/oder Wachstum im Kernmarkt, unter Ausnutzung des bestehenden Potenzials mit entsprechendem Einfluss auf die Unternehmensstruktur bzw. Unternehmensorganisation, auf die Mitarbeiter und Kompetenzen und nicht zuletzt auf die Qualität des Outputs und sollte immer auf Basis fundierter Informationen, die durch ein permanentes 193 Finanzierung www.cf-fachportal.de Abb. 4: Ableitung des quantitativen Innovationsbedarfs: Die Wachstumslücke Gesamtumsatz Angestrebtes Wachstum Noch offene Wachstumslücke Rückgang der Nachfrage Wie viel davon ist durch Innovation zu schliessen? Substitutionen Geplante Aktivitäten bis 2020 Überalterte Produkte Entwicklung des existierenden Geschäfts 1. Kunden(segment) durchdringen 2. Neue Marktleistungen anbieten 3. Neue Kunden(segmente) erschliessen 4. Strategische Diversifikation Preisverfall Neue Wettbewerber 2015 2020 Wie hoch ist der Umsatz, der über die nächsten 5 Jahre durch Innovationen erreicht werden müsste? Trend-/Umfeldscanning entstehen, erfolgen. Sämtliche Überlegungen finden dabei auf Basis der bestehenden Ressourcen als sog. „operative Befähiger“ statt. Am Anfang steht also die Vision, das gemeinsame Zielfoto. Um ein „attraktives Bild einer möglichen Zukunft“ zu finden, muss man wissen wonach man sucht, bevor man die Suche beginnt. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie sich bei der Ideenfindung ihrer Kernkompetenzen bewusst sind und diesen treu bleiben. Sie sind der genetische Code, die DNA eines Unternehmens. Eine strategische Vorgehensweise ist auch hier unabdingbar. Die Basis der Suche bildet die Frage nach den Wettbewerbsvorteilen von morgen. Wie muss sich das Unternehmen aufstellen, um auch künftig die Probleme seiner Kunden besser zu lösen als andere. Aufbauend auf den eigenen Kernkompetenzen kann das Unternehmen neue verteidigungsfähige, attraktive Wettbewerbsvorteile, d.h. Ideen entwickeln. Und gewinnen wird derjenige, der dem Kunden ein überlegenes Nutzen-Preis-Verhältnis (NPV) bieten kann! VI. Mögliche Innovationen erkennen Eine Idee ist also nichts anderes als das Erkennen eines Problems als Chance und das Anbieten der optimalen Lösung. Der Weg von der Idee zur Erfindung führt dann über deren konsequente Umsetzung. Voraussetzung für die Umsetzung wiederum ist die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit, auf Erfindungshöhe und Neuheit. Die Erfindung bzw. Invention selbst kann entweder das fertige Produkt oder die patentfähige Beschreibung sein. Stellt sich die Frage, wann ist eine Erfindung eine Innovation? Wenn sie im Markt erfolgreich umgesetzt wurde, d.h. Invention + erfolgreiche Umsetzung = Innovation. Dabei gibt es unterschiedliche Formen von Innovation. Diese können inkrementell, signifikant oder radikal sein. Ein kundenorientiertes Geschäftsverständnis öffnet den Innovationsspielraum. Als Beispiel sei hier das Unternehmen Falk angeführt. Falk hat sich vom Produzenten von Stadtplänen zum Anbieter von „Services für mobile Menschen“ entwickelt. Auf der Strecke standen Entwicklungen wie Falk 194 Notebook Navigation, Falk Routenplaner, Falk Handy Navigation und aktuell Falk Mobile Navigation Organizers. Der Suchraum für innovative Marktleistungen bietet folgende Möglichkeiten: Innovationen im Umfeld des Kernprodukts, z.B. zusätzliche Leistungen entlang des Kundenprozesses, die Geschäftsmodellinnovation, d.h. ein völlig neues Geschäftsmodell oder die Variation einzelner Elemente der Werkkette, Innovation bezüglich des Kernprodukts wie neue Produktvarianten, echte Produktverbesserungen, ganz neue Produkte oder neue bzw. zusätzliche Verwendungszwecke. Immer die Erkenntnis vor Augen, dass der Kunde keine Produkte kauft, sondern den Nutzen der aus ihrer jeweiligen Funktion oder Anwendung entsteht. Am Anfang des Weges steht daher die Feststellung des quantitativen Innovationsbedarfs, d.h. der bestehenden Wachstumslücke. Die Ableitung des quantitativen Innovationsbedarfs ist in Abb. 4 dargestellt. Vom Status quo aus betrachtet stellt sich die Frage: Wie hoch ist der Umsatz, der über die nächsten fünf Jahre durch Innovation erreicht werden müsste? Wie viel davon ist realistisch durch Innovation zu schließen? Welche Aktivitäten sind bis 2020 geplant? Will man das Kundensegment durchdringen, neue Marktleistungen anbieten, neue Kundensegmente erschließen oder die strategische Diversifikation? Nicht zu vergessen die Betrachtung der aktuellen Entwicklung des existierenden Geschäfts. Geht die Nachfrage zurück? Was bremst das Geschäft? Sind die Produkte überaltet? Gibt es neue Wettbewerber? Gibt es fortschreitenden Preisverfall? Sind Substitutionen auf dem Markt? Und nicht zuletzt die wichtige Frage nach den „operativen Befähigern“: Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Wie hoch ist das Budget, das für Innovationen bereitgestellt werden kann? VII. Nicht mehr Ressourcen, sondern exzellentes Innovationsmanagement Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Entwicklung von Innovationen in den meisten Fällen mit bestehenden Ressourcen erfolgen soll und kann. Eine Untersuchung zu den VerbesCORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015 www.cf-fachportal.de serungsmöglichkeiten durch Innovation über alle Industrien macht es deutlich: Die erfolgreichen Produkteinführungen pro Jahr erfuhren eine Steigerung um 28%, die Verkürzung von „time to market“ betrug 26% und der Umsatz stieg um 16%. Dies bei einer gleichzeitigen Reduktion der Entwicklungskosten um 15,1% und der Produktionskosten um ebenfalls 15,1%. Die absolute EBIT Marge über alle Industrien durch Produktund Service-Innovation erfuhr eine Steigerung um 6,9%.4 Fazit: Innovationsmanagement wirkt sich positiv auf Wachstum und Finanzergebnis aus und erfordert keine Erhöhung der Ressourcen. VIII. Integriertes Innovationsmanagement Bevor Unternehmen jedoch in die tatsächliche Ideenfindungsphase einsteigen, sollte zunächst der gesamte Innovationsprozess klar strukturiert sein und entsprechend etabliert werden. Die Erfahrungen aus der Beraterpraxis zeigen, dass es eigentlich selten an Ideen mangelt – die Frage ist eher, welche dieser Ideen, bei häufig beschränkten Budgets, umgesetzt werden sollen. In einem ganzheitlichen Ansatz lassen sich vier Komponenten im Innovationsmanagement benennen: Trend-Scouting und -Management, 5 strategische Vorausschau, 6 Ideenfindung und -bewertung7 und Roadmapping. Widmen wir uns an dieser Stelle dem Trend-Scouting und -Management.8 Unter einem Trend wird eine signifikante, über einen bestimmten Zeitraum konstante, gleichgerichtete Entwicklung einer oder mehrerer Variablen verstanden. Trends stehen demnach für mittel- bis langfristige Entwicklungen im sozioökonomischen Unternehmensumfeld. Im Vergleich zu sog. „Moden“ oder „Hypes“ wirken sie mindestens fünf Jahre und haben signifikante Auswirkungen auf die sozioökonomische Unternehmensumwelt. Um neue Produkte und Dienstleistungen oder sogar ganze Geschäftsmodelle, zielgerichtet und mit der notwendigen Substanz entwickeln zu können, spielt ein tiefgreifendes Verständnis der eigenen Unternehmensumwelt – und damit der Trends in dieser – eine entscheidende Rolle. Unternehmen, die Trends erkennen und fortlaufend bewerten und interpretieren, können wesentlich zielgerichteter innovieren und damit dauerhaft Wettbewerbsvorteile sichern. Um Trends und Technologien zielgerichtet erkennen und gewinnbringend verarbeiten zu können, bedarf es einer soliden Struktur. Auf Basis bewährter Modelle wie STEEP oder PESTLE werden zunächst Megatrends identifiziert.9 Beispiele hierzu sind z.B. Digitalisierung, Individualisierung (der Kunde bestimmt das Produkt), Mobilität, Wissensgesellschaft oder das sog. Downaging. Auch Miniaturisierung (je kleiner je besser), Entschleunigung (mehr Zeit für mich) und Flexibilisierung (arbeite mit wem, wann und wo Du willst) können als Megatrends die Zukunft gänzlich neu prägen. Innerhalb eines Modells wie STEEP und zugeordnet zu den Megatrends werden kontinuierlich die für das Unternehmen relevanten Makrotrends identifiziert. Innerhalb dieser Mak4 5 Vgl. Arthur D. Little, Innovation Excellence Study, 2005. Vgl. Solomon, Bowling with a Crystal Ball: How to predict technology trends, create disruptive implementations and navigate them through industry, 2007. 6 Vgl. Rohrbeck, Corporate Foresight: Towards a Maturity Model for the Future Orientation of a Firm, 2010. 7 Vgl. Schnetzler, Die Ideenmaschine: Methode statt Geistesblitz – Wie Ideen industriell produziert werden, 2006 8 Vgl. Laube/Abele, Technologie-Roadmap: Strategisches und taktisches Technologiemanagement, Ein Leitfaden, Fraunhofer-Institut Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), 2006. 9 Vgl. Keller/Kotler, Marketing Management, 12. Aufl. 2006. CORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015 Finanzierung rotrends können dann die eigentlichen Trends und Technologien erfasst werden. Diese Trends und Technologien werden angereichert mit Quellen und Beispielen. Wer forscht an diesen Themen? Gibt es schon Patente? Existieren Prototypen oder Anwendungsbeispiele aus anderen Branchen? Auf diese Art und Weise entsteht Schritt für Schritt ein umfassendes Bild des Unternehmensumfeldes. Um die im Trend- und Technologie-Scouting generierten Daten auch nutzen zu können, ist ein aktives Trend-Management erforderlich. In diesem werden Trends bewertet und priorisiert. Erst dann können sog. Suchfelder gebildet werden, in denen das Unternehmen wachsen kann und möchte. In diesen Suchfeldern können dann zielgerichtet Produkt- und Dienstleistungsideen generiert werden. Zur Bewertung von Trends und Technologien sollte eine multidimensionale auf das Unternehmen zugeschnittene Bewertungsmatrix zur Verfügung stehen. Bewertungskriterien können etwa Reifegrad, Einfluss auf Zielmärkte, Wachstumspotenziale oder auch Gefahren für das Kerngeschäft sein. Die Bewertung sollte von mehreren Experten im und außerhalb des Unternehmens unabhängig und wiederkehrend vorgenommen werden. Sobald alle Trends bewertet wurden, ergibt sich ein Trend-Portfolio. In diesem lassen sich nun mögliche Handlungsfelder bzw. Suchfelder leicht identifizieren. Sie bilden die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Innovationsstrategie. 1. Mit der Suchrichtung einen Schritt voraus Bei der Bestimmung der Suchrichtung innerhalb des definierten Trendportfolios sollte stets die Frage im Zentrum stehen: Was sind die zentralen Probleme unserer Kunden von morgen? Welche Bedürfnisse werden unsere Kunden oder potenziellen Kunden morgen, artikuliert oder unartikuliert, haben? Das Kano-Modell zur Veranschaulichung zentraler Kundenbedürfnisse gibt hier Hilfestellung. Am Beispiel Automobil lassen sich die Kundenbedürfnisse je nach Erfüllungsgrad der Anforderungen wie folgt definieren: Als Basisanforderung, die unartikuliert aber erwartet wird, kann das bloße Funktionieren der Fahrtechnik gesehen werden, als artikulierte und erwartete Leistungsanforderung ist der eingebaute Airbag zu benennen. Interessant wird es mit unartikulierten und unerwarteten Extras. Ein umfassendes interaktives Cockpit mit Navigation und Telefon erntet echte Begeisterung. Mit der Erfüllung des Begeisterungsgrades sind die Erwartungen des Kunden „übererfüllt“ – der Kunde ist begeistert. Er hat einen erkennbaren Vorteil und damit ein gutes Nutzen-Preis-Verhältnis. Innovationen sollten daher stets echten Kundennutzen bieten mit erkennbarem Vorteil und Wert für den Kunden. Vom Kunden wahrgenommene und für wichtig befundene Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung verschaffen dem Unternehmen den gewünschten Wettbewerbsvorteil – vorausgesetzt die Rendite-RisikoBewertung ist ebenfalls positiv. 2. Die Überprüfung des Geschäftsmodells Dreh und Angelpunkt des gesamten Innovationsvorhabens ist – wie eingangs schon angedeutet – das eigene Geschäftsmodell also die modellhafte Beschreibung des Geschäftes. Die Beschreibung von Geschäftsmodellen soll helfen, die Schlüsselfaktoren des Unternehmenserfolgs zu erklären. Dies ist der genetische Code des Erfolgs. Im „Canvas“ mit den neun 195 Finanzierung www.cf-fachportal.de Abb. 5: System-Check am Beispiel Geschäftsmodell Apple Partner Musikproduze nten Aktivitäten Nutzenversprechen Hardwaredesign Switching costs Marketing Grenzenkloses Musi is n b e erl Ressourcen Hardwaren produzente Kanäle le Verträge Marke App r iTunes software Mitarbeite iTunes store Einzelhandel Kostenstruktur Umsatzströme Produ ktio GrenzenSoftw n k si u M are loses erlebnis Marketing Vertrieb & Bausteinen Partner, Aktivitäten, Ressourcen, Nutzenversprechen, Kundenbeziehungen, Kanäle, Kundensegmente, Kostenstruktur und Umsatzströme, lässt sich das aktuelle Geschäftsmodell systematische erfassen. Am Beispiel des kalifornischen Unternehmens Apple ist in Abb. 5 der SystemCheck dargestellt. 3. Die Innovationskultur als entscheidender Faktor Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor bei der Installation von Innovationen sind die Grundüberzeugungen und Werte, die in einem Unternehmen gelebt werden. Eine Studie aus dem Jahr 2007 befasste sich mit der Frage, welchen Grundüberzeugungen/Werten messen Unternehmensleiter die höchste Priorität bei?10 Die Befragung von 350 Unternehmern führte zu dem Ergebnis, dass in innovationsstarken Unternehmen vor allem Humor, Ansehen des Innovativen, Freude am geistigen Experiment, partizipative Entscheidungsprozesse, niedriges Konfliktniveau, beweglicher Umgang mit Regeln und gegenseitiges Vertrauen im Mittelpunkt stehen. Dagegen priorisieren die innovationsschwachen Unternehmen Überzeugungen bzw. Begriffe wie Ausgaben für F&E, Entschlussfreudigkeit, Teamorientierung, Risikobereitschaft, Marktorientierung, Langfristorientierung, Rolle der Planung und die flexible Nutzung unerwarteter Innovationschancen. Dies zeigt deutlich, dass sich gelebte Werte wie Flexibilität, Offenheit und Vertrauen positiv auf die Innovationsbereitschaft eines Unternehmens auswirken. Eine Frage die sich alle innovationswilligen Unternehmen gleichermaßen stellen müssen: Passt die Kapitalverfügbarkeit und Risikobereitschaft zum Innovationsprozess? 10 Vgl. Strecker, Innovation Strategy and Firm Performance – An empirical study of publicly listed firms, 2007. 196 Kundenbeziehungen Kundensegmente Lovemark Massen markt apple stores apple.com Hard w (Hoh are Ums e ätze ) Musik (Geringe Umsätze) IX. Fazit Innovation ist heute die Voraussetzung für Wachstum. Tatsächlich wird es Wachstum in der Form, wie wir es bislang kannten, nicht mehr geben. Wir werden lernen müssen mit anderen Formen des Wachstums zu leben. Qualitatives statt quantitatives Wachstum lautet die Formel. Innovation bietet die Möglichkeit auch in stagnierenden oder rückläufigen Märkten nachhaltig und profitabel zu wachsen. Dies gelingt in erster Linie durch Differenzierung. Innovationen müssen Kundenbedürfnisse – artikuliert und unartikuliert – mit technologischen Kompetenzen verbinden, um bereits heute Problemstellungen der Zukunft zu erkennen und zu lösen. Vor allem Innovationen in Geschäftsmodellen besitzen großes Veränderungspotenzial – im Markt und für das Unternehmen selbst. Und eines ist sicher: Die Digitale Transformation erfasst jedes Unternehmen und jede Branche. Wenn diese komplexe Außenwelt auf eine komplexe Innenwelt trifft, drohen chaotische Zustände. Deshalb sollten die internen Strukturen von Unternehmen so einfach wie möglich sein: übersichtlich, transparent, klar und flexibel. Einfacher ist genialer. So lassen sich auch innovationsbedingte Veränderungen besser an die Kultur und Organisation im Unternehmen anpassen. Auch bringt „Richtiges“ Innovationsmanagement strategische Herausforderungen mit sich, denn der Innovationsprozess ist durchaus mit Risiken verbunden. Bei der Bewältigung der anstehenden Problemstellungen spielt die Innovationskultur im Unternehmen eine entscheidende Rolle. Innovation muss gewollt sein. Und, ein erfolgreiches Unternehmen muss seine Sache besser machen als der Wettbewerb, muss die Spitzenleistung seines Könnens erbringen. Das ist die Grundlage jeder Differenzierung und jedes Erfolgs. Anders sein als alle Anderen – be different or die. CORPORATE FINANCE Nr. 06 01.06.2015