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Call for Abstracts für ein Schwerpunktheft der Zeitschrift für Sozialreform
Kommunalisierung der Sozialpolitik – Chancen für präventive Konzepte? Gastherausgeber: Prof. Dr. Ute Klammer, Dr. Antonio Brettschneider Im Gegenzug zum Um- und Rückbau der großen Sozialversicherungssysteme auf der Bundesebene hat die Kommune als Handlungs- und Bezugsebene sozialpolitischer Gestaltung in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Aufgrund des wachsenden sozialen Problemdrucks in belasteten Quartieren und Stadtteilen („Druck von unten“) wie auch aufgrund expliziter oder impliziter Aufgabenübertragungen seitens der Bundes- und Landespolitik („Druck von oben“) sehen sich die Kommunen mit einer erweiterten Struktur- und Steuerungsverantwortung konfrontiert, die über die Rolle des sozialen Auffangbeckens und „Restkostenfinanzierers“ weit hinausgeht. Insbesondere dort, wo diese Verlagerung sozialpolitischer Zuständigkeiten in erster Linie der Entlastung des Bundeshaushalts und der Sozialversicherungssysteme dient und nicht mit entsprechenden Ressourcen- und Kompetenzübertragungen verbunden ist, besteht die Gefahr einer finanziellen, personellen und fachlichen Überlastung der Städte und Gemeinden und damit der Verstärkung sozialer und regionaler Ungleichheiten. Die Kommunen sind jedoch zugleich auch Hoffnungsträger im Hinblick auf die von vielen für notwendig erachtete präventive und „sozialinvestive“ Neujustierung der Sozialpolitik. Vorbeugende Sozialpolitik zielt im Kern darauf ab, die Entstehung und Verstetigung sozialer Problemlagen durch frühzeitige und wirkungsorientierte Interventionen zu verhindern; durch Investitionen in präventive Maßnahmen und eine bessere Verzahnung der Regelsysteme sollen die individuellen Teilhabemöglichkeiten der Adressatinnen und Adressaten verbessert, die gesellschaftliche Chancengerechtigkeit erhöht und dadurch mittel- und langfristig auch die Sozialhaushalte entlastet werden. Bei vielen der Problemlagen und Zielsetzungen, mit denen sich eine stärker präventiv ausgerichtete kommunale Sozialpolitik befasst, handelt es sich um Querschnittsaufgaben, die Lösungsbeiträge im Rahmen ganzheitlicher, integrierter Handlungsstrategien erfordern. Dies gilt nicht nur für die Ermöglichung eines gelingenden Aufwachsens und gelingender Bildungsbiografien für alle Kinder und Jugendlichen, sondern auch für weitere Handlungsfelder wie beispielsweise die Senioren- und Pflegepolitik (“ambulant vor stationär“), den Aufbau kommunaler Gesundheitslandschaften, die Gestaltung eines inklusiven Gemeinwesens im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention oder die Aufgabe der nachhaltigen Integration von Flüchtlingen und Neuzuwanderern. Die Kommunen stehen somit vor der Herausforderung, die verschiedenen Fachressorts möglichst effizient und effektiv miteinander zu koordinieren, politikfeldübergreifende strategische Konzepte zu entwickeln und die Kooperation und Vernetzung der involvierten Akteure aktiv voranzutreiben. Mit dem erweiterten Handlungsauftrag und dem funktionalen Bedeutungszuwachs der kommunalen Sozialpolitik sind insofern Hoffnungen auf soziale Innovationen im Sinne einer kohärenten, aktiv gestaltenden und präventiv ausgerichteten Politik verbunden. Doch gelingt es tatsächlich, die oft beklagten leistungsrechtlichen Versäulungen und institutionellen Fragmentierungen der sozialen Sicherungssysteme durch innovative und integrative lokale Konzepte zu überwinden? Können Über-, Unter- und Fehlversorgungen abgebaut und bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen aufgebaut werden? Tragen beteiligungsorientierte lokale Planungs- und Umsetzungsprozesse zu einer Stärkung der demokratischen Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger vor Ort und damit zu einer Erneuerung des Sozialstaates „von unten“ bei? Diese und ähnliche Fragen bedürfen genauerer empirischer
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Untersuchungen, um klären zu können, ob und unter welchen Bedingungen eine präventive Neuausrichtung der kommunalen Sozialpolitik gelingen kann. Im Rahmen des geplanten Schwerpunkthefts sollen die aktuellen und perspektivischen Entwicklungen der kommunalen Sozialpolitik im Spannungsfeld zwischen übergeordneten Konsolidierungszwängen und lokalen Steuerungs- und Innovationspotenzialen genauer unter die Lupe genommen werden. Im Fokus stehen die Potenziale, aber auch die Fallstricke und Grenzen einer präventiven Neuausrichtung der (kommunalen) Sozialpolitik. Die Beiträge können sowohl bereichsbezogene empirische Analysen zu einzelnen Handlungsfeldern kommunaler Sozialpolitik beinhalten als auch übergreifende, theoretische und konzeptionelle Fragen der Planung, Steuerung und Umsetzung präventiver und integrierter Handlungskonzepte beleuchten. Beiträge aus den Rechts-, Sozial-, Politik- und Verwaltungswissenschaften sind willkommen. Das Schwerpunktheft soll als Heft 1/2017 der Zeitschrift für Sozialreform im März 2017 erscheinen. Wir bitten um die Zusendung von Beitragsvorschlägen in Form aussagekräftiger Abstracts (max. 500 Wörter) bis spätestens 18. April 2016. Die Vorschläge sind per E-Mail an die Gastherausgeber des Schwerpunktheftes (
[email protected]) sowie an die Redaktion der Zeitschrift für Sozialreform (
[email protected]) zu richten. Die ausgewählten Autorinnen und Autoren sollen ihre Manuskripte bis zum 15. Juli 2016 ausarbeiten. Im Oktober 2016 ist ein AutorInnenworkshop für alle am Heft Beteiligten geplant, auf dem die Manuskripte auf Grundlage der Gutachten des PeerReview-Verfahrens, welches jeder Beitrag durchlaufen wird, diskutiert werden. Kontakt: Dr. Antonio Brettschneider/Prof. Dr. Ute Klammer Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) Kronenstrasse 62, 40217 Düsseldorf Email:
[email protected], Tel. 0211-99457105
Zeitschrift für Sozialreform, Redaktion SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik Universität Bremen Unicom Gebäude Mary-Somerville-Straße 5, 28359 Bremen Email:
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