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Samstag, 6. Juni 2015 20.04 – 23.00 Uhr
Carl Nielsen Eine Sendung zum 150. Geburtstag von Kai Luehrs-Kaiser Guten Abend, meine Damen und Herren. Mein Name ist Kai Luehrs-Kaiser. Im kulturradio hören Sie eine Sendung zum 150. Geburtstag des dänischen Komponisten Carl Nielsen. In der kommenden dreistündigen Sendung streben wir einer endgültigen Beantwortung der Frage zu: Wer in aller Welt war – Carl Nielsen? Und warum! 1
Naxos LC 05537 8.557164 Track 001
Carl Nielsen “The Festival March” aus “Aladdin Suite” op. 34 FS89 South Jutland Symphony Orchestra Ltg. Niklás Willén 2002
2’56
I Fast wie eine Mischung aus Janáček und Sibelius: kantig, naturbildlich und so, dass die Sonne des Nordens sticht – der Festmarsch aus der „Alladin Suite“ von Carl Nielsen, hier zum 150. Geburtstag des Komponisten, gespielt vom South Jutland Symphony Orchestra 2012 unter Niklás Willén. Entlegene Interpreten – und um einen leicht entlegenen Komponisten handelt es sich ja auch. Carl Nielsen, dessen 150. Geburtstag sich am kommenden Dienstag jährt, ist einer, um den sich bei uns in Deutschland nicht allzu viele Leute kümmern. In den kommenden drei Stunden holen wir zu einem umfassenden musikalischen Portrait des größten dänischen Komponisten aus. Wenn Sie sich, während Sie diese Sendung hören, im Internet über Leben und Werk dieses Mannes parallel ein Bild machen wollen, so können Sie dies auf der Seite www.carlnielsen.org tun. Auf dieser Seite sehen Sie, gleich zu Anfang, auch die wohl einzigen Filmaufnahmen, die es von dem dänischen Bürstenkopf gibt. Zunächst aber: Was, meine Damen und Herren, fällt Ihnen überhaupt zu Carl Nielsen ein – angenommen, Sie sind nicht schon ein Fan dieses Komponisten, der in seiner Heimat Dänemark zu Recht als Nationalkomponist gehandelt wird. Nun, er hat einige Sinfonien komponiert; es sind sechs an der Zahl. Einige Bläserkonzerte, namentlich das Flöten- und das Klarinettenkonzert verirren sich von Zeit zu Zeit in die Konzertprogramme. Berühmtheit hat das Violinkonzert von Carl Nielsen erlangt. Dann gibt es – wie bei fast allen Komponisten – noch eine Reihe wichtiger Kammermusikwerke. Und, richtig, von seinen zwei Opern hat zumindest „Maskarade“ relative Bekanntheit erreicht. Und zwar vor allem wegen der fulminanten, im Sturm erobernden Ouvertüre:
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Decca LC 00171 425 857-2 Track 001
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Carl Nielsen Ouvertüre zu “Maskarade” San Francisco Symphony Ltg. Herbert Blomstedt 1990
4’20
II Die Ouvertüre zu “Maskarade“, der Oper von Carl Nielsen, für man sich eine Weile recht wacker engagierte – und der auch die wichtigste Neuerscheinung dieses Nielsen-Jahres gilt: in Gestalt einer neuen Gesamtaufname mit Johan Reuter unter der Leitung von Michael Schønwandt. Hier hörten Sie das San Francisco Symphony 1990 unter seinem damaligen Chef Herbert Blomstedt. Wir wollen nicht verhehlen, daß Carl Nielsen in früheren Jahrzehnten – zumindest mit einigen Werken – durchaus zum Kernrepertoire einer nachzügelnden Romantik gezählt wurde. Also, er wurde geschätzt als ein Vertreter der Moderne, die – an den Rändern Europas – auch dann noch auf integre Weise tonal komponieren konnte, als es in Deutschland und Österreich und natürlich auch in Amerika längst eine Hardcore-Moderne gab, die auf Dissonanz in der Musik setzte. Auf diese Weise gibt es ganz selbstverständlich eine frühe Aufnahme des eben gehörten Werkes, dirigiert von Sergiu Celibidache. Und Karajan, dem wir als Nielsen-Dirigenten gleich noch begegnen werden, war keineswegs der einzige, für den Nielsens 4. Symphonie, betitelt „Das Unauslöschliche“, ganz selbstverständlich auf der breiten Straße lag, die er wandelte. Für den bis heute spürbaren Durchbruch, der für Nielsen in den USA bewirkt wurde, war allerdings Leonard Bernstein verantwortlich. Der Impuls dafür ging übrigens interessanterweise von Dänemark selber aus; ein Lehrstück, das uns zeigt, was Eigeninitiative und Engagement wirken können. In den 60er Jahren verlieh man nämlich den Carl Nielsen-Preis, den es bis heute gibt, an Bernstein, der bis dahin gar nicht viel mit Nielsen am Hut hatte; so erzählt man es jedenfalls bis heute in Kopenhagen. Zum Bestandteil des Preises gehörte es, dass man im Konzertsaal des Tivoli, dem traditionsreichen Vergnügungspark von Kopenhagen, eine Nielsen-Sinfonie dirigierte; eine Pflicht, der sich auch der damals noch recht junge Bernstein freudig unterzog. Bei welcher Gelegenheit er die Werke des Komponisten derart schätzen lernte, dass er zuhause in New York einen ganzen Nielsen-Zyklus aufs Programm setzte und auf Schallplatten einspielte – was für Nielsen den entscheidenden Durchbruch bedeutete. Das wirkt bis heute. Hier kommt noch einer, der sich in den 60er Jahren von der aufkommenden Nielsen-Mode „anfixen“ ließ: John Barbirolli mit dem 2. Satz: Poco allegretto aus der Vierten. Das Hallé Orchestra live am 30. Juli 1965.
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BBC Music LC 10552 BBCL 42232 Track 002
Carl Nielsen Sinfonie Nr. 4 “Das Unauslöschliche” op. 29 II. Poco allegretto Hallé Orchestra Ltg. Sir John Barbirolli 1965
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4’33
III Das Hallé Orchestra live 1965 unter Leitung von John Barbirolli mit dem 2. Satz: Poco Allegretto aus der Sinfonie Nr. 4 “Das Unauslöschliche” op. 29. Dieses Werk, bis heute das Aushängeschild schlechthin des Sinfonikers Carl Nielsen, wurde 1916 vollendet – mitten im I. Weltkrieg – und kann durchaus auch als Reaktion auf diesen verstanden werden. Es ist, abgesehen von dem hier gehörten heiteren Scherzo, das dramatischste, man könnte sagen: existenzialistischste Werk des Komponisten. Bei dem, was dort als „unauslöschlich“ übersetzt wurde – und zwar nicht ganz glücklich, denn gemeint ist, weniger pathetisch, das Nichtendende – hierbei also handelt es sich um die Kraft des Lebens selber, welche überdauert, egal welchen Blessuren und Torturen es ausgesetzt wird. Die Existenz geht der Essenz voraus, so wird es später im Existenzialismus heißen, und zwar bei Jean-Paul Sartre. Wohlgemerkt, Nielsen konzipierte seine 4. Sinfonie, als dergleichen philosophiegeschichtlich noch sehr fern lag. Selbst für einen Dirigenten wie Karajan dürfte “Das Unauslöschliche”, Nielsens 4. Sinfonie op. 29, als ein Werk der Reflexion des Krieges virulent geworden sein. Dies wäre nun also der Augenblick, um Karajans berühmte Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern zum Vergleich heranzuziehen. Die Aufnahme entstand in Berlin 1981. Wir hören den 4. Satz: Allegro – mit dem berühmten Paukenduell. 4
DG LC 00173 445 518-2 Track 004
Carl Nielsen Sinfonie Nr. 4 “Das Unauslöschliche” op. 29 IV. Allegro Berliner Philharmoniker Ltg. Herbert von Karajan 1981
8’48
IV 4. Satz: Allegro aus der Sinfonie Nr. 4 “Das Unauslöschliche” op. 29, einem unbestrittenen Hauptwerk von Carl Nielsen, der am kommenden Dienstag vor 150 Jahren geboren wurde. Herbert von Karajan dirigierte die Berliner Philharmoniker im Jahr 1981 – und man muss ihm lassen, dass er das Werk, trotz aller LegatoFreude keineswegs verzärtelt.
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Carl Nielsen, geboren am 9. Juni 1865 auf der Insel Fünen im Süden Dänemarks, und zwar in Sortelung bei Nørre Lyndelse, war das Kind eines erfolglos kunstliebenden Anstreichers, der zugleich malte und Geige spielte. Das Geburtshaus steht nicht mehr, dafür aber, um wenige Meter versetzt von der originalen Stelle, das sogenannte „Kindheitshaus“, in dem Nielsen etliche Jahre seiner Adoleszenz verbrachte: ein weiß angestrichenes, freistehendes Satteldachhaus mit Garten, in dessen kleinen, puppenstubenartigen Räumen tatsächlich noch der Geist einer anderen Zeit zu wehen scheint. Der Haushalt der Nielsens war kinderreich, Carl war das siebte von zwölf Kindern. Trotz Bedingungen, die scheinbar wenig aussichtsreich waren, unterrichtete der Vater seinen Sohn frühzeitig – nämlich ab dem Alter von acht Jahren – im Geigenspiel. Was uns gleichfalls eine Lehre sein soll: Es gibt keine aussichtslosen Lagen! Der Knabe lernte schnell, so dass man eine Berufstätigkeit als Militärmusiker für ihn ins Auge fassen konnte, die er auch tatsächlich bereits mit 14 Jahren in nahen Odense für einige Zeit versah. Die Fähigkeit, Militärisches anklingen zu lassen, haben wir vorhin schon hören können. Auch eine Vorliebe für Blasinstrumente scheint Nielsen ein Leben lang für sich erhalten zu haben. Wovon nicht nur einige seiner Solisten-Konzerte zeugen, sondern auch die folgende, ganz köstliche „Seranata in vano“, zu Deutsch soviel wie: Serenade für nichts, für die Katz... Dieses „vergebliche Ständchen“ spielt darauf an, dass sich am nächtlichen Fenster, vor dem die Serenade aufgeführt wird, keine Dame zeigt, für die sie aufgeführt wurde. 5
Dacapo LC 09158 8.206003 Track 304
Carl Nielsen Serenata in vano DiamantEnsemblet (Søren Elbo, Klarinette; Henning Hansen, Horn; Jens Tofte-Hansen, Fagott, Øistein Sonstad, Violoncello; Katrine Øigaard, Kontrabass) 2006
7’33
V Sie hören eine Sondersendung zum 150. Geburtstag des dänischen Komponisten Carl Nielsen – mit Kai Luehrs-Kaiser am Mikrophon. Die „Serenata in vano“, hier aufgeführt vom DiamantEnsemblet, 1914 komponiert; ein humoristisches Auftragswerk des Königlichen Theaters in Kopenhagen, mit dem man auf Tournee durch die Provinzen gehen wollte. Das Werk enstand unmittelbar vor der 4. Sinfonie, die wir zuvor gehört haben. Eine gewisse schöne Abgeschiedenheit Dänemarks, die freilich nie ganz ungefährdet klingt, die hören Sie hier deutlich. © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Wie sich Nielsens Kindheit auf Fünen gestaltet hat, das wiederum lässt sich nachlesen in einer bestrickend schönen Autobiographie, die Carl Nielsen insbesondere seinen Anfangsjahren auf der Insel widmete. Und die gibt’s sogar auf Deutsch: „Meine fünische Kindheit“ heißt sie. Lieferbar ist das Buch im Handel nicht mehr. Es ist ein umso besserer Grund, gutsortierte Bibliotheken aufzusuchen, die das Werk noch haben – wie hier im Haus des Rundfunks. Dass die Kindheit Nielsens vielleicht behaglich war, aber auch Schwierigkeiten verhieß, lässt sich daran ablesen, dass sich gleich fünf der Geschwister Nielsens aufgrund der schwierigen Berufsaussichten für eine Emigration nach Amerika entscheiden sollten. Nicht so Carl Nielsen, dessen Schulkarriere nachgesagt wird, er sei zwar schlecht in Mathematik, dafür aber ein umso besserer Kletterer gewesen. Er war unverdrossen, und das spricht aus allen seinen Werken. Von den beschaulichen, wenn auch nicht reich gebutterten Anfängen, von denen man vielleicht nichts ahnte, klingt einiges noch nach im op. 1, das Nielsen 1887-88, nun schon als Student in Kopenhagen, komponierte. Es blieb eines seiner populärsten Werke. Die „Kleine Suite“ für Streicher op. 1. Für den Schallplattenmarkt entdeckt hat das köstliche Werk – wie so oft – Neville Marriner mit der Academy of St. Martin-in-theFields. Im Jahr 1977. 6
Decca LC 00171 478 6883 Track L04, L05, L06
Carl Nielsen „Kleine Suite“ op. 1 I. Praeludium II. Intermezzo III. Finale Academy of St. Martin-in-the-Fields Ltg. Sir Neville Marriner 1977 VI
2’55 4’52 6’04 13’51 ====
Kleine Suite für Streicher op. 1 von Carl Nielsen, hier gespielt 1977 von der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter Neville Marriner. Nielsen komponierte das Werk 1887/88. Hier waren Niels Wilhelm Gade und Johann Peter Emilius Hartmann, zwei heute noch bekannte Namen, seine Lehrer. Suiten haben beide nicht komponiert, woran sich nicht nur Eigenständigkeit, sondern vielleicht sogar Bescheidenheit und ein heiterer Traditionalismus ablesen lässt – als Rückbesinnung auf leichte, barocke Formen. Nielsen scheint nicht unbedingt von riesigen Ambitionen getrieben gewesen zu sein, als er auf diese Weise begann. Entsprechend nahm er 1889 eine schlichte Orchesterstelle als Geiger am Königlichen Theater an. Das Haus, in dem Nielsen später auch oft dirigiert hat, steht noch, direkt in der Innenstadt von Kopenhagen am Kongens Nytorv; Fontane-Leser kennen den Platz aus dem Roman „Unwiederbringlich“, wo man in „Vincents Restaurant“ am Kongens Nytorv verschiedentlich Essen geht. © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Nielsens bescheidene Anfänge als Orchestermusiker bedeuten allerdings nicht, dass sein Werkverzeichnis nicht trotzdem an Umfang gewann. Und dass der Schwung des Anfängers nicht von außerordentlicher Überzeugungskraft gewesen wäre. Wenn man heutzutage in Kopenhagen Radiomacher fragt, was von den Werken Nielsens hier eigentlich im Tagesprogramm des dortigen Klassiksenders noch ganz selbstverständlich vorkommt, dann wird einem geantwortet: „höchstens das Bläserquintett“ – dem werden wir noch begegnen... „Und Klaviermusik!“ Dies letztere ist eine Sparte, die man in Deutschland wenig mit dem Namen Nielsens assoziiert. Zu Unrecht! Schon die frühen 5 Klavierstücke op. 3 (von 1890/91) gehören zu den am häufigsten aufgenommenen Klavierwerken des Komponisten. Wir hören drei davon mit einem Pionier seines Fachs. Dem Pianisten Herman D. Koppel werden wir später noch als Begleiter des großartigen dänischen Tenors Aksel Schiøtz wiedergegegnen. Koppel hat Nielsen noch persönlich gekannt, der Komponist saß in der Zulassungskommission der Musikhochschule in Kopenhagen, an der Koppel 1925 aufgenommen wurde. Auch Koppel genießt in Dänemark bis heute einen legendären Ruf; sein Enkel Nikolaj Koppel, gleichfalls Pianist, ist Musikdirektor des Tivoli. Berühmt von den folgenden vier der fünf Klavierstücke op. 3 ist vor allem das erste, das wir jetzt hören: die Humoreske. Herman D. Koppel in einer späten Aufnahme von 1981. 7
Dacapo LC 09158 8.206003 Track 615618
Carl Nielsen Fünf Klavierstücke op. 3 II. Humoreske III. Arabeske IV. Mignon V. Elfentanz Herman D. Koppel 1981
1’47 1’05 0’48 1’40 5’20
VII Humoreske, Arabeske, Mignon und Elfentanz, vier der fünf Klavierstücke op. 3 von Carl Nielsen, gespielt von Herman D. Koppel, dem mit Nielsen noch persönlich bekannt gewesenen, 1998 verstorbenen dänischen Pianisten. Nielsen, wie Sie hören, war kompositorisch ein, wenn auch leiser Senkrechtstarter. Bereits in das Jahr 1890 fällt die Komposition eines zweiten Streichquartetts in fMoll op. 5 (ein früheres Streichquartett wurde später von ihm umgearbeitet, weshalb sich eine Zählung der vier Quartette nie wirklich durchgesetzt hat). © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Hier machte sich sein Violinstudium bemerkbar und unmittelbar bezahlt. Dass man den vier Streichquartetten, auch diesem zweiten, so selten im Konzert begegnet, lässt sich mit ihrer Qualität nicht begründen. Es sind Meisterwerke. Beim Musikfest Berlin, bei dem es in diesem Jahr einen Nielsen-Schwerpunkt gibt, werden denn auch im September alle vier Streichquartette aufgeführt, und zwar von dem vorzüglichen Danish String Quartet, von dem es auch eine der wichtigen Aufnahmen gibt. Nielsen als Streichquartett-Klassiker zu etablieren, sollte eigentlich eine der vornehmsten Aufgaben dieses Nielsen-Jahres sein. Wir hören den Kopfsatz aus dem besagten Streichquartett in f-Moll op. 5: Allegro non troppo ma energico. Hier spielt 1978 das – nach dem Komponisten benannte – Carl Nielsen String Quartet. 8
DG LC 0173 431 156-2 Track 101
Carl Nielsen Streichquartett f-Moll op. 5 I. Allegro non troppo ma energico Carl Nielsen String Quartet 1978
8’58
VIII 1. Satz: Allegro non troppo ma energico aus dem Streichquartett in f-Moll op. 5, der nur gelegentlich eingehaltenen Zählung nach wäre dies das 2. Streichquartett von Carl Nielsen, gespielt 1978 vom Carl Nielsen String Quartet. Das Werk stammt von 1890, der Komponist war Mitte 20. Ein Jahr später ging er die – ein Leben lang andauernde – Verbindung mit Anne Marie Brodersen ein, eine bekannte Bildhauerin des Landes. Die Ehe war turbulent, und zwar wegen der zahlreichen Affairen, die dem gutausssehenden Nielsen ein Leben lang nachgesagt wurden. Die Zahl von mehr als einem halben Dutzend unehelicher Kinder ist zwar, wie neuere Forschungen zeigen, maßlos übertrieben. Dennoch führte die Tatsache, dass Nielsen anderen Frauen gegenüber nicht abgeneigt war, später offiziell zur Scheidung von Anne Marie. Man ging allerdings trotzdem wieder zusammen. Das letzte gemeinsame Wohnhaus, ein orangefarben lagerhausartiger Bau unweit des Kopenhagener Stadtschlosses, beherbergte zugleich das Atelier der sehr renommierten Künstlerin, die nach Nielsens Tod sogar seinen ganzen Namen annahm und sich fortan Anne Marie Carl Nielsen nannte. Mit ihr gemeinsam ging er schon früh auf Reisen. Sie bewirkte auch eine spontane Erweiterung seiner kompositorischen Formate. Ihr widmete er die 1. Sinfonie. Und wie immer bei diesem stilistisch schwer fassbaren Mann: der Aplomb, der feste Zugriff, ja der Biss seiner Werke ist unfehlbar.
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Dacapo LC 09158 6.22062 4 Track 008
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Carl Nielsen Sinfonie Nr. 1 op. 7 FS 16 IV. Finale. Allegro con fuoco New York Philharmonic Ltg. Alan Gilbert 1992
8’47
IX Finale. Allegro con fuoco, der 4. Satz aus der Sinfonie Nr. 1 op. 7 von Carl Nielsen – zum 150. Geburtstag des dänischen Komponisten am kommenden Dienstag. Und ob Sie es glauben oder nicht: Wir haben jetzt hintereinander von diesem Komponisten op. 1, op. 3, op. 5 und op. 7 (bzw. Ausschnitte aus den betreffenden Werken) gehört – und stehen betroffen vor nicht nur der formalen, sondern auch thematischen Kraft dieses Komponisten, dessen sakrosankter Status in Dänemark denn auch kaum verwundern kann. Von 1904 bis 1914 wirkte Nielsen, der seine Violinistenstelle inzwischen gekündigt hatte, noch als Dirigent am Königlichen Theater von Kopenhagen. Weil man ihm ein Dirigat von Wagners „Tristan” versagte, ging die Beziehung zur Oper zu Bruch. Nielsen dirigierte fortan noch beim Kopenhagener Musikverein (einer Organisation ähnlich dem Wiener Musikverein; also eine bürgerliche Initiative zur Aufführung vor allem sinfonischer Werke). Als Dirigent debütiert hatte er 1902 bei seiner ersten Oper, „Saul og David“ – ein vornehm biblisches Thema, für das Nielsen zwischen Oratorium und Szene nicht recht entscheiden konnte. Ich habe das Werk vor einigen Wochen in Kopenhagen gesehen – in einer Neuinszenierung von David Pountney; es macht im Grunde genommen den Eindruck, als habe der Komponist ein Händel-Oratorium auf die Bühne bringen wollen. Der Parlando-Charakter verleiht dem Werk im Dänischen allerdings eine weit flüssigere, sogar leichtere Faktur als dies bei Werken der Nach-Wagner-Zeit in Deutschland der Fall sein sollte, so etwa bei Busoni, Schreker und Hindemith. Eine epochale Aufnahme erfuhr „Saul og David“ 1972 in Kopenhagen unter der Leitung des bedeutenden Dirigenten Jascha Horenstein. Dass man nicht Dänisch sang, sondern Englisch, war offenbar der internationalen Besetzung geschuldet: immerhin Boris Christoff, Alexander Young, Kim Borg und Elisabeth Söderström. Wir hören die Sänger der Titelpartien: Boris Christoph und Willy Hartmann.
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10 Opera d’Oro LC o.A. OPD-1233 Track 104
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Carl Nielsen “I would rebel against Thy Word” aus “Saul og David”, 1. Akt Boris Christoff, Bass (Saul), Willy Hartmann, Tenor (Jonathan) Danish Radio Symphony Orchestra Ltg. Jascha Horenstein 1972
4’45
X Boris Christoff als Saul und Willy Hartmann als sein Sohn Jonathan im 1. Akt der Oper “Saul og David” von Carl Nielsen. Über Nielsens Fähigkeiten als Komponist von Vokalmusik wird man sich nicht weiter wundern, wenn man bedenkt, das sein Ruhm in Dänemark selber vor allem auf der Volksläufigkeit seiner sage und schreibe 290 Lieder basiert. Dieser Punkt ist so wichtig, dass einem kein Däne je verzeihen würde, dass man sich über Nielsen verbreitet, wenn man dies auslässt. Wir werden uns dem deshalb gleich noch zuwenden. Zuvor bleibt festzustellen, dass sich auch Nielsens Bekanntheit außerhalb seines Heimatlandes, soweit vorhanden, nicht so sehr dem Rang seiner sinfonischen oder seiner Klavier-Werke verdankt – und erst recht nicht seinen Liedern. Wohl aber der Tatsache, dass Nielsen sein Talent, für menschliche Stimmen zu komponieren, erstaunlich bruchlos auf Solistenkonzerte übertragen konnte, von denen drei Weltruhm erlangten: sein Violinkonzert von 1911, das späte Klarinettenkonzert aus dem Jahr 1928 (drei Jahre vor seinem Tod) und – kurz zuvor – vielleicht das Beste aus dieser Werkreihe: das Flötenkonzert von 1926/27. Von bekannten Flötisten wird das Werk durch die Lande getragen und auch gerne eingespielt. Ob Aurèle Nicolet, Emmanuel Pahud oder Patrick Gallois: die meisten haben es aufgenommen. Tatsächlich legt Nielsen hier ein Maß an Liebenswürdigkeit an den Tag, das ihn als das kennzeichnet, was er eigentlich war: ein kompositorischer Darling und ein Chamäleon zugleich, das sich um Stilzuordnungen und eine eindeutige Position innerhalb der Musikgeschichte wenig kümmerte. Das hat es ihm in der Musikgeschichte umso schwerer gemacht, denn es gibt zu wenig potente Anwälte dieses Komponisten. Zugleich ist es nicht unmöglich, es zu erklären. Nielsen ging originellerweise davon aus, dass Musik nicht aus Tönen besteht, sondern aus Gestalten. Nicht aus einzelnen Elementen, sondern aus Komplexen, zu denen sich diese Elemente zusammengefunden haben. Musikalischer Sinn ergibt sich nur aus dem in sich Verbundenen, und darum war ihm ein Komponist wie Arnold Schönberg – die beiden schätzten einander übrigens – von der Sache total fremd. © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Schönberg, der sowohl in seiner Phase der freien Atonalität, erst recht aber als Schöpfer der Zwölftonmusik, eine Dissoziation der Musik in ihre Einzelteile beschwört, ist das Gegenteil eines Komponisten wie Carl Nielsen, der eher als musikalischer Repräsentant der Gestalttheorie angesehen werden muss. Es gibt eine ganz erstaunliche „Gestaltgewissheit“ in der Musik von Carl Nielsen – und die zeigt sich nicht zuletzt in der gesicherten Tonalität seiner Werke. Dem Appeal seines Flötenkonzertes aber hat das genützt. Wir hören den 2., zugleich Schlusssatz: mit James Galway und dem Dänischen Rundfunk-Sinfonieorchester 1985. 11 RCA LC 00316 88697828 122 Track C05
Carl Nielsen Flötenkonzert FS119 II. Allegretto – Adagio ma non troppo – Allegretto Sir James Galway, Flöte Danish Radio Symphony Orchestra Ltg. Sir James Galway 1985
7’13
XI Allegretto – Adagio ma non troppo – Allegretto, der 2. und letzte Satz aus dem Flötenkonzert von Carl Nielsen. James Galway mit dem Danish Radio Symphony Orchestra, das er hier auch dirigierte, im Jahr 1985. Das Werk war dem Flötisten Holger Gilbert Jespersen zugedacht. Ursprünglich wollte Nielsen all jenen Musikern ein Solo-Konzert widmen, die sein Bläserquintett op. 43 ursprünglich aufgeführt hatten. Dem Werk werden wir gleich begegnen; dem besagten Plan verdankt sich auch das berühmte, übrigens sehr viel herbere Klarinettenkonzert. Bevor wir das tun, blicken wir aber noch einmal kurz auf das Klavier-Œuvre dieses Komponisten zurück, für das sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe guter Pianisten eingesetzt haben, allen voran Martin Roscoe und Leif Ove Andsnes. Die gesammelten Klavierwerke Nielsens füllen nicht mehr als eine CD. Die gleichmäßige Verteilung der eigenen Arbeitskraft auf alle möglichen Genres verrät ganz typisch die Vorgehensweise eines ökonomisch freischaffenden Komponisten im bürgerlichen Zeitalter. Er versucht alle Marktsegmente nach Kräften zu bedienen und zu besetzen. Auch hier bemerken wir unschwer das gestaltweise Komponieren, also das Denken in Tonverbindungen, die den Eindruck der Vorfindlichkeit und Organik erwecken. Das meistaufgenommene Klavierwerk von Carl Nielsen sind bis heute die humoresken Bagatellen aus dem Jahren 1894-97. Es spielt Leif Ove Andsnes. 12 Virgin LC 07873 5 45129 2 Track 016021
Carl Nielsen Humoreske-Bagateller op 11 FS22 Leif-Ove Andsnes, Klavier (P) 1996
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6’00
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XII Humoreske-Bagateller op. 11 von Carl Nielsen, gespielt von Leif Ove Andsnes auf der insgesamt wohl prominentesten CD mit Klavier-Solowerken von Nielsen. Jetzt ist es aber an der Zeit, dass wir hier nicht nur Beispiele der Musikhochkultur vorweisen, die Carl Nielsen im Ausland bekannt gemacht haben, sondern auch eines der Werke, für das er in Dänemark populär ist. Denn das zweite, wesentliche ästhetische Merkmal Nielsens – neben der Gestaltgewissheit seiner Werke – ist die Doppelfunktion als Komponist seriöser wie volksläufiger Werke. Die Aufhebung der Grenze zwischen von U- und E-Musik, für die sich nicht zufällig gerade Leonard Bernstein später stark macht, ist in der Person Nielsens vollkommen in die Tat umgesetzt. Hier kommt der größte Hit, den Nielsen in Dänemark landete. Das Lied wird noch heute schon auf der Schule gesungen – die Dänen können es alle auswendig. “Jens Vejmand” ist sein Titel, “Der alte Steinklopfer” heißt eine deutsche Übersetzung. Richtig heißt der Titel im Original “Hvem sidder der bag skaermen”. Es stammt von 1907, kann sowohl solistisch wie vor allem auch im Chor gesungen werden. Wir hören das Ensemble Ars Nova Copenhagen in einer Neuaufnahme. 13
Dacapo LC 09158 6.220569 Track 018
Carl Nielsen „Hvem sidder der bag skaermen” („Jens Vejmand”) Ars Nova Copenhagen Ltg. Michael Bojesen 2014 XIII
3’49
„Jens Vejmand”, das 1907 uraufgeführte, bis heute vielleicht erfolgreichste der meist strophischen „Kunst-Volkslieder“ (denn darum handelt es sich) von Carl Nielsen. Ars Nova Copenhagen in einer Neuaufnahme unter Michael Bojesen. So wenig verbindlich man sich heute in Deutschland um sein Werk noch kümmert, so nötig scheint es mir, die Haupt- und Nebenwerke innerhalb von Nielsens Oeuvre deutlich zu unterscheiden – in unserer heutigen Sondersendung im kulturradio zum bevorstehenden 150. Geburtstag des amtierenden dänischen Nationalkomponisten. Von den sechs Sinfonien Nielsen sind wir der bekanntesten, nämlich der vierten, hier schon begegnet. Wichtiger noch ist die jetzt folgende großartige Fünfte. Die Symphonien Nielsens existieren heute in diversen zyklischen Einspielungen, darunter die wichtigsten von Herbert Blomstedt, Paavo Berglund, Osmo Vänskä und von Colin Davis. Am Frischesten, Modernsten und vielleicht Ambioniertesten: der Zyklus, den EsaPekka Salonen mit dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester in den 80er Jahren realisierte. Aus der Fünften (im Jahr 1987) hören wir den Beginn des 2. Satzes: Allegro. © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Sony LC 06868 88697 58423 2 Track 003
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Carl Nielsen Sinfonie Nr. 5 op. 50 II. (Beginn): Allegro Swedisch Radio Symphony Orchestra Ltg. Esa-Pekka Salonen 1987
5’47
XIV Allegro, der Beginn des 2. Satzes aus der Sinfonie Nr. 5 op. 50 von Carl Nielsen. Esa-Pekka Salonen 1987 am Pult des Swedisch Radio Symphony Orchestra, wo er alle Sechse, ich würde sagen: mustergültig eingespielt hat. Trotzdem war dies nur der Beginn des 2. und letzten Satzes, und schon aus dieser Tatsache können Sie die formale Besonderheit dieses Werkes schließen, das harmonisch changiert und seine Bedeutung ändert, je nach dem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Fast – um noch einmal mit einem Ausdruck der Gestalttheorie zu operieren – wie eine Kippfigur: also wie eine Zeichung, die einerseits wie Hasenkopf und andererseits wie ein Entenkopf aussieht. 1974 verströmte die folgende Aufnahme des Schlusses der Fünften mit dem Bournemouth Symphony Orchestra die Gewalt und Naturkraft einer Erstbezwingung. Dirigent war Paavo Berglund. Dieser ist – ein schöner Gegensatz – viel stärker um eine Klassizität der Darbietung bemüht. Mit Erfolg. 15 Sony LC 06868 88697 58423 2 Track B27B29
Carl Nielsen Sinfonie Nr. 5 op. 50 II. (Schluss): Presto – Andante un poco tranquillo Allegro Bournemouth Symphony Orchestra Ltg. Paavo Berglund 1974
2’58 4’44 2’46 10’28 ====
XV Presto – Andante un poco tranquillo – Allegro, das Finale aus Carl Nielsens Meisterstück, der Sinfonie Nr. 5 op. 50. Paavo Berglund am Pult des Bournemouth Symphony Orchestra 1974. Dass das sinfonische Werk Nielsens demjenigen seines Zeitgenossen Jean Sibelius in nichts nachsteht, das ahnt man, wenn man diese Aufnahme hört. Diese Erkenntnis im Konzertleben realisiert zu sehen, davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Schon angedeutet habe ich, dass der Ruhm Nielsens in Dänemark sich nicht allein der überschaubaren Konkurrenzlage unter den Komponisten des Landes verdankt. Die Verankerung Nielsens in seinem Heimatland ist die Folge der fast 300 Lieder, die – überaus singbar – schon den Alltag der Kinder im Schulunterricht prägen. © kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
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Eine aus Dänemark stammende Mitarbeiterin des kulturradios behauptete im Vorfeld dieser Ausstrahlung lässig, etwa 200 Lieder Nielsens auf Verlangen anstimmen zu können. Es sind Kunstlieder, die die Grenze zum Volkslied dynamisch überschritten haben. Phantastisch daneben die Solo-Gesänge. Auch diese gilt es bei uns noch zu entdecken. Etliche dänische Sänger wie Bo Skovhus oder Tina Kiberg haben sich daran erprobt, während die berühmsten wie Lauritz Melchior und Vilhelm Herold, weil sie für ihre Stimmen nicht dramatisch genug waren, an ihnen vorbeigegangen zu sein scheinen. Marschieren wir daher zum besten Sänger durch, der für dieses Repertoire überhaupt nur denkbar ist – und der viele von Nielsens Liedern gesungen hat. Sein Name ist vor allem Eingeweihten ein Begriff: Aksel Schiøtz, hier wiederum begleitet von Herman D. Koppel mit drei Liedern auf Texte von Ludvig Holstein – im Jahr 1938. 16 Danacord LC o.A. DACOCD 460 Track 006008
Carl Nielsen (Text: Ludvig Holstein) „5 Holstein Poems” (Schauspielmusik zu „Tove”) III. „Jaegersang. Glenten styrter fra Fjeldets Kam” IV. I Aften. Det gyldenhvide Himmellys V. Sommersang Aksel Schiøtz, Tenor Herman D. Koppel, Klavier 1938
3’01 3’11 2’20 8’32 ====
XVI Aksel Schiøtz war es, von dem der Tenor Nicolai Gedda mir sagte, seine „Dichterliebe” von Robert Schumann sei die wohl „schönste Platte aller Zeiten”. Das kann man sich wohl vorstellen, wenn man die drei Holsteinischen Gedichte aus der Schauspielmusik zu „Tove“ von Ludvig Holstein hört. Die Lieder stammen von Carl Nielsen. Aksel Schiøtz hier im Jahr 1938, begleitet von Herman D. Koppel. Zu den in Dänemark besonders populären Werken wäre hier auch noch die Kantate „Frühling auf Fünen” zu rechnen – das absolute Hauptwerk innerhalb der Chormusik des Komponisten, welche wir hier, ebenso wie seine Orgelmusik, für die sich in später der Schriftsteller (und Organist) Hans Henny Jahnn stark engagierte, sträflich ausgeklammert haben. Auf einem kommoden, wenn auch nicht luxuriösen Level war Nielsen bereits seit 1901 finanziell etwas unabhängiger geworden. Zunächst erhielt er eine staatliche Pension, die es ihm erlaubte, seine Violinistenstelle – und schließlich auch seine Dirigentenstelle – am Königlichen Theater aufzugeben und die Zahl seiner privaten Geigenschüler zu reduzieren. Ab 1916 unterrichtete er am Königlichen Konservatorium in Kopenhagen, dessen Direktor er in seinen letzten Lebensjahren war. Aus demselben Jahr 1922, in dem Nielsen mit „Frühling auf Fünen” sein in Dänemark bekanntestes Chorwerk schrieb und ein Liederbuch mitherausgab, das fortan als Basis für die volksläufige Popularität dieses Komponisten in Skandinavien diente, entstand auch ein kammermusikalisch populärstes Werk: das Bläserquintett op. 43. Wir hören den 2. Satz: Menuett. Mit dem Vestijysk Chamber Ensemble.
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Carl Nielsen zum 150. Geburtstag
17 DG LC 00173 449520-2 Track 002
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Carl Nielsen Bläserquintett op. 43 II. Menuett Vestijysk Chamber Ensemble (Henrik Brandt, Flöte, Frederik Gislinge, Oboe, Albert Perlstein-Grøn, Klarinette, Jesper Allin, Horn, Henning Folmer Jensen, Fagott) (P) 1974
4’40
XVII Innerhalb unserer kleinen Carl-Nielsen-tour d’horizon war dies das Menuett, der 2. Satz, aus dem Bläserquintett op. 43 – mit dem Vestijysk Chamber Ensemble (mit Henrik Brandt, Flöte, Frederik Gislinge, Oboe, Albert Perlstein-Grøn, Klarinette, Jesper Allin, Horn, und Henning Folmer Jensen, Fagott). Die Produktion stammt aus dem Jahr 1974. Im Jahr 1925, zu seinem 70. Geburtstag, wurden Nielsen in seiner Heimat umfangreiche Ehrungen zuteil, die darauf hindeuten, dass seine Bedeutung in vollem Umfang erkannt worden waren und er den Ruhm seines Werkes zu Lebzeiten genießen konnte. Er erlitt zu diesem Zeitpunkt auch einen zweiten Herzinfarkt, was ihn zur Reduzierung seiner Aktivitäten zwang. Aus derselben Zeit stammt seine letzte, reizvolle, aber auch paradoxe Sinfonie, die unter dem Titel „Sinfonia semplice“ den Hang vieler Spätwerke zur Vereinfachung zum Programm erhebt. Der Dirigent Michael Schønwandt, einer der besten lebenden Nielsen-Dirigenten, der nicht zuletzt auch einen überzeugenden Sinfonien-Zyklus eingespielt hat, sagte mir unlängst, die letzte Sinfonie Nielsens ende auf ihre abbrechende, wenn nicht abgebrochene Weise so, als wolle Nielsen zum Ausdruck bringen: „Ihr könnt mich!“ Gewiss sprach daraus auch ein gewisses Hadern mit der musikalischen Moderne, wie es ihn mit etlichen tonal arbeitenden Komponisten verband. Béla Bartók, offenbar von derselben Sorge getrieben, etwa wandte sich an Nielsen bei einem Treffen der beiden mit der unsicheren Frage: „Was meinen Sie? Bin ich modern genug?“ Wir hören die kurze „Humoreske“, das ist der 2. Satz (Allegretto) aus Nielsens Sechster, und zwar in einer Aufnahme, die 1952 eine absolute Pionierleistung war: mit dem Dänischen Radio-Sinfonieorchester unter Leitung von Thomas Jensen. Jensen, ein unmittelbarer Schüler Nielsens, ist hier unüberhörbar darum bemüht, den modernen Nielsen zu seinem Recht kommen zu lassen. 18 Dutton LC o.A. CDBP 9796 Track 006
Carl Nielsen Sinfonie Nr. 6 “Sinfonia semplice” II. Humoreske: Allegretto Danish State Radio Symphony Orchestra Ltg. Thomas Jensen 1952
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4’01
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XVIII Humoreske: Allegretto, der 2. Satz aus der Sinfonie Nr. 6, genannt: „Sinfonia semplice” von Carl Nielsen, 1952 mit dem Dänischen Radio-Symphonieorchester unter Thomas Jensen, einem der grundlegenden Pioniere und direktem Schüler dieses Komponisten. Nielsen war der Harmonielehrer von Jensen, außerdem wirkte dieser bei den Uraufführungen von Nielsens Sinfonien Nr. 4 und 5 als Cellist im Orchester mit. Von Nielsens Tochter Irmelin Johanne Nielsen wird die Ansicht kolportiert, Jensens Interpretationen seien denjenigen ihres Vaters am nächsten gekommen. Eine Pionierarbeit war 1998 auch die Veröffentlichung der wichtigeren von zwei Opern Carl Nielsens: „Maskarade“. Nicht absolut, denn bereits aus dem Jahr 1952 datierte ein älterer Aufführungsmitschnitt aus Kopenhagen. Dennoch kann man die Aufnahme unter Ulf Schirmer als eine Großtat bezeichnen, zumal hier erstmals jene Neuedition des Werkes verwendet wurde, die 1993 den Anstoß für eine NielsenRenaissance überhaupt gab. Damals nämlich wurde anlässlich eines Aufführungsplanes von „Maskarade“ in Innsbruck überhaupt erst festgestellt, dass es von Nielsens bedeutendster Oper nicht einmal geeignetes Orchestermaterial, sprich: Noten für eine Aufführung gebe. Der Fall sorgte beinahe für einen politischen Skandal in Kopenhagen – mit der Folge, dass sich das Kultusministerium offiziell an die Königliche Bibliothek, wo die meisten Nielsen-Autographen lagern, mit den Auftrag wandte, hier Abhilfe zu schaffen. Inzwischen ist die Gesamtausgabe abgeschlossen. Ungewöhnlich genug, handelt es sich bei „Maskarade“ um eine komische Oper nach einer in Skandinavien klassischen Vorlage – wiederum von Ludvig Holberg. Obwohl es sich um die dänische Nationaloper schlechthin handelt, besteht die Handlung in kaum mehr als einem gespielten Witz: Auf einem Maskenball verlieben sich Leander und Leonora ineinander, reichlich Ärger verursachend durch die Tatsache, dass sie von ihren Familien jeweils schon einem Ehepartner versprochen sind; bevor sie schließlich realisieren, dass sie die beiden, einander versprochenen Ehepartner sind. Wir hören die Lösung des Ganzen, das Finale. 19 Decca LC 00171 460 227-2 Track 215, 216
Carl Nielsen „Tramtara! Tramtara!” aus „Maskarade”, 3. Akt (Finale) Johan Reuter, Bass-Bariton (Maskarademesteren), Aage Haugland, Bass (Jeronimus), Susanne Resmark, Mezzo-Sopran (Magdelone), Gert-Henning Jensen, Tenor (Leonard), Henriette Bonde-Hansen, Sopran (Leonora), Bo Skovhus, Bariton (Henrik), Kurt Ravn (Leonard), u. a. Danish National Radio Symphony Orchestra & Choir Ltg. Ulf Schirmer 1996
6’16 2’50 9’06 ====
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Das heitere Finale aus „Maskarade“, der komischen Oper von Carl Nielsen, hier 1996 in der maßgeblichen Gesamtaufnahme mit Aage Haugland, Susanne Resmark, Gert-Henning-Jensen, Henriette Bonde-Hansen, Johan Reuter und Bo Skovhus. Danish National Radio Symphony Orchestra & Choir unter Leitung von Ulf Schirmer. Nominell bekannte Werke, aber trotzdem unbekannte Klänge und eine Welt von Dingen, die sich entdecken lässt – das ist die Bilanz einer Stippvisite beim Gesamtwerk von Carl Nielsen, heute in unserer Sondersendung aus Anlass des bevorstehenden 150. Geburtstages des dänischen Komponisten – am kommenden Dienstag. Am 3. Oktober 1931 starb der Komponist in Kopenhagen. Seine Frau, die Bildhauerin Anne-Marie Carl-Nielsen, überlebte ihn bis 1945. Von ihr stammt das König-Christian-Reiterstandbild in der Kopenhagener Innenstadt. Die Fürsprecher des Werkes von Carl Nielsen ließen nicht lange auf sich warten. Von dem letzten Werk für heute, dem Violinkonzert op. 33, gibt es wichtige Aufnahmen mit Yehudi Menuhin, Vilde Frang – und Maxim Vengerov. Ihn hören wir zum Schluss für heute – mit dem 4. Satz: Rondo. Allegretto scherzando; indem wir hoffen, dass die herbe Unverdrossenheit, die aus sämtlichen Werken dieses Komponisten sprechen, nicht dazu führen mag, dass er eben deswegen so wenig aufgeführt wird. Im Fall des Violinkonzerts war eine gewisse Sprödigkeit, die dem Werk als Modernität genützt hat – und die mit der neoklassizistischen Umstandslosigkeit einen schönen Gegensatz bildet. Nielsen begann das Werk 1911 im norwegischen Ort Bergen, wo sich der Komponist auf Einladung der Witwe von Edvard Grieg aufhielt, welcher nur vier Jahre früher gestorben war. Das Chicago Symphony Orchestra 1996, dirigiert von Daniel Barenboim. Mein Name ist Kai Luehrs-Kaiser. Ihnen noch einen schönen Abend. 20 Warner LC 04281 2564 63780-2 Track 807
Carl Nielsen Violinkonzert op. 33 IV. Rondo: Allegretto scherzando Maxim Vengerov, Violine Chicago Symphony Orchestra Ltg. Daniel Barenboim 1996
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