Transcript
Materialmappe zu
Dantons Tod | 16+ ein Drama von Georg Büchner
Theaterpädagogik:
Kai Müller
[email protected] Tel. (0531) 1234 553
Dramaturgie:
Axel Preuß
[email protected] Tel. (0531) 1234 102
Vorwort Mit dieser Mappe möchten wir Anregungen zur Vor- und Nachbereitung eines Theaterbesuchs von »Dantons Tod« unterbreiten. Dabei beschäftigen wir uns mit verschiedenen Schlaglichtern unserer Inszenierung. Die Materialsammlung ist eine dramaturgisch und theaterpädagogisch aufgearbeitete Sammlung an Hintergrundwissen und Arbeitsangeboten vor allem für die Lehrerinnen und Lehrer für ihren Unterricht. Die Bausteine sind frei kombinierbar. Nicht alle Informationen dienen dazu, detailliert an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben zu werden. Es ist Ihnen überlassen, wie viel Sie verraten wollen und welche Übungen Sie von dem praktischen Vor- oder Nachbereitungsblock im Unterricht einsetzen. Wir wünschen einen anregenden Theaterbesuch und sind auf Meinungen zum Stück sowie auch zu dieser Mappe gespannt,
Kai Müller und Axel Preuß
»Dantons Tod« – Materialmappe
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Inhalt Besetzung
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Zum Autor Georg Büchner
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Zum Stück
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Die Französische Revolution
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Politische Gruppierungen
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Protagonisten
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Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte
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Ästhetische Aspekte der Inszenierung
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Zur Vorbereitung eines Theaterbesuchs
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Zur Nachbereitung eines Theaterbesuchs
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Theaterknigge
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Impressum
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»Dantons Tod« – Materialmappe
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Besetzung Inszenierung Martin Schulze Chöre und Musik Dirk Raulf Bühne Ulrich Leitner Kostüme Pia Maria Mackert Lichtdesign Holger Klede Dramaturgie Axel Preuß Theaterpädagogik Kai Müller
Depurtierte des Nationalkonvents: Georg Danton Hans-Werner Leupelt Legendre Birte Leest Camille Desmoulins Oliver Simon Hérault-Séchelles Tobias Beyer Lacroix Götz van Ooyen Thomas Payne Moritz Dürr Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses: Robespierre Sven Hönig St. Just Philipp Grimm Barère Anke Stedingk Collot d‘Herbois Andreas Bißmeier Billaud-Varennes Moritz Dürr Fouquier-Tinville, öffentlicher Ankläger Andreas Bißmeier Herman, Präsident des Revolutionstribunals Moritz Dürr Simon, Souffleur Moritz Dürr Weib Simons Anke Stedingk Julie, Dantons Gattin Lisa Schwindling Lucile, Gattin des Camille Desmoulins Birte Leest Marion, Grisette Anke Stedingk Ein Herr Andreas Bißmeier Chor der Bürger, Bürgersoldaten, Jakobiner, Männer und Weiber aus dem Volk Ensemble Premiere am 3. Oktober 2015 im Großen Haus Aufführungsdauer 3 Stunden, eine Pause Regieassistenz und Abendspielleitung Timo-Hakim Djebrallah Ausstattungsassistenz Antonia Schulz Inspizienz Simone Großmann Soufflage Arne Ziegfeld Hospitanz Katerina Brausmann, Nele Jacobs (Regie), Mara Lena Schönborn (Ausstattung) Technische Direktion/ Ausstattungsleitung Thomas Pasternak Technischer Inspektor Paul Strugalla Bühneneinrichtung Wiebke Borges Leitung Beleuchtungsabteilung Frank Kaster Beleuchtungseinrichtung Holger Klede Leitung Tontechnik Burkhard Brunner Toneinrichtung Matthias Brückner, Roman Schneider Videoprogrammierung Matthias Lebe Video Gregor Dobiaschowski Leitung Requisite Sascha M. Kaminski Requisite Stefan Tietz, Anke Vorwick Waffenmeister Helmut Menz Leitung Kostümabteilung Ernst Herlitzius Leitung Maskenabteilung Nicolas Guth Maske Ingelore Mitlehner-Syren, Philipp Schäfer »Dantons Tod« – Materialmappe
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»Die Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers« | Anke Stedingk
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Zum Autor Georg Büchner »Keiner wusste es besser, als Büchner selbst, dass er kein Shakespeare war. Aber wenn irgend einer, so hatte er das Zeug dazu, es zu werden. […] Und aus tausenderlei Zeichen, aus seiner Gabe, bald tragisch erschütternde Auftritte, bald die seltsamsten und lustigsten Verwicklungen nur so als beiläufige Zugabe zur Unterhaltung zu improvisieren, leuchtete deutlich genug hervor, dass er mit voller dramatischer Schöpfungskraft ausgerüstet war. In ihm hätte Deutschland seinen Shakespeare bekommen, wie es 1848 beinahe seine Freiheit und seine Einheit bekommen hätte.« Wilhelm Schulz, 1851 »Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach kaum 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm. Das war damals eine Epoche finsterster und dumpfester Reaktion, in die er hineingeboren wurde. […] Büchner, das war ein Revolutionär vom reinsten Wasser.« Alfred Döblin, 1921 Georg Büchner wurde am 17. Oktober 1813 als erstes von acht Kindern in Goddelau bei Darmstadt geboren. Ab 1831 studierte er Medizin und Naturwissenschaften in Straßburg und ab 1833 auch Geschichte und Philosophie in Gießen. Er gründete 1834 die geheime »Gesellschaft für Menschenrechte« und verfasste zusammen mit Ludwig Weidig, einem führenden Oppositionellen, die Flugschrift »Hessischer Landbote«. Unter der Parole »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« riefen sie im Sommer 1834 die hessische Landbevölkerung zur Revolution gegen die Unterdrückung auf. Im selben Jahr siedelte Büchner nach Darmstadt um. Steckbrieflich gesucht, musste er 1835 vor den hessischen Behörden nach Straßburg fliehen. Zuvor hatte er – nach eigenen Angaben – in nur fünf Wochen sein Revolutionsdrama »Dantons Tod« verfasst und mit der Bitte um Veröffentlichung an Karl Gutzkow geschickt. Büchner brauchte dringend Geld für seine bevorstehende Flucht. 1836 wurde ihm die Doktorwürde der Universität Zürich verliehen, wo er auch seine Lehrtätigkeit als Privatdozent für vergleichende Anatomie aufnahm. Schon vor seiner Übersiedlung nach Zürich hatte Büchner seine Arbeit am »Woyzeck« begonnen. Das Werk blieb Fragment. Anfang 1837 erkrankte Büchner an Typhus. Am 19. Februar 1837 verstarb der Autor, Revolutionär und Wissenschaftler in Zürich. Er wurde nur 23 Jahre alt. Sein Werk, obwohl nur wenige Schriften umfassend, gehört zu den einflussreichsten der europäischen Dramenliteratur. 1835 »Dantons Tod« (Drama) 1835 »Lenz« (Erzählung) 1836 »Leonce und Lena« (Lustspiel) 1837 »Woyzeck« (Dramenfragment)
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Zum Stück Die Französische Revolution stellt in der europäischen Geschichte einen radikalen Einschnitt dar. Erstmals wird in Europa versucht, ein Königreich in eine Demokratie des Volkes zu verwandeln. 1789 konstituiert sich die erste Nationalversammlung und verkündet kurz darauf die »Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers«. »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« lautet die Losung der Stunde. 1791 wird König Ludwig XVI. schließlich gezwungen, der Umwandlung von der absoluten in eine konstitutionelle Monarchie zuzustimmen, 1792 wird er abgesetzt und von den Revolutionären zum Tode verurteilt. Am 21. Januar 1793 wird Ludwig XVI. in Paris mit der Guillotine hingerichtet. Seine Frau, die Österreicherin Marie Antoinette, folgte ihm am 16. Oktober 1793 aufs Schafott. Der Traum von einem besseren Leben für alle verkehrt sich jedoch in einen Alptraum. 1794, also fünf Jahre nach Beginn der Revolution, ist das Volk noch immer ausgehungert, die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst in Gefahr. Äußerlich bedroht durch den Krieg gegen Preußen, Österreich, Großbritannien, Spanien und Niederlande, tobt im Inneren Frankreichs der Kampf um den weiteren Weg der Revolution. Genau hier setzt Büchners Stück ein und erzählt von der Zuspitzung des Konflikts zwischen dem 24. März und dem 5. April 1794. Es ist die Zeit der so genannten Schreckensherrschaft. Im politischen Machtzentrum stehen sich zwei Lager gegenüber. Auf der einen Seite die Anhänger von Maximilien Robespierre, einem Anwalt und Politiker, der sich im Laufe der Jahre immer weiter radikalisiert hat und zum mächtigsten Mann der Revolution aufgestiegen ist; auf der anderen Seite George Danton und seine politischen Freunde, die der Revolutionsregierung um Robespierre entgegentreten. Während Robespierre eine Sicherung der bürgerlichen Revolutionsziele mit unerbittlicher Härte anstrebt, hoffen die Dantonisten auf ein Ende des staatlichen Blutvergießens. Danton steckt in einem Dilemma. Denn er hält Robespierres Vorgehen prinzipiell für richtig, mag aber selbst nicht mehr Teil des revolutionären Verfolgungsapparats sein: »Robespierre ist das Dogma der Revolution, es darf nicht ausgestrichen werden. Es ginge auch nicht. Wir haben nicht die Revolution, sondern die Revolution hat uns gemacht. Und wenn es ginge – ich will lieber guillotiniert werden als guillotinieren lassen. Ich hab es satt; wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen?« (Danton, 2. Akt, 1. Szene) Dantons Sehnsucht nach einer toleranten Republik und einem Ende des Blutvergießens bringt ihm den Vorwurf ein, mit seinem Ruf nach Erbarmen der Konterrevolution in die Hände zu spielen. Hinzu kommt sein genussvoller Lebenswandel, der dem Tugendwächter Robespierre hinsichtlich der Armut der hungernden Bevölkerung ein Dorn im Auge ist. Danton verkennt die Gefahr. Als ehemals führendes Mitglied der Revolutionsregierung hält er sich – trotz seines Lebenswandels und der öffentlich gegen ihn erhobenen Vorwürfe – für unangreifbar. Ein Fehler mit tödlicher Konsequenz für ihn und seine politisch gemäßigten Freunde.
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Georg Büchner setzte sich für sein Stück intensiv mit der Französischen Revolution auseinander. Die Charaktere seines Schauspiels beruhen häufig auf den Biografien der Revolutionäre und auch originale Reden und Manuskripte fanden Eingang in das Stück. Im Aufbau entspricht das Stück zwar noch der konventionellen Einteilung in 4 Akte mit mehreren Szenen, sein Verlauf folgt aber einer neuen, offenen Dramaturgie. Epische wie lyrische Elemente verbinden sich, Konflikte bleiben ungelöst, Handlungslinien verlaufen fragmentarisch. Somit nimmt Büchner in »Dantons Tod« Elemente des naturalistischen und sogar des expressionistischen Dramas des 20. Jahrhunderts vorweg. Gattungstechnisch wird »Dantons Tod« dem »Vormärz« zugerechnet. Inszeniert wird Büchners Schauspiel vom Regisseur Martin Schulze. Im Gespräch über »Dantons Tod« sagt er über die Menschenrechte und die revolutionäre Rolle der Bevölkerung: »Die Umsetzung der ›Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers‹ steht am Beginn der Revolution. Darum setzen wir sie auch an den Beginn der Inszenierung. Der Ansporn der Revolution war deren Verwirklichung. Das Volk auf der Straße ist dabei ein wichtiges Element. Es fordert Essen, es fordert Gerechtigkeit, es fordert den Tod. Wir erarbeiten die Passagen des Textes, die die Bevölkerung zu Wort kommen lassen, in Form von Sprechchören. Dies verspricht eine intensive Übersetzung der Macht und der Gewalt, die von den Menschen auf der Straße damals ausging.«
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Die Französische Revolution
Eugène Delacroix: »Die Freiheit führt das Volk«, 1830
Die Französische Revolution gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen Geschichte Europas. Die Abschaffung der Monarchie, die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung, insbesondere die Menschen- und Bürgerrechte, führten zu tiefgreifende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa. In ihrer Zeit zwischen 1798 und 1799 prägt die Französische Revolution bis heute unser modernes Demokratieverständnis. Konkret lässt sich dieser Einfluss durch den Vergleich der damaligen französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte mit dem deutschen Grundgesetz ablesen. Die Französische Revolution ist, wie jede Revolution, ein vielschichtiges und komplexes Geflecht zwischen politischen Umständen, sozialen Ungerechtigkeiten, wirtschaftlichen Krisen. Zu ihr gehören unterschiedliche Personen(gruppen) mit ihren je eigenen politischen Einstellungen, Interessen, Bedürfnissen und Unzufriedenheiten. Die wichtigsten Ereignisse und Personen(gruppen) stellen wir hier vor:
Gemäßigte Phase 1789 – 1791 Um einen drohenden Staatsbankrott Frankreichs zu verhindern, beruft der französische König Ludwig XVI. am 5. Mai 1789 die Generalstände ein. Der Erste Stand verfügt über 291 Abgeordnete, der Zweite Stand über 270 Abgeordnete und der Dritte Stand über 578 Abgeordnete. Jeder Stand hat nur eine einzige Stimme. Zunächst drängen die Abgeordneten des Dritten Standes nun auf Abstimmung nach Köpfen statt nach Ständen. »Dantons Tod« – Materialmappe
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Am 17. Juni 1789 erklärt sich der Dritte Stand zur Nationalversammlung. Am 20. Juni 1789 wurden die Abgeordneten des Dritten Standes sowie einige Gesinnungsgenossen aus Adel und Klerus aus ihrem Versammlungssaal ausgesperrt. Daraufhin trafen sie sich in einem nahe gelegenen Ballhaus (Turnhalle) und schworen einander, diesen nicht zu verlassen, ehe sie Frankreich eine Verfassung gegeben hätten. Dies ist der berühmte Ballhausschwur.
Jacques-Louis David: »Der Ballhausschwur«, 1791
Am 9. Juli 1789 erklärt sich die Nationalversammlung zur Verfassung gebenden Nationalversammlung, die bis September 1791 eine Verfassung ausarbeitet. Am 14. Juli 1789 stürmen bewaffnete Bürger und Bürgerinnen die Bastille, eine als Gefängnis benutzte Festung, die für viele den Absolutismus des Königs symbolisierte. Der 14. Juli ist heute der Nationalfeiertag Frankreichs. Durch das Volk regiert Paris sich selbst und der Bürgermeister der Stadt überreicht dem König eine dreifarbige Kokarde. Die Farben sind blau, weiß und rot. Blau und Rot sind die Stadtfarben von Paris, die das königliche Weiß umklammern – so kann diese Anordnung als ein Zeichen der Macht des Volkes über den nun eingeschränkten Königs gelesen werden. Die französische Fahne, »Trikolore« genannt, hat bis heute die Farben Blau, Weiß und Rot. Im Sommer 1789 weitet sich die Revolution auch auf das gesamte Land aus. Bauern zünden Schlösser der Adligen an und verbrennen Urkunden, in denen die Rechte, Privilegien und Besitzverhältnisse der Adligen aufgezeichnet waren. Aus Angst flüchten viele Adlige. »La Grande Peur«, Die große Angst beginnt. Die Nationalversammlung nutzte diese Stimmung und schaffte das Feudalsystem und die Ständeordnung ab. Mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte am 26. August 1789 wird die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz verabschiedet.
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Im Sommer 1791 wird der König zusammen mit seiner Familie hwährend eines Fluchtversuchs bei Varennes gefangen genommen und nach Paris zurückgebracht.
Radikalere Phase 1791 – 1793 Am 1 .Oktober 1791 wird die Gesetzgebende Nationalversammlung als neues Parlament gewählt. Die monarchistischen Anhänger der Verfassung stellen die Mehrheit an Abgeordneten. Die politisch radikalen Jakobiner und die gemäßigteren republikanischen Girondisten sind in der Minderheit und verfolgen das Ziel, Frankreich zu einer Republik zu formen. Ein Krieg soll die Absetzung des Königs erleichtern. Am 20. April 1792 erklärt Frankreich Österreich den Krieg. Zunächst rückt die feindliche Koalitiionsarmee aus anderen europäischen Königreichen erfolgreich auf Paris vor. Ihr Befehlshaber, der Herzog von Braunschweig, droht mit der Zerstörung von Paris, sollte dem König etwas geschehen, stattdessen aber stürmt eine Meute des Volkes die Residenz des Königs in Paris und verhaftet ihn und seine Familie. Die politischen Anhänger des Königs, die sogenannten Konstitutionellen, werden von nun an verfolgt. Zwischen dem 2. und 6. September 1792 werden über 1200 Gefangene durch einen von George Danton aufgeputschten Mob ermordet: Dieses Massaker geht als »Septembermorde« in die Geschichte ein. Hierdurch gewinnen die Jakobiner und Girondisten politisch die Überhand.
»Die Septembermorde«, unbekannt
Am 21. September 1792 wird das Parlament, der Nationalkonvent, neu gewählt, der König noch am selben Tag offiziell abgesetzt und ab dem 22. September 1792 gilt Frankreich offiziell als Republik. »Dantons Tod« – Materialmappe
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Am 21. Januar 1793 wird der König dann als mutmaßlicher Hochverräter durch Konspiration mit den ausländischen Kriegsgegnern enthauptet.
Georg Heinrich Sieveking: »Hinrichtung Ludwig XVI.«, 1793
»Sie haben gesagt: das Veto frisst euer Brot; wir haben das Veto totgeschlagen.« (Chor der Bürger auf der Straße, Akt, 1. Szene)
Die radikale Phase: Jakobinerdiktatur (1793 bis Juli 1794) Unter Ausnutzung der französischen Niederlagen kommen die radikaldemokratischen Jakobiner 1793 an die Macht. Die allgemeine Wehrpflicht und eine totale Mobilisierung der Bevölkerung für den Krieg führen zu Siegen für Frankreich. Am 6. April 1793 wird der Wohlfahrtausschuss als Organ der Diktatur eingesetzt und die Gewaltenteilung aufgehoben. Im Sommer 1793 verfolgen, verhaften und verurteilen die Jakobiner die Girondisten zum Tode und herrschen mit Terror. Außerhalb der Kontrolle des Wohlfahrtauschusses wird jegliche politische Betätigung verboten. Der Terror wird vom Sicherheitsausschuss organisiert, der dem Wohlfahrtauschuss unterstellt ist, sowie insbesondere vom Revolutionstribunal. Wer von nun an vor das Revolutionstribunal gestellt wird, wird später guillotiniert. Begründet wird der Terror mit der Gefahr durch den Aufstand im Innern und das Vordringen der Armeen der äußeren Feinde. Robespierre behauptete, dass man das Volk durch Vernunft leiten und die Feinde des Volkes durch Terror beherrschen müsse. Die Revolution, mit dem Ziel der Verwirklichung der Menschenrechte, führt zu ihrem Gegenteil: zur Unterdrückung und politischen Verfolgung von Menschen, mit (leicht) anderen politischen Einstellungen. »Dantons Tod« – Materialmappe
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Diese Situation führten zu Spannungen innerhalb der Jakobiner: während sich einige rund um Robespierre immer weiter radikalisierten, plädierten Danton und seine Anhänger für ein Aufhören der Hinrichtungen und dass sie anfangen sollten, zu regieren.
»Die Revolution muss aufhören, und die Republik muss anfangen.« (Hérault, Akt 1, Szene 2) Georg Büchners Stück spielt während dieser paradoxen Legitimisierung der Schreckensherrschaft, genauer zwischen dem 24. März und dem 5. April 1794. Danton wird am 31. März 1794 als Revolutionsgegner verhaftet und vors Revolutionstribunal gestellt. Die von Robespierre befürwortete Anklage verdächtigt ihn der Kooperation mit dem Ausland, fußt aber auch auf Dantons gemäßigten politischen Einstellung, seinem Plädoyer, die Schreckensherrschaft zu beenden sowie seinem lasterhaften Lebensstils. Nur einen Tag später, am 5. April 1794, wird Georges Danton durch die Guillotine zusammen mit seinen Freunden und politischen Weggefährten Camille Desmoulins, Lacroix und Hérault-Séchelles hingerichtet. Robespierre und seine Anhänger haben nun kaum eine ernstzunehmende politische Opposition mehr, auch wenn ihre Schreckensherrschaft nicht lange fortdauert: im Juli 1794 werden Robespierre und seine Anhänger ihrerseits guillotiniert, da inzwischen jedermann in Furcht leben muss, als Revolutionsgegner hingerichtet zu werden. Durch diese Hinrichtungen endet die Schreckensherrschaft der Jakobiner.
Direktorium 1794-1799 Während des nun folgenden Direktoriums mit gemäßigter Verfassung steigt Napoleon Bonaparte auf. Seine Siege in Italien und sein Durchgreifen gegen Putschversuche im Innern machen ihn zum starken Mann.
Konsulat 1799 – 1804 Gestützt auf die Armee macht er sich zum Konsul, praktisch einem Militärdiktator.
Kaiserreich (Empire) 1804 Danach schwingt er sich zum selbst gekrönten Kaiser der Franzosen auf. 1804 beendet er die Revolution offiziell.
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Politische Gruppierungen Die Französische Revolution wurde durch verschiedene politische Gruppierungen im Nationalkonvent ab dem September 1792 politisch geprägt. Hier beschreiben wir die beiden einflussreichsten und wichtigsten Gruppierungen zum Zeitraum des Dramas zwischen dem 24. März und dem 5. April 1794: die Jakobiner, die sich in »Montagnards« (Robbespierre) und »Indulgents« (Danton) aufteilten sowie die Sansculotten, sprich das politisierte Volk.
Jakobiner Die Jakobiner waren eine der einflussreichsten politischen Gruppierungen während der Französischen Revolution. Sie gründeten sich 1789 als »Club breton«, wurden aber unter den Namen Jakobiner bekannt, da sie in einem Saal tagten, der nach dem heiligen Jakob benannt war. Die Mitglieder gehörten vor allem dem gebildeten Bürgertum an, verstanden sich aber als Wortführer des einfachen Volkes. Mit ihren Forderungen nach politischer Gleichberechtigung und sozialen Reformen, die sich mehr und mehr radikalisierten, prägten sie früh zentrale revolutionäre Ideen. Kennzeichnend waren die roten Jakobinermützen.
Innerhalb der Jakobiner entwickelten sich die »Montagnards« (»die Bergpartei«, von »la montagne«, frz. für Berg) zur stärksten politischen Kraft. 1792 waren Robbespierre und Danton die berühmtesten Führungskräfte dieser Gruppierung. Gemeinsam leiteten sie die »Petite Terreur« ein, in dessen Zeitraum (Juni 1793 – Frühjahr 1794) viele Girondisten wegen ihrer politisch gemäßigten Haltung hingerichtet wurden. Die Jakobiner wurden zur politisch stärksten Kraft, die die »Grande Terreur« auslöste. Die »Montagnards« unter der Führung von Robbespierre radikalisierten sich zunehmend: im Namen der Revolution und der Verwirklichung der Menschen- und Bürgerrechte legitimieren sie die Beseitigung all »Dantons Tod« – Materialmappe
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jener, die ihrer Ansicht nach nicht (genug) für die revolutionären Ziele einstehen. So werden auch die »Indulgents«, die politisch gemäßigten Jakobiner sowie ihr Anführer Danton aufgrund ihrer gemäßigten politischen Haltung, aber auch wegen Dantons »lasterhaftem« Lebenssespierres am 27. Juli 1794.
Was bedeutet die rote Jakobinermütze? Die »Jakobinermütze« – französisch »Bonnet rouge«, »Bonnet de la Liberté« oder »Bonnet de la République« – gilt neben dem Freiheitsbaum als das Symbol der Französischen Revolution. Vorbild der Mützen war die phrygische Mütze bzw. der »pileus« der freigelassenen römischen Sklaven. Auch die drei Weisen aus dem Morgenland wurden anfangs gerne mit phrygischen Mützen dargestellt, um auf ihre Herkunft aus dem Osten hinzuweisen. Im vorrevolutionären Frankreich trug die einfache männliche Bevölkerung »sans culotte« (also ohne Kniebundhosen), besonders aber die Mittelmeer-Fischer, rote Mützen mit herabhängendem Zipfel. Und nachdem befreite Galeerensträflinge, die wegen Aufruhrs in Nancy verhafteten und nach Brest auf die Galeeren gebrachten Schweizer Soldaten, bei ihrem feierlichen Einzug in die Nationalversammlung jene roten, den Galeerensklaven eigentümlichen Mützen trugen, kam diese Art der Kopfbedeckung unter der revolutionären Bevölkerung, besonders den Anhängern der Jakobiner, schnell in Mode. Am 20. Juni 1792 musste sich gar Louis XVI. die Jakobinermütze aufsetzen. Der Konvent machte die Jakobinermütze am 15. August 1792 zur offiziellen revolutionären Kopfbedeckung. Sie erschien fortan auch auf allen öffentlichen Schriftstücken und ersetzte generell die königliche Lilie. Während die Bevölkerung einfache rote Jakobinermützen bevorzugte, trug die französische Polizei zwischen 1792 und 1794 kunstvoll bestickte. Nach dem Sturz Robespierres im Juli 1794 verlor die Kopfbedeckung an Bedeutung und verschwand allmählich.
Girondisten Die Girondisten waren eine Gruppe von Abgeordneten im französischen Nationalkonvent. Sie wurden Girondisten genannt, da sie ursprünglich aus der Gironde, einer Region im Süden Frankreichs, stammen. Einer ihrer bekanntesten Anführer war Jacques Pierre Bressot. Während sie in der Gesetzgebenden Nationalversammlung 1791, als Frankreich noch eine Monarchie war, eine große politische Macht hatten, die sie ab der Absetzung der Monarchie zunehmend an die Jakobiner verlor. Während die Girondisten ihre Ziele, wie die Menschenrechtserklärung erreicht sahen, wollten die Jakobiner die Revolution weiter vorantreiben und für weitergehende Gerechtigkeit sorgen. Da die Girondisten zu Anfangs gegen wirtschaftliche Reformen der Jakobiner in Opposition gingen, wurden sie als Revolutionsgegner hingerichtet. Die radikalen Jakobiner übernahmen die absolute Macht, die Terrorherrschaft begann.
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Sansculotten Mit der Französischen Revolution trat erstmals eine politische Kraft auf, die es vorher nicht gab: das Volk. Sie forderten soziale und wirtschaftliche Gleichheit, Unterstützung für Bedürftige und wirtschaftlichen Aufschwung. »Wir sind das Volk und wir wollen, dass kein Gesetz sei, ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes, gibt’s kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!« Aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft besaßen die Sansculotten großen politischen Einfluss und unterstützten die Jakobiner, die dieselben Ziele verfolgten. Deshalb wird Robespierres bei seinem ersten Auftritt im Stück (I,2) von einer Gruppe Sansculotten begleitet. Zugleich verdeutlicht dieser Auftritt die politische Macht, aber auch die Beeinflussbarkeit des »einfachen« revolutionären Volkes. Die Abbildung zeigt zwei bewaffnete Sansculottes (dt. Sansculotten). Die Sansculotten waren Pariser Arbeiter, Handwerker, Händler, Gastwirte und Kleinbürger, die im Gegensatz zu den von Adligen und Klerus getragenen Kniebundhosen lange Hosen trugen. Die von den Männern getragenen langen Hosen waren ein Zeichen für körperliche Arbeit (»Sansculotte« franz. für »ohne Kniebundhose«, Culotte).
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Protagonisten Georges Jacques Danton Geboren wurde Georges Danton am 26. Oktober 1759 in Arcis-sur-Aube im Département Aube. Zunächst arbeitet er als Anwalt, mit Einsetzen der Französischen Revolution macht er als Politiker schnell Karriere. 1790 gründet er gemeinsam mit Camille Desmoulins und Jean Paul Marat den Club der Cordeliers, eine Vereinigung radikaler Demokraten. Danton und Saint-Just tun sich als Redner hervor und vertreten die Anliegen der Cordeliers unter dem Motto »Liberté, Égalité, Fraternité« (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Ziel des Clubs der Cordeliers ist es, die gesetzgebende Versammlung zu beobachten, um die Ideale der Revolution durchzusetzen. Gleichzeitig wird Danton Mitglied im Club der Jakobiner, deren Präsident Robespierre wird. 1791 setzt sich Danton für die Absetzung des Königs ein, 1792 schließlich beschließt die Nationalversammlung die Entmachtung von Ludwig XVI. Danton wird zum Justizminister. Im selben Jahr bricht der Erste Koalitionskrieg aus. Danton tritt mutig für den Widerstand ein. Im September 1792 marschieren die Truppen Österreichs und Preußens auf Paris. Die Pariser Bürger wenden sich nun gegen alle, die sie als Verbündete des Königs betrachten. Aus Angst vor einer Revolte der Konterrevolutionäre werden über 1.000 Insassen in den Pariser Gefängnissen ermordet. Danton duldet das »Septembermassaker«. Als er in den Nationalkonvent gewählt wird, legt Danton das Amt des Justizministers nieder. Er unterstützt die Anklage gegen Ludwig XVI. wegen Hochverrats und votiert im Konvent für dessen Tod. Auf Vorschlag Dantons richtet der Nationalkonvent 1793 das Revolutionstribunal ein, ein Gerichtshof für politische Prozesse, der Nationalkonvent im Frühjahr 1793 gründet den Wohlfahrtsausschuss, ein Exekutivorgan, das schrittweise die politische Macht faktisch übernimmt. Die von Danton zunächst befürwortete Terrorherrschaft – die unnachgiebige Verfolgung aller realen oder vermeintlichen Royalisten und Konterrevolutionäre – wird erst durch den Wohlfahrtsausschuss und das Revolutionstribunal möglich. Nur ein Jahr später, am 31. März 1794 wird Danton selbst als Revolutionsgegner verhaftet und vors Revolutionstribunal gestellt. Die von Robespierre befürwortete Anklage verdächtigt ihn der Kooperation mit dem Ausland. In seiner Verteidigungsrede vom 4. April 1794 erinnert er noch einmal an seine Verdienste um die Revolution: »Wir haben ein Ende gemacht mit der Tyrannei der Privilegien. Wir haben ein Ende gemacht mit den uralten Übeln, jenen Herrschaftsrechten und Gewalten, auf die kein Mensch ein Anrecht hatte. Wir haben ein Ende gemacht mit dem Alleinanspruch von Reichtum und Geburt auf alle Entscheidungen unseres Staates, unserer Kirchen, unserer Armee. […] Wir haben erklärt, dass der einfachste Mann gleich ist mit dem Größten im Land. Wir haben uns die Freiheit genommen, und gaben sie unseren Sklaven. […] Es ist eine Inspiration für die Visionen aller Menschen überall; ein Lufthauch von Freiheit, der sich nicht mehr verleugnen lässt.« »Dantons Tod« – Materialmappe
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Nur einen Tag später, am 5. April 1794, wird Georges Danton als angeblicher Verschwörer gegen die Revolution hingerichtet.
Hans-Werner Leupelt und Ensemble
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Maximilien Marie Isidore de Robbespierre Die Historiker müssen sich damit abfinden, dass ihnen der Mensch hinter den politischen Masken für immer verborgen bleibt. Zumal es keinen Nachlass gibt: Das Gros seiner persönlichen Papiere und Manuskripte wurde nach seinem Tod von seinen Gegnern vernichtet. Was von Robespierre blieb, sind vor allem seine Reden und die offiziellen Verlautbarungen aus den Jahren 1793 und 1794. Anhand von Gemälden und zeitgenössischen Beschreibungen können wir uns allerdings den ebenso hageren wie bleichen, stets sorgfältig gekleideten, ja bis zur Steifheit kultivierten Junggesellen, der jeglichem Vergnügen abhold war und noch inmitten der Sansculotten und in der Terrorzeit eine gepuderte Perücke trug, recht plastisch vorstellen. Doch diese äußere Erscheinung war schon Teil einer für die Öffentlichkeit bestimmten Inszenierung, die Robespierre glänzend beherrschte. Dem Gerücht nach soll die Stube bei seinen Wirtsleuten Duplay mit zahlreichen Spiegeln und Bilddrucken seiner Person gefüllt gewesen sein. Bühnen für seine vielfältigen Rollen waren vor allem die Nationalversammlung, der Jakobinerclub und die Presse. Diese Bilder, die Robespierre von sich darbot, und die Bilder, die seine Freunde oder seine Feinde von ihm zeichneten, sind der Ursprung vieler späterer Wahrnehmungen. Als Robespierre im Mai 1789 als Vertreter der Generalstände nach Paris reiste, war er ein unbekannter Anwalt aus der Provinz und ein unbeschriebenes Blatt. Schon nach wenigen Wochen begann er jedoch, sich in der aus den Generalständen hervorgegangenen Nationalversammlung einen Namen zu machen. Trotz seiner stimmlichen und rhetorischen Schwächen traktierte er die Versammlung mit langen und abstrakten Reden. Einflussreiche Ämter bekleidete er vor 1791, als er zum ersten Mal Präsident des Jakobinerclubs wurde, noch keine. Doch die Verve, mit der er über die revolutionären Ideale und über »das Volk« zu sprechen verstand, verschaffte ihm Gehör. In der Anfangsphase der Revolution knüpfte er an eine Rolle an, die er schon als Anwalt in Arras zu spielen begonnen hatte: Er profilierte sich als »Stütze der Unglücklichen« und »Rächer der Unschuld«. Er betonte die Notwendigkeit, die Volkssouveränität so direkt wie möglich auszuüben, setzte sich für das unbeschränkte (Männer-) Wahlrecht, gegen ein Vetorecht des Königs, für die Emanzipation der Juden und Farbigen und sogar für die Sklavenbefreiung ein. Vor allem aber profilierte er sich als unermüdlicher Mahner vor den Machenschaften der Revolutionsfeinde. Robespierre verstand es, sich als Stimme des universellen Freiheits- und Gleichheitsversprechens der Revolution zu positionieren, wobei er alles tat, um eine symbolische Verbindung zwischen sich und Rousseau herzustellen. So entstand das politische Image eines Mannes, den man schon 1790 den »Unbestechlichen« nannte Ab 1791 veränderte sich Robespierres Rolle. Er begann, seinen Part in den einsetzenden Bruderkämpfen innerhalb der revolutionären Bewegung zu spielen. Als sich der Pariser Jakobinerclub zum ersten Mal spaltete, war er es, der die radikale Fraktion und die zögernden Tochtervereine der Provinz zusammenhielt und die gemäßigten Kräfte marginalisierte. Wenig später begannen die Gefechte zwischen der »Dantons Tod« – Materialmappe
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Fraktion Robespierres und den Anhängern Brissots, die man später die »Girondisten« nannte. Konfliktstoff bot zunächst die Frage des Krieges gegen Preußen und Österreich. »Niemand liebt bewaffnete Missionare«, hielt Robespierre den Brissotins entgegen. Diese brandmarkten dafür seinen Pazifismus als Parteinahme für die österreichischen Interessen der Königin. Nach der Ausrufung der Republik am 20. September 1792 verschärfte sich die Gegnerschaft beider Gruppen. Nun suchte Robespierre Unterstützung bei der Volksbewegung, und es waren die Pariser Sansculotten, die ihn am 2. Juni 1793 beim finalen Schlag gegen die Gironde unterstützten. Auf diese Weise profilierte sich der Idealist von 1789 als unerbittlicher Kämpfer in der politischen Arena und damit als Gestalter und Lenker der revolutionären Bewegung. Am 27. Juli 1793 trat Robespierre in den »Wohlfahrtsausschuss« ein, jenes Exekutivkomitee des Konvents, das den abgesetzten König ersetzen sollte. Damit saß er an den Hebeln der Macht. An politischen Herausforderungen bestand kein Mangel: Die verfeindeten Mächte Europas bereiteten sich erneut auf eine Invasion vor, in mehreren Regionen Frankreichs herrschte Bürgerkrieg, und eine schwere Versorgungskrise zeichnete sich ab. Dennoch kam es im Sommer und Frühherbst 1793 zu einem neuen Aufschwung des revolutionären Idealismus. Eine neue Verfassung, sogar eine neue Menschenrechtserklärung, wurde per Volksbefragung verabschiedet. Der Versorgungskrise wirkte der Wohlfahrtsausschuss mit Marktregulierungen entgegen. Zum Schutz der kleinen Leute wurden Maximalpreise und -löhne durchgesetzt. Außerdem stellte der Staat Lebensmittel sicher und verteilte sie. Der Konvent beschloss auch die Einführung einer flächendeckenden Primärschulerziehung. Gleichzeitig wurden die einfachen Leute jedoch für das Vaterland in die Pflicht genommen, indem der Wohlfahrtsausschuss gegenüber dem angreifenden Ancien regime zur »levee en masse« aufrief, zur Mobilmachung des gesamten Volkes. Zu Beginn von Robespierres Regierungsbeteiligung trug die revolutionäre Politik also Züge eines politisch-gesellschaftlichen Neuanfangs mit egalitären Akzenten. Noch im Februar und März 1793 wurden die sogenannten »Ventôse-Dekrete« erlassen, die eine Verteilung von beschlagnahmtem Besitz an besonders bedürftige Bürger vorsahen. Dieser sorgende, gerechte und sich verteidigende Volksstaat war aber nur die eine Seite der Medaille. Immer stärker wurde die Macht in den Händen der im Wohlfahrtsausschuss repräsentierten jakobinischen Führung konzentriert. Demgegenüber verlor die Verfassung zunehmend an praktischer Bedeutung, und die Jakobiner griffen erst zögerlich, dann beherzt zum Mittel der Repression. Mit dem Gesetz gegen die Verdächtigen (17. September 1793) und der Umstrukturierung des im März 1793 gegründeten Revolutionstribunals sowie der Einrichtung von außerordentlichen Gerichten im ganzen Land wurde die Justiz zu einer Waffe gegen tatsächliche und angebliche Feinde der Revolution. Die neuen Tribunale verurteilten etwa 16.000 Menschen zum Tod. 30.000 Aufständische, vor allem in Lyon und in der Vendée, wurden ohne individuellen Prozess exekutiert. Darüber hinaus forderte der Bürgerkrieg zwei- bis dreihunderttausend Opfer. Die jakobinische Führung war dabei nur zum Teil Herr dieser Unterdrückungsmaßnahmen, die vielfach weit von Paris und ohne Befehle der Zentrale stattfanden. Aber das politische Handeln Robespierres hatte die Rahmenbedingungen für die Entstehung einer mörderischen Justiz geschaffen. Vor allem hatte er erneut seine Rolle den Umständen angepasst und in »Dantons Tod« – Materialmappe
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einer Reihe von Ansprachen den massenhaften Tod für das Vaterland als unausweichliche Notwendigkeit, ja als heilige Pflicht dargestellt. Die Guillotine kam ihm als Mittel im politischen Kampf zugute und erlaubte es ihm, sich seiner Widersacher – erst Hébert auf der »Linken«, dann Danton auf der »Rechten« – zu entledigen. Im Frühjahr des Jahres 1794 erreichte Robespierre, nachdem er sowohl im eigenen Land als auch im Ausland alle ernstzunehmenden Gegner besiegt hatte, im Wohlfahrtsausschuss und im Konvent den Höhepunkt seiner Macht. Von seinem Freund, dem Maler David, inszeniert, nahm dieser Triumph die Form einer neuen, einer alternativen Religion an: als »Kult des Höchsten Wesens«. Bei einer Massenveranstaltung auf dem Pariser Marsfeld am 10. Juni 1794 nahm Robespierre im Kreis der Konventsmitglieder auf einer reich dekorierten Tribüne Platz, predigte der Menge von der Allmacht des »Höchsten Wesens« und setzte mit einer Fackel die allegorischen Figuren des Atheismus, des Ehrgeizes, der Zwietracht und der falschen Einfachheit in Brand; darunter kam, leicht angerußt, die Statue der Weisheit zum Vorschein. Diese Inszenierung, in welcher der ehemalige Anwalt gleichsam zum Priester wurde, sollte dem Regime eine sakrale Weihe verschaffen. Damit hatte Robespierre, der bald nach dem Fest weitere Terrorgesetze erließ, den Bogen überspannt. Die Pariser Sansculotten-Bewegung stand nicht mehr geschlossen hinter ihm, und seinen Gegnern im Konvent gelang es zum ersten Mal, ein wirkungsvolles Gegenbild zu lancieren. In Paris kursierte das Gerücht, der Unbestechliche sei endgültig größenwahnsinnig geworden und plane, sich zum König ausrufen zu lassen. Daraufhin wurde Robespierre am 27. Juli 1794 im Konvent verhaftet, vom Revolutionstribunal abgeurteilt und am folgenden Tag hingerichtet. Sein Wunsch, als Märtyrer der Revolution in die Geschichte einzugehen, blieb zunächst unerfüllt; die von seinen Gegnern lancierte schwarze Legende verbreitete sich dagegen rasch. Aus Robespierre, dem Unbestechlichen, dem Freund der Schwachen, dem erbarmungslosen Verfolger aller Feinde der Republik, wurde Robespierre, der »Tyrann«, das »blutrünstige Monster«.
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Sven Hönig und Ensemble
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Erklärung der Menschen- & Bürgerrechte vom 26. August 1789 Da die Stellvertreter der französischen Nation, welche die Nationalversammlung ausmachen, in Erwägung zogen, dass Unwissenheit, Vergessenheit und Verachtung der Menschenrechte, die einzigen Ursachen des allgemeinen Unheils, und der Verderbtheit der Regierungen sind; So beschließen sie, die natürlichen unveräußerlichen und heiligen Rechte der Menschen, mittels einer feierlichen Erklärung, in deutliches Licht zu setzen: Damit diese Erklärung allen und jeden Gliedern des Staatskörpers immer vor Augen liege, und sie an ihre Rechte und Pflichten unablässig erinnere; Damit man die verschiedenen Handlungen der gesetzgebenden und der ausführenden Macht, mit dem Zweck aller und jeder Staatseinrichtungen stets vergleichen könne, und daher mit desto mehr Ehrfurcht für dieselben erfüllet werde; Damit künftighin des Reichsbürgers Berufungen auf Rechte in dieser Erklärung so einfache als unumstößliche Gründe finden, und demnach selbst sein Widerstand zu Erhaltung unserer Reichsverfassung und zu allgemeiner Wohlfahrt, gedeihen möge. Zufolge dessen erkennet und erkläret die National-Versammlung, in Gegenwart und unter Obwaltung des Höchsten, folgende Rechte des Menschen und des Bürgers.
Artikel eins. Von ihrer Geburt an sind und bleiben die Menschen frei und an Rechten einander gleich. Bürgerliche Unterscheidungen können nur auf gemeinen Nutzen gegründet sein.
Zwei. Jede Bildung politischer Gesellschaften hat die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen zu ihrem Zwecke. Dieser Rechte Gegenstände sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.
Drei. Die höchste Machthabung jedes Staates gründet sich wesentlich auf die Nation. Weder einzelne Personen, noch Körperschaften, können je irgendeine Macht ausüben, die nicht ausdrücklich aus dieser Quelle fließe.
Vier. Die Freiheit besteht darin, dass jeder alles tun darf, was keinem anderen schadet. In Ausübung natürlicher Rechte sind demnach keinem Menschen andere Grenzen gesetzt, als die, welche den Genuss gleicher Rechte anderen Gliedern der Gesellschaft sichern. Das Gesetz allein kann diese Grenzen bestimmen.
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Fünf. Das Gesetz darf Handlungen nur in so fern verbieten, als die der Gesellschaft schädlich sind. Was das Gesetz nicht verbietet, darf niemand hindern; und niemand darf gezwungen werden, zu tun, was das Gesetz nicht befiehlt.
Sechs. Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Zur Bildung desselben haben alle Bürger gleiches Recht, persönlich, oder durch Stellvertreter, Teil zu nehmen. Das Gesetz muss für alle und jeden, es seie zum Schutz oder zur Strafe, ein und dasselbe Gesetz sein. Vor ihm sind alle Bürger gleich, haben alle zu allen öffentlichen Würden, Stellen und Ämtern, nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten, gleiche Ansprüche. Es lässt keinen anderen Unterschied zu, als den, welchen Tugenden und Talente machen.
Sieben. Kein Mensch darf gerichtlich angeklagt, in Haft genommen, oder sonst in persönlicher Freiheit gestöret werden; es seie denn in Fällen, die das Gesetz bestimmt, und nach der Form, die es vorschreibt. Alle die, welche willkürliche Befehle bewirken, ausfertigen, ausüben, oder vollstrecken lassen, sind der Strafe unterworfen. Hingegen ist jeder Bürger, der in Kraft des Gesetzes vorgeladen oder gegriffen wird, augenblicklichen Gehorsam schuldig. Durch Widerstand wird er straffällig.
Acht. Das Gesetz soll nur Strafen verordnen, die unumgänglich und einleuchtend notwendig sind. Niemand kann je gestraft werden, als nur in Kraft eines verordneten Gesetzes, welches vor dem Begehen der Straftat beschlossen, und nachher auf das Verbrechen gesetzmäßig angewendet worden ist.
Neun. Da kein Mensch eher für schuldig angesehen werden kann, als bis er nach dem Gesetz dafür erklärt wird; so folgt daraus, dass jeder, den man in Haft zu nehmen unumgänglich nötig findet, gegen alle Strenge, die dazu nicht nötig ist, durch das Gesetz ernstlich geschützt werden muss.
Zehn. Wegen Meinungen, selbst in Religionssachen, darf niemand behelligt werden, wenn er nur die öffentliche Ordnung, welche das Gesetz eingeführet hat, durch selbige Äußerungen nicht störet.
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Elf. Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der schützbarsten Rechte des Menschen. Jeder Bürger darf demnach frei reden, schreiben und drucken lassen, was er will. Nur in den, vom Gesetz bestimmten, Fällen hat er den Missbrauch dieser Freiheit zu verantworten.
Zwölf. Zur Gewährleistung der Rechte des Menschen und des Bürgers wird öffentliche Gewalt erfordert. Folglich dienet die Einführung dieser Gewalt zu gemeiner Wohlfahrt aller und jeder, und nicht zu besonderem Nutzen derer, denen sie anvertrauet wird.
Dreizehn. Zu Unterhaltung öffentlicher Gewalt, und zur Bestreitung der Verwaltungskosten wird allgemeiner Beitrag unumgänglich erfordert. In diesem müssen alle Bürger, nach Maßgabe ihres Vermögens, gleichen Anteil nehmen.
Vierzehn. Die Bürger haben das Recht, die Notwendigkeit des öffentlichen Beitrages untersuchen, und ihn durch sich selbst, oder durch ihre Stellvertreter, frei genehmigen, zu bestätigen, desselben Verwendung zu wissen, und die Summe, Quellen, woraus sie bezogen wird, die Art der Erhebung und die Dauer bestimmen.
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Fünfzehn. Die Gesellschaft hat das Recht, von jedem öffentlichen Geschäftsträger, wegen seiner Verwaltung, Rechenschaft zu fordern. Sechzehn. Ein Staat, worin der Rechte Gewährleistung nicht gesichert ist, worin die Grenzen verschiedener Machthabungen nicht bestimmt sind, hat keine Verfassung. Siebzehn. Da das Eigentum ein unverletzbares und heiliges Recht ist; so kann niemand desselben beraubt werden: es seie denn, dass öffentliche und gesetzmäßig bewährte Not solches Opfer augenscheinlich verlangen. Aber auch dann darf dies nur unter Bedingung gerechter und vorläufiger Entschädigung geschehen.
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Zum Werk »Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen«
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Die Abbildung auf Seite 26 zeigt den oberen Teil eines Gemäldes von JeanJacques-François Le Barbier (1738 – 1826) aus dem Jahr 1790. Barbier kommentiert durch die Bildelemente den Text der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, den er vollständig übernimmt. Der Text erscheint auf zwei schwarzen Marmortafeln in goldenen Buchstaben – eine Darstellung, die an die zwei Tafeln erinnert, auf welchen Moses auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote empfangen hat. Die Marmortafeln mit der Menschen- und Bürgerrechtserklärung werden als Teil eines Denkmals dargestellt, auf dem sich ein Aufsatz mit folgender Inschrift befindet: »Déclaration des droits de l’homme et du citoyen. Décretés par l’Assemblée Nationale dans les séances des 20, 21, 23, 24 et 26 aoûst [richtig: août] 1789, acceptés par le Roi« (dt.: »Erklärung der Menschen- (bzw. Männer-) und Bürgerrechte, die von der Nationalversammlung in den Sitzungen vom 20., 21., 23., 24. und 26. August 1789 verabschiedet und vom König angenommen worden sind«). Unter den Tafeln steht »Aux représentans [richtig: représentants] du peuple françois« (»Den Vertretern des französischen Volkes«). Durch die Art der Darstellung wird dem Betrachter vermittelt, dass es sich bei dieser Erklärung um einen äußerst wichtigen Gesetzestext handelt, der von ebenso grundlegender Bedeutung ist wie die Zehn Gebote. Dass die Erklärung lange, möglichst ewig gelten soll, verdeutlichen zwei Symbole: die lange Girlande aus Eichenlaub (als Symbol der Beständigkeit) und der Schlangenkreis (als Symbol der Vollkommenheit und Ewigkeit). In der Mitte zwischen den beiden Tafeln befindet sich eine Pike (als Zeichen der Wehrhaftigkeit), die an ihrem Griff von einem Rutenbündel (als Zeichen der Gleichheit und Gerechtigkeit) umschlossen ist und die eine Jakobinermütze (als Symbol der Freiheit) auf ihrer Spitze trägt. Auf dem Denkmal sitzen zwei Frauenfiguren: Die Figur links verkörpert allegorisch das Königreich Frankreich, das sich von den Ketten der Despotie befreit hat. So trägt die Frauenfigur gleichzeitig die Krone sowie den blauen Königsmantel mit den Lilien der Bourbonen und ein Gewand in den Revolutionsfarben blau-weiß-rot. Sie hält eine zerrissene Kette in der Hand und blickt nach links zur zweiten Figur, wohl eine Allegorie von Recht und Gesetz. Die junge Frau mit den Flügeln scheint den Bildbetrachter anzusehen. In der rechten Hand hält sie ein Zepter, mit dem sie auf ein von der Sonne umstrahltes Dreieck deutet. Mit der linken Hand weist die Engelsfigur auf die Gesetzestafeln, vermutlich um zu zeigen, auf wen diese Gesetze zurückgehen. Das Dreieckssymbol mit dem Auge in der Mitte ist mehrdeutig: Es ist ebenso ein christliches Symbol wie ein Symbol der Freimaurer, es kann die göttliche Dreifaltigkeit genauso symbolisieren wie die Vernunft. Die Sonnenstrahlen sind ebenfalls ein altes Symbol für den höchsten Gott und Herrscher. In der Präambel der Menschen- und Bürgerrechtserklärung ist vom »Höchsten Wesen« (frz.: »L’Être suprême«) die Rede. Somit verwendet der Maler Le Barbier in seiner Darstellung Symbole des Christentums, der römischen Antike und der Aufklärung, um die Bedeutung der Menschenund Bürgerrechtserklärung für das Königreich Frankreich deutlich zu machen: Die Erklärung beendet den Zustand der Unfreiheit und Despotie und bringt den Bürgern Gleichheit und Freiheit. Diese Rechte gelten ewig, müssen aber auch verteidigt werden. Sie entspringen (je nach Lesart) der Vernunft oder dem göttlichen Willen.
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Ästhetische Aspekte der Inszenierung Inszeniert wird Büchners Schauspiel vom Regisseur Martin Schulze, d.h. aber nicht, dass er die einzige Person ist, die die Inszenierung ästhetisch gestaltet. Ein Regisseur arbeitet mit vielen verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern zusammen, allen voran mit Bühnenbildner/innen, Kostümbildner/innen, Licht- oder Videokünstler/innen, Musiker/innen und nicht zuletzt mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, die auf der Bühne spielen. Sie alle zusammen haben sich ein Konzept zur Inszenierung von Büchners »Dantons Tod« ausgedacht und in den Proben umgesetzt und weiterentwickelt. Was Sie also sehen werden, ist eine theatrale Bearbeitung des Originaltexts – nicht nur wurden Szenen gekürzt und die Reihenfolge der Szenen umgestellt, sondern die Schauspieler mit ihren Spiel- und Sprechweisen, die Kostüme, das Bühnenbild, das Licht und Sound/ Musik setzen eigene Akzente. Komplettiert wird das Erleben der Inszenierung durch die Zuschauer/innen, die ihrerseits das Live-Spiel auf der Bühne beeinflussen. Hier gehen wir beispielsweise auf herausstechende Merkmale der Ästhetik der Inszenierung ein.
Bühnenbild/ Licht Das Stück beginnt mit Anke Stedingk, die vor dem »Eisernen Vorhang« mit Kreide die Worte »Erklärung der Rechte des Menschen und der Bürger« schreibt. Dieser Vorhang mit den Worten darauf wird zur Pause und am Ende des Stückes runtergefahren, um immer wieder auf das Erbe der Französischen Revolution und Büchners Stück hinzuweisen: die Menschenrechte. Der Vorhang hebt sich, die Bühne wird sichtbar. Zu sehen ist eine weiße Wand in der Mitte der Bühne, die in eine weiße Fläche auf dem Boden weiterreicht und bis nach vorne zum Bühnenrand führt. Diese Fläche wird in Form von horizontalen schwarzen Linien flackernd beleuchtet und erinnert an Störbildern in Fernsehern. Dieses Motiv der flackernden oder sich bewegenden Linien auf dieser weißen Fläche zieht sich durch das gesamte Stück. Das Licht kommentiert auf diese Weise das szenische Spiel und/ oder irritiert die Wahrnehmung des Zuschauers. Die weiße Fläche ist zugleich die Spielfläche, das nur verlassen wird, um ab- oder aufzutreten. Hierdurch konzentriert sich das Spiel auf diejenigen, die in der weißen Fläche stehen und spielen. Zugleich dient die hintere Wand als eine Art »off«, d.h. die Schauspieler, die an der Wand stehen, sind zwar Teil der Szene (da die Zuschauer sie sehen können), spielen aber nicht aktiv mit. Diese ästhetische Entscheidung verweist darauf, dass alle Akteure von allen Bühnenereignissen mittelbar oder unmittelbar betroffen sind. Am Bühnenbild und Lichtdesign haben v.a. Ulrich Leitner und Holger Klede gearbeitet. Die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt das Lichtkonzept.
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Ensemble
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Kostüme Die Kostüme sind ein weiteres optisches Merkmal der Inszenierung, das sofort auffällt. Alle Spielerinnen und Spieler tragen Kniebundhosen, die Spielerinnen dazu in einigen Szenen Röcke darüber. Dazu haben alle Kniestrümpfe und enganliegende Oberteile an. Ab bestimmten Szenen ziehen sich die Spielerinnen und Spieler hohe Lederstiefel und Jacken an. Die Jacken spielen hier eine besondere Rolle und sind modisch am auffälligsten. Die Jacken zitieren die damalige Mode, so wie auf der Abbildung links zu sehen ist. Allerdings sind die Jacken in der Inszenierung stark stilisiert: die Grundfarben sind weiß, grau oder beige. Die Grundfarben verweisen auf die Verbindungen zwischen den Figuren: Robespierre und seine Anhänger tragen graue Jacken, die Dantonisten BeigeFarbende und Danton sowie Julie tragen weiße Jacken. Durch (fast) alle Jacken zieht sich die Farbe Rot, in Anlehnung an die Jakobinermützen, die in der Inszenierung vor allem vom Volk getragen wird. Dies zeigt, dass sich alle mit der Farbe Rot politisch nahe stehen, wenn auch sie sich in ihrer Radikalität unterscheiden. Gleicht sich der Stil der Jacken, so weisen sie Unterschiede zueinander auf: Einige haben eine Doppelknopfreihe, andere haben eine Kapuze, während andere einen hohen Kragen besitzen. Jede Spielerin und jeder Spieler hat ihre bzw. seine eigene Jacke, die nur von ihr bzw. ihm getragen wird. Dies unterstreicht bei aller Gemeinsamkeit in politischen Einstellung und dem Leben in einer gemeinsamen Zeit die Individualität der Figuren.
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Moritz Dürr, Andreas Bißmeier, Anke Stedingk und Philipp Grimm
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Sprechchöre Im Gespräch über »Dantons Tod« sagt der Regisseur Martin Schulze über die Menschenrechte und die revolutionäre Rolle der Bevölkerung: »Das Volk auf der Straße ist […] ein wichtiges Element. Es fordert Essen, es fordert Gerechtigkeit, es fordert den Tod. Wir erarbeiten die Passagen des Textes, die die Bevölkerung zu Wort kommen lassen, in Form von Sprechchören. Dies verspricht eine intensive Übersetzung der Macht und der Gewalt, die von den Menschen auf der Straße damals ausging.« Gleich zu Beginn und danach im Verlauf des Stückes sprechen die Spielerinnen und Spieler einige Male chorisch. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie Bürger, Bürgersoldaten, Jakobiner oder Männer und Weiber aus dem Volk spielen. Diese Textpassagen werden dann von allen Spieler/innen gemeinsam gleichzeitig gesprochen, wobei einige Sätze von einzelnen Spieler/innen gesprochen wird, um einerseits das chorische Sprechen zu variieren und andererseits auf die politische Einstellung der Figur, die der sprechende Schauspieler verkörpert. In einigen Szenen spricht der Chor auch im Hintergrund, um der Szene eine zweite inhaltliche Ebene zu geben.
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Anke Stedingk und Hans-Werner Leupelt
Vorbereitung Hier finden Sie Übungseinheiten, Spiele und Gedankenanstöße, mit denen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auf den Vorstellungsbesuch einstimmen können. Wir haben sowohl thematische als auch ästhetische Aspekte in unserem Angebot berücksichtigt.
1 Sammeln: Was war nochmal die Französische Revolution? Lassen Sie zu Beginn die Schüler/innen jeweils alleine schriftlich sammeln, was Sie von der Französischen Revolution wissen und vom Geschichtsunterricht noch erinnern. Sie sollen alles unzensiert aufschreiben, jedes noch so kleine Detail und Halbwissen. In Kleingruppen tragen Sie Ihr Wissen zusammen und versuchen, in einer eigenen Zeitleiste einzutragen, was wann passiert ist. Hier geht es erstmal darum, zu schätzen, wann was passierte sowie die Reihenfolge an Ereignissen festzulegen. Mit der gesamten Klasse können Sie die Ergebnisse zusammentragen und anhand einer offiziellen Zeitleiste über die Ereignisse der Französischen Revolution aufklären.
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2 Schreibt Eure eigenen Menschen- und Bürgerrechte Die Inszenierung verweist immer wieder auf die Menschenrechte, deren Erklärung im Jahre 1789 einen Meilenstein für die heutigen Demokratien ist. Das Deutsche Grundgesetz wurde durch diese Erklärung maßgeblich inspiriert. Lassen Sie die Schüler/innen in Kleingruppen ihre eigenen Menschenrechte schreiben: Welche Grundrechte hat jeder Mensch? Ist ein Internetzugang mittlerweile ein Grundrecht? Benannt als »Zugangsrecht an Daten und Informationen«? Tragen Sie »Ihre« Menschenrechte zusammen. Vergleichen Sie diese Menschenrechte mit denen der historischen Menschenrechtserklärung von Frankreich 1789 und mit dem Deutschen Grundgesetz von 1949: Welche Unterschiede lassen sich feststellen? Wie unterscheiden sich die franzöische und deutsche Menschenrechte? Diskussion: Wie selbstverständlich sind die Menschenrechte? Sprechen sie mit den Schüler/innen über die Bedeutung der Menschenrechte. Schauen Sie dabei über den Tellerrand: Wo werden sie aktuell auf der Welt verletzt? Und auch auf den Teller: Werden Menschenrechte auch bei uns verletzt?
3 Auf einen damaligen Brief antworten Lassen Sie die Schüler/innen auf einen Erlebnisbericht oder Brief aus der damaligen Zeit antworten. Sie können entweder aus der Sicht von heute schreiben, also man weiß, was passieren wird, oder sie antworten als eine der Figuren aus dem Stück.
Augenzeugenbericht »Von neuem auf der Straße, packte mich nun wirklich die Angst. Während ich auf gut Glück dahinging und nicht recht wußte, wohin ich meine Schritte lenken sollte, nahm ich mir vor, mich in ein entferntes Viertel zu begeben, (…). Als ich durch mehrere große Straßen gekommen war, ohne einem einzigen Menschen zu begegnen, hörte ich ein dumpfes Geräusch, das näher zu kommen schien, und undeutliche Schreie. (…). Da ich nicht wusste, wohin ich gehen sollte, und übrigens auch nicht mehr daran dachte, mich irgendwohin zu begeben, blieb ich nahezu zwei Stunden an derselben Stelle, die Arme über der Brust gekreuzt und die Augen auf das Tor des Klosters geheftet, (…). Eine Uhr, die Mitternacht schlug, riß mich jedoch aus meinem vagen Gedanken; die Füße waren vor Kälte erstarrt, ich fühlte einen Frostschauder und versuchte zu gehen, um ihn zu überwinden. Ich hatte aber kaum hundert Schritte getan, als ich an der Einmündung einer Straße auf eine Streife stieß, dich mich entsprechend der Prophezeiung meines liebevollen Freundes festnahm und erst dann wieder freigab, nachdem sie zu der Posthalterei gegangen war und kontrolliert hatte, (…). Vom Eisen der Guillotine abgetrennt, fielen sie [die abgetrennten Köpfe] einer nach dem anderen in einen Bottich, wo sie im Blut schwammen, das aufspritzte, über den Rand des Bottichs floß und das Pflaster des für diese täglichen Abschlachtungen bestimmten Platzes überschwemmte. ›Für die »Dantons Tod« – Materialmappe
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paar Leute‹, fügte [eine] Frau hinzu, ›wäre es eigentlich nicht der Mühe wert gewesen, sich vom Platz zu rühren; (…)‹« Pernoud & Flaissier: »Die französische Revolution in Augenzeugenberichten. Die Schreckensherrschaft 1978«, S. 283-294.
10. 000 Henker Camille Desmoulins: Brief an den Vater, Juli 1789 Vorgestern hat im Palais oyal ein Polizeispion eine e emplarische üchtigung erhalten; man hat ihn entkleidet, man hat gesehen, dass er Spuren von Peitschenhieben trug, dass er gebrandmarkt war; man hat eine Karbatsche bei ihm gefunden; das sind die handfenen Handschellen, deren sich diese elenden Schufte bedienen. Man hat ihn im Bassin gebadet, dann hat man ihn gehetzt, wie man einen Hirsch hetzt, bis er zusammenbrach, man bewarf ihn mit Steinen, man schlug ihn mit Stöcken, man schlug ihm ein Auge aus der Höhle; schließlich warf man ihn, ohne auf sein Flehen und sein Um-Gnade-Bitten zu hören, zum zweiten Mal ins Becken. Seine Marter hat von Mittag bis halb sechs Uhr gedauert, und er hatte an 10. 000 Henker.
4 Personenkonstellationen und Charaktere Erarbeiten von Rollenbiographien und Entwickeln eines Figurenbildes für eine mögliche Darstellung auf der Bühne. Stellen Sie eine Personenliste zu »Dantons Tod« auf und entwerfen Sie in Stichpunkten eine Kurz-Vita zu den einzelnen Figuren. Gehen sie von den Informationen aus, die Büchner seine Figuren sagen lässt. Um eine Rollenbiographie zu entwickeln, ist es darüber hinaus möglich, weitere Informationen, Charakteristika zu erfinden. Ziel ist es, ein deutliches Bild der Figuren zu entwickeln und sich die Unterschiede unter ihnen zu vergegenwärtigen.
Arbeiten Sie dabei heraus, wie Danton und Robbiespierre zu ihren Freunden und Mitstreitern steht, sowohl im Privaten als auch im Öffentlichen.
Viel Spaß beim Suchen und Ausprobieren!
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Nachbereitung Ein moderiertes Nachgespräch, ein spielerisches Rekonstruieren der Erinnerungen vom Inszenierungsbesuch, Rezensionen schreiben, und vieles mehr kann bei der Nachbereitung eingesetzt werden. Hier finden Sie Vorschläge zum Nachbereiten des Inszenierungsbesuchs.
Erinnerungsprotokoll Aufwand: mindestens 20 Minuten Aufgabentext: Welche Momente in der Aufführung wirken bei Dir besonders nach? Was ist Dir in Erinnerung geblieben? Beschreibe den Moment (»Was ist geschehen?«) und die Wirkung (»Was hat es ausgelöst? Wie fühle ich mich? Was denke ich darüber?«).
Zur Nachbereitung einer Aufführung lohnt es sich immer, ein sogenanntes »Erinnerungsprotokoll« zu schreiben. In einem Erinnerungsprotokoll geht es um eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Theaterbesuch, v.a. mit dem, wie man die Aufführung persönlich erlebt und was man wann wahrgenommen hat. Und dies soll möglichst genau beschrieben werden. »Dantons Tod« – Materialmappe
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Genau beschreiben heißt, konkret zu benennen, was geschehen ist, worauf man sich konzentriert hat und zu spekulieren, warum das so war. Am besten man nimmt sich die prägnanteste Erinnerung, also der Moment, der am meisten nachwirkt. Dies kann ein Bild, ein Satz oder ein Aspekt der Inszenierung.
Was ist geschehen?
Was konnte man sehen, hören, gar riechen?
Was hat das bei mir oder bei den anderen Zuschauern ausgelöst? Bekam ich Gänsehaut? Konnte ich nicht mehr aufhören zu lachen? Habe ich alles um mich herum ausgeblendet und mich nur auf das Bühnengeschehen konzentriert? Oder wurde ich abgelenkt durch die Zuschauer/innen neben mir?
Ein Nachgespräch
Danach wird beschrieben bzw. spekuliert, warum man gerade diesen Moment gewählt hat und in welcher Form man emotional an diesen Aspekt der Inszenierung anknüpft.
Was hat dieser Moment bei mir ausgelöst?
Warum ist es gerade dieser Moment, der haften geblieben ist?
Was finde ich daran spannend, interessant?
Wichtig ist, dass es hier nicht vorrangig um’s Verstehen geht, sondern um Erfahrungen! Auch wenn man ein Theaterstück nicht verstanden hat, hat man etwas erlebt! Ein Erinnerungsprotokoll ist keine Kritik, es geht also nicht darum, möglichst alle Aspekte der Inszenierung zu beschreiben und ihr Zusammenwirken objektiv zu bewerten.
Ein Erinnerungsprotokoll ist
bewusst
subjektiv!
Die subjektiven
Erfahrungen werden dann durch die möglichst genaue Beschreibung des Erlebens intersubjektiv nachvollziehbar. Da Erinnerungen schnell nachlassen können, sollten Erinnerungsprotokolle einen Tag nach der Aufführung geschrieben werden. In der Regel reicht max. eine Din-A4Seite aus – das Protokoll soll als Einstieg in ein Gespräch über die Inszenierung dienen, die nicht direkt von einer Wertung bestimmt ist. Ein entscheidender Hinweis: Der Unterschied zwischen Inszenierung und Aufführung In der Theaterwissenschaft und –landschaft besitzen die Begriffe »Inszenierung« und »Aufführung« eine leicht andere Bedeutung und werden nicht synonymhaft verwendet: Eine »Inszenierung« bezeichnet alle Absprachen und Entscheidungen, was man wie machen wird: wo die Schauspieler/innen wann stehen; zu wem sie welche Replik wie sagen, auf welches Zeichen eine bestimmte Lichtstimmung oder ein gebautes Bühnenbild geändert wird, etc. Diese Absprachen und Entscheidungen werden vor und in den Proben getroffen. »Dantons Tod« – Materialmappe
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In den Aufführungen »realisieren« sich die Inszenierungen, indem die Schauspieler/innen, sowie alle, die hinter der Bühne stehen oder an Technikpulten sitzen, gemäß ihren Aufgaben und den Absprachen und Entscheidungen handeln. Doch es sind nicht alleine diejenigen, die an den Proben beteiligt waren, die die Inszenierung zum Leben erwecken – entscheidend beteiligt hieran ist das körperlich anwesende Publikum. Ohne es kann kein Theater stattfinden. Alles, was die Zuschauer/innen machen oder nicht machen, hat einen Einfluss auf den Verlauf der Aufführung: aufmerksam zuschauen, miteinander reden, Handy klingeln, klatschen oder Buhrufe. Da in jeder Aufführung ein neues Publikum zusammensitzt, passiert immer etwas Unerwartetes. Das bedeutet, dass man, wenn man zweimal in die selbe Inszenierung geht, zwei unterschiedliche Aufführungen erlebt, auch wenn sie sich in vielen Teilen gleichen. So gesehen erlebt man nie eine Inszenierung, sondern immer nur ihre Aufführung im Hier und Jetzt. Eine Inszenierung muss jeden Abend »neu« aufgeführt – auch deswegen werben wir mit unserem Motto »Neu seit 1690«. Eine Inszenierung ist demnach ein Konzept, das auf Wiederholung angelegt ist und mehrere, einander möglichst ähnliche Aufführungen einer einzelnen Theaterarbeit ermöglichen soll. Da man aber immer wieder zusammenkommen muss und immer wieder neue Menschen anwesend sind, gleichen sich die Aufführungen einer Inszenierung nie vollständig, vielmehr ist jede Einzelne einzigartig und unwiederholbar. Einstieg ins Nachgespräch Als Einstieg ins Nachgespräch bieten sich die Erinnerungsprotokolle an: Lassen Sie die Schüler/innen in Kleingruppen Ihre Erinnerungsprotokolle sich gegenseitig vorlesen. Anschließend können Sie im Plenum die Erinnerungen zusammentragen. Falls Sie kein Erinnerungsprotokoll haben anfertigen lassen: Bitten Sie jede Schülerin und jeden Schüler, alleine in ca. 3-5 Minuten aufzuschreiben, an welche Momente der Aufführung sie sich erinnern. Sie sollen dabei aber nicht nur dokumentieren, sondern auch spekulieren, warum sie sich gerade an diese Momente erinnern: Lag es am Schauspiel, am Licht, am Text oder daran, dass ich bis kurz vorher abgeschaltet und dann wieder Energie hatte? Oder hatte mich dieser Moment an etwas aus meinem Leben erinnert? Lassen Sie in Kleingruppen die Erinnerungen der Schüler/innen zusammentragen und besprechen. Tipp: Sollten Sie Schüler/innen beim Nachgespräch haben, die nicht die Aufführung besuchen konnten, nutzen Sie dies aus, indem Sie die Schüler/innen, die die Aufführung gesehen haben, möglichst genau und wertfrei von der Aufführung erzählen: Was ist zu sehen (Schauspieler/innen, Kostüme und Requisite, Bühnenbild, Licht, etc.)? Zu hören? Was passiert? Wie passiert es? Und: Wie war das Zusammenspiel zwischen Schauspieler/innen und dem Publikum? Theaterpädagogischer Einstieg ins Nachgespräch Nach den Gesprächen in den Kleingruppen geht es nicht in ein Gespräch mit der gesamten Gruppe weiter, sondern sie erarbeiten auf Grundlage einer Erinnerung (Welche das ist, entscheiden die jeweiligen Kleingruppen) eine kurze, prägnante Szene. Sie beginnen die Szene zusammen als eingefrorenes Bild, bewegen sich / »Dantons Tod« – Materialmappe
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spielen die Situation 100% an und frieren wieder ein. (gegenseitige Präsentation nach 5minütiger Erarbeitungsphase) Sprechen Sie im Anschluss an die Präsentationen über die unterschiedlichen Erinnerungen. Tipp – Die +1 Regel: Um zu vermeiden, dass eine Schülerin oder ein Schüler eine Aussage wiederholt, weil die Erfahrungen ähnlich sind, kann man »+ 1« sagen. Damit sagt man, dass man eine ähnliche Erfahrung gemacht hat, ohne es erzählen zu müssen. Dies bietet auch schüchternen Schüler/innen die Gelegenheit, sich zu äußern und Ihnen die Möglichkeit, gezielt nochmals nachzufragen.
Mögliche Fragen für das Nachgespräch oder eine Aufführungsanalyse:
Wie könnte man die Geschichte / die Inszenierung einem Außenstehenden in wenigen Worten erzählen?
Was hat die Inszenierung erzählt? Wo lag der Fokus?
Welche Theatermittel sind besonders in Erinnerung geblieben?
Was haben die Kostüme über die Figuren und ihre Beziehungen zueinander erzählt?
Inwiefern hat für Dich das Bühnenbild auf das Bühnengeschehen Bezug genommen?
Waren die Figuren, wie Sie sie sich vorgestellt haben? Gab es Übereinstimmungen und/ oder Unterschiede zu denen von Ihnen in der Vorbereitung erarbeiteten Rollenbiographien?
Warum glaubt ihr, spielt man dieses Stück heute? Hatte es etwas mit eurer Realität zu tun? Wo sind vielleicht die Bezugspunkte und Assoziationen zu heute?
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Theaterknigge Ein Theater ohne Publikum ist wie … … ein Erzähler ohne Zuhörer. … eine Geschichte ohne Leser. … ein Witz ohne Pointe. Daher freuen wir uns darüber, dass ihr da seid!
Im Theater gibt es ein paar Regeln, die wir euch hier für zusammengestellt haben:
Abendkleid, das: Viele Menschen ziehen sich gern schön an, wenn sie ins Theater gehen. Sie wollen den Schauspieler/innen, Sänger/innen und Musiker/innen ihren Respekt erweisen oder selber auch ein bisschen glitzern. Es macht natürlich Spaß, die schönsten Teile aus dem Kleiderschrank hervorzuholen, ist aber kein Muss.
Essen, das: Ihr könnt euch vorstellen, wie sehr es Dir, aber auch den Schauspieler/innen stören würde, wenn in ganz leisen oder traurigen Szenen plötzlich jemand im Publikum in einen knackigen Apfel beißen würde. Und dann stellt euch vor, dass jemand neben euch eine fürchterlich knisternde Tüte auspackt... Essen und Trinken ist im Theater grundsätzlich nicht erlaubt.
Fotografieren, das: Auch das Fotografieren ist nicht erlaubt. Wenn ihr Bilder von einer Inszenierung haben wollt, schaut auf unsere Homepage. Da gibt es eine Bildergalerie und einen Trailer zu fast jeder Inszenierung.
Handy, das: Wie sollen sich denn die Schauspieler/innen und Sänger/innen auf ihren Text und ihre Töne konzentrieren, wenn ständig irgendwo ein Handy klingelt? Also schaltet bitte vor dem Zuschauerraum das Handy aus oder schaltet den Flugzeugmodus ein, bevor man von allen Seiten vorwurfsvoll angesehen wird.
Klatschen, das: Der Applaus spielt für die Darsteller/innen eine ganz besondere Rolle. Je lauter und länger er erklingt, desto besser ist die Inszenierung beim Publikum angekommen. Scheue dich also nicht, nach der Vorstellung laut und ausgiebig zu klatschen, wenn es dir gefallen hat.
Programmheft, das: Ein Programmheft mit Hintergrundwissen zur Inszenierung könnt ihr an der Kasse oder beim Einlasspersonal für 3,- € erwerben. Dort findet ihr z. B. Interviews mit dem/der Regisseur/in oder Informationen zum Stück und zum Autor. Im Internet findet ihr auch zu jedem Stück eine kurze Inhaltsbeschreibung. »Dantons Tod« – Materialmappe
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Quasseln, das: Für eine gute Theateraufführung müssen sich Zuschauende und Darstellende konzentrieren. Wenn ihr mit eurer Sitznachbarin oder eurem Sitznachbar quatscht, dann stört das nicht nur die auf der Bühne, sondern auch alle anderen, die zuschauen wollen.
Vorstellungsdauer, die: Wie lange ein Theaterstück dauert und ob es eine Pause gibt, kann man an der Kasse und beim Einlasspersonal erfragen oder im Programmheft nachlesen. Um einen Theaterabend im Vollen zu beurteilen, ist es wichtig ihn bis zum Schluss zu erleben! Vorzeitiges Verlassen des Saals stört außerdem Schauspieler und Zuschauer.
Wir wünschen euch viel Spaß im Theater!
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Impressum Herausgeber Staatstheater Braunschweig, Am Theater, 38100 Braunschweig Generalintendant Joachim Klement Redaktion und Gestaltung Kai Müller, Axel Preuß Fotos Volker Beinhorn Redaktionsschluss 06. Oktober 2015 Änderungen vorbehalten!
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