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Konrad-Adenauer-Stiftung
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Wirken Wahlplakate? Ein Plädoyer für mehr Experimente
Ralf Güldenzopf (Abt. Politische Kommunikation) Bei Nachfragen:
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Es gibt kaum ein Instrument, das hierzulande mehr mit Wahlkampf verbunden wird als das Wahlplakat. Regelmäßig ziert es in verschieden Formaten Laternenmasten und Verkehrsinseln – zu fast jeder Wahl, auf allen Ebenen. Nicht zuletzt sind sie uns als Zeitzeugen aus der einen oder anderen politischen Epoche in Erinnerung. Und weil sie nun einmal „dazugehören“ – also vermeintlich Wahlen gewonnen oder verloren haben –, glauben wir, dass es einen Zusammenhang zwischen Plakaten und Wahlerfolg gibt. Unterhält man sich mit so manchem Wahlkämpfer (oder Werber) bekommt man schnell den Eindruck, dass es nicht nur einen Zusammenhang, sondern eine Kausalität zwischen gehangenen Plakaten und Stimmenzahl gibt. Doch ist das so? Steigt die Wahlbeteiligung also durch den Einsatz von Plakaten? Werden damit Wähler von einer Partei zur anderen bewegt? Und wie viele sind das genau – am besten pro Plakat? Was also ist der Unterschied zwischen 100 oder 1.000 Plakaten im Wahlkreis? Dass Wahlplakate Stimmungen und Stimmen irgendwie beeinflussen, ist scheinbar außer Frage. Aber konkrete Antworten bzw. Belege zu einer wie auch immer gearteten Wirkung auf Wahlbeteiligung und Wahlergebnis gibt es für Deutschland nicht. Sicher: Es gibt eine Reihe wissenschaftlicher Studien, die sich mit der Wahrnehmung von Plakaten auseinandersetzen (siehe bspw. die Arbeiten von Stephanie Geise). Dabei geht es aber fast ausschließlich um eine „ästhetische“ und/oder kurzfristige Wirkung. Den Nachweis der Nachhaltigkeit von Einstellungsänderung ist uns die Wissenschaft jedoch bisher schuldig geblieben. Man kann auch sagen, dass der weitverbreitete Einsatz von politischen Plakaten im krassen Widerspruch zu den Erkenntnissen über ihre Wirkung steht. Gerade ist in den USA eine Studie in der Schriftenreihe „Electoral Studies“ erschienen, die auch für Deutschland wichtige Hinweise, zumindest aber Hypothesen für die Wirkung von Wahlplakaten liefert. Donald P. Green – einer der Urväter der KampagnenWirkungsforschung – hat gemeinsam mit seinen Kollegen vier großangelegte Experimente zur Wirkung von sog. Lawn-Signs1 durchgeführt und dabei interessante Erkenntnisse gewonnen. Wie so oft sind diese nicht eindeutig. Aber unterm Strich kommen die Wissenschaftler zu einem interessanten Ergebnis: Die Vorgarten-Plakate haben einen leichten Effekt auf den Stimmanteil von Kandidaten, der bei knappen Wahlen entscheidend sein kann. Studiendesign Auch in den USA ist die Zahl der Studien, die sich mit Plakaten bzw. (Lawn) Signs auseinandersetzt sehr gering. Lediglich Costas Panagopoulos (2009) hat sich im Rahmen der New Yorker Bürgermeisterwahl im Jahr 2005 mit dieser Forschungsfrage auseinandergesetzt. Er stellte fest, dass die Wahlbeteiligung in den zufällig ausgewählten Stimmbezirken gestiegen ist, in denen Freiwillige mit Plakaten („Vote tomorrow“) am Vortag auf die Wahl aufmerksam gemacht haben.
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Lawn-oder auch Yard-Signs werden in den USA traditionell vom Eigentümer im Vorgarten des Hauses zur Unterstützung eines Kandidaten aufgestellt. Man könnte also sagen, dass sie so etwas wie „Vorgarten-Plakate“ sind.
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Green und seine Kollegen gingen hier einen erheblichen Schritt weiter und arbeiteten mit vier Kampagnen in unterschiedlichen Wahlen zusammen. Für die Studien sind LawnSigns in den einzelnen Wahlkreisen in zufällig ausgewählten Stimmbezirken verteilt worden. Ziel war die Messung ihrer Wirkung auf die Wahlbeteiligung und Wahl. Je nach Wahlkampf unterschieden sich Gestaltung und Ton bzw. Botschaft der Plakate, weswegen auch unterschiedliche Effekte gemessen werden konnten. Abbildung 1: Getestete Plakate (Green u.a. 2015, S. 5)
Zwei Experimente testeten eher klassische Plakate (Name des Kandidaten und das Amt, für das er sich bewarb). Im dritten und vierten Experiment kam ein „Angriff“ auf den politischen Gegner bzw. Werbung für zwei Kandidaten zum Einsatz. Die Zahl der Plakate sowie die Stellflächen sind mit den Kampagnen abgesprochen worden, d.h. sie sind „kampagnengemäß“ eingesetzt worden. Das ist zentral, weil a) Kandidaten und Parteien nicht wollen, dass sie im Dienste der Wissenschaft auf Stimmen verzichten; und weil b) die Wissenschaft natürlich an einem möglichst realistischen Umfeld interessiert ist. Ergebnisse Auch wenn die einzelnen Experimente nicht ausreichend statistische Kraft haben, kann man gebündelt festhalten, dass die „Vorgarten-Plakate“ sich im US-Wahlkampf auf Au3
genhöhe mit Briefen (siehe Gerber/Green) bewegen. Sie wirken weniger mobilisierend, sondern eher überzeugend (persuasive). Anders gesagt: Sie steigern zwar nicht die Wahlbeteiligung, aber beeinflussen den Stimmanteil. Nach Berechnungen von Green u.a. liegt der Effekt bei rund 1 bis 1,7 Prozentpunkte. Das wiederum könnte auch in knappen Wahlen den Unterschied machen. Auch wenn weitere Studien notwendig sind, lassen sich doch drei weitere Erkenntnisse aus den Experimenten ableiten: a) Auch wenn Plakate helfen, die Bekanntheit von Kandidaten zu erhöhen, scheint dies nicht eine notwendige Bedingung dafür zu sein, dass die Plakate den Stimmanteil erhöhen. So zeigten sich auch positive Effekte bei den Angriffsplakaten, bei denen lediglich der Gegner benannt war. b) Die Wirkung von Plakaten scheint nicht erheblich besser zu sein, wenn sie Hinweise auf die Partei bzw. ideologische Heimat des Kandidaten geben. Im Gegenteil: Während bei Kandidaten mit Parteilabel keine Effekte messbar waren, hatte der Kandidat, der auf ein Partei-Label verzichtete, mehr Wirkung mit seinen Plakaten. c) In einem Experiment ist zudem kein Beleg dafür gefunden worden, dass ein Plakat, das durch Freiwillige im eigenen Garten aufgestellt wird, mehr Wirkung hat als das Plakat am Rand einer „normalen“ Straße. Das Signal, „mein Nachbar unterstützt XY“, hat demnach keine Wirkung. Was bedeutet das für deutsche Wahlkämpfe? Zunächst einmal, dass man bei der Interpretation der Ergebnisse vorsichtig sein muss. Zum einen gibt es natürlich wahlkampfkulturelle Unterschiede. So besteht zumindest der Eindruck, dass in Deutschland Parteien und Kandidaten viel umfänglicher auf Plakate zugreifen. Ob dies dazu führt, dass sich die Effekte zwischen den Parteien aufheben, dass vielleicht mehr oder weniger Menschen zur Wahl gehen etc., können wir ohne eigene Studie nicht beantworten. Zum anderen haben auch die Macher der Studie darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse für die einzelnen Experimente statistisch eher mit Vorsicht zu genießen sind und dass es mehr Forschung bedarf. Die Ergebnisse sollten somit eher ein Grund zur Reflexion sein. Hier nur ein paar Fragen dazu: -
Brauchen wir Kandidatenplakate, die hauptsächlich das Gesicht zeigen? Wie können über den Namen hinaus (Angriffs)Botschaften auf Plakaten transportiert werden? Was bringen Verweise auf die Partei auf Plakaten? Wo hängen wir die Plakate in welchen Formaten? Und vor allem: Wie viele brauchen wir?
Natürlich widmen sich zahlreiche Kampagnen zu jeder Wahl diesen Fragen. So wird über (Kandidaten)Bilder, Slogans, Themen, aber auch Anzahl und Ort oft heiß und lange diskutiert. Und natürlich bedeutet die Abwesenheit von Belegen für eine Wirkung nicht gleich, dass es nicht funktioniert. Dennoch: Auch in Deutschland wird der Kampf um Aufmerksamkeit und Deutungshoheit im Wahlkampf immer schwieriger. Nicht zuletzt die Anzahl der Kanäle und Instrumente stellt uns vor große Herausforderungen. Deswegen müssen wir mehr darüber wissen, was funktioniert und was nicht.
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Ausblick: Mehr Experimente! Wenn wir schon die Ergebnisse dieser Untersuchung zu Plakaten im US-Wahlkampf mit Vorsicht genießen, muss uns die Studie ein weiterer Ansporn sein, mehr über die Wirkung der eigenen Instrumente herauszufinden. Bei aller Vorsicht und bei allen Verweisen auf knappe Wahlkampfbudgets: Wir müssen mehr Experimente und Studien auch in Deutschland durchführen. Green u.a. geben uns hier wichtige Hinweise zur Methode und Durchführung. Gerade mit Blick auf die knappen Ressourcen hierzulande sollten Fragen der Effizienz stärker in den Fokus der Kampagnenmacher rücken. Erfahrung und Bauchgefühl sind wichtig für politische Kampagnen. Will man jedoch in Zukunft mehr Menschen für Wahlen mobilisieren, müssen auch neue Pfade der Wirkungsforschung begangen werden. Es bedarf einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung und „Grundlagenforschung“ über das, was wirkt und was nicht.
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