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Das Lymphödem Der Oberen Extremität

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VILLA MELITTA PRIVATKLINIK CASA DI CURA PRIVATA Das Lymphödem der oberen Extremität Villa Melitta | Col-di-Lana-Str. 4,6,14 | 39100 Bozen | T 0471 471 471 | F 0471 471 400 | www.villamelitta.it 2 Villa Melitta Inhaltsverzeichnis Einführung 4 1. Das Lymphsystem 1.1. Ein Überblick über die Anatomie 1.2. Die Lymphe 1.3. Die Lymphknoten 5 5 6 6 2. Das Lymphödem 7 2.1. Definition 7 2.2. Ursachen 7 a) Dynamische Insuffizienz 7 b) Mechanische Insuffizienz 8 2.3. Stadien a) Erstes Stadium 8 b) Zweites Stadium 9 c) Drittes Stadium 9 3. Lymphödeme der oberen Extremität 4. 8 9 3.1. Eingriffe an der Brust 10 3.2. Das Konzept der „Wächterlymphknoten“ 11 3.3. Zeitpunkt des Entstehens des Lymphödems 12 3.4. Komplikationen 12 3.5. Risikofaktoren 12 3.6. Prävention und Prophylaxe 13 Behandlung von Lymphödemen 14 4.1. Beurteilung des Lymphödems 14 4.2 15 Rehabilitationstechniken Das Lymphödem 3 5. Pflege der Haut 15 6. Lymphdrainage 16 6.1. Geschichtliche Entwicklung 16 6.2. Ausführung 17 6.3. Wirkung 17 7. Elastische Kompressionsbandagen und Kompressionsstrümpfe 18 8. Therapeutische Übungen 18 8.1. Wassergymnastik 19 9. Übungen 20 Glossar 25 Villa Melitta Einführung Der Brustkrebs ist bei der weiblichen Bevölkerung die am häufigsten vorkommende und mit der größten emotionalen Belastung verbundene Tumorart. Aus diesem Grunde ist es wichtig, einen Behandlungsverlauf zu garantieren, der Komplikationen durch korrekte Information und durch eine baldige physiotherapeutische Behandlung verhindert. In dieser Broschüre beschäftigen wir uns mit dem Lymphödem der oberen Extremität nach der chirurgischen Entfernung von Brusttumoren. Hier finden Sie praktische Ratschläge bezüglich der physikalischen Rehabilitation, der Vorbeugung und Behandlung von Folgen oder Komplikationen, die sofort, nach einigen Monaten oder Jahren nach Beendigung der Therapie auftreten können. Durch die Ratschläge hoffen wir, eventuelle ästhetische und funktionelle Beeinträchtigungen auf ein Minimum zu reduzieren. Die häufigste Komplikation ist das Lymphödem - etwa 20% der operierten Frauen sind davon betroffen. Ein Lymphödem kann sowohl sofort nach der Operation oder auch bis zu 20 Jahre später auftreten. Das Lymphödem 5 1. Das Lymphsystem 1.1. Ein Überblick über die Anatomie Das Lymphsystem funktioniert ähnlich wie der Blut- Vene Arterie kreislauf: Ein flüssiges Transportmittel (die Lymphe) Kappillaren fließt durch ein Netz von Gefäßen (Lymphbahnen), die den Blutadern entsprechen. Am Ende des Transportsystems mündet die Lymphe in die obere Hohlvene. Die Venen transportieren das „verbrauchte Blut“ zum Lymphgefäß Lymphknoten Herz, auf dem Weg dorthin verliert sich ein Teil davon (etwa 10%) in das Gewebe (Interstitium)*. Das Lymphsystem ähnelt anatomisch dem Blutgefäßsystem: Die Anatomie des lymphatischen Systems spiegelt das des venösen Blutkreislaufs wieder, die Lymphkapillaren nehmen überschüssige, im Gewebe vorhandene Flüssigkeit auf. Dieser Vorgang wird durch unterschiedliche Druckverhältnisse geregelt. Die Kapillaren sind kleine röhrenförmige Gefäße, die blind im Gewebe enden und netzförmige Strukturen bilden. Die Lymphflüssigkeit wird über diese Lymphkapillaren aufgenommen und in immer größer werdende Lymphgefäße weitergeleitet, den Lymphkollektoren und Lymphstämmen. Lymphknoten des Halses Rechter Lymphsammelstamm Achsellymphknoten Lymphknoten der Lunge Lymphgefäße des Arms Milchbrustgang (Ductus thoracicus) Leistenlymphknoten Lymphgefäße der Beine Lymphgefäße und knoten des Verdauungssystems 6 Villa Melitta Die größten Lymphstämme sind der Lymphsammelstamm der Bursthöhle (Ductus thoracicus) und der rechte Lymphgang (Ductus lymphaticus dexter), die über den linken Venenwinkel (Terminus) mit dem venösen Blutgefäßsystem in Verbindung treten. Das Lymphsystem unterscheidet sich vom Blutkreislauf insofern als es keinen geschlossenen Kreislauf bildet, sondern nur in eine Richtung fließt, die am offenen Gefäßende im Zwischenzellenraum der Gewebe vieler Organe beginnt. 1.2. Die Lymphe Die Lymphflüssigkeit (Lymphe genannt) stammt aus dem Blut und hat eine ähnliche Zusammensetzung, auch wenn sie mehr weiße und fast keine roten Blutkörperchen aufweist. Die Lymphe zirkuliert in den zellulären Zwischenräumen und hat die Aufgabe, das Plasma (den flüssigen Anteil des Blutes) sowie verschiedene Abfallprodukte aus dem Gewebe aufzunehmen und von der Peripherie zu den Reinigungsorganen des Körpers zu leiten. Die Lymphe ist durchsichtig und beinhaltet vor allem: Wasser, Proteine, Zucker, Salze, Lipide; sie kann auch Viren und Bakterien enthalten. 1.3. Die Lymphknoten Lymphknoten sind kleine rundliche Organe, mit einer Größe zwischen einem Lymphgewebe Lymphe Zuführende Lymphgefäße Korn und einer Bohne. Die Lymphknoten befinden sich im Verlauf der Lymphgefäße und sie schließen sich an gewissen Körperstellen zu Grup- Kapsel pen zusammen (Hals, Achselhöhlen, Leistengegend). Die Anzahl der Lymph- Abführende Lymphgefäße Blutgefäße knoten dieser Gruppen variiert von Mensch zu Mensch und von einer Zone zur anderen (in der Achselhöhle befinden sich 10-40 Lymphknoten, in der Leiste 15-20 Lymphknoten). Das Lymphödem 7 Lymphknoten haben zwei Aufgaben: a) Filterfunktion: Durch diese Funktion wird die Lymphflüssigkeit von potenziell gefährlichen Stoffen gereinigt, die von außen (Viren und Bakterien) oder von innen (normale Körperzellen, die zu bösartigen Zellen mutieren), einwirken. b) Abwehrfunktion: In den Lymphknoten befinden sich spezielle Zellen des Immunsystems, die Lymphozyten (eine Unterart der weißen Blutkörperchen, die Infektionen abwehren), die Bakterien und Viren bekämpfen und neutralisieren. 2. Das Lymphödem 2.1. Definition Das Lymphödem ist ein pathologischer Zustand, der durch eine Ansammlung von Flüssigkeit mit einer erhöhten Konzentration von Proteinen im interzellulären Raum gekennzeichnet ist. Ein Lymphödem entwickelt sich, wenn das lymphatische System nicht mehr in der Lage ist, die Lymphe auf normale Art zu transportieren. Dies führt zu einer Ansammlung von Flüssigkeit und Proteinen im Gewebe. Die so abgelagerten Proteine können eine chronische Entzündung verursachen, die wiederum die Bildung von fibrösem Gewebe anregt. 2.2. Ursachen Es gibt zwei Ursachen für die Entstehung von Lymphödemen: Dynamische oder mechanische Insuffizienz des Lymphsystems. a) Dynamische Insuffizienz Eine dynamische Insuffizienz (oder Hochvolumen-Insuffizienz) liegt vor, wenn das Lymphsystem an sich intakt ist, es jedoch aus lokalen (Verletzungen, Entzündungen usw.) oder systemischen (Thrombose tiefer Venen, Herzinsuffizienz usw.) Gründen zu einer Erhöhung der Lymphproduktion kommt und die Kapillaren mehr Lymphe 8 Villa Melitta filtrieren, als das System abtransportieren kann. In diesem Fall staut sich die Flüssigkeit im Zwischenzellraum und es kommt zur Bildung eines Ödems. Diese Art von Öden hat einen geringeren Proteingehalt und ist weicher. b) Mechanische Insuffizienz Bei mechanischer Insuffizienz (oder Niedervolumen-Insuffizienz) können entweder angeborene Lymphgefäßschädigungen (primäres Lymphödem) oder Verstopfungen von Lymphbahnen, zum Beispiel infolge Vernarbungen, Strahlentherapie, Krebszellen, onkologischen Eingriffen und durch Mikroorganismen, wie Filarien*, der Grund für die Entstehung von Ödemen sein. 2.3.Stadien Das Lymphödem verursacht eine diffuse Anschwellung der Haut, Unterhaut und zu einem geringeren Teil der anderen Weichteile. Es gibt eine Vielzahl krankheitsbedingter, angeborener und erworbener Ursachen, die dazu führen können, dass Lymphgefäße in ihrer Funktion beeinträchtigt werden und Flüssigkeit und Substanzen nicht mehr aus den Zwischenzellenräumen abtransportieren können. Man unterscheidet drei Stadien: a) Erstes Stadium Das erste Stadium wird durch eine beginnende Ansammlung von Flüssigkeit mit hohem Proteingehalt charakterisiert (im Unterschied zu erhöhter Gewebsflüssigkeit im Falle von Venenproblemen). Das Ödem ist in diesem Stadium vorübergehend, es verschwindet durch einfaches Hochlagern der betroffenen Gliedmaßen und vermindert sich durch manuelle Das Lymphödem 9 Lymphdrainage. Die Symptome sind unspezifisch und können mit anderen Krankheitsbildern verwechselt werden: gelegentliche Krämpfe (besonders nachts) Ameisenkribbeln, gelegentlicher Juckreiz. b) Zweites Stadium In diesem Stadium verschwindet das Ödem nicht durch Hochlagern der Gliedmaßen. Mit der Flüssigkeit befinden sich Proteine und zelluläre Stoffwechselprodukte im Interstitium. Die Rückbildung des Ödems ist schwieriger und die Symptome (Schweregefühl, Ameisenkribbeln, Krämpfe und Juckreiz) werden immer deutlicher und häufiger spürbar. c) Drittes Stadium In diesem Stadium verhärtet sich die Unterhaut und aufgrund der andauernden Lymphstauung kommt es zu einer diffusen Fibrose* im Gewebe. In diesem Stadium kann das Ödem nicht mehr verkleinert werden und therapeutische Maßnahmen schlagen nur noch bedingt an. Es ist der höchste Grad bei Lymphödemen. 3. Lymphödeme der oberen Extremität Im Folgenden geht es um Lymphödeme am Arm nach Quadrantektomien oder Mastektomien. Lymphödeme treten oft nach chirurgischen Eingriffen auf und können die Lebensqualität vieler Frauen, die gerade das Trauma der Diagnose Brustkrebs überwunden haben, stark beeinträchtigen. Nachdem mittlerweile die Überlebensdauer deutlich gesteigert werden konnte, rücken die wichtigsten unerwünschten Begleiterscheinungen in den Mittelpunkt, die die onkologischen mit den Reha-Erfolgen in Beziehung setzen. Bei der Therapie von Brustkrebs werden oft die axillären Lymphknoten entfernt (Lymphadenektomie*) oder mit einer Strahlentherapie behandelt. Dadurch können 10 Villa Melitta Lymphbahnen unterbrochen werden (Fibrosenbildung infolge der Strahlentherapie kann zu Gefäßschäden führen). Durch die Frühdiagnostik werden die chirurgischen Eingriffe immer mehr brustgewebeerhaltender. Die Untersuchung von Wächterlymphknoten hat sich als sicheres und genaues Verfahren erwiesen, das sichere Rückschlüsse auf den Zustand von Lymphknoten erlaubt. Dadurch können heute die meisten Lymphknoten erhalten bleiben. Trotz dieser zunehmend schonenden Operationstechniken können bei Brustentfernung und Brustwiederaufbau, sowie bei Brusterhaltung unangenehme Nachwirkungen im Bereich der Operationsnarbe und im Bereich der oberen Extremität auftreten. 3.1. Eingriffe an der Brust Es gibt zwei Arten der Entfernung von Brusttumoren: Mastektomie: Entfernung der gesamten Brustdrüse zusammen mit dem kleinen und großen Brustmuskel. Gleichzeitig mit der Entfernung des Tumorgewebes kann eine Brustrekonstruktion erfolgen durch Einsetzen einer Prothese, eines Expanders oder von Muskel- oder Hautlappen (großer Rückenmuskel oder gerader Bauchmuskel). Quadrantektomie: Man versteht darunter die Entfernung eines Teils der Brustdrüse zusammen mit dem darüber liegenden Hautareal und der darunterliegenden Faszie des großen Pectoralismuskels. Das Lymphödem 11 Bei kleineren Brustdrüsen kann das entfernte Gebiet mit einem der 4 Quadranten übereinstimmen, in welche die Brust anatomisch eingeteilt wird. Erhaltender Eingriff Entfernung von Brusgewebe Tumor Umgebendes Gewebe Mastektomie 3.2. Das Konzept der „Wächterlymphknoten“ Die Biopsie von Wächterlymphknoten ist mittlerweile gängige Praxis in Fällen, in denen zunächst ein Referenzlymphknoten beurteilen werden soll, anstatt alle Lymphknoten der Achsel zu entfernen. Bei dieser Methode wird eine radioaktive Substanz in der Nähe der Tumorläsion injiziert, um den „sentinel lymph-node“, also den Wächterlymphknoten, zu identifizieren. Dieser wird dann umgehend, manchmal sogar noch während des Eingriffs, auf bösartige Zellen untersucht. Dank dieser Untersuchung kann man gezielt mit bösartigen Zellen befallene Lymphknoten entfernen und gesunde Knoten größtenteils erhalten. 12 Villa Melitta 3.3. Zeitpunkt des Entstehens des Lymphödems Sekundäre Lymphödeme können zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten nach Brustkrebs-Operationen auftreten, das hängt von verschiedenen Umständen ab. Entweder bilden sie sich direkt nach dem Eingriff (21% der Fälle), nach der Strahlentherapie (47% der Fälle) oder nach einem bestimmten Ereignis, durch das sie ausgelöst werden, wie Verletzungen (14% der Fälle), Injektionen (10% der Fälle), Unfälle (5% der Fälle). Im Durchschnnitt vergehen nach der Operation 6 – 14 Monate bis das Lymphödem auftritt; es kann aber auch erst viele Jahre später entstehen. Studien zeigten, dass 73% der Lymphödeme innerhalb des ersten Jahres und 97% innerhalb der ersten vier Jahre nach dem Eingriff auftreten. 3.4. Komplikationen Sekundäre Lymphödeme können eine Reihe weiterer Komplikationen nach sich führen: • Thrombosen (oberflächlicher oder tiefer Venen, insbesondere der Schlüsselbein- und Achselvene) • Entzündungen und Infektionen (unter anderem Erysipel*, Lymphangitis*, Pyodermie* und Mykose) 3.5. Risikofaktoren Folgende Risikofaktoren begünstigen die Entstehung sekundärer Lymphödeme: • Fortgeschrittenes Tumorstadium, • Axilläre Lymphknotendissektion, • Strahlentherapie im Achselbereich, • Chemotherapie, • Übergewicht. Das Lymphödem 13 Bei Frauen geringeren Alters (<60 Jahre) mit der Diagnose Brustkrebs und hohem Blutdruck wird ein erhöhtes Risiko festgestellt. Eine deutliche Verringerung des Risikos von Lymphödemen wird bei Frauen festgestellt, die: • Regelmäßig ihre Übungen machen, • Die Ratschläge zur Körperpflege und des täglichen Lebens berücksichtigen. 3.6. Prävention und Prophylaxe Lymphödeme stellen eine große Einschränkung im Alltagsleben, Freizeit und bei der Arbeit dar und können auch zu einer psychische Belastung führen. Um das Auftreten eines Lymphödems zu vermeiden, oder einer Verschlechterung eines schon vorhandenen Ödems vorzubeugen, muss man sich an einige wenige aber wichtige Regeln halten, um eine Verletzung der Lymphgefäße oder eine Vermehrung der Produktion von Lymphflüssigkeit zu verhindern. Ratschläge • Über einen längeren Zeitraum ausgeführte, gleichbleibende Bewegungen vermeiden (bügeln, ständige Benutzung der Computermouse, Fenster putzen, stricken). • Keine Taschen und Einkaufsbeutel am betroffenen Arm tragen. • Verletzungen durch spitze Gegenständen vermeiden, bei Küchen- und insbesondere Gartenarbeiten stets Gummihandschuhe tragen. • Der BH sollte so sitzen, dass weder am Oberkörper noch am Rücken Abdrücke verursacht werden. Breite Träger bevorzugen. Besser weiche BHs aus Baumwollmikrofaser tragen, ohne Elastikanteil und Bügel. • Keine engen Ärmel mit Gummizug tragen, die das Gelenk einengen. • Armbanduhren, Armbänder, Ringe dürfen den Arm nicht eindrücken. • Blutentnahmen, Impfungen und Blutdruckmessungen am betrof- JA NEIN 14 Villa Melitta fenen Arm vermeiden. • Achtung vor Insektenstichen!!! • Vermeiden Sie den Aufenthalt in der Nähe von Heizkörpern und vermeiden Sie direkte Sonneneinstrahlung im Sommer und in den heißesten Stunden. • Sauna und Thermalbäder meiden (mit Temperaturen über 34° C). • Vermeiden Sie extreme Kälte. • Übergewicht und salzreiches Essen vermeiden. 4. Behandlung von Lymphödemen Nachdem das Lymphödem beurteilt und das Stadium diagnostiziert wurde, erfolgt eine Therapie mit Reha-Maßnahmen, die gleichzeitig stattfinden können. 4.1. Beurteilung des Lymphödems Zunächst sind die Eigenschaften zu beurteilen: • Konsistenz • Lokalisation • Hautbeschaffenheit • Stärke Die Stärke ermittelt man durch Abmessen des Umfanges an bestimmten standardisierten Punkten des betroffenen Armes und durch Vergleichen der entsprechenden Werte mit dem gesunden Arm. Die Vermessung erfolgt vor Beginn der physiotherapeutischen Behandlung und am Ende der Therapiesitzung, so erhält man Informationen zum Verlauf des Lymphödems. Das Lymphödem 15 4.2. Rehabilitationstechniken Die Behandlung des Lymphödems basiert auf dem manuellen Entstauungs programm, das als „Golden Standard Therapy“ in den Richtlinien der „International Society of Lymphology“ vorgeschlagen wird (siehe „Consensus Document“), und beinhaltet: • Die Pflege der Haut • Die Kompressionsbandage • Die Kompressionsbestrumpfung • Physiotherapeutische Übungen 5. Pflege der Haut Tägliche Hautpflege ist unerlässlich, da die Haut eine Barriere gegen Infektionen darstellt: • Bei der Maniküre Nagelhäutchen nicht entfernen und Verletzungen vermeiden. • Depilieren, nur wenn nötig und mit sanften Methoden, kein Wachs und keinen Rasierer verwenden. • Keine aggressiven Deodorants verwenden, die Hautrötungen verursachen. • Auch kleinste Verletzungen und Insektenstiche desinfizieren und antibiotische Salbe auftragen. • Pilzinfektionen oder Ekzeme gründlich behandeln. • Zum Waschen eine leicht saure Seife verwenden (pH Wert 5,5), kein Schaumbad nehmen. • Den Arm täglich mit einer hochwertigen Feuchtigkeitscreme eincremen. • Am betroffenen Arm keine Produkte verwenden, die Allergien auslösen könnten. 16 Villa Melitta 6. Lymphdrainage Die Lymphdrainage (MLD) ist eine leichte, kreisförmige Oberflächenmassage, die mit unterschiedlicher Druckintensität in einem langsamen Rhythmus durchgeführt wird. Damit bewirkt man eine Steigerung des Abflusses der im Gewebe gestauten Flüssigkeit, die Transportkapazität der Lymphgefäße erhöht sich und die Lymphflüssigkeit wird zentral in Richtung lymphvenöser Übergang verschoben. 6.1. Geschichtliche Entwicklung Die ersten rudimentären Ansätze der manuellen Lymphdrainage wurden im Jahre 1890 vom österreichischen Chirurgen Winiwarter entwickelt, der manuelle Techniken verwendete, um postoperative Ödeme aufzulösen. In Paris präsentierte 1930 das Ehepaar Vodder ihre theoretisch-praktische Lymphdrainage-Technik, mit „reinigender, entstauender und belebender“ Wirkung. Die Technik wurde vom Ehepaar Foldi in den 50er Jahren, und von anderen deutschen Schulen weiterentwickelt, darunter jene des Dr. Asdonk. Das Lymphödem 17 6.2. Ausführung Die MLD verwendet eine Reihe von Griffen, die in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden, immer in die Richtung des Lymphabflusses hin zu den funktionierenden Lymphknotensystemen. Bei diesen Griffen unterscheidet man: • Grifftechniken zur Entleerung und zur Vorbereitung der proximal gelegenen Lymphknotenstationen darauf, vermehrt Lymphflüssigkeit aus den ihnen zugeordneten Körperzonen aufzunehmen. • Griffe, die die Transportfähigkeit der Lymphkollektoren erhöhen. • Entstauungsgriffe 6.3. Wirkung • Entwässernd: Die erste klinische Wirkung. Nachdem die Festigkeit des Ödems verringert wurde, wird das Volumen des Ödems Schritt für Schritt abgebaut, bis sich der klinische Zustand stabilisiert. • Schmerzlindernd: Durch Abbau der Spannung lassen die Schmerzen nach. Das ist besonders bei schmerzenden Ödemen wichtig. • Immunologisch: Abwehrzellen werden besser verteilt und dadurch verbessert sich der Schutz vor Infektionen. • Heilungsfördernd: Gewebsschädigende Substanzen werden abtransportiert und nährende Stoffe den Zellen zugeführt. • Entspannend und beruhigend: Die leichte rhythmische Massage wirkt auf das neurovegetative System, besonders auf den Parasympatikus, der eine Muskeltonus Regulation und eine verbesserte Gewebsernährung bewirkt. 18 Villa Melitta 7. Elastische Kompressionsbandagen und Kompressionsstrümpfe Im Anschluss an die manuelle Lymphdrainage muss eine Kompressionstherapie folgen, um die therapeutische Wirkung zu verstärken und zu verhindern, dass die Lymphe in die durch die Drainage aufgeweichten Gewebe zurückfließt. Die Kompression erreicht man durch das Anlegen einer mehrschichtigen und elastischen Kompressionsbandage sofort nach erfolgter Lymphdrainage. Um den Therapieerfolg nach einem Behandlungszyklus zu erhalten, wird ein auf Maß gefertigter Kompressionsstrumpf verwendet (z.B. ein Armkompressionsstrumpf ). 8. Therapeutische Übungen Die Bewegungstherapie für Patienten mit Lymphödemen hat zum Ziel, die volle Funktionstüchtigkeit der betroffenen Extremität wieder herzustellen und Komplikationen vorzubeugen (wie das Zusammenziehen der Narbe, Schmerzen und Einschränkung der Bewegungsfreiheit). Die Steigerung der Muskeltätigkeit wirkt sich besonders günstig auf die Lymphzirkulation aus. Bei dieser Behandlung soll das für Lymphödeme typische Gefühl von Schwere und Das Lymphödem 19 Druckschmerz verringert und dadurch die Beweglichkeit des Arms zurückgewonnen werden. Nachfolgend werden einige Übungen vorgestellt, die zusammen mit einer korrekten Atmung täglich ausgeführt werden sollen. 8.1. Wassergymnastik Wassergymnastik hat vielseitige Vorteile. Vor allem die aerobe Aktivität zusammen mit der tonischen Wirkung der Übungen im Schwimmbad. Wasser wirkt sich positiv auf den Blut- und Lymphkreislauf aus, stimuliert den venösen Rückfluss und den peripheren Kreislauf. Das Wasser entspannt die Muskulatur, dies wirkt schmerzstillend und hilft vor allem Patienten mit Muskelverspannungen, insbesondere im Schulterbereich. Wassergymnastik wirkt sich auch auf die Psyche aus, fördert das Wohlbefinden und wirkt aufheiternd durch den Spaß und die Geselligkeit. 20 Villa Melitta 9. Übungen Nachfolgend werden Übungen beschrieben, die täglich selbständig durchgeführt werden können: • Beachten Sie die angegebene Reihenfolge, von den einfachen Übungen (zum Aufwärmen) zu den schwierigeren; führen Sie diese langsam und mit sanften Bewegungen aus (ohne zu reißen). Fast alle Übungen erzeugen eine Spannung in der Achselhöhle und im Narbenbereich; halten Sie die Spannung für einige Sekunden und entspannen Sie anschließend. Rückenlage, Knie beugen Atemtechnik Das Lymphödem Übung 1 Übung 2 21 22 Villa Melitta Im Sitzen vor einem Spiegel Übung 1 Übung 2 Übung 3 Übung 4 (2) (1) (3) (4) Das Lymphödem Übung 5 Übung 6 23 24 Villa Melitta Übung 7 Übung 8 Das Lymphödem 25 Glossar Zwischenzellraum/Interstitium: Kleiner Zwischenraum zwischen Gewebezellen, der mit Gewebsflüssigkeit gefüllt ist. Hier erfolgt der Austausch von Nähr- und Abfallstoffen zwischen den Gewebszellen und dem Blut. Filarien/Filariosen: Durch Parasiten verursachte Erkrankung, die die Lymphgefäße und Lymphknoten betrifft. Axilläre Lymphadenektomie (Dissektion der Lymphknoten): Entfernung aller Achsellymphknoten. Man unterscheidet Level 1, bei dem die Lymphknoten am Seitenrand des kleinen Brustmuskels entfernt wurden, etwa fünfzehn Stück, Level 2 die Knoten hinter dem kleinen Brustmuskel, 3 oder 4 Stück und Level 3 die Knoten medial zum kleinen Brustmuskel, 2 oder 3 Stück. Fibrosen: Erhöhter Anteil von Bindegewebe bei Organen oder Strukturen. Bindegewebe ist reich an Kollagenfasern und arm an Zellen und Gefäßen. Erysipel: Durch Streptokokken hervorgerufene Infektion der oberen Hautschichten, nach kleineren Verletzungen oder Schnittwunden. Die Erkrankung beginnt mit Fieber, allgemeinem Krankheitsgefühl und darauffolgender Rötung und schmerzhafter Anschwellung der betroffenen Gliedmaße. Lymphangitis: Entzündlicher Prozess, der ein oder mehrere Lymphgefäße betrifft, es bildet sich ein roter, schlagempfindlicher Streifen. Ursache ist oftmals eine bakterielle Infektion. Der rote Strich erstreckt sich oft bis zum Lymphknoten des von der Infektion betroffenen Bereichs. Symptome sind Schwellung, Rötung und Schmerzen. 26 Villa Melitta Pyodermie: Hautentzündung verursacht durch eiterbildende Bakterien wie Streptokokken und Staphylokokken, die sich auf vorhandenen Hautentzündungen und Verletzungen angesiedelt haben.