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Das Scherbengericht Im alten Griechenland bildeten sich freie Staatswesen ; die meisten bestanden nur aus einer Stadt und der näheren Umgebung. Alle Bürger der Stadt fühlten sich für das Wohl des Ganzen verantwortlich. In der Volksversammlung trat das Volk zur Beratung zusammen. Redner sprachen für oder gegen den Vorschlag eines Beamten. Dann wurde abgestimmt. Im Jahre 483 v. Chr. stritten die Bürger der Stadt Athen darum, ob sie eine starke Kriegsflotte bauen sollten oder nicht; denn der Perserkönig drohte, sie mit seiner gewaltigen Macht zu überfallen. Zwei Bürger vor allem taten sich hervor: Themistokles warb mit Feuereifer für die Flotte, Aristides warnte ebenso dringend. Die Erregung wuchs von Tag zu Tag. Immer lauter wurde es in den Volksversammlungen. Besonnene Männer fürchteten, die Bürger würden demnächst die Waffen gegeneinander erheben. Um solcher Gefahr vorzubeugen, hatten die Athener eine eigentümliche Einrichtung. Sie verbannten einen der beiden Parteiführer auf zehn Jahre, d.h. sie zwangen ihn, während dieser Zeit im Ausland zu leben. Das sollte keine Strafe bedeuten; denn der Mann behielt sein Eigentum und seine Ehre. Er war nur verhindert, seine Ansicht weiterhin vor dem Volk zu vertreten und so den inneren Frieden zu gefährden.
Gewöhnlich stimmten die Athener öffentlich durch Handaufheben ab. Bei einer Verbannung aber musste alles geheim sein. Deswegen wurde schriftlich abgestimmt. Jeder Mann warf einen „Zettel“ mit dem Namen des Gegners in eine Urne. Waren mehr als 6000 Stimmen gegen ihn, so musste er das Land verlassen. Wie sah nun aber ein solcher „Zettel“ aus? Papier gab es damals noch nicht. Darum nahm jeder Bürger eine Tonscherbe, z. B. von einem zerbrochenen Krug, und ritzte mit einem Messer den Namen des Mannes ein, der verbannt werden sollte. Deswegen erhielt diese Art der Abstimmung den Namen „Scherbengericht“.
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So war es auch im Jahre 483. Viele Bürger wollten Aristides verbannen, unter ihnen auch ein Bauer, der nicht schreiben konnte. Ratlos stand er an der Urne. Da sah er einen würdigen Mann herantreten. „Höre, Freund“, sprach er ihn an, „du kannst doch sicherlich schreiben.“ „Gewiss“, war die Antwort, „was möchtest du von mir?“ - “Schreib mir doch den Namen des Aristides auf“, bat der Bauer und reichte dem Mann Scherbe und Messer. Wortlos ritzte der Fremde einige Buchstaben ein. Der Bauer dankte und wandte sich zur Urne. Da hielt ihn ein anderer Bürger am Gewand fest. „Weißt du auch, wer das gewesen ist?“ „Nein, ich kenne ihn nicht“, erwiderte der Gefragte. „Nun, es war Aristides selber!“ Da erschrak der Bauer sehr. Er zeigte dem andern das Täfelchen und flehte ihn an:.. Sieh doch mal nach, was hat er aufgeschrieben?“ Der Bürger warf einen kurzen Blick auf den Scherben. „Sollte man es glauben“, rief er aus, „er hat seinen eigenen Namen aufgeschrieben. Er hat sich selbst verbannt! Das vermag nur ein Aristides !“ Zwar unterlag er, aber wegen seiner lauteren Gesinnung erhielt Aristides, von seinen Mitbürgern den Beinamen „der Gerechte“. - Schon nach drei Jahren, in der Not des Krieges, holten ihn die Bürger zurück. Er überwand allen persönlichen Groll. Uneigennützig arbeitete er mit seinen Gegnern zusammen und half, das Vaterland aus der Gefahr zu erretten. Nicht lange danach schafften die Athener diese Art der Verbannung ab. Gerade der Fall des Aristides hatte sie gelehrt, dass es schädlich ist, einem tüchtigen Bürger die Mitarbeit am Staate zu verwehren.
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