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Der 2000-watt-irrtum

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16 ENERGIE Schweizerische Gewerbezeitung – 5. Februar 2016 Schwellenländer werden in Zukunft einen grossen Schritt vorwärts machen. Dies steht aber auch im krassen Widerspruch zum Anspruch, die globalen CO2-Emissionen zu senken. BUCHKRITIK – «Der 2000-Watt-Irrtum» Ein grosser Irrtum: Nicht 2000 Watt, sondern 6000 Watt verbraucht der Durchschnittsschweizer in einem Jahr. Viele Städte der Schweiz haben sich das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft gesetzt. 2000 Watt ist das Mass einer Leistung. Es entspricht einer Energiemenge von rund 1700 Litern Diesel oder Heizöl, die eine Person über ein Jahr verbrauchen dürfte. Damit müsste der vollständige Konsum einer Person, inklusive Wohnen und Mobilität, über ein Jahr sichergestellt werden. In der Schweiz liegt der effektive Verbrauch dreimal höher, in den USA fünfmal höher, der globale Schnitt liegt bei 4700 Watt. 18 Prozent der Weltbevölkerung erfüllen unfreiwillig das 2000-Watt-Ziel. Sie kennen keinen Stromanschluss und kochen ihr Essen heute noch mit gesammeltem Holz, allenfalls sogar Dung. Lebensstandards verbessern sich Entwicklungs- und Schwellenländer streben berechtigterweise einen höheren Lebensstandard an. Sie werden in Zukunft mehr Energie pro Kopf benötigen. Gleichzeitig wachsen gerade deren Bevölkerungen überdurchschnittlich. Das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft ist nicht nur illusorisch, es ist weder sozial noch wünschenswert. Diese Länder werden ihre Wirtschaft mit den am billigsten verfügbaren Energieressourcen aufbauen. Das ist heute Kohle. Dies steht aber im krassen Widerspruch zu den Bemühungen, die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren. Beim Klimagipfel in Paris will man genau das erreichen, um das Klima zu retten. Es verwundert nicht, dass Länder wie Indien sich gegen solche Massnahmen sträuben und ihre eigene Entwicklung vor die Klimaziele stellen. Rechnet man deren Zugeständnisse beim Klimagipfel, die sogenannten INDC’s (intended national determined contributions) genau nach, dürfen China wie Indien ihre CO2-Emissionen mindestens bis 2030 weiter ansteigen lassen. Wie es danach weitergehen soll, wird offen gelassen. Die Reduktionsziele der Industrieländer, allen voran Europa und die USA, werden dadurch um ein Mehrfaches zunichte gemacht. CO2 als grösster Klimakiller Medien ergötzen sich an rabenschwarzen Weltuntergangsszenarien mit ausser Kontrolle geratener Klimaerwärmung und massiv steigenden Meeresspiegeln. Apokalypse droht, wenn wir nicht sofort auf das Ver- brennen von Kohle, Öl und Gas verzichten. CO2 gilt als der grosse Klimakiller, auch wenn es kaum jemand mehr hören will. Eine steigende Zahl besonnener und unabhängiger Wissenschaftler macht diesen Reigen nicht mehr mit. Ihr Widerspruch beginnt Gehör zu finden. «18 PROZENT DER WELTBEVÖLKERUNG ERÜLLEN DAS ZIEL – UNFREIWILLIG.» Das Klima erwärmt sich weltweit, seit es zuverlässige Messmethoden gibt. Bei uns wird der Gletscherrückgang seit 130 Jahren beobachtet. CO2 ist ein harmloses ungiftiges Gas, ohne das es auf der Erde überhaupt kein Leben gäbe. Es hat die Eigenschaft, in der Atmosphäre Wärme zurückzuhalten. Eine Erhöhung der Konzentration trägt zur Erwärmung bei. Dominierend für den Wärmehaushalt ist und bleibt aber der Wasserdampf. Ohne Wasserdampf wäre die Erde eine Eiskugel. Die Klimaerwärmung legt nun seit 15 Jahren eine Pause ein, ausgerechnet in der Zeit mit dem allergrössten Zuwachs menschengemachter CO2-Emissionen. Es lässt sich nun trefflich streiten, ob und in welchem Ausmass das zukünftig emittierte CO2 eine globale Erwärmung effektiv beschleunigen wird. Gemäss den Modellen ist das so, aber bisher eben nur dort. Sicherer Humbug ist hingegen zu meinen, mit einer CO2-Reduktion das Klima steuern zu können. Das behauptet nämlich nicht einmal der Weltklimarat. Das behaupten nur Politiker und Klimagewinnler, die eine ganz andere Agenda verfolgen. Die Ideologie Klimawandel Eine Verpflichtung zu CO2-Reduktionen dient nämlich vielen. Ausser der Natur. Der ist ein hoher CO2-Gehalt völlig gleichgültig. In der viereinhalb Milliarden Jahre alten Erdgeschichte war dieser meist ein Vielfaches höher. Die heutigen Konzentrationen sind nahe der Untergrenze, welche dem Pflanzenwachstum noch bekömmlich ist. Das weiss jeder Gemüsebauer, der die Luft in seinen Gewächshäusern mit CO2 anreichert, um das Wachstum anzukurbeln. Klimawandel ist weltweit zu einer Ideologie und zu einem der grössten Geschäftsfelder überhaupt geworden. Mit einer globalen Einschüchterungspropaganda, welche man bisher nur von totalitären Regimes kannte, wird eine Umverteilung von Geldmitteln im dreistelligen Milliardenbereich erzwungen. Wer am unverfrorensten behauptet, den Klimawandel beeinflussen zu können, bekommt am meisten. Dabei kommt es zu denkbar unheiligen Allianzen. Dienen tun die apokalyptischen Prognosen einerseits den Schiefergasproduzenten der USA, die mit dem Umstieg von Kohle auf Gas die grösste CO2-Reduktion aller Länder erzielen. Dienen tut sie andererseits auch China, welches bei immer noch wachsendem Energiebedarf den Anteil an Kohle reduzieren muss. Allerdings nicht wegen dem CO2, sondern wegen der akuten Luftverschmutzung durch Russ und Schwefeloxide. Dienen tun sie auch der Atomindustrie, weil deren Kraftwerke praktisch CO2-frei Strom produzieren. In China wird Kernenergie deshalb als Clean Tech gewertet. In Europa und der Schweiz verhilft die Weltuntergangsdrohung den neuen Erneuerbaren zu Subventionen. Weil die Schweiz und Deutschland aber auch noch auf die Atomkraft verzichten wollen, lassen sich die gewünschten Klimaziele ohne Verzicht nicht erreichen. Eine künstliche Rationierung drängt sich auf. Der Aufruf zur 2000-Watt-Gesellschaft ist der Versuch einer solchen Rationierung. Kernenergie ersetzt die fossile Wind und Sonne alleine werden nie ausreichen, um 10 Milliarden Menschen mit Energie zu versorgen. Die IEA hält in ihrem Energy Outlook 2014 fest, dass Kernenergie eine der wenigen Optionen sei, fossile im grossen Stil zu ersetzen. Ein Mangel besteht nicht. Im Gegenteil, noch nie waren die Reichweiten aller Energieträger so gross wie heute, trotz eines stetig steigenden Bedarfs. Peak Oil hat immer noch nicht stattgefunden, weder ein Peak Gas noch ein Peak Kohle sind in Aussicht. Kernbrennstoffe gibt es im Überfluss. Sonne und Wind sind wertvoll, wenn deren Speicherbedarf gelöst ist. In einer hochentwickelten Wirtschaft wird das trotzdem nicht als Freipass zu Energieverschleuderung verstanden. Der vernünftige Umgang mit Energie ist der Kern ökonomischen Handelns und in jedem Fall ein Wettbewerbsvorteil. Ökonomie ist keinesfalls eine Erfindung des Kapitalismus, es ist ein fundamentales Prinzip, das gerade in natürlichen Systemen wie der Tier- und Pflanzenwelt zur Perfektion entwickelt ist. Diese Perfektion entstand durch Trial und Error. Die Natur kennt keine Verbote, nur Erfolg und Misserfolg. «DER WOHLSTAND HAT SICH NOCH NIE DURCH REGULIERUNG VERMEHRT.» Der Wohlstand der Menschheit hat sich immer nur mit Erfindungen verbessert, nie durch Regulierungen. Erfindungen werden auch in Zukunft alle Prognosen über den Haufen werfen. Die ökonomischsten Energieträger werden sich durchsetzen. Aus diesem Grund darf weder der Wirtschaft noch der Wissenschaft vorgeschrieben werden, in welcher Richtung sie zu forschen hat. Verbote wie Subventionen ­nehmen kommenden Generationen die Freiheit eigener Entwicklung vorweg. Das Buch ist kein Plädoyer zur Bevorzugung einer spezifischen Energieressource, sondern ein Plädoyer für eine Energiepolitik, die sich an Fakten und nicht Ideologien orientiert. «Der 2000-Watt-Irrtum», Münster-Verlag, 165 Seiten. ISBN: 978-3-905896-56-5.  Markus O. Häring STROMHANDEL Das fehlende Puzzleteil Binnen zwei Jahren wurde der Stromhandel zu einem der entscheidenden Pfeiler des Stromsystems. Gleichzeitig hat sich der Handel mit Strom von der nationalen auf die europäische Ebene verlagert. Die Schweiz nimmt dabei eine Sonderrolle ein. Der Schweizer Strommarkt ist ein liquider und reifer Markt, der hervorragend mit den Nachbarländern vernetzt ist – dank der 40 grenzüberschreitenden Leitungen. Seine geographische Lage und sein Energiemix weisen ihm eine wichtige Rolle als Transitland und Flexibilitätsanbieter zu. Es ist beinahe eine Ironie der Geschichte, dass die EPEX SPOT einer der Treiber der Integration der Strommärkte ist – und dabei mit der Schweiz eine der letzten Inseln ausserhalb der europäischen Marktkopplung betreibt. Die europäische Strombörse EPEX SPOT wurde 2008 gegründet. Sie betreibt die kurzfristigen Strommärkte in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz sowie in Belgien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich durch ihre Tochter APX. Um die lokale Verankerung zu verstärken, ist die EPEX SPOT seit 2014 mit einer Niederlassung in Bern vertreten. Insgesamt entsprechen die von der EPEX SPOT und APX abgedeckten Länder etwa 50 Prozent des europäischen Stromverbrauchs. Etwa ein Drittel des Stromverbrauchs der acht Länder wird an der Strombörse gehandelt. Paradoxe Situationen Grenzüberschreitende Leitungen existieren bereits seit langer Zeit, nur mussten Händler eigenständig Kapazität beim Netzbetreiber reservieren. Dadurch entstanden Fehler, etwa wenn sich die Preise auf beiden Seiten der Grenze anders entwickelten als vorhergesagt. In solchen Fällen kommt es zu paradoxen Situationen, in denen Strom in einem Land teuer eingekauft, exportiert und schliesslich in einem anderen Land günstig verkauft wird – ein ökonomischer Unsinn. Das Prinzip der Marktkopplung setzt genau hier an. Übertragungskapazität an den Grenzen wird nun jeden Tag an die Börsen gemeldet. Diese ermitteln dann die Preise. In einem zweiten Schritt werden die Kapazitäten an den Grenzen genutzt, um Strom von Niedrigpreisgebieten in Hochpreisgebiete fliessen zu lassen. Dies sorgt für eine effiziente Nutzung der grenzüberschreitenden Transportkapazitäten und verringert Preisunterschiede und es entstehen Effizienzgewinne in Millionenhöhe. Der Schweizer Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid und die EPEX SPOT haben Ende 2014 alle technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Schweiz mithilfe der PCR-Lösung an ihre Nachbarn und den Rest Europas anzuschliessen. Seitdem könnte die Marktkopplung der Schweiz mit den vier Nachbarländern mit einer Vorlaufszeit von drei bis sechs Monaten umgesetzt werden. Nichtteilnahme gleich Abkoppelung? Während der letzten Jahre haben die Schweiz und die Europäische Kommission ein bilaterales Stromabkommen verhandelt, das den Marktzugang von schweizerischen Handelsteilnehmern im europäischen Strommarkt ermöglichen soll. Im Jahr 2014 konnten Fortschritte erzielt werden, welche in einem gemeinsamen Abkommensentwurf festgehalten sind. Jedoch soll der Abschluss des institutionellen Abkommens und jeglicher neuer Marktzugangsabkommen aus Sicht der EU zudem von einer Gesamtbeurteilung des Verhältnisses Schweiz–EU durch die EU abhängen. Der Bundesrat sieht in der Nichtteilnahme einen ersten Schritt einer Abkopplung der Schweiz vom europäischen Strombinnenmarkt. Durch die kompliziertere Vermarktung der flexiblen Wasserkraft würde ein Wettbewerbsvorteil wegfallen, zusätzlich würden Preise für die Endverbraucher steigen. Schon heute entstehen Verluste in Millionenhöhe durch die fehlende Kopplung an den Schweizer Grenzen. Die Vorstellung, dass in der Zukunft Stromleitungen um die Schweiz herumgebaut werden, anstatt den Schweizer Energiemix als gewinnbringenden Baustein des europäischen Strommarktes zu nutzen, erscheint paradox. Einen echten europäischen Binnenmarkt kann es ohne die Schweiz nicht geben – denn es fehlt ein Puzzlestück.  Davide Orifici,  Leiter EPEX SPOT Schweiz AG