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Der Riesen-Magnetowiderstand Seminar: Elektrodynamik & Spezielle Relativität
Tim Adler 10.07.2015 In dieser Ausarbeitung werden die physikalischen Grundlagen der Riesen-Magnetowiderstands dargestellt. Nach einer kurzen Einführung, um den Effekt in den geschichtlichen Kontext einzuordnen, wenden wir uns den Leitungseigenschaften ferromagnetischer Metall zu. Das “Zwei-Ströme”-Modell dieser Metalle ist der Hauptansatzpunkt zur Erklärung der drastischen Widerstandsänderung. Im Anschluss gehen wir auf den Material- bzw. den experimentellen Aufbau ein und geben eine Näherung für die Widerstandsänderung bei niedrigen Temperaturen an.
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung
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2 Ferromagnetische Materialien 2.1 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Leitungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Materialaufbau
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4 Trennschicht-Kopplung
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5 Der GMR-Effekt
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Literatur
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1 Einführung Seit über 150 Jahren ist bekannt, dass äußere Magnetfelder den Widerstand von Leitern beeinflussen können. Diese Tatsache wurde im Jahr 1856 von William Thompson (Lord Kelvin) entdeckt und veröffentlicht [9]. Dieser sogenannte anisotrope oder gewöhnliche Magnetowiderstand führt zu einer relativen Widerstandsänderung von ca. 3-4%. Im Anschluss an diese erste Entdeckung wurden kaum Fortschritte auf dem Gebiet des Magnetowiderstands gemacht bis 1989 die Gruppen von Peter Grünwald und Albert Fert (vgl. Abb. 2) unabhängig voneinander Paper veröffentlichten, die von Experimenten mit Magnetowiderständen von 10% im Fall von Grünwald und 50% im Fall von Fert berichteten (vgl. [2], [3] und Abb. 1).
Abbildung 1: Nobelpreis-Plots, aus [8]
Abbildung 2: Peter Grünberg und Albert Fert Der Effekt tritt bei zu jener Zeit neuentwickelten Materialien auf, den sogenannten Supergittern. Mit der Perfektion der Herstellung dieser Materialien können heute Widerstandsänderungen im Bereich von über 100% erreicht werden. Dies hatte bahnbrechende Auswirkungen auf die Industrie. Jede moderne (nicht-SSD-) Festplatte macht sich den als Riesen-Magnetowiderstand getauften Effekt zu nutze. Nicht allein deshalb erhielten Peter Grünberg und Albert Fert für diese Entdeckung und ihre (teilweise) Erklärung den Nobelpreis für Physik im Jahr 2007. Im folgenden wollen wir auf die theoretischen Grundlagen eingehen, die den Riesen-Magnetowiderstand (engl. Giant Magnetoresistance, kurz GMR-Effekt) erklären können. Dazu werden wir uns zuerst mit den Leitungseigenschaften von Ferromagneten und danach mit dem Aufbau von Supergittern und dem Einfluss von paramagnetischen “Verunreinigungen” auf Ferromagneten auseinandersetzen. Diese Prozesse zusammen können den GMR-Effekt erklären. Wir orientieren uns bei unserer Darstellung stark an der Nobelpreiszusammenfassung [8].
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2 Ferromagnetische Materialien 2.1 Aufbau Die Leitungseigenschaften von Metallen können durch das Bandmodell erklärt werden. Grundsätzlich ist für uns nur interessant, dass jedes Atom im Metallgitter eine gewisse Anzahl an Elektronen an das Leitungsband beisteuert, die für die Stromleitung verantwortlich sind. Nun hat jedes Elektron einen Spin und wie sich zeigt, ist der Elektronen-Spin ausschlagebend für die ferromagnetischen Eigesnchaften eines Materials (vgl. [6]). Das bedeutet in nicht magnetisierten Materialien liegen gleichviele Elektronen mit Spin Up und Spin Down vor, in ferromagnetischen Materialien jedoch nicht. Dies wirkt sich direkt auf die Bandstruktur des Metalls auf (vgl. Abb. 3), d.h. die Leitungsbänder für die beiden Spin-Polarisierungen, sehen sehr unterschiedlich aus, was die Vermutung nahelegt, dass die beiden unterschiedlich polarisierten Elektronen unterschiedliche Widerstände erfahren.
Abbildung 3: Bandmodell für Ferromagnete, aus [8] Im Folgenden betrachten wir wie sich die unterschiedlichen Widerstände von den Spin Up und Spin Down Elektronen auf den Gesamtwiderstand des Ferromagneten auswirken.
2.2 Leitungseigenschaften Die zentrale Erkenntnis zur Erklärung des GMR-Effekts ist der unteschiedliche Widerstand für die beiden Spin-Polarisierungen der Leitungselektronen. In diesem Abschnitt werden wir eine Formel für den spezifischen Ersatzwiderstand ρ (der unabhängig von den Dimensionen des Materials, aber ansonsten proportional zum Widerstand R ist) in einem Ferromagneten in Abhängigkeit von den drei spezifischen Widerständen ρ↑ , ρ↓ und ρ↑↓ herleiten. Wir halten uns dabei an die Darstellung in [4]. Wir führen diese Berechnungen im Drude-Modell für Festkörper durch. Die Annahmen für dieses Modell sind die folgenden: 1. Wir rechnen (semi-) klassisch. 2. Wir nehmen an die Geschwindigkeit der Elektronen ist nicht-relativistisch. 3. Wir nehmen an, dass die Elektronen nur durch Stöße mit den Atomrümpfen interagieren (also keine langreichweitigen Kräfte wirken; freie Elektronen-Approximation). 4. Wir nehmen an, dass keine Coulomb-Kräfte zwischen den einzelnen Elektronen wirken (unabhängige Elektronen-Approximation).
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5. Wir rechnen das Beispiel eindimensional (nicht notwendig). Wir haben eine Spannung U an den Ferromagneten angelegt und dies führt zu einen elektrischen Feld E im Leiter. Letztendlich führt dies zum Strom bzw. zur Stromdichte j im Leiter. In erster Näherung besteht eine Proportionalität zwischen E und j und das Inverse der Proportionalitätskonstante ist der spezifische Widerstand, d.h. wir erhalten j = ρ−1 E.
(1)
Als nächsten Schritt werden wir die Stromdichten j↑ und j↓ für die beiden Spinkomponenten herleiten. Da wir klassisch arbeiten, können wir einfach die Bewegungsgleichungen für die Elektronen aufstellen. Diese lauten wie folgt: e E− m e v˙ ↓ = − E − m
v˙ ↑ = −
v↑ v↓ − v↑ − , τ↑ 2τ↑↓ v↓ v↑ − v↓ − . τ↓ 2τ↑↓
(2) (3)
Physikalisch erhöht sich die Geschwindigkeit durch das elektrische Feld E und unter unserer Annahme, dass die Elektronen nur Energie (also Geschwindigkeit) durch Stöße verlieren, erhalten wir einen Term, der proportional zu v selbst ist und wir nennen das Inverse der Proportionalitätskonstante die Streuzeit τ . Diese ist unbekannt, aber es besteht ein direkter Zusammenhang zum spezifischen Widerstand, so dass wir in einem der letzten Schritte die Streuzeiten, wieder eliminieren können. Der letzte Term in den Gleichungen rührt daher, dass die Elektronen ihren Spin flippen könnten. Dieser Effekt trägt auch zum Energieverlust bei. Nun sind wir nur an der mittleren Geschwindigkeit unserer Elektronen interessiert. Diese entspricht der Grenzgeschwindigkeit der obigen gekoppelten Differentialgleichung. Desahlb setzen wir v˙ ↑ = v˙ ↓ = 0 und ersetzen v↑/↓ durch ihr zeitliches Mittel v¯↑/↓ . Damit erhalten wir ein lineares Gelichungssystem mit zwei Gleichungen und zwei Variablen, das sich (da die τi > 0 sind) eindeutig durch (τ↓ + τ↑↓ )τ↑ τ↑ + τ↓ + 2τ↑↓ (τ↑ + τ↑↓ )τ↓ v¯↓ = −2 τ↑ + τ↓ + 2τ↑↓ v¯↑ = −2
eE m eE · m ·
und
(4) (5)
lösen lässt. Akzeptieren wir weiterhin den theortische Fakt (vgl. [1]) ρ−1 = ne¯ v=
ne2 τ , m
(6)
wobei n die Elektronendichte im Leitungsband bezeichnet, und spalten unsere spezfischin Widerstände wie folgt in einen temperaturabhängigen und einen -unabhängigen Teil
4
ρ↑/↓ (T ) = ρ↑/↓ (0) + ρ′↑/↓ (T )
und
(7) (8)
ρ↑↓ (T ) = 0 + ρ↑↓
auf, so können wir den Gesamtwiderstand des Systems berechnen. Dass der Spin-Flip Anteil keinen temperaturunabhängigen Term besitzt, deckt sich gut mit dem Experiment, obwohl es schwierig ist theoretische Erklärungen zu finden (vgl. [4]). Als letzte Formel benötigen wir nun noch ρ(T ) =
E . j↑ + j↓
(9)
Setzen wir die Gleichugen (5), (6), (8) und (9) ineinander ein, so erhalten wir den folgenden Zusammenhang
ρ(T ) =
(ρ↑ (0) + ρ′↑ (T ))(ρ↓ (0) + ρ′↓ (T )) + (1/2)ρ↑↓ (T )(ρ↑ (0) + ρ′↑ (T ) + ρ↓ (0) + ρ′↓ (T )) ρ↑ (0) + ρ′↑ (T ) + ρ↓ (0) + ρ′↓ (T ) + 2ρ↑↓ (T )
.
(10)
Dieser Ausdruck ist durchaus involviert und es wird nicht klar, wie genau sich ein Unterschied im Widerstand der beiden Spin-Polarisierungen auf den Gesamtwiderstand auswirkt. Deshalb machen wir folgende vereinfachende Annahmen ρ(T ) := ρ′↑ (T ) = ρ′↓ (T ) und ρ(T ), ρ↑↓ (T ) ≪ ρ↑ (0), ρ↓ (0). Diese Annahme ist für niedrige Temperaturen gerechtfertigt und da die Experimente von Albert Fert bei 4, 2K durchgeführt wurden, ist dieser Grenzfall durchaus interessant. Wir entwickeln den Ausdruck nun bis zu den linearen Termen in ρ(T ) und ρ↑↓ (T ) in einer Taylor-Reihe. Damit erhalten wir 1 1 ρ(T ) = ρ(0) + ρ(T ) + 2 2
(
ρ↑ (0) − ρ↓ (0) ρ↑ (0) + ρ↓ (0)
)2 (ρ(T ) + ρ↑↓ (T )),
(11)
−1 wobei ρ(0) über ρ−1 (0) = ρ−1 ↑ (0) + ρ↓ (0), also als Ersatzwiderstand für die temparaturunabhängigen Widerstände, definiert ist. Der dritte Term macht nun klar, dass die Differenz zwischen ρ↑ (0) und ρ↓ (0) erst gewisse temperaturabhängige Effekte auslöst, z.B. spielt SpinFlip nur bei unterschiedlichen spezifischen Widerständen eine Rolle. Allerdings wird auch klar, dass bei sehr niedrigen Temperaturen (also für ρ(T ) ≈ 0 ≈ ρ↑↓ (T )), einfach mit dem Ersatzwiderstand für eine Parallelschaltung gerechnet werden kann. Diese Näherungen ist diejenige, die wir im Folgenden verwenden werden.
3 Materialaufbau Die eigentliche Probe, an der der GMR-Effekt gefunden wurde, bestand nun aus zwei Metallen, die in sehr dünnen Schichten zu einem sogenannten Supergitter aufgetragen wurden. Die eine
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Abbildung 4: Supergitter, aus [8] Schicht bestand aus Eisen (grüne Schicht in Abb. 4), also einen Ferromagneten, und die Andere aus Chrom (graue Schicht in Abb. 4), einem Paramagneten. In Grünbergs Experiment ([3] und Abb. 4 links) wurde eine Schicht Chrom von zwei Eisenschichten umhüllt; Fert ([2] und Abb. 4 rechts) verwendete mehrere (bis zu 60) Eisen-ChromBlöcke hintereinander. Wir werden hauptsächlich mit Grünbergs experimentellem Aufbau arbeiten, da er einfacher greifbar ist. Physikalisch spielt sich in beiden Aufbauten natürlich das gleiche ab und die Erhöhung der Schichtzahl führt zu stärkeren Widerstandsänderungen. Wir sehen also, dass der GMR-Effekt mit dem Zwischenspiel von ferro- und paramagnetischen Metallen zusammenhängt. Dieses werden wirh im nächsten Abschnitt genauer untersuchen.
4 Trennschicht-Kopplung Wir müssen nun also die Frage beantworten, wie sich eine paramagnetische “Verunreinigung” auf das anliegende ferromagnetische Material auswirkt. 1986 zeigten Majkrzak et al. in [5], dass diese Verunreinigungen zu einer Oszillation der Spin-Kopplungskonstante J (über den Abstand zur Verunreinigung) führt (vgl. Abb. 5).
Abbildung 5: Spin-Oszillation, aus [8] J geht nun aber wie folgt in die Energie unseres (Modell-) Systems ein: Hex = −
∑
J ij · si · sj
i