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- Deutsche Mittelstands Nachrichten

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Ausgabe 11 18. März 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Mittelstand Verlangsamter Welthandel belastet deutsches Wachstum Zwei Wirtschaftsinstitute haben ihre Prognose für das deutsche Wachstum in diesem Jahr überraschend gesenkt Ö drang dazu führen, dass die registkonomen blicken zunehmend rierte Arbeitslosigkeit zulegen werde. skeptisch auf die Konjunktur „Die Inflationsrate dürfte von in Deutschland. Das Essener RWI-In0,4 Prozent in diesem auf 1,5 Prozent stitut senkte seine Wachstumsprogim nächsten Jahr steigen“, so die Fornose für 2016 auf 1,4 von 1,8 Prozent. scher vom RWI. „Angesichts der ex„Die Dynamik des Welthandels hat pansiv ausgerichteten Finanzpolitik sich deutlich verlangsamt“, sagte und der staatlichen Aufwendungen RWI-Konjunkturchef Roland Döhrn. im Zusammenhang mit der Flücht„Sollten sich diese Tendenzen fortlingsmigration dürfte der Budgetsetzen, wäre das Gift für eine offene, überschuss des Staates in diesem auf einen intensiven internationaEntscheidend sind auch die Investitionen der Unternehmen in Jahr im Vergleich zum Vorjahr von 19 len Warenaustausch ausgerichtete diesem Jahr. Foto: Flickr/Lieven Van Melckebeke/CC by nd 2.0 auf knapp 4 Milliarden Euro sinken.“ Volkswirtschaft wie Deutschland.“ Auch das DIW aus Berlin kappte seine Bereits im Dezember hatte das RWI seine spielt hierbei eine genauso wichtige Rolle Prognose von 1,9 auf 1,7 Prozent nach un- wie die geplante Wirtschaftsumstellung Schätzung auf 1,6 (bisher 1,7) Prozent. Der ten korrigiert. Für 2017 rechnen die For- des chinesischen Premiers Li Kequiang ver- Staat nimmt nach DIW-Schätzung 2016 rund 15 Milliarden Euro in die Hand, um scher mit einem BIP-Wachstum von nur läuft. „Die deutsche Wirtschaft dürfte ihr Flüchtlinge unterzubringen, zu versorgen noch 1,6 Prozent. Neben Schwellenländern wie Russ- Wachstumstempo in etwa halten – ohne und zu integrieren. Im nächsten Jahr liegen land, Brasilien und Venezuela ist vor allem die Ausgaben für Geflüchtete, die wie ein die Kosten demnach wohl bei 18,3 Millidie Entwicklung in China ausschlaggebend Konjunkturprogramm wirken, würde sie arden Euro. Dennoch würden die öffentfür die Gesamt-Entwicklung des Welthan- jedoch an Fahrt verlieren“, sagte auch DIW- lichen Haushalte in beiden Jahren Überdels in den kommenden Monaten. Ein kon- Präsident Marcel Fratzscher in Berlin. Ähn- schüsse schaffen. Das Plus sinke aber von junktureller Einbruch hier sei das größte lich ist es auch im Bericht des RWI zu lesen. 0,6 Prozent der Wirtschaftskraft 2015 auf Risiko. Die Entwicklung der Rohstoffpreise Gleichzeitig aber werde der Flüchtlingsan- 0,5 Prozent in diesem und auf 0,4 Prozent Analyse Digitalisierung droht Mittelstand zu spalten Messen wie die Cebit und die IAA zeigen, wie stark die Digitalisierung in unseren Alltag und in unsere Gesellschaft bereits vorgedrungen ist. Allerdings könnte mit der Schnelligkeit der technischen Entwicklung gerade auf viele Mittelständler ein großes Problem in Sachen Digitalisierung zukommen. „Die große Bedeutung, die digitale Technologien heute schon in vielen Betrieben einnehmen, zeigt, wie weit vorne viele Mittelständler bei der technologischen Innovation sind“, sagt Peter Englisch von Ernst & Young. „Allerdings drohen manche den Anschluss zu verlieren.“ Nur 57 Prozent der Betriebe, die sich derzeit in einer schlechten Geschäftslage befinden, erwarten, dass für sie die Bedeutung digitaler Technologien in den kommenden Jahren zunehmen wird. Die aktuelle Studie des Unternehmens zeigt auch, warum. Bei etwa jedem dritten Unternehmen verhindern bestimmte Aspekte wie Geldmangel und Mangel an Fachpersonal, dass mit der fortschreitenden Digitalisierung mitgehalten werden kann. Wie stark der Faktor Geld bei der Digitalisierung eine treibende Kraft darstellt, zeigt ein Blick auf die Größe der Unternehmen. Bei den Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 30 Millionen Euro im Jahr sagen 43 Prozent, digitale Technologien würden eine sehr große bzw. mittelgroße Rolle spielen. Bei den Betrieben zwischen 30 und 100 Millio- nen Euro Umsatz sind es bereits 59 Prozent und ab der Umsatzklasse 100 Millionen und aufwärts sind es 63 Prozent. „Die Unternehmen sollten sich besser in guten Zeiten für die Digitalisierung rüsten“, so Englisch. „Wenn die Zeiten schlechter werden, wird sich die Spreu vom Weizen trennen und Unternehmen mit konsequenter Digitalisierungsstrategie werden einen Vorteil im Wettbewerb haben.“ Vor allem in der Industrie und im Bau wird die Bedeutung der digitalen Technologien noch unterschätzt. Nur 14 Prozent der Unternehmen erachten die Bedeutung als sehr groß. Obwohl gerade hier viel durch neue Technologien verändert werden könnte. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 Prognose des DIW Berlin: Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland. Grafik: DIW im kommenden Jahr. „Die Risiken für die Weltkonjunktur haben zugenommen“, so der DIW-Bericht. „Insbesondere die erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten und die teilweise Verschlechterung der privaten Finanzierungsbedingungen könnten das Wachstum belasten.“ Ein weiteres Risiko für die Prognose sei zudem in einer fortbestehenden Deflation im Euroraum zu finden. Sie würde zu Kaufzurückhaltung bei Haushalten führen und den privaten sowie staatlichen Schuldenabbau erschweren. Das RWI und das DIW, die beide die Bundesregierung beraten, erwarten Impulse vor allem vom privaten Konsum. Wegen der eher schwachen globalen Konjunktur halten sich dagegen viele Firmen mit Ausgaben zurück. „Investitionen sind die Achil- 18. März 2016 lesferse“, sagte Fratzscher. Er erwartet für das nächste Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet mit 1,6 Prozent. Zuletzt senkten auch die Konjunktur-Experten des Kieler IfW-Instituts und des HWWI aus Hamburg ihre Prognosen. Im Januar waren die deutschen Exporte den zweiten Monat in Folge gesunken. Im Vergleich zum Januar 2015 fielen die Exporte sogar um 1,4 Prozent auf 88,7 Milliarden Euro. Einen stärkeren Rückgang gab es zuletzt vor rund anderthalb Jahren. Hauptgrund dafür: Die Lieferungen in die Länder außerhalb der Europäischen Union schrumpften um 5,0 Prozent. Wirtschaft Defizit: Regierung will Milliarden in Netzausbau stecken Sigmar Gabriel will die Digitalisierung mit einem milliardenschweren Programm zum Ausbau von Glasfasernetzen vorantreiben Sigmar Gabriel will nach der E-Prämie nun auch Geld in den Ausbau der digitalen Infrastruktur stecken. Foto: Flickr/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/CC by 2.0 D er bis 2018 geplante, flächendeckende Ausbau mit Breitbandanschlüssen mit einer Übertragungsrate von 50 Megabit pro Sekunde soll demnach um ein Glasfasernetz ergänzt werden, das 20mal schneller ist. Das soll der Staat mit rund zehn Milliarden Euro fördern. Ein flächendeckender Ausbau erfordert dem Ministerium zufolge Investitionen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro. „Rund drei Viertel der deutschen Bevölkerung leben in Ballungsgebieten, wo der deutsche Breitbandmarkt eine hohe Wettbewerbsintensität aufweist und ein marktgetriebener Ausbau von Gigabitnetzen zu erwarten ist“, heißt es in der Studie. „In manchen Gebieten findet jedoch kein Netzaufbau statt, weil er sich betriebswirtschaftlich nicht rechnet.“ Um auch den ländlichen Raum zu erschließen, soll der Staat helfen. Gabriel schlägt dazu einen Investitionsfonds vor. Er soll mit rund zehn Milliarden Euro gefüllt werden. „Als Finanzierungsquelle kommen beispielsweise die Erlöse der nächsten Frequenzversteigerung infra- ge.“ Die aktuellen UMTS-Frequenzen laufen 2020 aus. Gabriel schlägt zudem vor, die Förderung von Start-ups zu verbessern, die Forschung stärker zu fördern sowie kleinen und mittleren Unternehmen bei der Digitalisierung zu helfen. Für letzteres soll ein „Digitales Investitionsprogramm Mittelstand“ mit einem Volumen von einer Milliarde Euro bis 2018 gestartet werden. Gabriel macht sich außerdem für eine Digitalagentur stark. Hier soll der Staat seine Zuständigkeit für den Bereich bündeln. Bislang ist diese auf Bundesnetzagentur, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und dem Bundeskartellamt aufgeteilt. Innovation Schwedisches Start-up sagt Autoindustrie den Kampf an Uniti heißt ein neues Elektroauto, dessen Macher für sich beanspruchen, die Autoindustrie durcheinander zu wirbeln H ört man Schweden und Autos, denkt man noch immer an den Saab. Der schwedische Klassiker hat allerdings derzeit eher mit Absatzproblemen nach der Übernahme zu kämpfen als mit zu vielen Innovationen. Nun will ein junges Team das neue Bild eines schwedischen Autos prägen. Das Elektroauto Uniti wird derzeit in Lund entwickelt. Statt auf altbekannte Formen zu setzen, haben sich die Entwickler ein neues, ungewöhnliches Design einfallen lassen, welches dem zukünftigen Eigentümer des Autos auch äußerlich etwas Innovatives bieten will. Etwa 90 Kilometer pro Stunde 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 Bei Uniti sitzt man wie bei einem Tandem hintereinander im Auto. soll das Auto fahren können. Es ist mit einer 9kWH Lithium-Lionen-Batterie, einer Backup-Batterie und einem 15 kW Foto: Uniti AC-Motor ausgestattet. Das Auto soll lediglich 400 Kilogramm wiegen und ausschließlich als Stadtauto genutzt wer- 18. März 2016 den, so die Entwickler. Zwei Sitze bietet das Innere, diese sind hintereinander angeordnet. Gas- oder Bremspedale gibt es nicht. Alles wird über ein Lenkrad geregelt. Das Material ist recycelbar, es besteht aus Hanf und Flachsfaserbioverbundstoffen. In Sachen technischer Entwicklung und Design setzt das Unternehmen auf Transparenz. Es wurden keine Patente angemeldet, sodass sich auch andere Start-ups bzw. Unternehmen die bisherigen Errungenschaften von Uniti zunutze machen und diese entsprechend weiterentwickeln können. Noch ist Uniti nicht auf der Straße, doch bis Ende des Jahres soll das Konzept stehen, sagte einer der Entwickler den Deutschen Mittelstands Nachrichten. Finanziell kann das junge Unternehmen auf Sponsoren setzen. Die Reichweite liegt derzeit bei 150 Kilometern. Innovation BASF will mit Niederländern recycelbaren Kunststoff entwickeln Zusammen wolle man ein neues recycelbares Plastikprodukt herstellen. Sitz des Joint Ventures werde Amsterdam B ASF will mit der niederländischen wichtigste Baustein für den Kunststoff führen. Chemiefirma Avantium ein Gemein- Polyethylenfuranoat (PEF), den BASF und „Das geplante Gemeinschaftsunschaftsunternehmen zur Herstellung Avantium vermarkten wollen. PEF soll ternehmen mit BASF ist ein wichtiger eines neuen Kunststoff-Vorproduktes gegenüber herkömmlichen Kunststoffen Meilenstein bei Entwicklung und Vergründen. BASF werde an marktung dieser bahnbredem Joint Venture 51 Prochenden Technologie“ sagte Tom van Aken, Vorstandszent halten, Avantium 49 Prozent, teilten der Ludwigsvorsitzender von Avantihafener Chemieriese mit. um. „Die Partnerschaft mit Eine entsprechende dem weltweit führenden Absichtserklärung sei unChemieunternehmen verterzeichnet und exklusive schafft uns Zugang zu der Verhandlungen aufgenomnotwendigen Kompetenz, um diese Technologie zum men worden. Das Gemeinindustriellen Maßstab weischaftsunternehmen, das seinen Sitz in Amsterdam terzuentwickeln.“ haben soll, werde mehr als Derzeit produziert 50 Mitarbeiter beschäftiAvantium den Kunststoff, Blick in das Carbon Materials Innovation Center . Foto: BASF SE der vollständig wiedervergen, wovon die Mehrheit von Avantium komme. Zuwertbar sei, auf Basis pflanzsammen wollen die beiden lichen Zuckers. Im Laufe der Unternehmen das Kunststoffvorprodukt eine verbesserte Dichtigkeit gegenüber Zusammenarbeit soll am BASF-VerbundFurandicarbonsäure (FDCS) herstellen Kohlendioxid und Sauerstoff haben und standort im belgischen Antwerpen eine deshalb vor allem für Lebensmittelverpa- Referenzanlage zur FDCS-Produktion und vermarkten. Die aus nachwachsenden Rohstoffen ckungen geeignet sein und zu einer län- mit einer jährlichen Kapazität von bis zu hergestellte Furandicarbonsäure ist der geren Haltbarkeit der verpackten Ware 50.000 Tonnen errichtet werden. 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 18. März 2016 Immobilien Kredite für Wohn-Immobilien werden drastisch eingeschränkt Den Banken sind die Hände gebunden. Die Auswirkungen werden gravierend sein A m 21. März tritt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft. Dieses neue Regelwerk erschwert die Vergabe von Krediten zur Wohnungsfinanzierung dramatisch. Somit kommt zu den schon bestehenden Bremsen aus Basel II und Basel III eine weitere Behinderung von Finanzierungen hinzu. Aus der Fülle der Bestimmungen lassen sich einige, entscheidende Kernpunkte herausarbeiten: – Im Vordergrund steht die Auflage, dass die Banken darauf achten müssen, dass sich die Kunden den Wohnungskredit auch leisten können. Was wie eine selbstverständliche Banalität klingt, stellt sich als Kreditverhinderung heraus. Die übliche Feststellung der Bonität der Kunden genügt nicht mehr. Die Bank muss nachweisen können, dass sie umfangreiche Recherchen angestellt hat, dass nach aller Voraussicht mit der regulären Abstattung der Finanzierung zu rechnen ist, dass die Kunden auch eine starke Anhebung der Zinsen verkraften können. Ist eine derart gründliche Prüfung nicht nachweisbar und die Kreditnehmer können die Raten nicht mehr oder nicht pünktlich zahlen, so sind die Ansprüche der Bank in Gefahr. – Die Richtlinie greift auch in die Abwicklung ein. Banken können im Gespräch EZB-Chef Mario Draghi. mit den Kunden nicht einfach Aufschübe und ratenfreie Perioden vereinbaren. – Vor allem bestimmt die Richtlinie, dass die Immobilie als Besicherung keine besondere Beachtung verdient. Der Fokus liegt auf der Einkommenssituation der Kreditwerber. – Nachdem aber diese Regeln naturgemäß nur bei der Vergabe des Kredits zur Anwendung kommen können, spielt selbstverständlich der Wert der Immobilie als Pfand dennoch eine wichtige Rolle. – Aber auch hier greift die Richtlinie im Zusammenwirken mit der Basel-IIIVerordnung CRR ein: Die Banken müssen eine fachkundige und somit glaubwürdige Beurteilung des Schätzwerts der Immobilie haben und bei der Belehnung in Relation zu diesem Schätzwert einen angemessenen Spielraum einhalten. – Der Fokus auf die Einnahmen der Kreditwerber besagt auch, dass Bürgschaften und Verpfändungen von Werten etwa aus dem Kreis der Familie keine größere Rolle spielen dürfen. Die Konsumenten werden vor sich selbst geschützt und am Aufbau von Werten gehindert. Unter diesen Umständen muss die Wohnbaufinanzierung zurückgehen. Die Initiatoren der Richtlinie wollen die Ver- Foto: Flickr/INSM/CC BY-ND 2.0 braucher vor eine Überforderung schützen. Man übersieht, dass auf diese Weise vor allem Jüngere kaum ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung erwerben können. Auch Ältere, die in eine kleinere Wohnung wechseln wollen, sind im Hinblick auf die Rente betroffen. Nur gut Verdienende zwischen 30 und 50 entsprechen den EU-Regeln und diese haben meist ihren Wohnbedarf schon gedeckt. Die banale Bankpraxis lehrt zudem: Neben dem aktuellen Einkommen ist die Bereitschaft der Kreditwerber entscheidend, sich ein eigenes Zuhause zu schaffen und es ist Sache des Bankmitarbeiters, die Verlässlichkeit des Kunden einzuschätzen. Kredit bedeutet glauben. Es geht um das gegenseitige Vertrauen. Diese nun in Gesetze gegossene Richtlinie nimmt nicht zur Kenntnis, dass eine Bank auch ohne EU-Regeln nicht daran interessiert ist, die Kreditwerber zu überfordern und in einer Krisensituation das Eigenheim ihrer Kunden zu versteigern. Die geringe Ausfallsquote beweist, dass diese Grundsätze auch weithin berücksichtigt werden. Gibt es keine Kommunikation zwischen den EU-Finanzpolitikern? Die zusätzliche Kreditbremse und das Datum des Inkrafttretens sind besonders bemerkenswert. Erst vor wenigen Tagen hat die Europäische Zentralbank das Zinsniveau auf 0 Prozent gesenkt, den Ausbau der Negativzinsen und die Vergrößerung der Geldschwemme angekündigt. Offenkundig sind die Spitzen der EUWirtschaftspolitik nicht in der Lage, zu kommunizieren und ihre Handlungen zu koordinieren. Wie wäre es sonst möglich, dass die Führung der Zentralbank an die Wirkung der Geldschwemme glaubt, sich nur über das Ausbleiben des Erfolgs wundert, unbeirrt die schon bisher erfolglosen Maßnahmen verstärkt und nicht realisiert, dass die vielen Kreditregeln wie eine Staumauer gegen die Geldschwemme wirken. Die existierenden Vorschriften verhindern, dass das reichlich und billig zur Verfügung gestellte Geld in der Wirtschaft ankommt, nun gibt es eine weitere Schranke. 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 Interessant ist ein besonderes Phänomen: Bei der EZB angesiedelt ist die Aufsicht über die großen Banken. Diese Institution wacht über die Umsetzung von Basel III, nimmt Stresstests vor und zwingt die Kreditunternehmungen zur Vorhaltung hoher Eigenkapitalbestände. Manche Aufseher erkennen allerdings bereits, dass viele Vorschriften überzogen sind, der Wirtschaft schaden und den Banken nicht unbedingt von Nutzen sind. Man hört immer wieder, dass in diesem „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) Verständnis für die im Gefolge der Kreditbremse entstandenen Probleme aufkeimt. Die Linken-Abgeordnete Caren Lay kritisierte das Gesetz im Bundestag als erneuten Kniefall vor der Bankenlobby. Davon ist allerdings bei den Maßnahmen der EZB-Führung wenig zu spüren. Ironie der Finanzpolitik: Derzeit gerät die ohnehin als scharf verschriene Bankenaufsicht SSM unter den Druck der neuen Behörde, die für die Abwicklung von Krisenbanken zuständig ist: Aus dem „Single Resolution Mechanism“ (SRM) kommt die Forderung nach einer Verschärfung der Basel-III-Regeln, um die bereits drastisch verringerte Risikobereitschaft der Banken noch weiter zu drosseln. Zuständig für eine Korrektur der Kreditbremsen wären die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EZ-Rat der Regierungen. Diese sind aber von der segensreichen Wirkung ihrer Richtlinien und Verordnungen überzeugt und merken nicht, dass die Flaute in Europa sehr entscheidend auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die Unternehmen und die Haushalte kaum noch Kredite bekommen. Von einem Binnenmarkt kann keine Rede sein. In dieses Umfeld fügt sich die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie ein. Neu ist das falsche Wort. Die Richtlinie wurde bereits 2014 beschlossen und musste von den Mitgliedstaaten in nationales Recht gegossen werden, damit die Bestimmungen am 21. März 2016 in Kraft treten können. Es gibt somit keine einheitliche Regelung, sondern 28 nationale, zum Teil noch nicht beschlossene Varianten. Man betrachte nur Deutschland und Österreich. In Deutschland wurde um jeden Satz gefeilscht, bis der Bundestag endlich im Februar 2016 den Einbau der Regeln in das Bürgerliche Gesetzbuch beschloss. In Österreich wurde hingegen ein eigenes Gesetz geschaffen. Damit nicht 18. März 2016 genug. Die Richtlinie für Wohnimmobilienkredite, die jetzt umgesetzt wird, und die Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2008 haben keine deckungsgleichen Bestimmungen, aber Überschneidungen. In den beiden Ländern wurden die Widersprüche auf unterschiedliche Weise in den Gesetzen überbrückt. Nur: Die Mitarbeiter in den Banken müssen in manchen Situationen beide Richtlinien beachten, manchmal nur die eine, gelegentlich nur die andere. Kurzum, ein Paket, das die Bereitschaft zur Wohnungsfinanzierung spürbar bremsen wird. Dabei haben viele Banken in letzter Zeit gerade die Wohnungsfinanzierung forciert, weil in den anderen Bereichen die schon bisher geltenden Bremsen besonders stark gegriffen haben. Diese „Lücke“ haben die Regulatoren jetzt geschlossen. Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. Finanzen EZB rettet die Schulden-Staaten in Europa Die EZB wird zentrale Schaltstation eines europäischen Machtzentrums. Die europäischen Sparer werden enteignet M it der radikalen Politik der EZB wird die alte Bundesbank-Tradition über den Haufen geworfen. Privates Sparen und die kollektive Altersvorsorge werden gnadenlos abgestraft. Dafür werden die Zentralbank und die Geschäftsbanken primäre Staatsfinanzierer. Mit dirigistischen Einzelmaßnahmen wird ein bestimmter Steuerungseffekt zu erreichen versucht. Das ist das Zentralbankmodell der Peripheriestaaten der 1980er Jahre bis zum Vorfeld der Einführung des Euro – ohne inflationären Beigeschmack. Die angekündigten Maßnahmen enthalten noch beträchtliches Optimierungspotential. Notenbankpräsident Draghi begründete die Aktion der EZB mit der Notwendigkeit, die Inflation auf knapp un- ter 2 Prozent anzuheben. Das kann nur ein Vorwand sein. Ohne Energiepreise, welche die Zentralbank gar nicht wesentlich beeinflussen kann, liegt die hicpInflationsrate in den letzten 12 Monaten knapp unter 1 Prozent. Das ist eine kleine Differenz zur Zielgröße, die zudem über Zweifel nicht erhaben ist. Im Wesentlichen hat die EZB die kurzen Zinsen nochmals leicht gesenkt, das Programm zum Kauf von Anleihen um 20 Milliarden pro Monat auf 80 Milliarden Euro angehoben und auf Unternehmensanleihen ausgedehnt. Zudem hat sie eine neue Fazilität geschaffen, mit denen Banken sich billiger refinanzieren können – falls sie ihre Kredite ausdehnen. Verschiedene Kommentatoren ha- ben argumentiert, dass das Paket eigentlich nicht erklärbar ist und ein wenig Verzweiflungscharakter habe. Das kann man so sehen, dürfte aber den wahren Hintergrund nicht enthalten. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, ist die ganze Übung im Charakter eine riesige Refinanzierung für die Staatsschuld aller Eurozonen-Mitglieder. Damit soll einerseits eine neue Euro-Staatsschuldenkrise vermieden und andererseits eine finanzpolitische Konsolidierung ohne zu große Opfer erreicht werden. Über einen längeren Zeitraum wird ein erheblicher Teil der Staatsschuld zu Niedrigstzinssätzen refinanziert. Sie schafft auch für die laufenden Budgetdefizite auf Jahre hinaus eine erhebliche und massive Entlastung, die 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 18. März 2016 Notenbankpräsident Draghi begründete die Aktion der EZB mit der Notwendigkeit, die Inflation auf knapp unter 2 Prozent anzuheben. Foto: EU-Kommission dringend benötigt wird. Dieses Paket ist mit Sicherheit mit den Finanzministern und sogar mit den Regierungschefs der Eurogruppe abgesprochen. In dem Sinn ist es eine undankbare Aufgabe für Draghi, der dies als geldpolitisch notwendig verkaufen muss, was in Wahrheit auch Fiskalpolitik ist und einen eminent politischen Hintergrund hat. Es ist astreine monetäre Staatsfinanzierung. Die Finanzminister und Regierungschefs können sich dann politisch mit den Erfolgen der Schuldenkonsolidierung und der verbesserten Budgetsituation profilieren. Die schwarze Null in Deutschland, die als Ausdruck soliden Finanzgebarens verkauft werden kann, ist nicht zuletzt einem Zinseffekt geschuldet. Das Programm zum Kauf der Staatsanleihen wurde im Mai 2015 eingeführt, im Dezember 2015 zeitlich und jetzt quantitativ und qualitativ ausgedehnt. Die hektische Ausdehnung des Programms dürfte auch einen eminent politischen Hintergrund haben: Mehr Austerität geht nicht mehr. Alle Regierungen, die sie durchgesetzt haben, sind diskreditiert und verloren bei Neuwahlen (Griechenland, Portugal, Spanien, Irland). Italien unter Renzi ist ohnehin im Anti-Austerity-Feld. Der Glaube, dass Austerität das richtige Rezept und nicht ohne wirtschaftliche Risiken ist, dürfte da und dort auch in den Kernländern geschwunden sein. Die größte Herausforderung steht aber erst bevor. Frankreich steht 2017 vor Präsidentschaftswahlen. Frankreich ist zusammen mit Deutschland das Kernland der Eurozone, es ist wirtschaftlich geschwächt und wird von der eigenen Bevölkerung als Marasmus ohne Perspektive betrachtet. Marine Le Pen, die Chefin des Front National, ist eine ernsthafte Anwärterin für die Präsidentschaft, weil der Sozialist (eher rechte Sozialdemokrat) Hollande und seine Partei diskreditiert sind und der nicht weniger erfolglose und zudem skandalumwitterte bürgerliche Parteichef Sarkozy ebenfalls gefährdet erscheint. In Europa zeichnen sich ein rabiater Nationalismus mit einer ganz starken Anti-EU und Anti-Globalisierungsagenda ab. Sie ködern die Wählerschaft oft mit sozialen Versprechungen, haben im Kern aber auch eine ganz andere Agenda wie in Ungarn oder neu in Polen. Die Vorstellung, dass sich in Frankreich der gleiche Protest durchsetzen könnte, muss den führenden Politikern Europas Schauder über den Rücken gejagt haben. Die mit der Einwanderung, Personenfreizügigkeit und mit der jahrelangen Austerität verbundene Angst vor sozi6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |11/16 alem Abstieg und Fremdenfeindlichkeit machen Erdrutschverschiebungen möglich. Auch der drohende Brexit hat der politischen Führungselite Europas gezeigt, dass nicht nur die Eurozone, sondern sogar die Europäische Union auf der Kippe stehen könnte. Es gab in den letzten Wochen genügend Stimmen führender Exponenten, die solche Äußerungen nur schon in Bezug auf die Flüchtlingskrise von sich gaben. Die Geldpolitik muss hier einspringen, weil es keinen europäischen Bundesstaat gibt, und keine Strukturen, um europaweite finanzpolitische Impulse setzen zu können. Außerdem will Deutschland ohnehin keine koordinierten, finanzpolitischen Impulse geben. Die quantitative Geldpolitik scheint hier einen Stimulus oder Ausweg zu bieten. Diese Ausdehnung des geldpolitischen Mandats soll andererseits die Eurozone festigen oder wegen potentieller globaler Schocks vorbereiten. Das Risiko einer global schwächeren Konjunktur und möglicher anderer Effekte verlangen ein robusteres Korsett, dies vor allem für den Bankensektor. Der europäische Bankensektor ist aufgrund seiner ausstehenden Kredite in Schwellenländern extrem exponiert. Dabei sind sicher die englischen Großbanken abzuziehen. Sie sind nicht das Problem der EZB. Aber auch der Rest der ausstehenden Kredite ist beträchtlich. Die Größenordnung der Staatsanleihenkäufe der EZB ist ganz erheblich. Die konsolidierte ausstehende Staatschuld der Eurozone beträgt per Ende 2015 rund 9.500 Milliarden Euro. Allein rund 2.000 Milliarden lagen im Eurosystem, weitere 2000 Milliarden bei den Banken. Mit dem laufenden Programm wird der Großteil dieser Staatsschuld bei der Zentralbank, bei den Banken und Lebensversicherern landen. Wenn die ausstehende Schuld so absorbiert ist, kann die EZB den Rest beliebig dominieren. Sie kann damit auf Jahre oder auch Jahrzehnte hinaus die Zinsen auch am langen Ende bestimmen. Sie setzt die Solvenz- und Liquiditätsbedingungen für die Banken und bildet so ein enormes Machtzentrum. Die folgende Grafik zeigt, welcher Teil der ausstehenden Staatsanleihen bei welchen Finanzinstitutionen lagen und liegen. Die Grafik zeigt eindrücklich den wachsenden Teil der Finanzierung der Staatsschulden durch Notenbank und Geschäftsbanken. Ihr Anteil wird innerhalb Kürze weit über 50 Prozent hinaus wachsen. Diese Verteilung und Konzentration der Staatsschulden auf die Notenbank sowie auf die Geschäftsbanken war typisch für das Modell der Notenbanken in den Peripherieländern wie Italien, Spanien, Griechenland oder Irland. Diese Notenbanken beteiligten sich nicht nur an der Staatsfinanzierung, sondern auch an der Besteuerung. Ihre Instrumente waren hohe Mindestreservesätze, Vorschriften für die Anlage der Reserven in Staatsanleihen und finanzielle Repression gegenüber den Sparern. Im Fachjargon ‚Seignorage’ genannt. Die Instrumente, wie die EZB die Banken heute dazu bringt, Staatsanleihen zu halten, sind Niedrigzinsen, Liquiditätshilfen der EZB und Risikogewichte von Null für Staatsanleihen bei den Basel III Vorschriften. Die Banken kämpfen alle mit Ertragsproblemen und mit ungenügender Kapitaldecke. Für sie die einfachste Variante ist der Carry-trade mit der Notenbank. Sie beschaffen sich Zusatzliquidität und investieren sie im Bankenbuch in Staatsanleihen. Diese müssen sie nicht mit Eigenkapital unterlegen und können so eine schöne Zinsdifferenz einstreichen. Die Versicherungen, vor allem die Lebensversicherungen, werden über die Solvenz II Vorschriften gnadenlos in die Käufe langer Staatsanleihen hinein gezwungen, gerade wenn die Zinsen sinken und sehr niedrig sind. Diese ständig expandierte Notenbankbilanz ist aber nicht nur Rettungsschirm, sondern auch gleichzeitig eine Zwangsjacke. Nachher sind Notenbankbilanz, Bankbilanzen und Staatsschulden derart eng verzahnt, dass ein Entweichen einzelner Länder nicht so leicht 18. März 2016 fällt, selbst wenn jemand wie Le Pen an die Macht kommen sollte. Die zwischen der Eurogruppe und der EZB-Spitze bei den Peripherieländern eingeübte Koordination bietet ein vielfältiges Instrumentarium, auf der virtuos mit Druck, Anreizen und Zwangshebeln unliebsame Projekte abgebügelt werden können. Es hat sich, ohne dass dies den Teilnehmern wahrscheinlich von Anfang an bewusst war, nach und nach ein neues Machtzentrum in der Eurozone gebildet, welches demokratisch höchst problematisch legitimiert und auch nicht kontrolliert ist. Dieses Machtzentrum ist, wenn man es historisch einordnen will, wohl am ehesten mit der Rolle der Notenbanken in Frankreich, Italien, Spanien oder anderen Peripherieländern zu vergleichen. Das waren im 20. Jahrhundert politisch, chronisch instabile Länder. In diesen Ländern mit schroffen sozialen und politischen Fronten bildete die Notenbank Machtzentren, die über das Geld-, Banken- und Währungsregime einen Stabilitätsrahmen und einen rigorosen Disziplinierungsmechanismus schufen. Seit Jacques Rueff war ‚la rigeur’ die eherne Doktrin französischer Notenbankiers. Die Befürchtung, dass das Ganze in einer Inflation enden wird, dürfte in der gegenwärtigen globalen Konjunkturlage unbegründet sein. In diesem Sinne kommt man dem Modell Japans näher. Aber ganz sicher hat sich die Europäische Zentralbank, die nach dem Modell der Bundesbank geschaffen wurde, transformiert. Sie wird aktiv zu einem Staatsfinanzierer umfunktioniert, welche im Rollenmodell eher der früheren Banca d’Italia, der Banca de Espana oder heute der Bank of Japan entspricht. Zentral aber ist, dass die Sparer enteignet und die kollektive Altersvorsorge geschädigt werden. Und das Risiko bleibt, dass dieses Machtzentrum mit falschen Konzepten die Schuldendeflation, die sich in den Peripherieländern als Prozess eingeübt hat, unbeabsichtigt verschärft. Ein beträchtlicher Teil der Nebenwirkungen wäre nicht einmal nötig. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin: Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de 7