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Potentiale elektrochemischer Speicher in elektrischen Netzen in Konkurrenz zu anderen Technologien und Systemlösungen (ESPEN)
Kurzzusammenfassung Das zukünftige Potential von Speichern hängt im Wesentlichen vom Netzausbau und dem zukünftigen Kraftwerkspark ab. Bei sehr großer Flexibilisierung des zukünftigen Energieversorgungssystems werden zukünftig Stromspeicher im Wesentlichen nur noch für Netzdienstleistungen mit hoher Ausgangsleistung benötigt werden. Elektrochemische Speicher sind dafür besonders geeignet. Netzausbau Elektrochemische Speicher sind in der Lage, den Netzausbau zu vermeiden oder zu verzögern, insbesondere wenn die Betriebsführung vom Netzbetreiber beeinflusst werden kann. Netzausbau, die Abregelung von Erzeugungsanlagen und Power to Heat als Option zur direkten Nutzung von Strom in Wärmesystemen sind jedoch viel kostengünstiger als Speicher. Das Potential für Speicher für die Vermeidung des Netzausbaus ist somit beschränkt auf besondere Netzsituationen. Bei weiterem Ausbau von EE-Anlagen im ländlichen Raum und einer hohen Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen mit einer, durch gleichzeitiges Laden geprägten Laststruktur, kann die Zahl von Netzpunkten, die Potentiale für Speicher bieten, aber stark zunehmen. Kraftwerkspark Ein Kraftwerkspark basierend auf stofflich gespeicherter Energie (synthetische Brennstoffe durch die stoffliche Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder Erdgas aus fossilen Quellen) ist weiterhin notwendig, da der Strombedarf bei einer Dunkelflaute technisch und wirtschaftlich nicht durch Stromspeicher gedeckt werden kann. In den nächsten 20 – 30 Jahren wird ein Großteil des jetzigen Kraftwerkparks erneuert werden. Wenn der Ersatz durch hochdynamische flexible Kraftwerke erfolgt, die bis 2050 den größten Teil des Kraftwerkparks stellen, dann ist es möglich, dem Residuallastgang mit sehr kurzen Vorlaufzeiten (z.B. weniger als 15 Minuten) sehr eng zu folgen. Kraftwerke mit An1
und Abfahrzeiten im Minutenbereich, keinen Mindeststillstandszeiten oder Mindestlaufzeiten, bestehend aus parallel geschalteten großen Gasmotoren (pro Block bis knapp 20 MW), sind kommerziell verfügbar, haben einen höheren Wirkungsgrad als Gasturbinenkraftwerke (ca. 50 %), keine Zusatzkosten für häufige Lastwechsel bzw. Start-Stop-Vorgänge und Investitionskosten in vergleichbarer Höhe zu GuD-Kraftwerken. In welchem Ausmaß derartige Kraftwerke die bestehenden, deutlich weniger dynamischen Kraftwerke ersetzen werden, hängt von vielen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Strompreise unterhalb der Brennstoffkosten oder sogar negative Strompreise kann es dann nicht mehr geben. Weiterhin wird die Einspeisung von PV- und Windkraftanlagen, die Strom ohne variable Kosten produzieren, nicht mehr zu Gunsten von Kraftwerken mit variablen Brennstoffkosten verringert werden, weil diese auf Grund des jetzigen Strommarktdesigns laufen. Speicher sind in einem derartigen hochdynamischen Kraftwerkspark im Wesentlichen nur noch in drei Fällen notwendig: 1. Bereitstellung von Netzdienstleistungen, insbesondere bei geringer oder negativer Residuallast und 2. Aufnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, wenn deren Stromproduktion den Stromverbrauch überschreitet. 3. Sicherstellung der Stromversorgung bei Netzausfall (Netzersatzanlagen und unterbrechungsfreie Stromversorgungen) Zu 1: Netzdienstleistungen Bei negativer oder geringer positiver Residuallast wäre weder der bestehende noch der zukünftige Kraftwerkspark in der Lage, alle Netzdienstleistungen zu erfüllen, es sei denn, dass Kraftwerke nur zur Bereitstellung von Netzdienstleistungen ohne Abnahme der gleichzeitig erzeugten Wirkleistung betrieben werden. Im Jahr 2050 ist für knapp 80 % der Zeit, entsprechend ca. 1.600 Stunden, mit negativer Residuallast zu rechnen (vgl. AP 3.4). Ein Kraftwerkspark, der nur zur Bereitstellung von Netzdienstleistungen mit einer Mindestleistung von angenommen 5 GW läuft, würde pro Jahr somit ca. 7,5 TWh Strom produzieren, für den es keine Abnehmer gibt. Elektrochemische Speicher alleine oder in Kombination mit anderen energietechnischen Anlagen wären in der Lage alle Netzdienstleistungen (Momentanreserve, Primär- und Sekundärreserve, Kurzschlussleistung, Netzwiederaufbau) zu erbringen. Die Entwicklung von Speichern, die zur gleichzeitigen Bereitstellung aller Netzdienstleistungen bis zur Übernahme der Stromversorgung durch den zukünftigen Kraftwerkspark in der Lage sind, ist somit eine vordringliche Aufgabe. Wie lange die Überbrückungszeit sein muss, hängt vom Anteil der hochdynamischen Kraftwerke im zukünftigen Kraftwerkspark ab. Speicher, die positive Regelleistung erbringen, können durch hochdynamische Kraftwerke nach wenigen Minuten abgelöst werden, so dass Speicher nur eine sehr kurze Überbrückungszeit benötigen werden. 2
Zu 2: Aufnahme von Überschussstrom Überschussstrom aus der Überdeckung des Strombedarfs durch Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird es ab ca. 2020 geben. Im Jahr 2050 wird unter den getroffenen Annahmen ca. 1.600 Stunden pro Jahr Überschussproduktion existieren. Bei einem hochdynamischen Kraftwerkspark wird es so gut wie keine überschüssige Produktion geben, weil Kraftwerke nie unter den variablen Brennstoffkosten eingesetzt werden müssen. Besteht der Kraftwerkspark weiterhin aus thermischen Kraftwerken, werden sich zusätzlich Zeiten ergeben, in denen Kraftwerke Strom produzieren, obwohl es keine Abnehmer dafür gibt. Bei trägen Kraftwerken sind Speicher erforderlich, um die möglichen Leistungsgradienten an den Residuallastgang anzupassen. Es wird dann aber nicht Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert, sondern Strom aus Kraftwerken. Die überschüssige Strommenge kann in Stromspeichern aufgenommen werden und später verwendet werden, statt Kraftwerke hochzufahren. Da die Kraftwerke aber aus Gründen der Versorgungssicherheit bei lang andauernder Unterdeckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Energiequellen vorgehalten werden müssen, müssen Stromspeicher mit ihren Gesamtkosten gegen die variablen Kosten der Kraftwerke konkurrieren. Dies ist nur bei extrem geringen Investitionskosten für Speicher denkbar, so dass hier kein Anwendungspotential für Speicher vorhanden ist. Überschussstrom kann aber sehr effizient und sehr kostengünstig in dualen Wärmesystemen genutzt werden, die sowohl mit stofflich gespeicherter Energie, z.B. Erdgas, als auch mit Strom, ggf. gekoppelt über eine Vergrößerung des im Wärmesystem vorhandenen Wärmespeichers, betrieben werden. Die unmittelbare Nutzung von 1 kWh Strom aus EEAnlagen ersetzt bei Nutzung in Wärmepumpen ca. 3 – 4 kWh an fossilen Energieträgern, bei direkter Nutzung in elektrisch beheizten Kesseln 1 kWh fossile Energieträger. Im Vergleich dazu ersetzt Strom aus Stromspeichern, die den Einsatz eines Gaskraftwerks mit 50 % Wirkungsgrad verhindern, 2 kWh fossile Energieträger und beim Umweg über Power to Gas ca. 0,2 kWh. Trotz des höheren CO2-Einsparpotentials von Stromspeichern im Vergleich zur direkten thermischen Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen sind aber die Investitionskosten für Stromspeicher sehr viel größer. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen ist es aber wirtschaftlicher, Erdgas zu verbrennen als Überschussstrom zu nutzen. Das Potential von elektrochemischen Stromspeichern im Verhältnis zur direkten thermischen Nutzung von Strom ist somit im Wesentlichen eine Frage der zukünftigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Zu 3: Sicherstellung der Stromversorgung bei Stromausfall Für Netzersatzanlagen und unterbrechungsfreie Stromversorgungen wird der bestehende, große Markt für elektrochemische Speicher weiter existieren.
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Weitere Erläuterungen und Hintergründe Die ersten Überlegungen zum Projekt ESPEN fanden im Jahre 2010 statt. Ausgangspunkt war die hohe Bedeutung, die Speichern für das zukünftige Energieversorgungssystem zugeordnet wurde, gekoppelt mit dem Unbehagen, dass Alternativen zu Speichern zu wenig und zu wenig systematisch untersucht wurden. Das Arbeitsprogramm war im Wesentlichen auf die Einbindung von Speichern in Netze zur Vermeidung bzw. Verzögerung des Netzausbaus ausgelegt. Als Anwendungen für Speicher wurde identifiziert: 1. Spannungsstabilisierung im Mittel- und Niederspannungsnetz 2. Speicherung zur Überbrückung begrenzter Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen 3. Leistungsspeicherung zur Sicherstellung des globalen Energiegleichgewichts und der Frequenz 4. Energiespeicher bei Netzüberlastung Nur der dritte Aspekt hat keinen direkten Bezug zur Vermeidung bzw. Verzögerung des Netzausbaus. Die Arbeiten in AP1 und AP2 haben gezeigt, dass elektrochemische Speicher technisch in der Lage sind, für die identifizierten Anwendungsfälle Lösungen ohne Netzausbau zu schaffen, solange die Betriebsführung der Speicher vom Netzbetreiber mitbeeinflusst werden kann. In AP3 wurde dagegen gezeigt, dass Netzausbaumaßnahmen, Lastmanagement, Power to Heat und hochdynamische Kraftwerke wirtschaftlicher und mit höherer Versorgungssicherheit in der Lage sind, Lösungen für die identifizierten Problemstellungen bereitzustellen. In Arbeitspaket 4 Charakterisierung, Auswahl und Tests von elektrochemischen Energiespeichern wurden u.a. die Alterung von Lithium-Ionen-Batterien untersucht. Es wurde gezeigt, dass mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen eine Batterietechnologie verfügbar ist, die sich besonders für stationäre Anwendungen auf Grund der langen kalendarischen und zyklischen Lebensdauer eignet. Anhand des genauen Alterungsverhaltens können Betriebsweisen abgeleitet werden, die speziell an die Alterung der Batterien angepasst sind. Arbeitspaket 5 Nutzung vorhandener Energiespeicher im Netz hat gezeigt, dass insbesondere die großen installierten Leistungen und Energiemengen von USV-Anlagen nicht für das Stromnetz zur Verfügung gestellt werden können. Ein Teil der Gründe sind technischer Natur, die wesentlichen Gründe sind aber die fehlende Bereitschaft und die fehlenden Anreize für die jetzigen Betreiber. In AP 6 Lebensdauerzykluskosten wurden die Lebensdauerzykluskosten für Batterien ermittelt, wobei die Abhängigkeit der Kosten pro kWh vom Energiedurchsatz eine hohe Bedeutung hat. Der Energiedurchsatz und die Häufigkeit der Nutzung von Speichern hängen in hohem Maße vom zukünftigen Kraftwerkspark und der Konkurrenz von Power to Heat als technischer und wirtschaftlich sehr günstiger Alternative ab.
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In AP 7 Regelung der Energiespeicher, Aktivierung und Überwachung wurde insbesondere die Nutzung von Batterien zur Bereitstellung von Momentanreserve und Primärregelung untersucht. Diese Anforderungen stellen ein großes Anwendungspotential für Speicher dar. Im AP 8 Rolle und Wert von Kommunikationssystemen zur Überwachung und zum Einsatz von Speichern wurde der Zusatznutzen von Kommunikation für die Betriebsführung untersucht. In AP1, 2 und 3 wurde festgestellt, dass Speicher, deren Betriebsführung nicht durch den Netzbetreiber mitbestimmt und ggf. auch unmittelbar beeinflusst werden kann, die Integration von erneuerbaren Energien sogar verhindern und Netzüberlastungen erzeugen können. In AP9 Rechtliche Rahmenbedingungen bei Bereitstellung von Speicherkapazität durch kleine, dezentral im Netz vorhandene Energiespeicher wurden existierende Hemmnisse aufgezeigt und Vorschläge zur Veränderung sowie der sich daraus ergebenden Auswirkungen dargestellt. In AP 10 Akzeptanzproblematik wurde untersucht, welche nicht technischen Hemmnisse bei der Einführung von Speichern zu erwarten sind und wie sie überwunden werden können. AP 11 umfasst das Projektmanagement sowie die Durchführung von Workshops zu verschiedenen Themen im Arbeitsprogramm, sowie die breite Diskussion der Ergebnisse mit den verschiedensten Akteuren.
Projektpartner
Technische Universität Clausthal/Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) Otto-von-Guericke Universität Magdeburg (OvGU) Fraunhofer-Gesellschaft - Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) - Fraunhofer-Institut für Windenergie- und Energiesystemtechnik (IWES) Technische Universität München (TUM)
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