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10 Wirtschaft
FREITAG, 18. DEZEMBER 2015
ZINSWENDE
| Weltwirtschaft reagiert überwiegend positiv auf die erste
Die US-Notenbank zieht einen Schlussstrich unter die jahrelange Finanzkrise Höhere Zinsen in den USA könnten den Euro weiter schwächen, was in Europa durchaus als Vorteil gesehen wird WASHINGTON/WIEN. Die Zinswen-
Wer via Smartphone Familienkontakt hält, tut sich mit der Technik leichter.
Was den Senioren beim „Wisch-Handy“ wichtig ist Linzer Emporia hat 80 Ältere in Studie beobachtet
Von Ulrike Rubasch
LINZ. Kurz vor Weihnachten überlegen manche Familien noch, der ältesten Generation ein modernes Handy zu schenken – oft auch aus Sicherheitsüberlegungen. Bisher haben 60 Prozent der Gesamtbevölkerung ein Smartphone. Der Anteil in der Altersgruppe 65+ liegt hingegen nur bei 18 Prozent. Das will der Linzer Handy-Bauer Emporia in den nächsten Jahren ändern. Seit Frühjahr hat das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern in Linz ein eigenes „Wisch-Handy“ für Ältere im Portfolio. Um den SeniorenSmartphonemarkt richtig aufzubauen, hat Emporia 80 Senioren in einem Langzeittest bei der Smartphone-Nutzung genau beobachtet. Die Ergebnisse liegen den OÖNachrichten exklusiv vor. Die entscheidendsten Kriterien, damit Ältere ein Smartphone überhaupt benützen, sind: ❚ die Größe und die Haptik: Es sollte „gut in der Hand liegen“, sagt Emporia-Chefin Eveline Pupeter. Das heißt: nicht zu dünn oder dick und nicht mit Aluminium-Oberfläche. Diese werde als „zu rutschig“ wahrgenommen und schüre die Angst, dass das kostbare Telefon aus der Hand rutscht. Das Computertelefon sollte aus Sicht der Testpersonen mindestens vier Zoll groß sein (wie zum Beispiel das iPhone 5S). 5Zoll-Handys wie das SamsungFlaggschiff Galaxy S6 sind, so die Studienergebnisse, das Maximum,
weil der Bildschirm dann nur mehr schwierig mit einer Hand (mit dem Daumen) zu bedienen ist. ❚ Eingabemöglichkeiten: Gerade für Smartphone-Einsteiger ist es sehr hilfreich, eine dem alten „Ziegelstein“-Telefon ähnliche Bedienoberfläche zu haben. Je ähnlicher, desto leichter fällt der Umstieg. Emporias Smartphone bietet hier eine Weltneuheit: ein dünnes, aufklappbares Tasten-Cover, das die Hälfte des Bildschirms bedeckt, aber auch ganz weggelassen werden kann. Ganz in alter Manier können Senioren so auf ihrem Smartphone mittels Tasten telefonieren. „Überraschend war, dass 98 Prozent der Testpersonen auf den Eingabestift (Stylus, Anm.) bestehen“, sagt Studienleiterin Sigrid Prammer, um bei der Texteingabe für SMS, E-Mail, WhatsApp mehr Bediensicherheit zu haben. Ansonsten sei das „Wischen echt cool“. ❚ Einfachheit: Je weniger Schritte zu einem Ergebnis führen, desto lieber und öfter wird eine Funktion genützt. ❚ Tarifsicherheit: Ein spielerischer Zugang funktioniert nur, wenn die Senioren keine Angst vor Kostenexplosion haben. Also Auftrag an die Jüngeren: Datentarife erklären. ❚ Konkreter Nutzen: Je konkreter ein Nutzen erkannt wird, desto schneller wird das Gerät akzeptiert. Beispiel: Video-Aufnahmen von Physiotherapie-Übungen, um zu Hause leichter zu üben.
de in den USA war erwartet worden. Auch beim Ausmaß der Zinserhöhung überraschte Janet Yellen, Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), nicht. Entscheidend wird, wie die Fed weiter agiert, und welche mittelfristigen Auswirkungen die Zinserhöhung weltweit haben wird.
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Wie haben die Finanzmärkte auf die Zinserhöhung in den USA reagiert? Positiv, vor allem in Europa. Am Donnerstagnachmittag lag etwa der deutsche Aktienleitindex DAX mit mehr als drei Prozent im Plus. Die US-Börsen reagierten schon am Mittwoch nach Bekanntgabe der Zinserhöhung mit Gewinnen. Gestern startete der Dow Jones nur leicht schwächer. Die positive Reaktion ist bemerkenswert, weil somit die alte Faustregel, dass Aktienkurse bei steigenden Zinsen sinken, außer Kraft gesetzt wurde. Auch hatte es bis vor einiger Zeit die Angst gegeben, dass von der ultralocke-ren Geldpolitik verursachte Bla-sen an den Kapitalmärkten plat-zen, sobald die Zinsen steigen.
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Warum schreckt die Zinser-höhung die Wirtschaft nichtt ab? Weil die Erleichterung g bei den Investoren überwiegt. Diee Zinswende war mehrmals ver-schoben worden, was zu Unsi-cherheit führte. „Die Angst ist nun n weg“, sagt Raiffeisen-Chefanalystt Peter Brezinschek. In Europa seii die Reaktion stärker, weil vor al-lem die europäischen Exporteuree von der US-Zinserhöhung profitie-ren sollten. Außerdem sind US-Aktien schon relativ teuer. Von ei-ner „psychologischen Meisterleis-tung“ der US-Notenbank sprichtt Teodoro Cocca, Professor für As-set Management an der Uni Linz.. Sie habe die Märkte zuerst vorbe--
reitet und nun beruhigt. Im September, als der Zinsschritt doch nicht erfolgte, gab es teils starke Aktienkursverluste. Generell signalisiert die Fed mit ihrer Entscheidung, dass die US-Wirtschaft wieder stark und die Finanzkrise ausgestanden ist.
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Wie geht es nun weiter? Es hängt davon ab, ob die Zinswende nachhaltig ist und in welchem Tempo sie erfolgt. Die Zinserhöhung sei nur ein kleiner Schritt gewesen, sagt Cocca. Für Währungen und Konjunktur sei auch entscheidend, was sich in Europa und den Schwellenländern tue. Brezinschek rechnet mit mehreren US-Zinserhöhungen 2016: „Das könnte den Dollar im zweiten Halbjahr in Richtung Parität zum Euro bringen.“ Fed-Chefin Yellen hat angekündigt, dass man ein Bündel von Indikatoren für die weiteren Entscheidungen beobachte, nicht nur die Inflation. Letztere dürfte 2016 deutlich steigen, wenn Basisefffek kte vom niedrigen Ölpreis wegfallen. Das ist jedenfalls ein Indiz für eine weitere Straffung der Geldpolitik. Die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der Fed erwarten für 2016 einen US-Leitzins-
satz von 1,375 Prozent. Dies würde vier Erhöhungen um 0,25 Prozentpunkte entsprechen.
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Welche Auswirkungen hat die US-Zinswende auf die europäischen Volkswirtschaften? Die Effekte sind tendenziell positiv. Die höheren Zinsen in den USA sollten den Eurokurs in Relation zum Dollar weiter drücken. Das ist gut für die Exporteure aus der Eurozone heraus. Importe werden freilich etwas teurer, das gilt vor allem für Öl. Aber das ist derzeit so billig, dass man diesen Effekt kaum merkt.
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Gilt das auch für die österreichische Wirtschaft? Ja, wobei unsere Exporte zum überwiegenden Teil in die Eurozone gehen. Wir profitieren aber indirekt stark als Zulieferer der deutschen Industrie. Den schwächeren Euro nannten gestern die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS als einen von vier „Helfern“ für die vorausgesagte Konjunk kturerholung im nächsten Jahr. Dazu kommen noch der niedrige Ölpreis, die Steuerreform und die kurzfristig positiv wirkenden Zusatzausgaben für die Asylwerber. All das Weltweites Lob für die Fed-Präsidentin Janet Yellen (Reuters)
Viehvermarktung Nord: Die abgesagte Leich’
Der Welser Unternehmer Herbert Handlbauer bot mehr und wird den Schlachthof in Adlwang übernehmen
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otgesagte leben länger. Das mann der Raiffeisenlandesbank jebewahrheitet sich auch bei doch die Regie und warf das Konder Viehvermarktung Nord zept von Obmann Johann Scher(VVN). Die Raiffeisen-Genossen- leithner aus Vorchdorf über den schaft sollte bei einer Generalver- Haufen. sammlung am Krampustag von Dieser hatte geplant: Ein Verein den rund 200 bäuerlichen solle die Vermarktung WIRTSCHAFT Eigentümern zur Liquidader Mastschweine der tion freigegeben werden. VERTRAULICH 200 Mitglieder übernehDie OÖN haben berichtet. men – rund 3000 sind es VON Zwei Tage vor dem Terpro Woche. Den gepachJOSEF LEHNER min äußerte sich Mitbeteten Zeilinger-Schlachtgründer Jakob Auer gegenüber den hof in Adlwang würde der österreiOÖN noch verärgert, wie die Ge- chische Marktführer, die Marchernossenschaft abgewirtschaftet Fleischwerke aus Villach, weiterworden sei und dass er nicht ein- führen. Während Geschäftsführer Norgeladen worden sei zur „Leich’“. Bei der Versammlung übernahm der bert Marcher vor dem Saal wartete, Präsident des Bauernbundes, Ab- um sein Konzept nach Beschluss geordnete zum Landtag und Ob- der Liquidation zu präsentieren,
Josef Scherleithner
Foto: VP Vorchdorf
machte Auer den Bauern hinter den Türen eine Alternative schmackhaft. Die VVN solle weiter Schweine aufkaufen und nach Adlwang liefern, wo der Welser Unternehmer Herbert Handlbauer den Schlachthof übernehme. Handlbauer werde doppelt so viel wie Marcher zahlen – 240.000 Euro – und eine Fortführung bis zum Pachtende 2019 garantieren. Marcher soll erbost von dannen gezogen sein. Zwei Sieger bleiben: Auer muss sich nicht vorwerfen lassen, in wirtschaftlich schwieriger Zeit habe eine Raiffeisen-Genossenschaft die Bauern im Stich gelassen. Handlbauer verhindert, dass Marcher zu seinem Schlachthof in Steinerkirchen ein weiteres
Standbein erhält, mitten im wichtigen Schweineproduktionsgebiet. Trotz mehrerer telefonischer Anfragen erhielten die OÖN keine Stellungnahme von den Handelnden. Sie wollten nicht erklären, warum das als gescheitert eingestufte VVN-Konzept plötzlich finanziell funktionieren sollte. Oder warum Handlbauer wenige Kilometer von seinem Schlachthof in Ried im Traunkreis entfernt längerfristig einen weiteren Betrieb führen sollte. (Er hat weitere in Linz, Pregarten, Baumgartenberg und Lambrechten.) Als Handlbauer vor zwei Jahren die Oberndorfer-Schlächterei in Ried übernahm, hatten dessen bäuerliche Lieferanten plötzlich keinen Abnehmer mehr.