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Die Weide - Bayerischer Rundfunk

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Manuskript radioWissen SENDUNG: 28.05.2015 9.05 Uhr/B2 AUFNAHME: STUDIO: Biologie Ab 9. Schuljahr TITEL: Die Weide - Baum der Korbflechter AUTORIN: Claudia Steiner REDAKTION: Dr. Gerda Kuhn REGIE: Martin Trauner PERSONEN: SPRECHERIN Christiane Bachschmidt VERSCHIEDENE SPR. (Pleschinski, Buck, Sonja Freisler (Schülerpraktikantin)) GESPRÄCHSPARTNER (O-TÖNE) Jörg Ewald, Professor für Wald- und Forstwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Korbmacherin Susanne Thiemann Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 MUSIK (z. B. Ausschnitt aus Erlkönig-Ballade/Schubert, z. B. gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau) CD237790 006 Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort? Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau. SPRECHERIN In der Ballade „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe fürchtet sich der Knabe im Arm seines Vaters vor den gespenstischen Umrissen der Weidenbäume. MUSIK (Klavierelement aus Erlkönig-Ballade hochkommen lassen und aus) Atmo/Musik More than Honey –The Spraying SPRECHERIN Tatsächlich muten die mächtigen Bäume oft wie Hexen oder Geister an, wenn sie in Flussauen im Nebel stehen. Weiden gelten seit Jahrhunderten als Symbol für Gefahr und Tod. Der germanische Totengott Widar lebte der Sage nach in der Unterwelt im Weidengebüsch. Junge Hexen sollen unter Weidenbäumen – der Heimstätte des Teufels – Gott abgeschworen und Satan ihre Seele versprochen haben. Musik aus MUSIK M0022221 004 SPRECHERIN Weiden gelten aber auch als Frühlingsboten und als Schutz vor dem Bösen. In der katholischen Kirche weiht man am Palmsonntag die Palmkätzchen der Salweide – als Symbol für Palmzweige – und hängt die geweihten Zweige hinter Wandkreuze, ins Herrgottseck oder zum Schutz der Tiere im Stall auf. In Mittel- und Ostdeutschland gibt es zu Ostern ein Ritual, bei dem junge Burschen Mädchen mit ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 Weidenruten schlagen. In Wirklichkeit sind es natürlich nur angedeutete Schläge. Dieser Brauch heißt Schmackostern – er soll die Fruchtbarkeit der jungen Frauen steigern. Musik aus SPRECHERIN Markante Weidenbäume an Brücken oder einfach das häufige Vorkommen der Bäume haben vielen Orten ihren Namen gegeben. So gehen die Ortsnamen Weiden in der Oberpfalz und Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen auf die Bäume zurück. Der Ortsname Weidach – oft gebräuchlich für Weiler – kommt in Bayern mehr als ein Dutzend Mal vor. Musik More than Honey – Harvest VERSCHIEDENE SPRECHER Aschweide, Spießweide, Korbweide, Salweide, Kriechweide, Schwarzweide, Purpurweide, Silberweide, Krautweide, Moorweide, Sandweide, Trauerweide, Lorbeerweide, Mandelweide … SPRECHERIN Weiden – auf lateinisch Salix – sind eng mit Pappeln verwandt. Sie sind in der nördlichen gemäßigten Klimazone bis zur Arktis verbreitet. Einige Arten gedeihen auch an den Küsten tropischer Regionen und in der südlichen gemäßigten Zone. Wie viele Weidenarten es gibt, ist nicht ganz sicher, in der Fachliteratur sprechen Experten von 350 bis 400 Arten. Jörg Ewald, Professor für Wald- und Forstwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf: Musik aus O-TON 1 Es gibt weltweit Hunderte von Weidenarten. In Deutschland, Mitteleuropa sind es so rund 40, das ist also auch bemerkenswert. Es gibt keine andere Baumgattung, die so viele Arten hat. Jetzt muss man allerdings sagen, dass ein erklecklicher Teil ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 Sträucher sind und davon noch mal ein Teil ausgesprochene Zwergsträucher. Es gibt zum Beispiel die Krautweide, das ist eine alpine Pflanze, die über der Waldgrenze wächst und gerade mal als Bodendecker am Boden kriecht. Die Größe von Weiden ist also extrem variabel, dem stehen dann hohe Bäume wie die Silberweide, die über 30 Meter hoch werden können, gegenüber. SPRECHERIN Nicht nur das Erscheinungsbild dieser Laubgehölze ist sehr unterschiedlich, ebenso sind es die Standorte. So wächst die Aschweide, ein bis zu sechs Meter hoher Strauch, gerne an Tümpeln oder in Moorwiesen. Die bis zu 50 Zentimeter hohe Kriechweide gedeiht dagegen eher auf Streuwiesen und in Niedermooren. Und die Purpurweide wird bis zu sechs Meter hoch und schlägt bevorzugt auf nassen und oft überschwemmten Kiesbänken aus. Auch weisen die Blätter der Weiden je nach Art ein sehr unterschiedliches Aussehen auf. Die niedrigen Kriechweiden haben winzige Blätter, asiatische Arten können dagegen bis zu 20 Zentimeter lange Blätter haben. So unterschiedlich die Weiden auch sein mögen, gemeinsam haben sie ein ganz besonderes Fortpflanzungssystem. Professor Ewald: O-TON 2 Sie sind mit ganz wenigen Ausnahmen zweihäusig, das heißt, es gibt streng getrennt männliche und weibliche Bäume. Das ist bei Bäumen nicht die Regel. Denken Sie an einen Apfelbaum, bei dem in jeder Blüte schon Staubblätter und Fruchtblätter zusammenstehen. Bei Weiden ist es strikt getrennt, das heißt, die legen größten Wert darauf, sich sexuell fortzupflanzen, dass immer Mann und Frau unterschiedliche Individuen sind. Musik More than Honey Harvest ATMO (Bienensummen aus dem Archiv) SPRECHERIN Weiden locken Bienen an, die die Bestäubung übernehmen, aber nicht mithilfe von auffälligen Farben oder besonderen Formen, wie man es von anderen Pflanzen kennt, sondern mit einem ganz speziellen Duft. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 O-TON 3 Man hat rausgefunden, dass jede Weidenart spezifische Düfte hat und dass es sogar Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen gibt, die dazu führen, dass die Bienen in der optimalen Reihenfolge zuerst zum Männchen fliegen, sich dort mit Pollen bepudern und diese Pollen dann auf die weiblichen Blüten tragen. Also das ist ein perfekt ausgeklügeltes System. Musik C147961 006(Bienensummen aus dem Archiv) SPRECHERIN Auf diese Weise kommt es gelegentlich zu Bastarden, also zu natürlichen Kreuzungen. Wenn unterschiedliche Weidenarten gleichzeitig blühen, fliegen Bienen manchmal zu den männlichen Kätzchen einer Art, und danach zu den weiblichen Bäumen einer anderen Weidenart. Imker schätzen Weiden übrigens sehr, denn die Pflanzen blühen extrem früh – die Salweide zum Beispiel bereits ab März. Sie sind somit ein wichtiger Nektarlieferant für Bienen. Bei blühenden Weiden können die Insekten die ersten Pollen für die junge Brut sammeln. Eine andere Besonderheit von Weiden ist, dass sie sich leichter als jede andere Baumart klonen lassen. Doch wie vermehrt man überhaupt Bäume? Musik aus O-TON 4 Hört sich jetzt vielleicht ein bisschen seltsam an, aber durch Abschneiden von Zweigen. Die kann man ganz einfach in den Boden stecken oder in ein Wassergefäß, und die bewurzeln sich ganz schnell und da können Sie dasselbe Individuum beliebig vermehren. Die Weiden selber haben diese leichte Klonbarkeit, die Bildung von Stecklingen, wohl entwickelt, um in den Auen neben dieser Samenausbreitung noch eine zweite Art der Vermehrung zu haben, um eben sich länger an Standorten halten zu können. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 6 Musik More than Honey - Perception ATMO (rauschender Gebirgsbach aus Archiv, dann darüber) SPRECHERIN Diese Art der Verbreitung passiert auch auf natürliche Weise. Oft werden Weidenzweige bei Hochwasser abgerissen und von der Strömung weg geschwemmt. Wenn sie irgendwo am Ufer landen, bekommen sie Wurzeln und treiben erneut aus. Oder die Samen sorgen für neue Pflanzen: Weidensamen sind sehr klein – nur etwa 1,5 Millimeter lang und sehr leicht. Sie sind mit zahlreichen winzigen Haaren besetzt. Die Samen können vom Wind kilometerweit getragen werden. Im Mai, Juni, wenn die Weiden fruchten, sind Milliarden von Samen in der Luft. Sie können aber auch gut im Wasser schwimmen, bis sie irgendwo ans Ufer gespült werden. Musik aus O-TON 5 Die sind überall, keimen aber nur an ganz speziellen Stellen, also immer nur an den Stellen, wo der Boden frisch aufgekratzt worden ist, wo offener Sand, offene Steine herumliegen. SPRECHERIN An diesen Stellen sind die Samen nämlich vor anderen konkurrierenden Pflanzen sicher und bekommen viel Licht. Die Samen sind allerdings nur für kurze Zeit keimfähig, da sie kein Nährgewebe enthalten. Um zu überleben, müssen die Keimlinge daher schon kurz nach der Landung auf dem Boden Photosynthese betreiben. Heute werden Weiden oft als Uferbefestigung angepflanzt. Eine besondere Eigenschaft der Bäume ist, dass sie lange Überflutungszeiten ertragen und sich nach Beschädigungen durch Hochwasser schnell regenerieren können. Früher dagegen wurden Weiden richtig angebaut. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 7 O-TON 6 Hier in Freising wurde zum Beispiel ein ganzes Dorf, das Dorf Oberberghausen, ausgesiedelt im 19. Jahrhundert, um ein staatliches Weidenkulturinstitut zu gründen, und dann hat man dort auf einigen Hektar ausschließlich Weiden angebaut. Das wirtschaftliche Interesse an Weiden liegt darin, dass es eigentlich die schnellwüchsigsten Baumarten sind, das heißt, wenn man sehr schnell Holz produzieren will, als Brennholz zum Beispiel, dann ist die Weide eine der leistungsfähigsten Pflanzen. / Wenn die Wasserversorgung und die Nährsalzversorgung im Boden passt, dann kann eine Weide ohne Weiteres zwei Meter Höhe im Jahr zulegen, sodass Kurzumtriebsplantagen mit solchen leistungsfähigen Weidenklonen dann alle sechs, sieben Jahre wieder geerntet werden können. SPRECHERIN Die Ernte, also das Abschneiden der Zweige, erfolgt zwischen November und Februar. Das Holz der Weide ist leicht und wenig widerstandsfähig. Daher wird Weidenholz oft für Obstkisten, Spanplatten oder als Brennmaterial für Hackschnitzelheizungen verwendet. MUSIK M0022221 004 SPRECHERIN Das Wort „Weide“ stammt übrigens vom althochdeutschen Wort „wîda“ ab – es bedeutet „die Biegsame“. Dies weist auf eine andere Verwendung hin. Seit Jahrhunderten werden aus Weidenzweigen Körbe geflochten. Die Münchner Korbflechterin und Künstlerin Susanne Thiemann arbeitet seit Jahren mit dem natürlichen Material. O-TON 7 Die Weide ist sicherlich das wichtigste Flechtmaterial für den europäischen Korbmacher, ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 8 Musik aus weil sie einfach hier überall wächst an Flussläufen. Früher gab es ja diese ganzen Weidenbäume mit dem dicken Kopf oben drauf, da wurden die Weiden wirklich jährlich geschnitten für die Flechter. Das ist leider vorbei, also die verwildern alle, diese Bäume, aber letztendlich wächst die Weide eben hier, und deshalb wird hier damit auch geflochten. SPRECHERIN Ende des 19. Jahrhunderts sollen alleine in Oberfranken 25.000 Arbeiter Korbwaren hergestellt haben. O-TON 8 Am Anfang meiner Berufstätigkeit kannte ich tatsächlich noch Korbmacher in Oberfranken, die selber Weiden geschnitten haben, auch selbst angebaut haben. Da bin ich oft hingefahren und hab mir welche gekauft. Heutzutage gibt’s kaum noch jemanden. Es gibt ein paar versprengte Korbmacher, die es noch machen, die eher so aus der alternativen Welle kommen, natürlich ganz toll, die wunderschöne Weiden anbauen. In Frankreich, Belgien, auch hier in Süddeutschland in der Nähe von Stuttgart gibt’s jemand, generell gibt es zwei, drei Händler in Oberfranken, weil da die Korbfachschule ist in Lichtenfels, da wuchsen und wachsen natürlich auch viele Weiden. Nur heute kommen die alle entweder aus Polen, Jugoslawien, Frankreich, also hier in Deutschland baut keiner mehr Weiden an, professionell nicht, für einzelne Zwecke schon, aber nicht zur Ernte. Musik More than Honey - Generations SPRECHERIN Die berühmten Kopfweiden entstehen, wenn die Kronen und die Seitenäste regelmäßig zurückgeschnitten werden. Dazu verwendet man unter anderem Silberweiden und Korbweiden. An den Schnittstellen treibt der Baum wieder aus, so dass eine buschige Krone entsteht, die tatsächlich wie ein Kopf mit verwuschelten ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 9 Haaren aussieht. Kopfweiden sind also keine eigene Art, sondern nur eine Bezeichnung für das besondere Aussehen. Korbmacher verwenden die Ruten von verschiedenen Weidenarten. Je nach Weidenart sehen die Körbe dann auch unterschiedlich aus. Susanne Thiemann: Musik aus O-TON 9 Das sind die verschiedenen Weiden, die grüne Weide ist die Steinweide, die braune ist die Amerikanerweide und die graue ist die Purpurweide. Die geschälten Weiden sind hier die hellen, hier ist überall Rinde dran. Deshalb kann man da mit den Weiden wunderbar farblich so ein Spiel in die Körbe reinbringen, bräunlich, grünlich, schwarz. SPRECHERIN Teilweise werden die Zweige mit Rinde verwendet, teilweise ohne. Früher wurden die Ruten noch per Hand geschält, inzwischen existieren Maschinen, die diese Arbeit übernehmen. Damit Korbmacher mit dem Material arbeiten und es flechten können, müssen die Zweige eingeweicht werden. Korbflechterin Susanne Thiemann: O-TON 10 Wenn man sie ein bis zwei Stunden eingeweicht hat, wird sie eben sehr biegsam und ist trotzdem sehr, sehr stabiles Material. Also wenn sie getrocknet ist, kann man sie ja kaum verformen, und wenn man mit ungeschälter Weide flechtet, muss sie wesentlich länger weichen, ein bis zwei Wochen. SPRECHERIN Für Wäschetruhen werden vor allem geschälte Weiden verwendet, damit keine Rinde auf die saubere Wäsche bröckelt. Für landwirtschaftliche Körbe oder Holzkörbe wird dagegen ungeschälte Weide genommen. Wenn die Korbmacher eine bestimmte rotbraune Färbung möchten, dann verarbeiten sie sogenannte gesottene Weide. Dabei werden die Ruten vor dem Schälen gekocht. Die Rotfärbung entsteht beim Sieden durch die in der Rinde enthaltenen Gerbstoffe. Aus Weidenruten werden nicht nur Körbe geflochten, sondern auch Möbel und Zäune. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 10 Und auch in den wunderschönen alten Fachwerkhäusern bildet ein Weidengeflecht das Tragegerüst für die Lehmwände zwischen den Balken. Dieses Tragegerüst aus Weidenruten wurde dann verputzt. Eine ganz besondere Verwendung der Weide findet in England statt Dort werden aus dem Holz einer bestimmten Silberweidenart traditionell Cricket-Schläger hergestellt. MUSIK M0022221 004 Früher haben Kinder aus Weidenzweigen Pfeifen geschnitzt. Der Zweig wurde geklopft, bis sich die Rinde löste, dann wurde das Holz wieder in die Rindenhülle gesteckt und auf der Mundseite ein Schallloch geschnitzt. ATMO (Pfeifen) SPRECHERIN Design-Säuglingsbetten und moderne Kinderwägen werden auch heute noch aus Weiden geflochten. Kinderbetten aus geflochtener Weide haben eine alte Tradition. Man denke nur an den Ausdruck „Husch, husch ins Körbchen“, wenn man Kinder schnell ins Bett bringen will, oder an Mose im Weidenkorb. Musik aus Der Erzählung nach wurde der Prophet Mose als Kind jüdischer Eltern in Ägypten geboren. Da der Pharao befahl, dass alle Söhne der Hebräer getötet werden sollten, legte ihn seine Mutter in einen Weidenkorb und versteckte den Korb mit dem Kind am Nil. Doch der Korb wurde weggespült. Die Tochter des Pharao entdeckte den schwimmenden Korb mit dem Baby und zog Mose als ihren eigenen Sohn auf. ATMO (Hämmern) SPRECHERIN Korbmacher arbeiten mit Hammer, Bohrmaschine und Schraubenzieher, aber auch mit ganz speziellen Werkzeugen. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 O-TON 11 Typisches Korbmacherwerkzeug ist das sogenannte Schlageisen, (Hämmern)also gerade für die Weidenflechterei ist das erfunden worden. Das ist so ein längeres Eisen, so vielleicht 30, 40 Zentimeter lang, früher noch Hand geschmiedet, ich hab auch noch ein handgeschmiedetes, das relativ schwer ist, und wenn man fünf bis sechs Zentimeter geflochten hat, schlägt man quasi in jeden Zwischenraum einmal rein, damit das Geflecht richtig schön dicht wird. Dann gibt es den Pfriemen, das ist wie so eine Aale, mit der man ins Geflecht reingehen kann, wenn man mal Griffe draufsetzten will, dann natürlich die Scheren und das allerwichtigste Werkzeug, (…) ist und bleibt die Hand – bis heute. SPRECHERIN Schon früh wussten die Menschen, dass Weiden nicht nur für Körbe verwendet werden können. Bereits der berühmte Arzt des Altertums, Hippokrates, soll Weidenrinde als Medizin eingesetzt haben. Aufgrund der entzündungshemmenden Eigenschaft wurden junge Zweige früher auch zur Reinigung der Zähne verwendet. Die Rinde der Pflanze enthält einen ganz besonderen Stoff: Salicylsäure. Diese hat dieselbe Wirkung wie Acetylsalicylsäure – bekannt als Aspirin. Es ist also ein Schmerzmittel aus der Natur. Nach alten Rezepturen wurde zerriebene Rinde mit heißem Wasser übergossen und als Tee gegen Fieber getrunken. WeidenrindenAufgüsse wurden früher auch bei Mandelentzündungen zum Gurgeln verwendet. Allerdings ist Salicylsäure an sich nicht sehr gut bekömmlich. Wer zu viel davon zu sich nimmt, bekommt Magen-Darm-Probleme. Jedoch gibt es Konsumenten von Weidenrinde, die die Salicylsäure so verarbeiten können, dass für Menschen ein gut verträgliches Schmerzmittel entsteht: die Biber. Sie nagen das weiche Holz von Weidenbäumen an, bis die Bäume umstürzen, und fressen dann die Zweige samt Rinde. Professor Ewald: O-TON 12 Damit nehmen sie sehr, sehr viel Weidensäure auch auf, und diese Weidensäure müssen sie dann auch irgendwie loswerden, und statt sie nur auszuscheiden, haben ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 12 die eine Drüse entwickelt, die sogenannte Geildrüse, wo diese Weidensäure mit Urin gemischt wird. Und dann entsteht ein fettiger Stoff, den sie sich ins Fell schmieren, (…) und den nennt man Bibergeil. Und dieses Bibergeil, eine ölige Substanz, hat man früher im Mittelalter gesammelt, und spätere Untersuchungen haben ergeben, dass da wirklich ein Stoff drin ist, der dem Aspirin extrem nah ist. Das heißt, der Biber hat dieses Acetyl an die Weidensäure dranhängen können biochemisch, und damit ist eigentlich die Naturform vom Aspirin entstanden. Also durch den Biber veredelt, sozusagen. Große Mengen Weidensäure und dieses Biberöl galt dann auch als Wundermittel im Mittelalter und wurde mit Gold aufgewogen. SPRECHERIN Die Drüse sitzt bei den Bibern zwischen After und den äußeren Geschlechtsorganen. Sie wurde getöteten Tieren mitsamt dem Sekret entnommen. Bibergeil wurde lange gegen verschiedenste Schmerzen, aber auch gegen Krämpfe und Nervosität eingesetzt. Dem Stoff wird außerdem eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, deshalb wurde es einst auch als Zusatz in Parfüms verwendet, und in der Homöopathie kommen Weiden unter anderem bei Nervosität zum Einsatz. Musik More than Honey – Harvest SPRECHERIN Weiden haben auch einen ökologischen Nutzen. Das Laub zersetzt sich leicht und fördert so die Humusbildung. Außerdem sind Weiden Wirtspflanzen für viele Schmetterlingsarten wie den Großen Schillerfalter. In überhängenden Wurzeln und Wurzelgeflechten im Wasser finden Insekten und Fische Schutz. Dem Wiedehopf, aber auch anderen Vögeln, dienen alte Weiden oftmals als Brutbäume. Auf alten Weidenstöcken können aber auch andere Pflanzen wie die Vogelbeeren oder die Schwarze Johannisbeeren wachsen. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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So können zum Beispiel lebende Objekte und Skulpturen, Zäune, ein Weiden-Tunnel, ein Weidentipi oder sogar eine Weidenkirche gebaut werden. Die erste Weidenkirche in Deutschland wurde auf der Internationalen Gartenausstellung 2003 in Rostock als so genannter Weidendom gebaut. In diesem lebenden Gebäude werden tatsächlich auch Gottesdienste abgehalten und Konzerte veranstaltet. Mit einer Kuppelhöhe von 15 Metern und einer Länge von 52 Metern ist der Weidendom das weltgrößte lebende Bauwerk. Musik More than Honey – Harvest SPRECHERIN Stabil, biegsam, schnell wachsend – Weiden sind auch heute noch faszinierende Bäume, sagenumworben, mit großem ökologischen Nutzen und einfach wunderschön. Musik aus ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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