Transcript
Manuskript
radioWissen
SENDUNG: Donnerstag, 26.11.2015 9.30 Uhr
AUFNAHME:
STUDIO: Biologie Ab 9. Schuljahr
TITEL:
Die Zeder Stärke, Schönheit und ewiges Leben
AUTOR:
Geseko von Lüpke
REDAKTION:
Gerda Kuhn
REGIE:
Christiane Klenz
PERSONEN
ERZÄHLER ZITATOR
GESPRÄCHSPARTNER: Ehrentraud Bayer, Biologin, Botanischer Garten München Susanne Fischer-Rizzi, Autorin, Aromatherapeutin
Musik
Atmo
Zuspielungen
Besondere Anmerkungen: ED 24.10.2013
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
ZUSPIELUNG
Atmo 1 (Rauschen von Bäumen) darüber
MUSIK C14896900001 ZITATOR
(arabischer Aphorismus)
Ich wachse langsam. Meine Zeit ist eine lange Geduldigkeit. An allem wuchs ich, was mir ward, kein Reif zu jäh, kein Frost zu hart. Ich wachs am Dunkel, daraus ich stieg, ich wachs im Licht, darin ich mich wieg. Ich wachs am Wurm der an mir nagt, ich wachs am Sturm, der durch mich jagt. Veredelnd zwing ich jede Kraft, hinaufzudehnen meinen Schaft. Ich dulde Blitz und Glut und Guss, ich weiß nur, dass ich wachsen muss. Und schau ich hoch auf alle Welt, und kommt die Stunde, die mich fällt, schmück Tempel ich und Paradies des Schöpfers, der mich wachsen ließ. MUSIK C14896900001 ENDE MUSIK C1119230002 ZUSPIELUNG
Atmo 2
(Musik Anuar Brahem, Oud) frei und drunter
ERZÄHLER Ehrfurcht und Staunen spricht aus diesem arabischen Aphorismus. Den ‚Baum Gottes’ hat man sie genannt, den ‚Lebensbaum’, den ‚himmlischen Baum’, die ‚Königin der Bäume’. Die Zeder. Seit mindestens 5000 Jahren geistert diese stolze Gehölz durch die Kulturgeschichte. Die ersten Tempel wurden daraus gebaut, Pyramiden wären ohne die Zeder nicht entstanden, als Schiffsholz diente sie den Phöniziern. Der auf Tontafeln geritzte uralte Gilgamesch-Epos aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus dreht sich um diesen Baum. Und in der Bibel erscheint er nicht weniger als 69 mal. MUSIK C1119230002 ENDE
ZITATOR: Altes Testament So spricht Gott, der Herr: Ich selbst nehme ein Stück vom hohen Wipfel der Zeder und pflanze es ein. Einen zarten Zweig aus den obersten Ästen breche ich ab, ich pflanze ihn auf einen hoch aufragenden Berg. Auf die Höhe von Israels Bergland pflanze ich ihn. Dort treibt er dann Zweige, er trägt Früchte und wird zur prächtigen
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
2
Zeder. Allerlei Vögel wohnen darin; alles, was Flügel hat, wohnt im Schatten ihrer Zweige.
ZUSPIELUNG
Ezechiel 17,23 im Alten Testament
Atmo
3
(gregorianische Gesänge, drunter und kurz frei)
ERZÄHLER Was ist das für ein Baum, der die Herzen der Menschen so berührt? Der Mythen entstehen lässt, die Jahrtausende überdauern? Der am Anfang aller Zivilisation schon ein globales Wirtschaftsgut wurde, der bis heute die Flagge des Staates Libanon schmückt ? Die Biologin Ehrentraud Bayer vom Botanischen Garten in München versucht, das Phänomen ‚Zeder’ mit einer botanischen Antwort zu ergründen.
ZUSPIELUNG
1 O-Ton: Ehrentraud Bayer
I/0:15)
Sie ist schön breitkronig. Das die Äste fast horizontal abstehen. Zedern haben im Alter dann typischerweise so eine raue Borke. Man spürt so richtig Erhebungen und sie ist zersprungen. Und fühlt sich eben rau an, hat so Erhebungen, ist aufgesprungen und Ritzen und Rillen dazwischen. (I/1:30) Wenn sie älter werden, dann haben sie im unteren Drittel fast keine Äste mehr. Sondern sind hoch und haben oben mehr oder minder schirmförmige Krone, aber in mehreren Etagen. Und die Äste - das ist auch typisch für die Zeder - stehen eigentlich rechtwinklig ab. Die sind nicht steil nach oben ab,, sondern eher so rechtwinklig ab, also breiten sich im Extrem fast tischförmig aus.
ERZÄHLER Das Aussehen eines Baumes so zu beschreiben, dass er vorstellbar wird, ist fast unmöglich. Doch eine Zeder ist ein Wesen, dass man nicht so schnell vergisst. Der tiefwurzelnde Stamm kann kräftiger werden als der einer Eiche, die langen ausladenden Seitenäste sind mächtig und stehen bis zu zwanzig Meter horizontal ab. Wie in übereinander gelagerten Schichten formen sie eine schirmartige Schattenpyramide, unter der sich die Bevölkerung eines ganzen Dorfes versammeln
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
3
kann. Ein Baum wie ein Wächter, sagt Susanne Fischer-Rizzi, Baumspezialistin aus dem Allgäu:
ZUSPIELUNG
2
O-Ton:
Susanne Fischer-Rizzi
(17:53)
Wenn Du sie anschaust, wirkt einfach die Gestalt auf Dich, sie ist einfach majestätisch. Man muss weit von ihr wegtreten, um überhaupt ihre Gestalt umfassen zu können. Wenn Du ein bisschen näher an sie herantrittst, nimmst Du ihren Geruch wahr. Und dieser Duft wirkt ganz stark auf Deine Psyche. (19:40) Eigentlich deckt sich die psychologische Wirkung, die heute bekannt ist über den Zedernduft mit dem, was schon früher in der Bibel oder in mesopotamischen Texten geschrieben wurde: dass die Zeder wie 'ein Hauch des Göttlichen' ist, der dich innerlich stabilisiert und mit dem Göttlichen wieder verbindet, nämlich mit Deiner eigenen Mitte. MUSIK C14896900001 ERZÄHLER Dabei gehört diese Königin der Bäume botanisch zu einer ganz profanen Familie. Die Gattung ‚Cedrus’, wie sie lateinisch genannt wird, stammt aus der Familie der Pinacäen, der Kieferngewächse, zu der auch Tannen, Fichten und Lärchen gehören. Und als wäre sie ein nebensächliches Gewächs, ist die Zeder hier eingeordnet in der Unterfamilie der ‚Lärchenähnlichen’. Doch anders als die Lärchen, die im Winter ihre Nadeln abwirft, ist die Zeder ein Nadelbaum, dessen spitze, fast dornigen Nadeln nur alle sechs bis zehn Jahre gewechselt werden – nach und nach, als sollte es nicht auffallen. Ein sparsamer Baum, der gerne in trockenen Bergregionen siedelt, wo er – wie alle Nadelbäume - mit wenig Wasser gut haushalten kann, erklärt Ehrentraud Bayer. MUSIK C14896900001 ENDE
ZUSPIELUNG
3 O-Ton:
Ehrentraud Bayer
(2/2:40)
Es wird praktisch die Oberfläche des Blattes, das üblicherweise bei Pflanzen das meiste verdunstet an Wasser, die Oberfläche wird praktisch reduziert, so dass es nur noch so ein Nadelblatt ist: So ein schmales und das ist meistens noch so mit Wachs überzogen. Und dieses Wachs verhindert auch noch die Verdunstung. (2/3:00) Wenn man ein großes Blatt hat, kann man viel Sonnenlicht einfangen, kann viel mit ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
4
Kohlendioxid umsetzen zum Zuckergewinnen und Stärke, also assimilieren. Wenn man nur so ein kleines schmales Blatt hat, ist man da natürlich ein bisschen reduziert. Aber dafür haben die ganz viele kleine Blätter. Und deswegen verdunsten die nicht so viel.
ERZÄHLER Und wer wenig Stärke umsetzt, wächst langsamer. In seinen ersten zehn Jahren kann so ein Baum gerade mal hüfthoch werden, erst später schießt er in die Höhe und wird manchmal bis zu 60 Meter hoch. Fast, als wäre hier ein Hinterbänkler ganz groß herausgekommen, präsentiert sich die Zeder dann als Götterbaum. Besungen und bedichtet durch die Jahrhunderte in Europa, Asien, Arabien, Afrika, obwohl ihr Auftreten eher selten ist, betont Ehrentraud Bayer:
ZUSPIELUNG
4 O-Ton:
Ehrentraud Bayer
(2/47:20)
Es gibt in Nordafrika die ‚cedrus atlantica’, die Atlas-Zeder. Dann gibt es auf Zypern eine Zedernart, die heißt 'Cedrus previpholia', also die kurzblättrige Zeder, also die kurze Nadeln hat. Die wächst nur auf Zypern auf Gebirgen. Und dann gibt es noch die Libanon-Zeder, ‚cedrus libanae’, die eben in den Gebirgen des Libanon und Syrien vorkommt. Und in der Türkei , in Anatolien im Taurus und Antitaurus. Da wird sie auch kultiviert. Im kontinentalen Europa gibt es Zedern nur als Parkbäume und in Frankreich gibt es auch Zedernanpflanzungen. Und dann gibt es noch diese Himalaja-Zeder, die im westlichen Himalaja vorkommt. Pakistan, östliches Afghanistan, Teile von Indien, Nepal und China, Tibet.
ZUSPIELUNG Atmo
4 (Tibetische Mönchsgesänge - Kreuzblende - libanesische Oud: Rabih Abou-Khalil ‚Jara’)
MUSIK C1119230011 ERZÄHLER Botaniker nehmen an, dass diese auf der Nordhalbkugel verteilten Standorte nur übrig gebliebene Relikte einer viel größeren Verbreitung sind. Das gilt besonders für die berühmte Libanon-Zeder. Da sind von einstmals 500.000 Hektar Zedernwäldern gerade mal 340 Hektar übrig geblieben, nachdem die Bestände über ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
5
Jahrtausende geplündert worden waren. Der Götterbaum ist akut bedroht – die Libanon-Zeder steht auf der roten Liste der aussterbenden Arten. In Frankreich und der Türkei, wo die Zedern für den Holzhandel gezüchtet werden, wachsen langsam Bestände nach. Doch die Zeder braucht ganz spezielle Konditionen, um zu keimen, sich auszusäen und anzuwachsen. MUSIK C1119230011 Ende
ZUSPIELUNG
5 O-Ton: Ehrentraud Bayer
(2/35:49)
Die Keimlinge kommen aus Samen und die Samen kommen aus weiblichen Zapfen. Bei der Zeder sind männliche und weibliche Zapfen auf einem Baum. Das heißt der Baum ist 'einhäusig'. Und die männlichen Zapfen geben Pollen ab - und der Pollen fliegt im September. Und die weiblichen Zapfen werden von diesen Pollen bestäubt und entwickeln dann Samen. Und diese Samen reifen innerhalb von zwei Jahre und werden dann freigesetzt. Und aus den Samen keimen dann wieder - so die Bedingungen stimmen - dann wieder neue Zedernbäume aus. (2/4:25) Zum Keimen brauchen die erst mal zwei Monate eine Schneedecke unter der der Keimling liegt. Also die brauchen praktisch so enen Kälteschock und dann erst wenn es dann warm wird und genug Wasser da ist, dann keimen sie. (2/5:35) Und man nimmt auch an, wenn jetzt beim Klimawandel der Schneefall beeinflusst wird, bei diesen Gebirgen, dass dann die Zedern wiederum leiden werden und wohlmöglich weiter zurückgehen.
ZUSPIELUNG: Atmo 4 (libanesische Oud noch mal frei und weg) MUSIK C1119230011
ERZÄHLER In den hohen Lagen von 1800 bis 2500 Metern, wo der majestätische Baum residiert, verstreicht die Zeit in einer anderen Geschwindigkeit. In den kurzen Vegetationsperioden wächst die Zeder im Zeitlupentempo, wird dafür aber uralt. Die Atlantik-Zeder zählt bis zu 750 Lenze, Libanon-Zedern können über 1000 Jahre alt werden, einzelne haben 3000 Jahre auf dem Buckel. Sie können wahrlich zurückblicken auf Jahrtausende der Nutzung. Die ältesten Zeugnisse über die Nutzung des Zedernholzes gehen 5000 Jahre in altbabylonische Zeit zurück, doch ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
6
die Verehrung des Baumes reicht wahrscheinlich bis in die Steinzeit, wo ihn die Bewohnern Vorderasiens als symbolischen Lebensbaum verehrten, glaubt die Baumforscherin Susanne Fischer-Rizzi. MUSIK C1119230011 ENDE
ZUSPIELUNG
6 O-Ton:
Susanne Fischer-Rizzi
25:03)
Die Zeder oder überhaupt der Lebensbaum ist ein ganz altes Symbol für das Leben selbst, für das Wachstum, für den Kreislauf des Lebens. (14:45) Lebensbäume gab es eigentlich zu allen Zeiten. Bei den alten Germanen war der Lebensbaum Yggdrasil - und das war eine Esche. Das war eine der höchsten kräftigsten Bäume, die es damals gab. Und zur Zeit als das Gilgamesch-Epos entstand, waren die wertvollsten und verehrtesten Bäume die Zedern. Es waren die Zedern vom heiligen Hain im Libanon. Die Menschen sind Tausende Jahre dort hingepilgert, um sich an der Ausstrahlung der Bäume zu laben - körperlich wie geistig. Zu dieser Zeit galten die Zedern auch als die edelsten Bäume für den Bau. Der Tempel von König Salomon ist zu einem großen Teil aus Zedernholz gebaut.
ZUSPIELUNG Atmo 5 (altjüdische Gesänge)
ZITATOR
Altes Testament
Er ließ Salomo sagen: Ich habe die Botschaft vernommen, die du an mich gesandt hast, und werde deinen Wunsch nach Zedern- und Zypressenholz erfüllen. Meine Leute werden es vom Libanon an das Meer schaffen. Ich lasse es dann auf dem Meer an den Ort flößen, den du mir nennen wirst. Dort lasse ich es wieder auseinander nehmen, sodass du es abholen kannst. Du aber erfülle meinen Wunsch und sende Lebensmittel für mein Haus! Also lieferte Hiram so viel Zedern- und Zypressenholz, wie Salomo wollte, und Salomo gab Hiram zwanzigtausend Kor Weizen zum Unterhalt seines Hofes und zwanzig Kor feinstes Öl. Diese Menge lieferte Salomo Jahr für Jahr an Hiram. 1. Buch Könige 5,20 im Alten Testament
ZUSPIELUNG Atmo 6 (Äxte auf Holz, fallender Baum) MUSIK C1193040004 ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
7
ERZÄHLER Der Baum der Kraft, der Schönheit, der Würde, des Reichtums, der Gerechtigkeit. All diese Attribute verliehen der Zeder eine Aura, die jeden Werbestrategen der Gegenwart vor Neid erblassen lassen würde. Die Phönizier, bekannt als mutige Seeleute, bauten ihre Schiffe aus dem wasserresistenten, wohlriechenden Holz. Alexander der Große im fernen Persien hörte von den enormen Längen der Planken und bestellte für seine Flotte den Rohstoff aus dem Libanon.
ZITATOR
Altes Testament
Aus Zypressenholz vom Senirgebirge bauten sie all Deine Planken, eine Zeder vom Libanon nahmen sie, um auf Dir den Mast zu erreichten!
ZUSPIELUNG:
Atmo 7
Ezechiel 17,23
(großes Segelschiff auf Fahrt)
ERZÄHLER So ermöglichte der starke Baum aus dem arabischen Land die Feldzüge der frühen Kolonialgeschichte, half zum Beginn der Staatenbildung bei der Ausdehnung kultureller Einflusszonen, öffnete bis heute bestehende Handelswege und wurde zu einem der ersten Gegenstande eines globalisierten Handels. Jeder, der etwas auf sich hielt, wollte das Holz haben, berichtet die Botanikerin Ehrentraud Bayer. MUSIK C1193040004 ENDE
ZUSPIELUNG
7 O-Ton: Ehrentraud Bayer
(2/15:40)
Im alten Ägypten wurden auch die Särge für die Pharaos und für die höheren Beamten daraus gemacht. Das heißt, es war schon etwas Besseres, in einem Zedernholzsarg beerdigt zu werden. Und das Harz wurde auch zum Einbalsamieren verwendet, also zur Mumifizierung. (2/25:40) Auch für den Pyramidenbau wurden Zedern verwendet, also nicht als Bausteine, aber angeblich war es so, dass die Arbeitsschlitten, auf denen die Sachen transportiert wurden, die waren angeblich bis zu 30 Meter lang. Und das konnte man praktisch nur aus diesem Zedernholz machen, weil die eben so lange und kräftige Stämme hatten.
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
8
ERZÄHLER Doch vielleicht hätte der Zeder ihr Ruf als wertvoller Rohstoff gar nicht so weit vorauseilen können, wäre der Baum nicht seit Urzeiten Gegenstand von Mythen, Sagen und Geschichten gewesen, die sich die Altvorderen von Generation zu Generation an den Feuern der Karawansereien erzählten. Alles, was die Menschen existenziell und psychisch erlebten, was dem Überleben diente und die rätselhafte Welt erklären konnte, wurde in Mythen eingebettet. Dazu gehörten die Heilpflanzen und vor allem die großen Bäume, sagt die Baum-Mythenforscherin Susanne FischerRizzi.
ZUSPIELUNG
8
O-Ton: Susanne Fischer-Rizzi
(5:44)
Diese Geschichte, die sich um die Zeder rankt, ist eine uralte Geschichte, wie der Held Gilgamesch, um seine Macht zu festigen, in den Zedernwald geht, in den heiligen Zedernwald. Und dort die magische, mystische Zeder fällen will. Eine magische Zeder, die einem Vegetationsgott gehört - Tschumbawa - und die im Reich der Inana, der Göttin der Fruchtbarkeit, der Liebe und des Lebens steht. (6:24) Er zieht los, um diese Zeder zu fällen, eigentlich den Lebensbaum. Von daher ist die Zeder stark verbunden mit dem uralten Menschheitsthema Leben und Tod. Er ist angetrieben einerseits von dem Willen, seine Macht zu festigen als König von Uruk. Auf der anderen Seite sucht er aber nach etwas, das ihm Unsterblichkeit verleihen wird. Und er geht in diesen Wald und fällt tatsächlich diese heilige Zeder. MUSIK C14896900001 ERZÄHLER Hier taucht sie wieder auf, die Symbolik der Zeitenwende, die sich so oft hinter dem Bild vom rücksichtslosen Fällen alter heiliger Bäume verbirgt. So wie der heilige Bonifacius fast 4000 Jahre später die germanische Donareiche im Jahre 723 fällen ließ, um den Sieg des Christentums über die Heiden zu markieren, so vergreift sich Gilgamesch am Lebens- und Fruchtbarkeits-Symbol der matriarchalen Frühkulturen der Göttin Inana und läutet damit eine Zeitenwende ein:
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
9
Das Fällen der heiligen Zeder markierte den Sieg der patriarchalen Staatengebilde über die weiblichen Gartenkulturen der vorangehenden 40.000 Jahre, den Sieg der Vernunft über die Prophezeiung an der Zeder, dem alten Orakelbaum, der zur Handelsware und zum Prestigesymbol wird. MUSIK C14896900001 Ende
ZUSPIELUNG
9 O-Ton: Susanne Fischer-Rizzi
(7:42)
Ich glaube das ist eine Geschichte, die auch für uns heute noch eine Bedeutung hat, Auch in unserer Zeit werden die Wälder abgeholzt, haben wir eigentlich den Respekt vor der Heiligkeit der Bäume verloren. Und auch wir dezimieren in großem Stil die heiligen Bäume. Letztendlich ist das eine Geschichte vom Anfang und Ende der Zivilisationen. Und die Botschaft von dieser Geschichte mit der Zeder, die könnte für uns vielleicht heißen: (8:18) Es ist eine Geschichte von der Entzauberung von der Natur und von der Entfremdung von der Natur und dass wir in Frage stellen sollten, ob wir überhaupt die Natur so aussaugen dürfen, wie es damals auch schon der Gilgamesch getan hat. MUSIK C1119230011
ZUSPIELUNG
Atmo 8
(Umstürzen eines Baumes, darunter Oud-Klänge)
ERZÄHLER All diese fünftausend Jahre Kulturgeschichte klingen an für den, der sich in den botanischen Gärten der Gegenwart, in den Restbeständen im Libanon, im TaurusGebirge Marokkos, in den Plantagen der Türkei der Wirkkraft dieses Baumes stellt. Und nicht nur im hiesigen Kulturraum: Wird doch die Himalaja-Zeder botanisch ‚Cedrus deodara’ genannt, abgeleitet von einem Sanskrit Wort für ‚das Göttliche’. Auch für die Hindus und Buddhisten ist die Zeder ein Götterbaum, unter den sich Weisheitssuchende zum Meditieren niederlassen, weil sein Geruch den Atem vertieft und die Sinne weitet. Die Aromatherapie der Gegenwart sagt nichts anderes, meint die Fachfrau Susanne Fischer-Rizzi. MUSIK C1119230011 ENDE
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
10
ZUSPIELUNG
10
O-Ton: Susanne Fischer-Rizzi
18:48)
In der modernen Aromatherapie, die ja mit Düften arbeitet, wird die Zeder eingesetzt zur Behandlung von starken stressbedingten Unruhezuständen, von Schlaflosigkeit, von Nervosität. Von Menschen, die ihre innere Kraft und ihre innere Mitte verloren haben. Auch Menschen, die unter Angstsyndromen leiden. Der Zedernduft wird auch eingesetzt in der Psychiatrie, auch in der Hospizarbeit, wenn Menschen in Situationen sind, wo sie große Angst haben. Und da kann der Zedernduft sehr ausgleichend und angstnehmend wirken.
ERZÄHLER Und wahrscheinlich war das ätherische Öl, das im Zedernholz verborgen ist, die erste Heilsubstanz, die Menschen aus Bäumen destillierten. Schon die Ahnen in grauer Vorzeit dürften entdeckt haben, wenn sie Fleischwunden mit Zedernharz verschlossen, dass das Baumöl antibakteriell und antiseptisch wirkt. Solcherart Erfahrungswissen wurde bis heute weitergegeben, sodass die Heilpraktikerin Susanne Fischer-Rizzi heute an Hand der Zeder eine ganze Baumapotheke vorstellen kann:
ZUSPIELUNG
11 O-Ton:
Susanne Fischer-Rizzi
(29:30)
Wir wissen heute, dass das Zedernholz sehr entkrampfend wirkt, dass es eine starke Hautwirksamkeit hat. Das ätherische Öl wird heute angewendet zur Heilung von Hauterkrankungen. Es wirkt sich sehr gut aus bei entzündlichen, allergischen Hauterkrankungen, die ja heute sehr viel auftreten. Dann wird es auch angewandt zur Behandlung von Harnwegserkrankungen, Nierenerkrankungen. Dann wird es auch angewandt bei allergischen Erkrankungen wie zum Beispiel Heuschnupfen. Da hat es eine sehr gute Wirkung. Dann wird es auch traditionell angewendet zur Pflege des Haarbodens. Es hat eine durchblutungsfördernde entgiftende Wirkung, es ist ein sehr beliebtes Haarwasser, wird auch in Shampoos verwendet. (30: 55) Und dann hat das Zedernöl auch eine insektenabwehrende Wirkung, weil ja das Holz von den Zedern von Insekten nicht angegriffen wird. Und es kann als Spray benützt werden, um Insekten fernzuhalten. Man kann es im Kleiderschrank verwenden oder auch in
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
11
der Fellpflege von Tieren. Und da hat es sich als sehr hilfreich gezeigt. Also es hat ein sehr großes Spektrum von Heilwirkungen - das Zedernholz. ZUSPIELUNG
Atmo 9 liban. Oud-Solo (Rabih Abou Khalil ‚Jara’) darüber
MUSIK C14896900001 ERZÄHLER Wahrlich also ein besonderes Lebewesen, diese Zeder. Halb vergessen am Rande der Alten Welt, die von ihr so viel profitierte, philosophisch, kulturgeschichtlich, spirituell und medizinisch. So vergessen und von Menschenhand dezimiert, dass die Art heute akut gefährdet ist. Nicht weil Borkenkäfer unter ihre Rinde kriechen, Schmetterlingsraupen ihre Nadeln abfressen und Eichhörnchen gern ihre Samen sammeln. Sondern weil sie von den Menschen zu wenig gewürdigt wurde. Zuwenig geliebt vielleicht in ihrer ganzen Pracht und Feinheit, wie es der französische Dichter Yvan Goll in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts formulierte.
ZITATOR
Yvan Goll
Ich möchte nichts sein Als die Zeder vor Deinem Haus Als ein Zweig der Zeder Als ein Blatt des Zweiges Als ein Schatten des Blatts Als die Frische des Schattens Der Deine Schläfe kost Eine Sekunde lang
ZUSPIELUNG
Atmo 9 Oud-Solo (wieder hoch und auf Ende)
MUSIK C14896900001 ENDE
________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
12