Transcript
Durchfälle wieder in den Griff bekommen
Dummerstorfer Kälber- und Jungrinderseminar am 18.11.2015 in Güstrow Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt Fischer, Bernd
Dr. Bernd Fischer Zentrum für Tierhaltung und Technik 39606 Iden Lindenstr.18 Fon:039390-6320
Typisches Bild eines durchfallerkrankten Kalbes In der 2. Lebenswoche! Kalb mit hohem Flüssigkeitsverlust gerät in eine acidotische Stoffwechsellage. Sein Saugtrieb ist deutlich eingeschränkt, die Situation wird rasch lebensbedrohlich. Es bedarf hohen Einsatzes für die Gesundung. Ca. 40 % der Verendungen lebendgeborener Kälber sind auf Verdauungsstörungen der ersten 14 Lebenstage zurückzuführen! (nach KASKE)
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Was ist bei der Durchfallbekämpfung angesagt? Wir müssen die wesentlichen Ursachen ermitteln und geeignete Maßnahmen der Bekämpfung entwickeln! Einfache Lösungen sind meist sehr selten! Das Problem ist komplex! Differenzierung wesentlicher von unwesentlichen Ursachen Erfolg gegen Durchfall ist sehr wahrscheinlich!
Wie können wir vorgehen? Halten wir uns an die Fakten!
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1. Tränke und Durchfall zu den Fütterungszeiten dokumentieren
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2. Wie und wann gehe ich vom Handlungsbedarf aus? Ergebnis eines Fütterungsversuches (SCHULT, A., 2009) Anteil der Kälber mit Durchfall
Grenzbereich eines Bestandsproblems
Ein Anteil von 30 % durchfallerkrankter Kälber über mehrere Tage zeigt Handlungsbedarf an!
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3. Die Infektion über das Keimspektrum bestimmen! „Selbst ist die Kälberfrau/der -mann“: Schnelltests zur Erregerbestimmung nutzen. Z.B. über TA beziehbar!
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4. Welche Keime sind für das Auslösen des Durchfalls von Bedeutung? (Ohne Anspruch auf Vollständigkeit!) Daten aus der LLG Iden von 2009 bis 2015
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Der Durchfall in den ersten Lebenstagen Clostridium perfringens (meist Typ A)
Mehrere sehr giftige Typen, (Keim bildet umweltharte Sporen) Wir beobachteten: Keim geht mit wässrigem Durchfall am 3.- 4. LT einher. Rasche Besserung! Meist nicht behandlungswürdig. Doch Darm ist vorgeschädigt!
Toxine verkrüppeln Darmzellen. Neugeborene sind gegen Toxine anfällig, weil ihr Enzymsystem noch gering entwickelt ist. Ursachen: kontaminierte Futter, mangelnde Kolostrum- u. Tränkhygiene, Fütterungswechsel.
Thema: Kolostrumhygiene. Wie ermolken? Wie gelagert? Im „Kühli“ bei Temperaturen von 1˚ bis 4˚ C ist die Keimvermehrung niedrig! Halten sie die Kühlkette ein! So können sie Kolostrum 3-5 Tage aufbewahren.
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Pathogene E. coli
Durchfall ab 1. bis 14. Lebenstag hunderte Serotypen, (O- (Oberflächen), K(Kapsel), H-(Geissel), F-(Fimbrien) Antigene 7 Gruppen pathogen, wichtiges krankmachendes Antigen: „F5-Antigen“ • schwerer, wässriger Durchfall “weiße Ruhr” • Pathogene E. coli: - sind gefährlich, wenn sie in den Dünndarm gelangen, sie docken dort an und bilden Toxine, die teils Darmzellen zerstören (Shiga-Toxin) und Durchfall auslösen, werden über Blut in die Organe transportiert und schädigen diese. • Austrocknung durch erhöhte Cl Sekretion in den Darm, Blutacidose, Organversagen Koma, Verendung • Ursachen: mangelnde Hygiene im Abkalbeund Kälberstall sowie der Tränke, ungünstiges pH-Darmmilieu
Der Durchfall in der zweiten Lebenswoche Rotaviren und … Durchfälle am 5.-14. Lebenstag bei Monoinfektion: relativ milder Verlauf, ABER: bei Mischinfektionen schwerer Verlauf mit hohen Todesraten, Kälber sind oft betroffen! Virus ist sehr widerstandsfähig, 1 d nach Aufnahme folgen 3-8 d Durchfall, es kommt zur Immunität und zur Regeneration der Zotten. Kühe u. Kälber scheiden Virus aus, Viren bilden Toxine. Geht einher mit vorrübergehendem Lymphozytenmangel. Das schwächt die Abwehr, auch gegen Nachfolgekeime. IG A wirkt lokal im Darm gegen den Virus! Kolostrum (0,3 l in jede Tränkegabe, 10 d lang) mit Milch vertränken!
Foto aus: KASKE u. KUNZ, 2003.
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Kryptosporidien Parasit: Cryptosporidium parvum hoch infektiös, schädigt Kalb, keine Schutzimpfung bekannt, Mortalität von 5-30 %, Prävalenzgrad 1989 war < 40%, derzeit in D regional wesentlich höher (auf bis 60 % geschätzt) typisch: löst in der Mitte der 2. Lebenswoche Durchfall aus, 1-2 Tage vorher geht Tränkeaufnahme deutlich zurück. Kälber sind morgens noch fit und abends bereits sehr geschwächt, Saugtrieb ist herabgesetzt. Durchfall hält bis 7 d an. Treten oft in Mischinfektionen mit Rota-Viren auf. In den Oozysten werden Sporozoiten freigesetzt, die sich zwischen die Mikrovilli “drängen” und sich hüllenartig mit ihnen verschmelzen. 2- 7 (4) Tage nach Aufnahme der Oozysten werden dickwandige, infektiöse Oozysten mit Kot ausgeschieden, sie besitzen eine hohe Widerstandskraft in der Umwelt. Es findet auch die Produktion dünnwandiger Oozysten statt. Sie verursachen wiederholt Infektionen beim Kalb.
Zusammenfassung der Verläufe pathogener Keime und Durchfall
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Zur Haltung, Fütterung und den den hygienische Bedingungen Die ersten 14 Lebenstage (1) Einzelhaltung der Neugeborenen in der ersten Lebenswoche. Der Sichtund Berührungskontakt erfolgt über Vorderseite des Iglus. Das Infektionsrisiko über die Buchtenseitenwände ist deutlich eingeschränkt.
Mit freundlicher Genehmigung der AG Fischbeck, 2015.
Die ersten 14 Lebenstagen (2)
Einzelhaltung der Neugeborenen in der ersten beiden Lebenswochen. Der Sicht- und Berührungskontakt erfolgt über offene Vorder- und Seitenwände. Das Ansteckungsrisiko durch Kotübertragungen ist sehr hoch. Eine Infektion mit jedem krankmachenden Keim kann sich rasch ausbreiten.
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Aufstallung der Neugeborenen bis zum 14. Lebenstag 100
25 (kleinbäuerliche) Betriebe, 205 Kälber Durchfallrate bis 14. LT in %
90 80 70
Iglu mit direktem Kontakt zu Altersgenossen
60 50 40
Iglu ohne direkten Kontakt zu Altersgenossen
30 20
Box ohne direkten Gruppe Kontakt Box mit dir. Kontakt
10 0
nach GIRNUS, D.; 2004
Aufstallungsform der Kälber in den ersten 14 Lebenstagen
Anteil der Kälber mit Durchfall
Durchfalltage je erkranktes Kalb
OHNE DIREKTEN KONTAKT
27,8 %
4,4
MIT DIREKTEM KONTAKT
65,7 %
5,4
Betreuungspersonal der Neugeborenen 25 (kleinbäuerliche) Betriebe, 205 Kälber 100
Durchfallrate bis 14. LT in %
90 80 70 60 50 40
Landwirt
30 20 10
Landwirtin
Wechselnde Personen nach GIRNUS, D.; 2004
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…im Zusammenspiel mit anderen Faktoren kann das Betreuungspersonal eine wesentliche Rolle bezüglich des Auslösens des Durchfalls spielen
Gegen den Durchfall mit fürsorglicher und fachgerechter Betreuung der Kälber vorgehen!
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Aspekte der Hygiene Die Tränkeausrüstungen, wie oft reinigen?
-Saubere Tränkeausrüstungen mit vertretbaren Aufwendungen durch Nachtränken mit 0,3-0,5 l Wasser erzielen. - Wasser erst 5 Min. nach Ende der Milchaufnahme, weil Milchtränke im Labmagen gerinnen muss und Saugtrieb noch vorhanden ist. (Achtung: Tränktemp. einhalten) - Bei Nichtreinigung: Nachweis von Fäkalkeimen (massenhaft), sie können die Darmflora belasten und Durchfall begünstigen, bildeten jedoch keine Toxine (LUA Stendal)
Keimdruck durch Reinigung und Desinfektion wirksam reduzieren
Korrekt gereinigt: Spülwasser ist klar, kein „Fettfilm“ soll spürbar sein!
Desinfektion: Abtötung von Krankheitserregern um Infektionen zu vermeiden Steiger, A., 1980: „Sachgemäße Reinigungs- und Desinfektionsregime“ agrar-Empfehlung
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Im Bilde sein! Wie korrekt Reinigen und Desinfizieren?
Regeln der Reinigung & Desinfektion: - Iglus Ausmisten nach jeder Belegung ist wichtig, genügt aber nicht! - Schaumreiniger löst effektiver den BIOFILM beim Hochdruckreinigen, nach dem Nassreinigen trocknen lassen, dann erst mit 0,4l/m2 desinfizieren, Konzentrationen einhalten, - Desinfektionsmittel benutzen, die auf Wirksamkeit geprüft sind ! (DVG-Liste, http://www.dvg.net Rubrik Desinfektion). Kombinierte Mittel besitzen nicht die gleiche Wirksamkeit wie spez. Einzeldesinfekt.-mittel. Dafür decken sie ein breiteres Erregerspektrum ab. Daher sollte bei nicht kombinierbaren Mitteln nacheinander desinfiziert werden. - Kältefehler (bei Aldehyden) unter 20°C beachten. Bei org. Säuren ist Kältefehler niedrig.
In der DVG Liste finden sie auf Wirksamkeit geprüfte Desinfektionsmittel
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Ausgewählte Aspekte der Fütterung
Es ist sicherer, die Tränkegaben nach dem Labmagenvolumen auszurichten WARNER u.a. 1965 Alter in Wochen
Lebendmasse in kg
Labmagenvolumen in l
0
35,4
2,1
4
48,5
2,1
7
58,1
2,3
10
64,9
2,0
13
104,9
2,1
16
109,9
3,4
1. Das Fassungsvermögens des Labmagens ist während der gesamten Tränkeperiode auf etwa 2,0 l bis 2,5 l begrenzt. 2. Gerinnung des Kaseins im Labmagen unterstützen: Tränktemperatur, Proteinquellen im MAT, MAT- Konzentration, Säuerung der Tränke, Fettverdauung. Alles, was eine beschleunigtes Abfließen in den Dünndarm verhindert.
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Schematische Entwicklung der Verdauungsenzyme Labenzym im Labmagen (für Kaseinverdauung) und Laktase (Milchzuckerspalt.) DD
Enzymaktivität im Verdauungstrakt des Kalbes
Enzyme, die Stärke und pflanzliche Proteine spalten
Aktivität in %
Lipase der Bauchspeicheldrüse (Spaltung langkettiger Fette)
100 80 60 40 20
Angelehnt an JILG, 2004 0 0
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5 6 7 Alter, Wochen
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1. Kasein und Molke bis 3./4. Woche zwischen 95-100 % als Protein füttern, danach sind mehr und mehr milchfremde Proteine möglich 2. Milchfett in der 1. Lebenswoche füttern, danach auch andere Fette möglich 3. Milchzucker bis 4. Woche, danach mehr und mehr stärkehaltige Kohlenhydrate möglich
Pflanzliche Proteine in MAT begrenzt füttern Je 15 männl. Kälber 10.-30.LT, max. 9l/d mit 130g/l: nach LÖHNERT, H.-J. et al., 1996
0% Sojaproteinkonzentrat
7,5 % Sojaproteinkonzentrat
15% Sojaproteinkonzentrat
22,5% Sojaproteinkonzentrat
1.-28. Tag
1.-28. Tag
1.-28. Tag
1.-28. Tag
792 g/d LMZ
693 g/d LMZ
602 g/d LMZ
Durchfalltage je Gruppe 1.-28. Tag
Durchfalltage je Gruppe 1.-28. Tag
Durchfalltage je Gruppe 1.-28. Tag
832
g/d LMZ
Durchfalltage je Tier 1.-28. Tag
1,0 1,66 kgT MAT/kg LMZ
1,5 1,74 kgT MAT/kg LMZ
2,2 2,06 kgT MAT/kg LMZ
2,0 2,08 kgT MAT/kg LMZ
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Fazit Wir müssen mit pathogenen Keimen leben! Ziel ist es, eine Keimanreicherung zu verhindern!
Kolostrumversorgung/ -hygiene optimieren + kontaktarme Haltung, intelligenter Umstallungszeitpunkt + R&D von Tränke- und Haltungsausrüstungen + Tränke ernährungsphysiologisch sicher verabreichen + (Darm durch Ergänzungs-/Futterzusätze vor der Kryptosporidieninfektion stabilisieren)
+ (Halofuginonanwendung betrieblich klar festlegen, Einsatzfehler vermeiden!)
+
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
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