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Ernährung Nach Bauchoperationen

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    July 2018
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Ernährung nach Bauchoperationen Dr. med. A. Kruschke Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeine, Visceralund Gefäßchirurgie Die Abbildungen mussten aufgrund möglicher copyright-Verletzungen unkenntlich gemacht werden Der Verdauungstrakt (Intestinaltrakt)  Der Verdauungstrakt des Menschen ist insges. ca. 7-12m lang  Die innere Oberfläche hat durch Falten, Zotten und Bürstensaum des Darmes in etwa die Fläche eines Tennisplatzes Falten, Zotten und Bürstensaum des Darmes Das „Darmhirn“ enterisches Nervensystem ENS énteron = griech. Darm/Eingeweide Komplexes Geflecht aus ca. 100 Mio. Nervenzellen (4-5 mal mehr als im Rückenmark!) Das ENS arbeitet autonom aber z.T. auch eng mit dem Gehirn (ZNS) zusammen Das autonome Nervensystem Das „kleine Gehirn“ sendet mehr als es empfängt  Nur etwa 10-15% der Nervensignale zw. Kopf und Bauch kommen vom Gehirn, 85-90% der Kommunikation läuft vom Bauch in das Gehirn!  Da die Überträgerstoffe (Transmitter) der Bauchnerven mit denen des zentralen Nervensystems übereinstimmen, haben bestimmte Schmerzmittel wie auch manche psychotrope Medikamente einen starken Einfluss auf die Eingeweidefunktion Gesunde Darmflora (gewichtiger Teil des sogenannten „Mikrobioms“)  Das Mikrobiom des Darmes ist ein komplexes Ökosystem von etwa 100 Billionen Bakterien (ca. 10 mal mehr als unser Körper Zellen hat!)  ca. 1 bis 2 kg des Körpergewichts sind Darmbakterien  Die Darmbakterien sind unerlässlich für die Aufspaltung der Nahrung, produzieren Vitamine und sind Teil des Immunsystems  Auch die Vielfalt der Darmbakterien ist von besonderer Bedeutung für die Gesundheit (etwa 36.000! Bakterienarten sind bekannt – hiervon kommen ca. 500-1000 Arten auf einen einzelnen Menschen) Das Mikrobiom des Darmes  Darmbakterien erzeugen etwa 5-10% unseres täglichen Energiebedarfes  Ist die Darmflora intakt (d.h. richtig zusammengesetzt) kann sie schädliche Mikroorganismen wie z.B. krankmachende Salmonellen verdrängen  Da unsere meisten Bakterien im Dickdarm leben sind auch ca. 70% der „Abwehrzellen“ unseres Immunsystems in der Schleimhaut des Dickdarmes angesiedelt Buttersäure (Butansäure)  Butansäure (BS) dient den Epithelzellen des Dickdarms als Energiequelle  Im menschlichen Dickdarm entsteht BS vor allem beim Abbau von präbiotischen Kohlenhydraten (nicht durch das Essen von Butter!) mittels Laktobazillen und Bifidobakterien (z.B. in Joghurt)  d.h. ohne Bakterien keine Buttersäure und die Dickdarmschleimhaut „hungert“  Darüber hinaus verschiebt BS den pHWert in den sauren Bereich und macht das Milieu für z.B. Salmonellen und andere Krankheitserreger ungünstig Darmbakterien wirken weit über den Darm hinaus  Es konnte nachgewiesen werden, dass Darmbakterien verschiedene biologisch aktive Substanzen produzieren die z.T. komplexe Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben  Eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dickdarms kann z.B. Allergien, Depressionen, Multiple Sklerose, chron. Darmentzündungen, Diabetes und Fettleibigkeit fördern Darmbakterien und Darmzellen können das Gehirn beeinflussen  Mäuse, die mit Antibiotika behandelt werden sind im Experiment nur eingeschränkt denk- und merkfähig  Mäusen denen man regelmäßig Probiotika wie z.B. das Lactobacillus rhamnosus zuführt und diese mit Hilfe von Präbiotika im Darm ernährt, haben deutlich weniger Angst und sind aktiver  Untersuchungen an Menschen mit Angststörungen und Depressionen zeigen bestimmte Veränderungen der Darmflora und eine vermehrte Durchlässigkeit der Darmwand für Bakterienbestandteile Schützen bestimmte Darmbakterien vor Übergewicht?  Amerikanische Forscher haben Mäusen Darmbakterien von menschlichen Zwillingen „transplantiert“ von denen einer dick und der andere schlank war  Die Nager, die die Darmflora von dem adipösen Zwillingsmenschen bekamen wurden ebenfalls dick, die anderen blieben schlank!  z.Z. gibt es mehrere wissenschaftliche Studien mit Hilfe von FäkalTransplantationen (von Mensch zu Mensch) Krankheiten zu therapieren Ein artenreicher Bakterienmix im Darm  Untersuchungen des Darmmikrobioms von isoliert lebenden Amazonasindianern (Yanomami-Stamm der erst 2008 entdeckt wurde!) zeigen eine deutlich vielfältigere Bakterienflora als in der „zivilisierten“ Welt  Die zum Vergleich untersuchten Nordamerikaner haben eine um 40% reduzierte Biodiversität  Als Gründe werden falsche oder übertriebene Hygiene, westliche (fast food) Ernährung und ein zu hoher Antibiotikaverbrauch vermutet Menschen lassen sich anhand ihrer Darmflora einteilen  Ähnlich wie bei den Blutgruppen lassen sich Menschen anhand ihrer Darmflora in sog. „Enterotypen“ einteilen  Die Enterotypen werden nach der vorherrschenden Bakterienart benannt: I. Bacteroides-Typ II. Prevotella-Typ III. Ruminococcus-Typ  Das bedeutet, dass die Verdauung bei jedem von uns etwas anders verläuft (Der Bacteroides-Typ hat z.B. den Nachteil einer stärkeren Kohlenhydrat-Produktion und wird nachweislich schneller übergewichtig!) Fäkal-Transplantation  Hierbei wird zuvor der Kot des „Spenders“ aufwendig mikrobiologisch untersucht, verflüssigt und filtriert  Die an „Cappuccino“ erinnernde Stuhlflüssigkeit wird dann über eine Sonde in den Dickdarm des Empfänger „geimpft“  Die Methode wird in Deutschland bislang nur in Studien und in Einzelfällen wie z.B. bei einer lebensgefährlichen Falschbesiedelung des Dickdarmes mit Clostridium difficile (Krankenhauskeim) angewandt Chirurgie im Wandel  Früher musste man vor einer Bauchoperation Diät halten und sich einer intensiven Darmreinigung unterziehen  Baucheingriffe wurden häufig über große Schnitte operiert und man benötigte größere Mengen von Schmerzmitteln die den Verdauungstrakt lähmten  Die prophylaktische Gabe von Antibiotika erstreckte sich über viele Tage  Nach dem Eingriff durfte man längere Zeit nicht essen/trinken und wurde zur „Schonung“ im Bett belassen  Das sog. Postaggesionssyndrom konnte sich so stärker ausbilden Das Postaggressionssyndrom PAS Das PAS ist eine angeborene stereotype Reaktion des Körpers die der Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit junger Individuen in lebensbedrohlichen Stresssituationen dient (z.B. bei Kampf-, Flucht- und Verletzungssituationen) Es kommt zu:  einer Freisetzung von Hormonen zur Blutdruckstabilisierung bei Blut- und Flüssigkeitsverlusten  einer schnellen Bereitstellung von Energieträgern  einem Stillstand der Verdauungsprozesse (Darmatonie)  und damit zu einer zehrenden Stoffwechsellage (Katabolie) Die vier Stadien des PAS 1. Verletzungsphase: ca. 2 – 3 Tage nach der Operation der Patient ist depressiv, hat Schmerzen, verspürt Durst, ist appetitlos und hat eine geringe Darmbewegung (Atonie) 2. Wendephase: ab 4. postoperativer Tag Puls, Blutdruck, Atmung und Darmperistaltik (vegetative Funktionen) normalisieren sich 3. Aufbauphase: dauert ca. 2 – 3 Wochen der Eiweißaufbau (positive Stickstoffbilanz) setzt ein, es besteht erhöhter Schlafbedarf, die Stimmungslage bessert sich 4. Reparationsphase: Wochen bis Monate es kommt zur Gewichtszunahme (Anabolie), Leistungsfähigkeit und Hochgefühl Das Fast-Track-Konzept in der Chirurgie In der „Schnellspur-Chirurgie“ möchte man die Erholung des Patienten nach dem Eingriff beschleunigen. Hierzu sollte der Patient:  vor der Op nur kurzfristig nüchtern sein und nicht komplett abgeführt werden  einen sog. Periduralkatheter erhalten (nach der OP weniger Schmerzen und mehr Darmperistaltik durch Sympatikolyse)  möglichst mit einer minimal invasive Op-Methode (SchlüssellochChirurgie) behandelt werden  noch am Tage der Op essen, trinken und mobilisiert werden  möglichst keine längerfristigen Antibiotikagaben, keine Katheter und Drainagen erhalten Modernes Konzept präoperativer enteraler Ernährung Die früher praktizierte präoperative (Langzeit-)Nüchternheit und die komplette Darmreinigung ist nur noch in Ausnahmefällen sinnvoll. Das Essen von festen Speisen bis zu 6 Stunden vor dem Eingriff und das Trinken von klaren, kohlenhydrathaltigen Flüssigkeiten bis zu 2 Stunden vor der Narkose verbessern nachweislich:  das Wohlbefinden und die Blutzucker-Regulationsfähigkeit des Patienten  mindern das Risiko für postoperative Komplikationen  ermöglichen einen schnelleren Kostaufbau und Erholung des Patienten nach der Operation Enterale Ernährung nach Eingriffen - so schnell wie möglich!  Die Ernährung über den Mund oder per Sonde über den Darm hat gewichtige Vorteile gegenüber einer Infusionsernährung (Tropf) über die Venen Die frühzeitige enterale Ernährung:  erhält die Aufnahmefähigkeit der Darmschleimhaut  erhöht die Durchblutung der Baucheingeweide  erhält die immunologische Funktion des Darms und reduziert den Durchtritt von Bakterien in das Blut (Bakterientranslokation) Wichtigkeit einer „Mini“-Ernährung des Darmes nach großen Operationen „Zottenernährung“  Im Gegensatz zu anderen Organen kann der Darm nicht über lange Zeit ausschließlich parenteral (d.h. über Infusionen) gesund erhalten werden  Die Darmzotten benötigen eine minimale enterale Ernährung damit sie nicht atrophieren und die sog. Mukosaintegrität (Dichtigkeit gegenüber Bakterien) erhalten bleibt gesunde Darmzotten Fehlende „Zotten-Ernährung“ Die Mukosaintegrität des Darmes gesunde Dünndarmwand Darmwand eines Schockpatienten Diät nach Baucheingriffen  „Die“ Diät nach Baucheingriffen gibt es nicht  Je nach betroffenem Organ oder Ausdehnung der Operation (z.B. bei Kurzdarmsyndrom) können aber zeitlebens Diätempfehlungen bestehen  Allgemein sind postoperativ kalorienreiche, leicht verdauliche Nahrungsmittel günstig (z.B. fettarme gesäuerte Milchprodukte, Kartoffeln, Reis, Haferflocken, geriebener Apfel, Bananen, Birnen, Karotten, trockener Kuchen etc.)  Ungünstig sind blähende Nahrungsmittel, sehr scharfe Gewürze und hochprozentiger Alkohol  6-8 kleine Mahlzeiten pro Tag Kann eine „geschädigte“ Darmflora durch eine Diät restauriert werden?  Eine falsch zusammengesetzte Darmflora (z.B. nach einer antibiotischen Therapie) zeigt keine typischen Symptome  So sind z.B. Blähungen, Völlegefühl, Verstopfung/zu weicher Stuhl und fehlende Vitalität nur wenig richtungweisend  Eine komplette Darmbakterien-Diagnostik ist teuer (mind. 2000 €) und noch nicht ausreichend erforscht - daher kann eine Empfehlung bestimmte Bakterien (Probiotika) „einzunehmen“ i.d.R. nicht gegeben werden  Für eine „Regenerierung“ der Darmflora gibt es aber dennoch DiätEmpfehlungen die auf bestimmte Milchsäurebakterien setzt  So werden z.B. nicht pasteurisiertes Sauerkraut, der sog. Brottrunk und saure Milchprodukte zusammen mit ballaststoffreichen Speisen wie z.B. Äpfeln, Bananen, Radieschen, Chicorée, Kartoffeln und Haferflocken als günstig eingeschätzt Schlusswort  In der modernen chirurgischen Therapie werden zunehmend schonendere chirurgische Verfahren, wie z.B. laparoskopische Op‘s zur schnelleren Rekonvaleszenz der Patienten entwickelt und eingesetzt  Die „Störung“ der Verdauungsfunktion im Rahmen eines chirurgischen Baucheingriffs wird heute möglichst kurz gehalten  Notwendige Antibiotikagaben werden auf ein Mindestmaß beschränkt um das Gleichgewicht des Mikrobioms nicht nachhaltig zu stören