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Erich H. Witte: Ethische Grundpositionen und ihre Bedeutung bei der Rechtfertigung beruflicher Handlungen
Erich H. Witte* Ethische Grundpositionen und ihre Bedeutung bei der Rechtfertigung beruflicher Handlungen** Die empirische Ethikforschung wird aus der klassischen Moralforschung herausgelöst und in Verbindung mit anderen Schwerpunkten aus der Sozialpsychologie und Soziologie gebracht: Werte, Kultur, Gerechtigkeit, Attribution. Ferner wird auf weit zurückliegende Studien aufmerksam gemacht. Als Ergebnis dieser Überlegungen wird eine präskriptive Attributionsforschung vorgeschlagen, die die Rechtfertigung von Handlungen mit Hilfe der Angabe von Bedeutungsgewichten der klassischen vier ethischen Grundpositionen: Hedonismus, Intuitionismus, Utilitarismus und Deontologie, erfaßt. Mit Hilfe dieser vier ethischen Grundpositionen, die einmal über eine Fragebogentechnik und zum anderen über eine inhaltsanalytische Kategorisierung erfasst werden, wird das zugrundeliegende Motivmodell erfasst, das das Denkmodell der ursprünglichen Attributionsforschung ergänzt. Bei der Untersuchung der Rechtfertigung der eigenen Arbeitsleistung erkennt man deutlich einen Unterschied zwischen ost- und westdeutschen Arbeitnehmern. Die ostdeutschen Arbeitnehmer rechtfertigen ihre Leistungen stärker kollektivistisch über die Betonung von Utilitarismus und Deontologie. Ostdeutsche Pendler haben keine Rechtfertigungsmöglichkeiten mehr. Die westdeutschen Pendler bleiben dagegen stabil. Beim Vergleich der Rechtfertigung der Keimbahntherapie von drei unterschiedlichen Berufsgruppen aus der Wirtschaft, der Medizin und der Rechtsprechung zeigt sich eine Bevorzugung hedonistischer Positionen durch die Wirtschaftler und die Bevorzugung von Utilitarismus und Deontologie durch die Juristen und Mediziner. Das tiefere Verständnis von Erklärungen führt zur ursprünglichen, deskriptiven Attributionsforschung und das bessere Verständnis von Motivationen führt zur präskriptiven Attributionsforschung in Form der hier vorgeschlagen empirischen Ethikforschung. Ehtical positions and their signficance for justifying career actions This paper separates empirical research on ethics from classical research on morality and places it together with other central questions of social psychology and sociology: values, culture, justice, attribution. Furthermore some founding studies of ethical research are drawn on. On this basis, prescriptive attribution research is proposed which concentrates on justifications of actions by weighting the importance of the four classical ethical positions as to why it was „good” that an action was chosen : hedonism, intuitionism, utilitarianism, deontology. Using these four basic positions the model of motivation is investigated in addition to the model of thinking in classical attribution theory. The first reported empirical study is based on a questionnaire of these four basic positions and the other uses a content analysis technique. In the first study the justification by East and West German workers of their work performance is analyzed. The East-Germans are more collectivist, weighting the utilitarian and the deontological positions more highly. The second study concentrates on the difference between the justifications of professional people. Economists , physicians, and lawyers are asked to justify the therapy of human germ-cells. Economists are more hedonistic than the other two professions who are more utilitarian and deontological. The deeper understanding of explanations leads to the classical attribution theories and the deeper understanding of motivations leads to our concept of prescriptive attributions based on the four ethical positions.
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Dr. Erich H. Witte, Prof. für Psychologie am Psychol. Inst. I der Universität Hamburg, AB Sozialpsychologie, Von-Melle-Park 6, 20145 Hamburg, e-mail:
[email protected] **** Artikel eingegangen: 3.12.2001. revidierte Fassung akzeptiert nach zweifachem Begutachtungsverfahren: 22.1.2002.
Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 2, 2002
1.
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Einführung
Empirische Forschung zu Ethik und Moral war lange Zeit im Bereich der Psychologie auf entwicklungspsychologische Fragen in der Tradition von Piaget und Kohlberg beschränkt. Teilweise haben sich die Fragestellungen geändert, indem man z.B. mit den Konzepten von Kohlberg Wirtschaftsstudenten als besondere Gruppe oder auch verschiedene Kulturen untersucht hat (Löhr 1998) und damit die klassische Entwicklungspsychologie verließ. Man bleibt aber im Rahmen des ethischen Ansatzes von Piaget und Kohlberg. Überlegungen aus jüngerer Zeit beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung ethischer Konzepte und diskutieren deren Begründung und Anwendbarkeit in der Praxis (siehe Beispiele in Blickle 1998; Witte 1995). Außerordentlich selten werden diese komplexeren ethischen Ansätze jedoch empirisch umgesetzt. Das Ziel dieses Artikels ist es, a) einen neuen Forschungsansatz vorzustellen, b) ihn mit bekannten Ansätzen in Beziehung zu setzen, c) ausgewählte Ergebnisse aus der Arbeitswelt vorzustellen und d) auf die Bedeutung des Ansatzes für praktische Fragestellungen hinzuweisen. Zuerst soll das Umfeld dieses Ansatzes kurz skizziert werden, um auch die Entstehungsgeschichte nachvollziehen zu können. Nur auf diese Weise kann man die Ähnlichkeit und die Differenz zu bestehenden Forschungen und theoretischen Konzepten einschätzen und damit seine Fruchtbarkeit. Aus einer historischen Perspektive heraus erkennt man, dass in der Sozialpsychologie vorhandene Ansätze aus der Ethik kaum aufgegriffen , noch weiterentwickelt wurden, im Vergleich zur Entwicklungspsychologie. Das Buch von Heider (1958) wird zwar für die Balance-Theorie, die Gerechtigkeitsforschung und die Attributionstheorien als Hauptquelle angesehen, aber die Teile über „Sollen und Werte“ haben bisher nicht genügend Beachtung gefunden. Sie sind ähnlich stimulierend wie die Ausführungen über Kausalität, Gerechtigkeit und Konsistenz. Geht man nun noch einen weiteren Schritt zurück in der historischen Betrachtung, so kann man auf eine Arbeit stoßen, die mehr als hundert Jahre zurück moralische Urteilsprozesse empirisch untersucht hat (Sharp, 1897/98) und als Vorbild für zukünftige empirische Forschung dienen kann in Verbindung mit den Erörterungen bei einer Nachfolgeuntersuchung von Sharp (1908) und den Ausführungen bei Heider (1958). Diese Arbeiten weisen auf den Einfluß der Normen und der Kultur auf die ethische Haltung hin, in Ergänzung zu den kognitiven Entwicklungsstufen verbunden mit dem Lebensalter in der Entwicklungspsychologie. Diesem Mangel an empirischer Moral- und Ethikforschung in der Sozialpsychologie steht eine intensive empirische Forschung über Werte in der Sozialpsychologie (Schwarz 1992; Seligman/Olson/Zanna 1996) und der Soziologie (Inglehardt 1997; Klages/Gensicke 1999) gegenüber, die in der Entwicklungspsychologie so nicht existiert. Die Werteforschung führt zu allgemeinen Dimensionen, die enge Verbindungen haben zu ethischen Grundpositionen. Um nur ein simples Beispiel zu nennen, ist die Unterscheidung zwischen Materialismus und Postmaterialismus eng verbunden mit Utilitarismus und Deontologie (s.u.).
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In Verbindung mit dieser Werteforschung stößt man dann auch auf den Kulturvergleich mit einer wichtigen Unterscheidungsdimension zwischen Individualismus und Kollektivismus (Triandis 1995). Diese Differenzierung macht aufmerksam auf den Bezugspunkt ethischer Betrachtung, nämlich das Individuum oder die Gesellschaft. Der Kulturvergleich hat aber bisher nur im Ansatz einen Eingang in die empirische Moralund Ethikforschung gefunden. Die Aktualität dieser Frage erkennt man an den weltweit existierenden Auseinandersetzungen zwischen den Kulturgruppen, die ihre gewalttätigen Aktionen als gut und richtig rechtfertigen. Schließlich sind im Zusammenhang mit der Ethikforschung auch die empirischen Forschungen zu Gerechtigkeit und Verantwortung zu betrachten (z.B. zusammenfassend Reichle/Schmitt 1998) sowie zum prosozialen Handeln allgemein ( Witte 1994). Hierzu liegen umfangreiche Ergebnisse vor. Sie sind aber bisher kaum mit der Ethikforschung verbunden worden, sondern stehen getrennt von anderen Ansätzen aus der Forschung zu der allgemeinen Wertebene. Alle Ansätze – aus der Geschichte der Sozialpsychologie, der Werteforschung in Sozialpsychologie und Soziologie,der Gerechtigkeit, des prosozialen und verantwortlichen Handelns – konzentrieren sich auf die Wertebene und sollten sich gegenseitig anregen, was natürlich nicht geschieht. Eine Möglichkeit in diesem eher unübersichtlichen Kontext eine Orientierung zu finden, ist die praktische Philosophie als Grundlage für die Betrachtung der Werteproblematik, denn die praktische Philosophie behandelt seit mehren tausend Jahren Fragen dieser Art. Das ermöglicht einen Kern herauszuarbeiten, der Grundlage für die empirische Ethik-Forschung werden kann. Dieser inhaltliche Kern als Ausgangspunkt ist natürlich auch wesentlich für die empirischen Ergebnisse, die man findet. Deshalb ist es nicht unproblematisch, eine qualitative Stufentheorie als Grundlage zu verwenden mit der Idee die höhere Stufe sei moralisch wertvoller, wie es in der Entwicklungspsychologie durch Piaget und Kohlberg eingebracht wurde. In dieser Stufentheorie wird folgende Abfolge eingeführt: 1. Orientierung an Strafe und Gehorsam, 2. naiver instrumenteller Hedonismus, 3. Moral des braven Kindes, 4. autoritätsgestützte Moral, 5. demokratische Moral, 6. Gewissensmoral, 7. Orientierung auf den Kosmos (bisher empirisch wenig belegt). So einfach liegen die Probleme in der Ethik nicht, dass man sie mit einer Stufentheorie als Grundlage allgemeingültig behandeln könnte. Das führt jetzt zu der Unterscheidung zwischen Ethik und Moral. In dem Bereich der Werte kann man die Moral als den Inhalt und die Ethik als das Fundament ansehen (Steinvorth 1990). Berkel (1998) hat diese Unterscheidung bereits für die Organisationspsychologie aufbereitet, so dass sie hier nicht wiederholt werden muss. Letztlich gelangt man dann in einer empirischen Ethikforschung zu der Fragestellung : Wie rechtfertigen Personen ihr wert-orientiertes Handeln? Das hat einen retrospektiven Charakter und kann durch einen prospektiven ergänzt werden: Wie kann man unterschiedliche Handlungsalternativen rechtfertigen und deshalb in der Zukunft empfehlen? In beiden Fällen geht es um Rechtfertigungen vergangener und zukünftiger Handlungen (Empfehlungen). Damit müssen wir uns kurz um den Begriff der Rechtfertigung bemühen. Um nun die Anschlussfähigkeit an die sozialpsychologische Forschung herzustellen, sollte dieser
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Begriff ähnlich gebildet werden, wie der Begriff der Attribution, bei dem es sich um subjektive Erklärungen durch die Angabe von Ursachen oder Gründen handelt (Witte,1994). Eine Attribution ist damit eine differenzierte Angabe von Stärkegraden über die Gründe und Ursachen, um einen Effekt zu erklären. Da es im Gegensatz zu einer Erklärung auf der Sachebene bei der Rechtfertigung um die Wertebene geht, kann man Rechtfertigungen in einem ethischen Sinne als die Angabe von Wichtigkeitsurteilen über ethische Grundpositionen bei der Charakterisierung einer Handlung als „gut“ oder „böse“ , „richtig“ oder „falsch“ charakterisieren (Witte/Doll 1995). Man kann natürlich auch umgekehrt fragen, wie werden Handlungen, die positiv oder negativ bewertet werden, gerechtfertigt. Dabei taucht das Problem auf, dass nicht alle Handlungen gerechtfertigt werden. Es sind Routine-Handlungen, die wertneutral sind. , z.B. „ Wieso ist es richtig, dass sie in den Bus eingestiegen sind?“. Demgegenüber kann man folgende Handlung rechtfertigen: „ Warum haben sie der alten Frau ihren Sitzplatz im Bus angeboten?“. Im ersten Fall müsste man komplizierte Zusatzannahmen machen, wenn man eine vernünftige Antwort geben sollte. Will man jetzt das von uns entwickelte Forschungsprogramm in Anlehnung an die sozialpsychologische Forschung benennen, so könnte man es als eine präskriptive Attributionsforschung bezeichnen (Gollenia 1999; Hackel 1995; Maeng 1996; Witte 1995). Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die Idee, dass man vergleichbar einer Erklärung durch die Angabe von Ursachen und Gründen bei einer Rechtfertigung die Angabe von ethischen Grundpositionen vornimmt, die die Handlung als „gut“ oder „schlecht“erscheinen lassen. Man kann nicht nur vollzogene Handlungen rechtfertigen, sondern auch zukünftige Handlungen empfehlen, wie man nach der Attributionstheorie auch zukünftige Handlungen vermeintlich bewirken kann. Man kann nun analog zur Erklärung oder Vorhersage in der klassischen , deskriptiven Attributionsforschung die Rechtfertigung oder Empfehlung in der präskriptiven Attributionsforschung als Begriff einführen (Witte,1994,S.301ff, Witte/Doll,101f) : 1. Es gibt Handlungen: H. 2. Es gibt ethische Grundpositionen, die zur Bewertung einer Handlung herangezogen werden: E i. 3. Es gibt die Bewertung einer Handlung, die auf der Verbindung von ethischen Grundpositionen mit einer Handlung beruht: R(H,Ei) . 4. Es gibt eine Differenzierung der Bewertung nach der Bedeutsamkeit der ethischen Grundpositionen für die Bewertung der Handlung: Bi [R(H,Ei)] . 5. Es gibt die Rechtfertigung einer Handlung als „gut“oder „böse“ , als „richtig“ oder „falsch“ : RG( Bi [R(H,Ei)]) 6. Der Begriff der präskriptiven Attributionsforschung(PRÄTT) ist damit ein Quintupel : PRÄTT = {H, Ei ,R(H,Ei ); Bi[R(H,Ei)], RG(Bi[R(H,Ei)])}. Durch die Zerlegung des Begriffs „präskriptive Attributionsforschung (PRÄTT)“ in seine Komponenten wird auf entsprechende Forschungsbedarfe hingewiesen. Die erste Frage betrifft die Handlungen (H). Welche Arten von Handlungen
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lassen sich sinnvoll unterscheiden, um verschiedene Rechtfertigungen zu erfassen? Neben der Bewertungsdimension „gut“ vs. „böse“, hat sich die Differenzierung in : individuell, interindividuell und sozial als sinnvoll erwiesen (Witte/Doll 1995). Bei einer individuellen Handlung sind Akteur und Rezipient identisch (Ich habe mir meinen Job danach ausgesucht, daß ich etwas Sinnvolles tun kann). Bei einer interindividuellen Handlung sind Akteur und Rezipient unterschiedlich , aber beide identifizierbar ( Bei einem Seminar biete ich einem behinderten Kommilitonen meine Sitzplatz an.). Bei sozialen Handlungen gibt es einen Akteur und viele, nicht im einzelnen identifizierbare Rezipienten , die von der Handlung betroffen sind ( Ich betrüge bei meiner Steuererklärung.). Die zweite Frage betrifft die ethischen Grundpositionen. Wieviele und welche lassen sich unterscheiden? Diese Frage ist sicherlich nicht einfach zu beantworten, aber aus der praktischen Philosophie lassen sich zwei Dimensionen ableiten, die bei der Differenzierung ethischer Grundpositionen eine wichtige Rolle spielen, nämlich die Unterscheidung in Pflicht- und Zweck-Ethiken und die Beurteilungsebene nach individuell und allgemein. Mit diesen zwei Dimensionen hat man ein Klassifikationssystem, das die bekannten ethischen Grundpositionen differenzieren hilft. Für die empirische Forschung ist es nun wichtig, dass diese ethischen Grundpositionen auch empirisch erfaßbar gemacht werden. Aus diesem Grunde sind ein Fragebogen zur Erfassung der vier Positionen und ein inhaltsanalytisches Klassifikationsinstrument konstruiert worden(s.u.). Die dritte Frage betrifft die Beziehung der ethischen Grundpositionen zu einer Handlung. Diese Beziehung wird direkt nach ihrer Bedeutung für die Handlung auf einer Rating-Skala eingeschätzt oder in einem inhaltsanalytischen Kategoriensystem nach der Anzahl der aufgetretenen Argumente bestimmt. Bei der vierten Frage nach der Differenzierung der Bewertung einer Handlung und der Verbindung zu den Rechtfertigungsmustern zeigt sich, dass z.B. positive individuelle Handlungen hedonistisch und intuitionistisch gerechtfertigt werden, positive interindividuelle Handlungen intuitionistisch und positive soziale Handlungen hedonistisch, intuitionistisch und utilitaristisch, aber kaum deontologisch. Alle negativen Handlungsarten werden nicht gerechtfertigt, am ehesten noch hedonistisch (Witte/Doll,1995). Die fünfte Frage hat die Einteilung von Handlungen in sozial positiv bewertet und sozial negativ bewertet zum Gegenstand. Diese Einteilung ist möglich, wobei es auch neutrale Handlungen gibt. Natürlich sind die Bewertungen von sozialen Indikatoren abhängig, wie z.B. Geschlecht, Alter, Kultur, Beruf etc. Nach unseren bisherigen Forschungen ist der gewählte Ansatz sinnvoll und vielversprechend, wenn man sich intensiver der Wertebene zuwenden und Grundlagen für diese Wertebene erfassen möchte. Eine kurze Bemerkung sollte man vielleicht noch machen zu dem praktischen und theoretischen Erkenntnisgewinn durch die Ergänzung der personen- und sachbezogenen Attributionsforschung durch eine wertbezogene, präskriptive Attributions-
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forschung. Jede Handlung bzw. jeder beobachtete Effekt ist mehrdeutig. Er bedarf der Interpretation. Hierzu kann man die Sachebene verwenden, die bei unterschiedlichen Interpretationen verschiedene Konsequenzen zur Folge hat, z.B. den SelbstschutzFehler, die Verschiedenheit der Erklärung zwischen Beobachter und Handelndem, der Auffälligkeitseffekt etc.. Bei der Wertebene ist das vergleichbar, indem man die Rechtfertigungsmuster derselben Handlung zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturen, Berufen, Positionen etc. unterscheiden kann. Bei der Sachebene der deskriptiven Attributionsforschung versteht man durch diese Angabe von subjektiven Ursachen- und Gründezuordnungen das Denkmodell besser und bei der Wertebene der präskriptiven Attributionsforschung das Motivationsmodell, das ein Handelnder oder Beobachter bei der Handlungsausführung als Rechtfertigung oder Empfehlung subjektiv unterstellt hat und als erstrebenswert empfindet. Da Handeln vielfach durch kognitiv-affektive Wechselwirkungen bedingt ist, sind beide Formen der Attributionsforschung von vergleichbarer Bedeutung für die Sozialpsychologie, wobei der präskriptive Teil erst in Ansätzen existiert. Mit dieser Verknüpfung zur existierenden, deskriptiven Attributionsforschung kann man die zukünftige Ethik-Forschung stimulieren, indem man vergleichbare Forschungen zur Sachebene auch auf der Wertebene durchführt. Die praktische Anwendung ergibt sich daraus fast automatisch, wenn man sich fragt, welche ethischen Grundpositionen sind vor allem bei einer Handlung verfolgt worden, welche waren also die Zielwerte, die man erfüllen wollte, so erhält man darüber die Motivationsgrundlage für eine Handlung. Natürlich ist es noch ein weiter Weg bis zur Durchführung einer Handlung, aber man gewinnt eine genauere Interpretation der energetisierenden Prozesse, die für Personen, Gruppen oder Kulturen besonders wichtig sind. 2.
Empirische Umsetzung
Bevor man mit der Empirie beginnen kann, muss man sich ein Bild von den ethischen Grundpositionen machen. Da in der praktischen Philosophie die Ansätze nicht sehr übersichtlich sind, muss man sich Kategorien schaffen, die eine gewisse Ordnung herstellen können, wobei deutlich werden muss, dass man gleichzeitig mehrere ethische Grundpositionen vertreten kann, vielleicht mit unterschiedlichem Gewicht. Die erste bekannte Unterscheidung in der Ethik betrifft die Differenzierung in Pflicht und Zweck-Ethiken, d.h. in Positionen, die vor allem den Weg betrachten und solche die das Ergebnis hervorheben. Als zweites Unterscheidungsmerkmal gibt es die Betrachtungsebene. Sie kann die Einzelperson ins Zentrum rücken oder die Allgemeinheit. Mit diesen 2*2 Unterscheidungsmerkmalen lassen sich die bekannten ethischen Grundpositionen klassifizieren: Hedonismus, Intuitionismus, Utilitarismus und Deontologie. Was den Hedonismus angeht, so wurde bereits in der Antike das Streben nach Lust und Glückseligkeit zur ethischen Norm erhoben. Der Intuitionismus stellt dagegen diejenige Begründung dar, die aus der individuellen Einsicht oder dem individuellen Gefühl folgt und als selbst-evident angesehen wird. Der Utilitarismus hat als Prinzip das größte Glück der meisten als Grundlage. Schließlich ist die Deontologie geleitet von allgemeinen Prinzipien wie dem Kategorischen Imperativ.
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Tab. 1: Unterscheidung der ethischen Grundpositionen und Angabe von Items zu einem Fragebogen
Beurteilungsgegenstand
Zweck Folgen
Pflicht Regel
Beurteilungsbezug
Persönlich
Intuitionismus Hedonismus ( Ich achte darauf, wie es mir Ich bin mir sicher, dass diese Handlung angemessen ist.) persönlich ergeht.)
Allgemein
Utilitarismus (Man muss nach meiner Meinung die Konsequenzen einer Handlung für alle betrachten.)
Deontologie (Es kommt nach meiner Meinung auf allgemeine Prinzipien als Richtschnur für unsere Handlungen an.)
In dieser Tabelle sind bereits Items formuliert, die für einen Fragebogen verwendet wurden. Insgesamt sind es 20 Items, je 5 pro ethischer Grundposition. Gefragt wird jeweils, wie bedeutsam die Gesichtspunkte waren als man die Handlung ausgeführt hat. Die Antworten werden auf einer Skala von 1 (nicht bedeutsam) bis 5 (sehr bedeutsam) gegeben (Witte/Doll 1995). Dieser kleine Fragebogen hat sich bisher in mehreren Untersuchungen bewährt mit einer befriedigenden internen Konsistenz zwischen 0.65 und 0.92 ( Cronbachs alpha). Er ermöglichte es Unterschiede zwischen Kulturen, Regionen und Berufsgruppen bei verschiedenen Handlungsformen zu entdecken. Neben der Konstruktion eines Fragebogens kann man mit diesem Vier-FelderSchema auch inhaltsanalytische Klassifikationssysteme konstruieren. Nach unseren Ergebnissen hat man damit einen erste Grundlage für eine empirische Ethikforschung im Sinne der Präskriptiven Attributionsforschung vorliegen. Man kann sich jetzt gezielter mit der Arbeitswelt befassen und sich einen Eindruck von der Brauchbarkeit dieser präskriptiven Attributionsforschung für diesen Bereich anschauen. Hierzu werden Ergebnisse mit Hilfe der Fragebogentechnik und mit dem inhaltsanalytischen Schema berichtet. 3.
Berufliches Handeln und ethische Grundpositionen
Inhaltlich will ich auf zwei Dissertationen näher eingehen, die die Bedeutung für das berufliche Handeln aufzeigen. Zum einen die Untersuchung von Hackel (1995) über den Unterschied zwischen ost- und westdeutschen Arbeitnehmern und dann die
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Dissertation von Gollenia (1999) über die Verschiedenheit von Berufsgruppen in ihrer Rechtfertigungsstrategie. Die erste Dissertation bedient sich dabei des Fragebogens, die zweite verwendet ein an das Vier-Felder-Schema angepasstes, inhaltsanalytisches Kategoriensystem. 3.1 Die Rechtfertigung der eigenen Arbeitsleistung: Ein Vergleich ost- und westdeutscher Arbeiter In einer umfassenderen Studie über die unterschiedliche Berufssozialisation von Arbeitnehmern in Ost- und Westdeutschland wurden bald nach der Wende im Jahre 1992 und 1993 insgesamt 157 Personen befragt (Hackel 1995). Hierbei handelt es sich um Arbeitnehmer im Produktionsbereich. Davon waren 70 Personen aus Ostdeutschland (OiO), 30 Personen aus Westdeutschland (WiW), 30 aus Westdeutschland, die im Osten arbeiteten (WiO), und 27 aus Ostdeutschland, die im Westen arbeiteten (OiW). Als Frage wurde den Personen vorgegeben: „Wenn Sie an Ihre Arbeitsleistung denken, wie bedeutsam sind die folgenden Rechtfertigungen?“. Die Antwort erfolgte auf einem Fragebogen mit 16 Items, d.h. es wurden wegen der Länge des gesamten Fragebogens nur 4 Items pro ethischer Grundposition herangezogen. Cronbachs alpha-Werte der 4 Skalen liegen zwischen .71 und .83. Sie sind für die Mittelwertsvergleiche zwischen den Gruppen völlig ausreichend. Die Einschätzung pro Item wurde auf einer Skala von 1 (nicht bedeutsam) bis 5 (sehr bedeutsam) vorgenommen. Tab. 2 : Vergleich der Rechtfertigungen von OiO (N=70) und WiW (N=30)
Skalen
WiW
OiO
t-Test sign.
Effekt : d
Hedonismus
4.09
4.26
.23
----
Intuitionismus
3.63
3.55
.66
----
Utilitarismus
3.65
4.04
.04
.49
Deontologie
3.41
4.14
.00
.81
Tab. 3: Vergleich der Rechtfertigungen von OiW (N=27) und OiO (N=70)
Skalen
OiW
OiO
t-Test sign.
Effekt : d
Hedonismus
3.57
4.26
.00
1.01
Intuitionismus
2.75
3.55
.00
0.81
Utilitarismus
3.35
4.04
.00
0.81
Deontologie
3.10
4.14
.00
1.14
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Tab. 4: Vergleich der Rechtfertigungen von OiW (N=27) und WiO (N=30)
Skalen
OiW
WiO
Hedonismus
3.57
4.06
.01
.73
Intuitionismus
2.75
3.78
.00
1.26
Utilitarismus
3.35
3.63
.25
---
Deontologie
3.10
3.24
.60
---
t-Test sign.
Effekt : d
Die beiden Stichproben WiW und WiO weisen keine Unterschiede auf. In dem ostdeutschen Sample findet sich eine generell größere Gewichtung der beiden ethischen Grundpositionen Utilitarismus und Deontologie. Die Effekte sind mittel bis groß. Geht man nun davon aus, dass kurz nach der Wende die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch entsprechend wirksam waren, so zeigt sich in diesem Ergebnis eine stärkere kollektivistische Haltung bei den Ostdeutschen, wenn es um eine Arbeitsleistung geht. Denkbar ist, dass das Leistungsmotiv zusätzlich durch diese allgemeinen Hinweise auf den Betrieb und die Gesellschaft erhöht werden kann als allein durch den individuellen Verdienst z.B., was eine stärker hedonistische Rechtfertigung zur Folge hätte, die zwar auch bedeutsam war, aber durch die beiden anderen ethischen Grundpositionen unterstützt wurde. Das kann man dem Mittelwert von 4.0 entnehmen, da der theoretische Neutralpunkt der Ratingskala bei 3.0 liegt. Wie schnell sich jedoch solche Rechtfertigungsmuster ändern bzw. andere Verhaltensstile erzeugt werden, erkennt man an dem Vergleich von Ostdeutschen, die im Westen arbeiten, mit denjenigen, die im Osten geblieben sind. Die Personen mit dem gesellschaftlichen Wechsel haben fast jede Form der Rechtfertigung aufgegeben, weil die Mittelwerte kaum über dem Neutralpunkt von 3.0 liegen, vielleicht mit Ausnahme des Hedonismus. Sogar intuitiv ist ihnen nicht mehr klar (M=2.75), welche Wertposition sie vertreten sollen. Sie scheinen verunsichert zu sein, was die Rechtfertigungsmöglichkeit einer Arbeitsleistung angeht. Sie halten vergleichsweise keine ethische Grundposition mehr für wichtig verglichen mit ihrer Kulturgruppe aus dem Osten. (Das war um 1993.) Die westdeutschen Pendler unterscheiden sich dagegen nicht von den anderen Westdeutschen, die in Westdeutschland geblieben sind. Diese Gruppe von „Pendlern“ gewichten vor allem persönliche Positionen , auch hedonistische, so dass der Wechsel in den Osten stärker aus der individuellen Ebene heraus motiviert gewesen zu sein scheint als kollektivistisch, nämlich die Verhältnisse in der ehemaligen DDR verbessern zu wollen. Es ging also um den persönlichen Anreiz und weniger um allgemeine Werte, wie man später dann in vielen Fällen auch beobachten konnte. Die Hilfe für den Aufbau der neuen Bundesländer spielt keine zusätzliche Rolle für ihre Arbeitsleistung, wie man häufig gelesen hat. Die Pendler suchten ihren persönlichen Vorteil, genauso wie die anderen westdeutschen Arbeitnehmer. Freiwilliges Arbeitsengagement zugunsten der Allgemeinheit war wohl weniger wichtig
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Aus diesen Daten von Hackel (1995) lassen sich recht gut, auch im Nachhinein, manche Entwicklungen besser verstehen. Die westdeutschen Pendler waren eben besonders auf ihren persönlichen Vorteil bedacht und die Ostdeutschen neigten weniger zur individuellen Konkurrenz und haben mehr die Allgemeinheit im Blick gehabt, was das Versagen mancher Anreize und die Vermeidungshaltungen bei den Ostdeutschen erklärt, ohne allein Sozialisationsdefizite in einem sozialistischen System als Erklärung heranziehen zu müssen. Man kann erkennen, welche Wertebereiche eher betont werden. Diese sind dann von besonderer Bedeutung und bieten damit Anreizsysteme, die über die Bezahlung hinausgehen. Diese Art von Anreizsysteme passen aber nicht in eine vorwiegend ökonomisch-individualistische Kultur. An diesen Beispielen erkennt man, wie die Wertebene die Arbeitsmotivation beeinflussen kann. Man muss sie genauer betrachten, um eine beobachtete Arbeitsleistung zu verstehen und angemessene Anreizsysteme zu schaffen. Das gilt sicherlich auch im Einzelfall für die Auswahl von Arbeitnehmern, die eher individualistisch oder eher kollektivistisch bzw. eher durch Pflicht oder durch Belohnung motiviert sind. Bei der individuellen Diagnose jedoch ist ein differenzierteres Instrument einzusetzen, das auch genauer individuelle präskriptive Attributionen erfassen und unterscheiden kann als es im Augenblick für die Mittelwertsvergleiche eingesetzt worden ist. 3.2 Berufsidentität und Rechtfertigungsmuster In jüngerer Zeit haben sich verschiedene angewandte Ethiken herausgebildet, die Spezialprobleme einzelner Bereiche diskutieren: der Medizin, der Wirtschaft, der Technik, der Politik, der Rechtsprechung etc. Dabei greifen diese Ethik-Diskussionen unterschiedliche Aspekte heraus. Was passiert eigentlich, wenn Vertreter verschiedener Berufsgruppen gemeinsam über ein Projekt entscheiden müssen und die Berufsperspektiven zu unterschiedlichen Positionen führen? Wie kann man einen gemeinsamen Nenner finden? Das ist eine außerordentlich schwierige Fragestellung, weil kaum eine Berufsgruppe schon innerhalb ihrer Disziplin versteht, derartige Probleme zu diskutieren. Zwischen den Perspektiven verschiedener Berufsgruppen hinweg wird eine gemeinsame Erörterung ohne eine Hilfe durch eine gezielte Moderation kaum möglich sein. Um dieser Fragestellung näher zu kommen, hat Frau Gollenia (1999) in ihrer Dissertation dieses Problem aufgegriffen. Dabei soll uns jetzt nur die Frage interessieren, wie unterschiedliche Berufsgruppen in einer simulierten Ethikkommission über die Einführung der Keimbahntherapie ihre Entscheidung rechtfertigen würden. Die Keimbahntherapie ist die genetische Manipulation des Erbgutes zur Vermeidung von Erbkrankheiten. An dieser Untersuchung nahmen N=84 Personen teil, die entweder kurz vor dem Abschluss des Studiums oder bereits nach dem Abschluss aus folgenden drei Berufsgruppen gewonnen wurden: Wirtschaft, Medizin, Jura. Diesen Personen wurde als vermeintliches Mitglied einer Ethik-Kommission die Frage vorgelegt, ob sie die Einführung der Keimbahntherapie in Deutschland befürworten würden. Sie sollten eine Entscheidung fällen und die Entscheidung rechtfertigen.
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Uns interessieren hier nur kleine Ausschnitte aus der komplexen Untersuchung ( siehe Gollenia 1999). Die Rechtfertigungsgründe wurden nach den vier ethischen Grundpositionen klassifiziert. Die Interrater-Reliabilität war ausreichend und es ließen sich fast alle Rechtfertigungen klassifizieren. Bereits bei der Anzahl der Argumente gibt es zwischen den drei Berufsgruppen Unterschiede. Tab. 5: Mittelwerte und Streuung der Anzahl von Rechtfertigungen pro Person
Berufsgruppe
Wirtschaft
Medizin
Jura
Mittelwerte u. Streuungen
9.86(s=3.7)
11.86(s=4.8)
14.8(s=4.5)
Ein Varianzanalyse mit anschließendem Scheffé-Test zeigt, dass die Juristen im Durchschnitt mehr Rechtfertigungen liefern. Schaltet man diesen Einfluss aus, indem man auf die Anzahl der Argumente prozentuiert und dann anschließend die Verteilung der Rechtfertigungen über die vier ethischen Grundpositionen betrachtet, dann erhält man folgende Verteilung der Prozentangaben: Tab. 6: Prozentuale Verteilung der Rechtfertigungen über die ethischen Grundpositionen und die Berufsgruppen
Ethische Grundposition
Wirtschaft
Medizin
Jura
Hedonismus
39.2 %
18.0%
18.6%
Utilitarismus
37.6%
54.5%
49.0%
Deontologie
15.6%
24.7%
29.2%
3.7%
2.7%
2.6%
Intuitionismus
Bei dem Vergleich der Berufsgruppen zeigen sich bevorzugte Präferenzen: 1. Die Wirtschaftsvertreter bevorzugen hedonistische Rechtfertigungen im Vergleich zu Medizinern und Juristen. 2. Utilitaristische Argumente werden von Medizinern und Juristen im Vergleich zu Wirtschaftsvertretern bevorzugt. 3. Deontologische Positionen werden von Medizinern und Juristen im Vergleich zu Wirtschaftsvertretern bevorzugt. 4. Inuitionistische Rechtfertigungen sind insgesamt selten und zeigen keinen Unterschied. In dieser Verteilung sind die Berufsgruppen von Medizinern und Juristen sehr ähnlich und unterscheiden sich von den Wirtschaftsvertretern. Die Art der Verteilung ist so nur bedingt erwartet worden. Erwartet wurde eine Dominanz von Hedonismus bei der Wirtschaft, von Utilitarismus bei der Medizin und Deontologie bei der Jurisprudenz. So eindeutig ist die Bevorzugung zwar nicht, aber deutliche Unterschiede sind unverkennbar. Aus diesem Ergebnis kann man erwarten, dass eine Diskussion
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zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen nicht einfach sein wird. Auf solche Missverständnisse ist einzugehen, wenn man den Dialog zwischen Berufsgruppen in unserer Gesellschaft bei wichtigen Entscheidungen befördern möchte. Zu einfach ist die Schlussfolgerung, dass eine ethische Grundposition besser sei als eine andere. 4.
Schlussfolgerungen
Aus diesen und anderen Ergebnissen ergeben sich zwei Entwicklungslinien, die eine ist die Intensivierung der Erforschung der Wertebene in der Sozialpsychologie, wie es oben angedeutet wurde, die andere ist die Betrachtung praktischer Probleme aus den vier ethischen Grundpositionen und deren unterschiedliche Bevorzugung von Kulturen, Berufsgruppen oder Personen. Diese verschiedenen Bedeutungen in der Gewichtung erzeugen Missverständnisse und Konflikte, weil man sich nicht auf die Rechtfertigungsebene anderer Personen einlässt und aneinander vorbeiredet. Hier ist dann z.B. das Konzept der Mediation ( Witte 1994,a) auch durch eine Wertperspektive gezielt anzureichern. Manche Konflikte lassen sich auf diese Weise vermeiden und auflösen. Gleichzeitig ist eine ethische Analyse gehalten, entsprechend differenziert nach diesen vier ethischen Grundpositionen vorzugehen. Dabei ist die Idee, diejenigen Handlungsalternativen auszuwählen, die möglichst vielen der vier Positionen genügen, weil darin die am ehesten zu rechtfertigenden Handlungen gesehen werden. Auf diese Weise kann man Hinweise für Entscheidungen in der Zukunft erhalten, wenn man entsprechende Szenarien durchspielt und sich die Rechtfertigungen für diese Szenarien genauer betrachtet. Denkbar ist, dass die Qualität der Entscheidung einerseits von der Sachebene abhängig ist, aber auch durch die Wertebene mit bestimmt wird. Sicherlich ist die Beziehung zu diesen beiden Ebenen bedingt durch die Art der Entscheidung, aber man sollte davon ausgehen, dass bei komplexeren Fragestellungen immer beide Ebenen betroffen sind. Mit dem hier skizzierten Schema hat man eine gewisse Anleitung in der beruflichen Praxis, eine differenzierte Diskussion der Wertebene vorzunehmen und nicht vorschnell gewisse Präferenzen einfließen zu lassen. Auch bei der individuellen Ebene kann man durch das Verständnis des jeweiligen Motivmodells ein persönliches Anreiz-System für den jeweiligen Mitarbeiter schaffen und so die Führungsaufgaben gezielter vornehmen. Möglicherweise sind für bestimmte Positionen oder Aufgaben (Teamarbeit, Außendienstmitarbeiter) bestimmte Motivmodelle in Form von Rechtfertigungsmustern der eigenen Arbeitsleistung mehr oder weniger günstig. Hierzu sind natürlich weitere Studien nötig. Literatur Berkel, Karl (1998): Führungsethik: Organisationspsychologische Perspektiven. In : Blickle, Gerhard (Hg.): Ethik in Organisationen. Göttingen, 117-136. Blickle, Gerhard (Hg.): Ethik in Organisationen. Göttingen. Gollenia, Miriam C. (1999): Ethische Entscheidungen und Rechtfertigungen unter der besonderen Bedingung der sozialen Identität.Bern. Hackel, Stephan (1995): Berufliche Sozialisation und Identität ost- und westdeutscher Arbeitnehmer. Wetzlar.
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Erich H. Witte: Ethische Grundpositionen und ihre Bedeutung bei der Rechtfertigung beruflicher Handlungen
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