Transcript
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Übersichtsarbeit
Euthanasie und ärztlich assistierter Suizid: Ein Weißbuch der European Association for Palliative Care
Palliative Medicine 1-13 © Die Autor(en) 2015 Nachdrucke und Berechtigungen: sagepub.co.uk/journalsPermissions.nav DOI: 10.1177/0269216315616524 pmj.sagepub.com
Lukas Radbruch1,2, Carlo Leget3, Patrick Bahr1, Christof Müller-Busch4,5, John Ellershaw6, Franco de Conno7 und Paul Vanden Berghe8; im Namen der Mitglieder der EAPC Translated from the article first published in the journal Palliative Medicine (2015, online first). Translated by lingoking GmbH, Munich, referree Prof. Lukas Radbruch, Bonn. Kindly reproduced by permission of the publishers of the journal, who retain the copyright. All rights reserved, http://pmj.sagepub.com. Übersetzt aus dem Englischen von der Publikation „Euthanasia and physician-assisted suicide: A white paper from the European Association for Palliative Care“, Palliative Medicine (2015, online first). Übersetzung durch Lingoking GmbH, München, Übersetzung geprüft durch Prof. Lukas Radbruch, Bonn. Abdruck erfolgt mit Genehmigung der Herausgeber der Zeitschrift, bei denen das Copyright verbleibt. Alle Rechte vorbehalten, http://pmj.sagepub.com.
Zusammenfassung Hintergrund: Angesichts der laufenden Diskussion über Euthanasie1 und ärztlich-assistierten Suizid hat der Vorstand der European Association for Palliative Care (EAPC) dieses Weißbuch aus der Perspektive der Palliativversorgung in Auftrag gegeben. Ziel: Dieses Weißbuch soll einen ethischen Rahmen bezüglich Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid für Palliativmediziner aufzeigen. Es soll auch einen Überblick über die verfügbaren Nachweise sowie einen Diskurs über ethische Grundsätze in Bezug auf diese Themen vermitteln. Konzept: Beginnend mit einem Positionspapier der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin von 2003, wurden 21 Aussagen ausgearbeitet und einem fünfstufigen Delphi-Verfahren unterzogen. Teilnehmer: Ein Gremium aus 17 Experten kommentierte das Papier in Runde 1. Die Vorstandsmitglieder von nationalen Verbänden für Palliativmedizin und Hospizarbeit, die kollektive Mitglieder der EAPC sind, wurden zu einer Online-Befragung in den Runden 2 und 3 eingeladen und das Expertengremium und die Vorstandsmitglieder der EAPC nahmen in den Runden 4 und 5 teil. Diese endgültige Fassung wurde als offizielles Positionspapier der EAPC im April 2015 angenommen. Ergebnisse: Wichtigste Themen des Weißbuchs sind Konzepte und Definitionen der Palliativversorgung, ihre Werte und Philosophie, Euthanasie und ärztlich-assistierter Suizid, sowie Kernfragen auf Patienten- und organisatorischer Ebene. Der Konsensprozess bestätigte das Positionspapier von 2003 der EAPC und dessen Standpunkt bezüglich des Verhältnisses zwischen Palliativversorgung und Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid. Fazit: Die EAPC hält es für wichtig, einen Beitrag zu fundierten öffentlichen Debatten über diese Fragen zu leisten. Vollständiger Konsens scheint nicht erreichbar zu sein, da sich inkompatible normative Rahmenbedingungen gegenüber stehen.
Keywords Euthanasie, ärztlich assistierter Suizid, palliative Sedierung, Konsensprozess, Online-Befragung 1Abteilung
für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Deutschland, 2Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/ Rhein-Sieg, Bonn, Deutschland, 3Universität für humanistische Studien, Utrecht, Niederlande 4Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin, Deutschland 5Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland, 6Marie Curie Palliative Care Institut Liverpool (MCPCIL), University of Liverpool, Liverpool, Großbritannien, 7Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin, Mailand, Italien, 8Federation Palliative Care Flandern, Vilvoorde, Belgien
Korrespondenzautor: Lukas Radbruch, Abteilung für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn, Deutschland. E-Mail:
[email protected]
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Im englischen Original wird durchgehend von Euthanasia gesprochen. In Deutschland wäre hierfür der Begriff „aktive Sterbehilfe“ gebräuchlich, der jedoch als missverständlich kritisiert worden ist. Von juristischer Seite wird von Tötung auf Verlangen gesprochen. Für die d eutsche Übersetzung des englischen Manuskripts wurde der Begriff „Euthanasie“ gewählt.
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Palliative Medicine Was ist bereits über das Thema bekannt?
Die European Association for Palliative Care (EAPC) veröffentlichte 2003 ein Positionspapier mit Konzepten und Definitionen zu Euthanasie und assistiertem Suizid, Gesetzesänderungen in einigen Ländern und anhaltende öffentliche Diskussionen in vielen europäischen Ländern deuten auf ein breites Spektrum ethischer Normen und Werte hin, die diesen Diskussionen zugrunde liegen.
Was ist neu in dieser Arbeit?
Dieses Papier fasst zusammen, in welchen Punkten Konsens zwischen den europäischen Palliativmedizinern besteht und stellt die Kontroversen heraus, bei denen keine Einigkeit erzielt wird. Das Papier vermittelt eine klare Haltung von Fachleuten und Vertretern der nationalen Organisationen zur palliativen Versorgung und beschreibt eine offizielle Position des Vorstands der EAPC mit 21 Aussagen über Euthanasie, begleiteten Suizid und Palliativversorgung.
Implikationen für Praxis, Lehre oder Politik
Individuelle Bitten um Euthanasie und ärztlich begleiteten Suizid (PAS) haben komplexe Ursachen und können persönliche, psychologische, spirituelle, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und demographische Faktoren umfassen. Solche Anfragen erfordern Respekt und sorgsame Aufmerksamkeit, zusammen mit offener und sensibler Kommunikation im klinischen Alltag. Das EAPC-Positionspapier erklärt, dass Euthanasie und PAS nicht in die Praxis der palliativen Versorgung einbezogen werden sollten. Personen, die um Euthanasie oder PAS ersuchen, sollten Zugang zu palliativmedizinischer Expertise erhalten. Dies soll durch die Implementierung von Palliativversorgung innerhalb des regulären Gesundheitswesens aller europäischen Länder erreicht werden, unterstützt durch geeignete Finanzierung, Ausbildung und Forschung. Innerhalb Europas gibt es verschiedene Ansätze hinsichtlich Euthanasie und PAS und es gilt, eine offene und respektvolle Debatte um diese Themen zu fördern.
Hintergrund 1991 regte eine Debatte im Europäischen Parlament über Euthanasie eine europaweite Diskussion auf allen Ebenen an. In der Folge erarbeitete die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin (EAPC) eine erste Stellungnahme Regarding Euthanasia,1 um den Standpunkt der Organisation hinsichtlich Euthanasie klarzustellen. Im Jahr 2003 veröffentlichte die EAPC-Arbeitsgruppe für Ethik eine detaillierte und aktualisierte Erklärung.2 Die Redakteure veröffentlichten eine Reihe von 53 Kommentaren von verschiedenen Experten aus den Bereichen Medizin, Philosophie, Theologie und Ethik, die ein breites Spektrum von unterschiedlichen Haltungen zur Euthanasie und zur EAPC-Stellungnahme umfassen. Inzwischen gab es bedeutende Entwicklungen und Errungenschaften auf dem Gebiet der Palliativversorgung sowie viele, auch kontroverse Diskussionen über Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid (PAS). In einigen Ländern gab es auch eine neue Gesetzgebung. Euthanasie wurde in den Niederlanden legalisiert (2001), in Belgien (2002) und Luxemburg (2009), in der Schweiz ist begleitete Selbsttötung gesetzlich erlaubt sowie außerhalb Europas in drei Bundesstaaten der Vereinigten Staaten: Oregon, Vermont und Washington. Die Komplexität der Debatte ist auch gekennzeichnet durch eine anhaltende Diskussion über Therapieverzicht oder -abbruch (Non-Treatment Decisions NTD) in einigen europäischen Ländern wie Frankreich. Dort berichtete eine Expertenkommission der Regierung vor Kurzem, dass Ärzte die Möglichkeiten nicht vollständig nutzen, obwohl NTD seit 2005 legal ist, so dass die Bedürfnisse und Prioritäten der Patienten in Bezug auf die Sterbebegleitung
oft ignoriert werden.3. Die EAPC hält es für wichtig, einen Beitrag zu sachkundigen öffentlichen Diskussionen über diese Fragen zu leisten. Diese Aufgabe ist nicht leicht, da Euthanasie und PAS zwei der am häufigsten diskutierten und umstrittensten ethischen Themen im Gesundheitswesen sind. Vollständige Einigkeit kann über diese Fragen offenbar nicht erzielt werden, da sich inkompatible normative Rahmenbedingungen gegenüber stehen . Dieses Dokument baut auf den aktuellen Debatten auf und entwickelt einen Standpunkt aus der palliativmedizinischer Perspektive, die auf die vielfältigen kulturellen und rechtlichen Unterschiede zwischen den europäischen Ländern berücksichtigt.
Historische Entwicklungen und die aktuelle Situation Rund um die Welt haben einige bedeutende Änderungen im Zusammenhang mit Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid (PAS) stattgefunden. Im Jahr 1996 erließ zum ersten Mal in der Geschichte eine demokratische Regierung ein Gesetz, das sowohl Euthanasie als auch PAS unter bestimmten Bedingungen legisierte, wie in den Rights of the Terminally Ill Amendment Act 1996 (Änderungsgesetz über die Rechte unheilbar Kranker) Northern Territory, Australien beschrieben.4 Das Gesetz wurde jedoch 1997 durch das Sterbehilferechtsgesetz (Euthanasia Laws Bill) des australischen Parlaments ausgehebelt. 5. Im gleichen Jahr wurde PAS (jedoch nicht Euthanasie) legalisiert durch das Gesetz des Staates Oregon über Sterben in Würde (Oregon Death with Dignity Act). 6 Dies wurde gefolgt von ähnlichen Rechtsvorschriften in Washington (2008), Vermont (2013) und Kalifornien (2015), und wird zurzeit in New Jersey diskutiert. In Montana hat 2009 ein
Radbruch et al. Gerichtsurteil, das keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Sterbehilfe fand, den Weg für ähnliche Praktiken geebnet und gegen ein ähnliches Urteil in New Mexico aus dem Jahr 2014 wurde jetzt Berufung eingelegt. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Anforderungen in den europäischen Ländern müssen die Patienten in Oregon, Washington und Vermont unter einer unheilbaren körperlichen Krankheit leiden, um ärztlich assistierten Suizid (PAS) in Anspruch nehmen zu können. Daten über die Häufigkeit von Euthanasie und PAS sind in Tabelle 1 dargestellt. Sterbehilfe bzw. begleiteter Suizid hat in der Schweiz eine lange Tradition, nicht nur für Schweizer Bürger, sondern auch für Ausländer. Das Schweizerische Gesetz, das bis ins Jahr 1942 zurückreicht, ist nicht spezifisch auf medizinische Erkrankungen bezogen. In der Mehrzahl der Fälle sind Organisationen, die sich für das Recht auf menschenwürdiges Sterben einsetzen, beteiligt. Die tödlichen Medikamente werden von Medizinern verordnet, aber diese tun das auf Antrag der Organisationen. Im Gegensatz zu den rechtlichen Bestimmungen in den Niederlanden, Belgien oder Luxemburg, ist das die Methode keine ärztlich begleitete Selbsttötung, da kein Arzt-Patienten-Verhältnis erforderlich ist.10 Der Arzt ist generell nicht anwesend, wenn der Patient Selbstmord begeht.17. Die Niederlande führten nach einer langen öffentlichen Diskussion und einer Politik der Toleranz 2001 das Gesetz zur Lebensbeendigung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid im Prüfungsverfahren ein.18. Dieses setzt die Strafverfolgung von Euthanasie und ärztlich unterstütztem Suizid aus, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: Das Leiden des Patienten ist unerträglich und es besteht keine Aussicht auf Besserung; der Patient ist sich seines Zustands und seiner Prognose voll bewusst und sein Wunsch ist freiwillig und bleibt über einen längeren Zeitraum bestehen; ein zweiter, unabhängiger Arzt hat die Bedingungen bestätigt; und das Verfahren wird in medizinisch angemessener Weise durchgeführt. Eine Kombination eines Barbiturats (um ein Koma zu induzieren) und anschließend eines Muskelrelaxans (welches Atemstillstand verursacht) wird am häufigsten für die Euthanasie angewendet. Nach dem Tod des Patienten, muss der Arzt das Verfahren an die regionalen Kontrollkommissionen für Sterbehilfe (RERCs) melden, die prüfen, ob die Sorgfaltskriterien erfüllt wurden. Euthanasie kann bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren durchgeführt werden. Für Kinder zwischen 12 und 16 Jahren ist die elterliche Zustimmung erforderlich, wenn sie Sterbehilfe erhalten möchten. Die Gesetzgebung erkennt auch die Gültigkeit einer schriftlichen Patientenverfügung an, die festlegt, unter welchen Umständen der Patient möglicherweise Sterbehilfe erhalten möchte. Auch Belgien hat 2002 Gesetze zur Sterbehilfe mit ähnlichen Vorschriften wie in den Niederlanden eingeführt.19 Ärzte werden nicht strafrechtlich verfolgt, wenn sie Euthanasie für entsprechend in Frage kommende volljährige Patienten durchführen, die wiederholt und konsequent den Wunsch danach ohne Druck von außen
3 geäußert haben und permanenten und unerträglichen physischen und/oder psychischen Leiden ausgesetzt sind aufgrund einer irreversiblen Erkrankung (Unfall oder Krankheit) ohne Aussicht auf Besserung und wenn der Arzt die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise befolgt. Im Fall von Patienten, die sich in einem irreversiblen Zustand der Bewusstlosigkeit befinden, ist eine schriftliche Patientenverfügung akzeptabel, die den Wunsch des Patienten ausdrückt. Um Sterbehilfe erbitten zu können, muss ein Patient entsprechend der Gesetzgebung älter als 18 Jahre oder ein mündiger Minderjähriger sein (verheiratet oder in Ausnahmefällen durch ein richterliches Urteil). Sterbehilfe wurde bisher nur sehr selten bei jungen Menschen geleistet. In einer kürzlich stattgefundenen parlamentarischen Debatte wurde das Alter als weniger relevant bewertet als das Urteilsvermögen über zugrundeliegende Aspekte und Implikationen. In der Folge wurde im Februar 2014 ein neuer Gesetzentwurf verabschiedet, der auf den gleichen Grundprinzipien wie die rechtlichen Bestimmungen von 2002 beruht, sich aber auf keine Altersgrenze bezieht, was sich stark von der niederländischen Gesetzgebung abhebt. Obwohl das belgische Recht seinen Geltungsbereich auf Kinder ausweitet, wird jedoch die Indikationsbreite durch den Ausschluss von psychiatrischen Erkrankungen eingeschränkt. Wichtiger ist, dass das neue Gesetz speziell auf die Frage des Urteilsvermögens eingeht, das durch ein multidisziplinäres Team mit einem klinischen Psychologen oder Psychiater beurteilt werden muss. Eltern oder die Erziehungsberechtigten müssen mit dem Wunsch einverstanden sein.20. Neue ethische Fragestellungen sind entstanden, zum Beispiel, wenn Patienten in Belgien Organspender werden möchten. Bei einigen Patienten wurde Euthanasie durchgeführt, direkt bevor Organe für die Transplantation entnommen wurden, obwohl darauf geachtet wurde, dass das Transplantationsteam unabhängig handelte.21. Die Einrichtung einer virtuellen „Life's End Clinic“ in den Niederlanden für Menschen, deren Wunsch nach Sterbehilfe nicht von ihrem eigenen Arzt erfüllt wurde, und von der Euthanasie in 134 Fällen im Jahr 2013 und 232 Fällen im Jahr 2014 ausgeführt wurde,22 hat Bedenken ausgelöst, da dieses mobile Team ausschließlich Euthanasiewünschen nachkam. 2009 wurde Euthanasie und ärztliche begleitete Selbsttötung auch in Luxemburg eingeführt.23 Ähnlich den Kriterien in den Niederlanden und Belgien, müssen die Patienten unter einer unerträglichen Beschwerden ohne Aussicht auf Besserung leiden, aber die Krankheit muss nicht tödlich sein.10 Bezogen auf ganz Europa deutet aber in den letzten 10 Jahren wenig darauf hin, dass Euthanasie durch parlamentarische Entscheidungsprozesse legalisiert wird. In vielen europäischen Ländern sprechen sich eine Reihe von Fach- und Berufsverbänden der Ärzte, Pflegepersonal und anderen Berufsgruppen, sowie Interessenvertretungen behinderter oder älterer Menschen und auch palliativmedizinische Organisationen gegen die Legalisierung der Euthanasie aus.
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Palliative Medicine
Tabelle 1. Prävalenz von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid in Ländern, in denen diese Praktiken legal sind. Land Vereinigte Staaten Oregon7 Washington8 Vermont Montana Kalifornien New Mexico New Jersey Schweiz Niederlande
Jahr
Todesfälle
1998 2014 2009 2013
16 (24 Patienten mit Verordnungen) 105 (155 Patienten mit Verordnungen) 36 (63 Patienten mit Verordnungen) 119 (173 Patienten mit Verordnungen) N. v. N. v. N. v. N. v. N. v. Ca. 300 353 (langsame Zunahme in den letzten zehn Jahren)9 Alle Ohne ausdrücklichen Wunsch des Patienten Alle Ohne ausdrücklichen Wunsch des Patienten Alle Ohne ausdrücklichen Wunsch des Patienten 4188 4829 4501 Euthanasie 286 ärztlich assistierter Suizid 42 beide 235 1133 1432 1807 1454 in Flandern 353 in Wallonien Ärztliche Begutachtung in Flandern 14
20099 201010 200111 200511 201011 201412 201512
Belgien
Luxemburg
200313 201113 201214 201314
201315 2011–201216
Prozentsatz aller Todesfälle
0,31 0,23
0,48 0,56 2,6 0,7 1,7 0,4 2,8 0,2 3,4 3,2 0,2 <0.1
1,7
4,6 0,18
N. v.: nicht verfügbar.
Beihilfe zum Suizid wird in vielen europäischen Staaten nicht strafrechtlich verfolgt. In der Schweiz ist Beihilfe zum Suizid nur dann ein Verbrechen, wenn das Motiv gemäß Artikel 115 des Strafgesetzbuches eigennützig ist. Die deutsche Rechtsprechung ist sogar noch großzügiger und Hilfe oder Unterstützung sind nach Artikel 216 des Strafgesetzbuches nicht strafbar. Aber Strafverfolgung ist aus anderen Gründen möglich, wie z.B. wegen unterlassener Hilfeleistung oder fahrlässiger Tötung. Im Vereinigten Königreich, ist Beihilfe zum Suizid in England und Wales nach dem Suicide Act 1961 eine Straftat sowie in Nordirland durch die Abschnitte 12 und 13 des Criminal Justice Act (Strafrechtsgesetz Nordirland) 1966. Es gilt nicht für Schottland. In den letzten Jahren wurden mehrere Versuche unternehmen, die Beihilfe zum Suizid in England und Wales zu legalisieren, aber sie wurden alle vom Parlament abgelehnt. 2010 veröffentlichte der Generalstaatsanwalt eine Leitlinie für Staatsanwälte, die Interessenfaktoren der öffentlichen Hand beschreibt, die tendenziell zugunsten oder tendenziell gegen Strafverfolgung ausfallen.24 Die Leitlinie zeigt auf, dass die Strafverfolgung weniger wahrscheinlich ist, wenn das Opfer eine freiwillige, klare, gereifte und fundierte Entscheidung zum Suizid getroffen hatte, und der Verdächtige aus Mitgefühl handelte. Lord Falconer of Thoroton legte dem
House of Lords zuletzt im Juni 2015 einen Gesetzentwurf zur Beihilfe zum Suizid vor, der jedoch wie in den vorangegangenen Jahren abgelehnt wurde. Außerhalb Europas hat zuletzt der Oberste Gerichtshof von Kanada das verfassungsmäßige Recht auf Autonomie durch den Beschluss erweitert, dass das Strafrecht nicht in Kraft tritt, wenn eine mündige erwachsene Person eindeutig dem ärztlich assistierten Suizid zugestimmt hat und unter einer schweren und unheilbaren Erkrankung leidet (einschließlich Erkrankung, Krankheit oder Behinderung), die für das Individuum unzumutbare Leiden bewirkt.25 Dieser Beschluss ist jedoch noch nicht in Gesetze oder Verordnungen umgesetzt worden.
Ziele Dieses Papier soll einen ethischen Rahmen zu Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid für Mitarbeiter in der Palliativversorgung aufzeigen. Es soll auch einen Überblick über die aktuelle Forschung sowie eine Diskussion über ethische Grundsätze zu diesen Themen vermitteln. Das Papier berücksichtigt das breite Spektrum der kulturellen Hintergründe und Einstellungen in den verschiedenen europäischen Ländern. Es bietet klare Empfehlungen, wo
Radbruch et al. Konsens besteht und weist auf Kontroversen hin, wo es keinen Konsens gibt. Innerhalb des Gesundheitssystem soll eine umfassende Diskussion über die Rolle von Mitarbeitern im Gesundheitssystem, Behandlungsziele, Epistemologie einer medizinischen Indikation und ethische Implikationen angeregt werden, welche den Nutzen der Palliativversorgung und Versorgung am Lebensende für die Gesellschaft und die politischen Entscheidungsträger erhöhen. Das Weißbuch diskutiert weder die Haltung der gesundheitlichen Vorsorgeplanung (Advance Care Planning ACP), Einstellungen zu Euthanasie oder assistiertem Suizid noch gesellschaftliche Veränderungen dieser Einstellungen.
5 palliativer Sedierung: 1.
Methoden Ein Delphi-Verfahren wurde durchgeführt, um konsentierte Stellungnahmen zu Euthanasie und assistiertem Suizid aus der palliativmedizinischen Perspektive festzulegen. Dieser Abschnitt beschreibt das Verfahren. Weitere Informationen finden Sie im Online-Begleitmaterial. Die Arbeitsgruppe traf sich bei vier Gelegenheiten: In Frankfurt, Deutschland (August 2012), in München, Deutschland (April 2013), beim 13 EAPC Kongress in Prag, Tschechische Republik (Juni 2013) und in Bonn (September 2014). Das EAPC-Positionspapier zu Euthanasie und assistiertem Suizid von 2003 wurde genutzt, um einen Entwurf mit 21 Statements als Ausgangspunkt für das Konsensverfahren zu erstellen. Der Entwurf wurde in einem Konsensverfahren mittels eines Delphi-Prozesses in 5 Runden verwendet. Die erste Runde bezog das Feedback einer Reihe von palliativmedizinischen oder medizinethischen Experten ein. Die zweite, dritte, vierte und fünfte Runde der Befragung wurde mit einer Online-Befragungssoftware (SurveyMonkey©) durchgeführt. Die Befragten konnten für jede Aussage zwischen verschiedenen Graden der Zustimmung auf einer 5-stufigen Likert-Skala wählen. Die zweite und dritte Runde des Delphi-Verfahrens beteiligte die Vorstandsmitglieder der nationalen Palliativund Hospizverbände, die kollektive Mitglieder der EAPC sind. In der vierten Runde beteiligte sich das Expertengremium aus der ersten Runde und in der fünften Runde beteiligten sich die Vorstandsmitglieder der EAPC. Nach jeder der fünf DelphiRunden wurden die Aussagen, über die kein Konsens erzielt wurde, entsprechend der Kommentare der Teilnehmer überarbeitet. Obwohl einige Aussagen in der dritten Runde nicht den für Konsens erforderlichen Grad der Zustimmung erreichten, musste keine Aussage aus dem Entwurf gestrichen werden, da das niedrigste Niveau immer noch bei 68 % Zustimmung (Zustimmung/vollständige Zustimmung) lag. Für jede dieser Aussagen (2, 6, 11,14, 15 und 16), wurde das Fehlen des vollständigen Konsens im Text dokumentiert. Die endgültige Version des Papiers wurde als offizielles Positionspapier der EAPC im April 2015 angenommen.
Konzepte und Definitionen Dieser Abschnitt präsentiert der Reihe nach Definitionen von Palliativversorgung, Euthanasie, ärztlich assistiertem Suizid, Verzicht oder Abbruch von aussichtslosen Behandlungen und
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Palliativversorgung ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und deren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen: durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. 26.
Nach der WHO-Definition bejaht die Palliativversorgung das Leben und betrachtet das Sterben als einen normalen Prozess, und sie beabsichtigt weder, das Sterben aktiv zu beschleunigen, noch den Todeseintritt künstlich zu verzögern. Palliativversorgung bietet ein Unterstützungssystem, damit Patienten ihr Leben bis zu ihrem Tod möglichst aktiv gestalten können. In ganz Europa ist die Palliativversorgung ein expandierender und angesehener Teil des Gesundheitswesens. Gleichzeitig gibt es fortlaufende Diskussionen darüber, was Palliativversorgung ist, wo sie beginnt und wo sie endet (Stadium und Art der Krankheit, Prognose sowie Pflege- und Behandlungssituation).27,28 Palliativversorgung ist schon früh im Verlauf der Krankheit anwendbar, in Verbindung mit anderen lebensverlängernden Therapien, wie Chemotherapie oder Strahlentherapie und umfasst Untersuchungen, die zum besseren Verständnis und Umgang mit belastenden klinischen Komplikationen führen. Regionale, nationale und kulturelle Unterschiede bestehen bezüglich Ansatz und Organisation der Palliativversorgung.29 Die unterschiedlichen Standpunkte spiegeln sich auch in der beruflichen Praxis.30. 2.
Euthanasie ist folgendermaßen definiert: Ein Arzt (oder eine andere Person) verabreicht einer Person Medikamente, um diese vorsätzlich und auf deren freiwilligen, sachkundigen Wunsch hin zu töten.
Wenn der Ausdruck „Tötung auf Verlangen“ in Verbindung mit Euthanasie genannt wird, ist dies eine technische Beschreibung der Handlung, basierend auf der Grundlage der üblicherweise verwendeten Methode: Injektion eines Barbiturates zum Induzieren von Koma, gefolgt von der Injektion eines Muskelrelaxans zum Aussetzen der Atmung, wodurch der Patient stirbt Ob Euthanasie eine gerechtfertigte Tötung auf Verlangen sein kann, ist eine andere Frage, die weiter unten behandelt wird. Es besteht daher eine scharfe Trennung zwischen dem, was „ist“ und dem, was sein „sollte“.31. Medikamentöse Tötung einer Person ohne deren Zustimmung, ob nicht freiwillig (wenn die Person unfähig ist, zuzustimmen) oder unfreiwillig (gegen den Willen der Person, ist keine Euthanasie: Es ist Mord. Daher kann Euthanasie nur auf Freiwilligkeit beruhen.32 Folglich sollte
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Palliative Medicine
der häufig verwendete Ausdruck „freiwillige Euthanasie“ abgeschafft werden, da er durch die logische, aber inkorrekte Schlussfolgerung suggeriert, dass es unfreiwillige Arten der Euthanasie geben könne. In der Literatur wie auch in der öffentlichen Debatte wird manchmal eine Unterscheidung zwischen sogenannter „aktiver“ und „passiver“ Euthanasie getroffen. Wir sind der Ansicht, dass diese Unterscheidung unangemessen ist. Nach unserer Interpretation wie auch nach niederländischem Verständnis33 ist Euthanasie per Definition aktiv und „passive“ Euthanasie ist daher ein Widerspruch in sich (ein Oxymoron). Während diese Aussage im Delphi-Verfahren große Zustimmung erhielt, wurde kein Konsens zwischen den Vorstandsmitgliedern der nationalen Organisationen in Europa gemäß der engen Definition in dieser Studie erreicht. Die Uneinigkeit schien sich auf die Wahl des Wortes „töten“ zu konzentrieren; darüber beharrten einige Kommentare darauf, dass nur ein Arzt und keine andere Person berechtigt sein sollte, Ethanasie durchzuführen. 3.
Assistierter Suizid wird wie folgt definiert: Eine Person hilft vorsätzlich einer anderen Person, ihr Leben zu beenden, auf den freiwilligen, sachkundigen Wunsch dieser Person hin.
Im Gegensatz zur Euthanasie, wo die Tatherrschaft bei der Person liegt, die die tödlichen Medikamente verabreicht, liegt beim assistierten Suizid die Tatherrschaft bei der Person, die ihr Leben beenden möchte. Die Entscheidungsfindung obliegt der Person, die ihr eigenes Leben beenden möchte und unterscheidet sich nicht von der Euthanasie. Wenn ein Patient freiwillig nicht mehr isst und trinkt, würde dies nicht als assistierter Suizid betrachtet werden, weil keine Unterstützung durch eine andere Person nötig ist. 4.
Ärztlich assistierter Suizid ist wie folgt definiert: Ein Arzt hilft vorsätzlich einer Person, ihr Leben zu beenden, durch Bereitstellung von Medikamenten für die Selbstverabreichung auf den freiwilligen, sachkundigen Wunsch dieser Person hin.
Ärzte können zur Beihilfe zum Suizid aufgefordert werden, weil ihr medizinisches Fachwissen für die Verschreibung oder bei der Beratung zum Gebrauch von tödlichen Medikamenten erwünscht ist. Es gibt jedoch auch spezifische Herausforderungen bei ärztlich assistiertem Suizid (Physician Assisted Suicide PAS). Für Ärzte ist meist Linderung oder Heilung das einzige Ziel, aber wenn die Beendigung des Lebens zur alternativen Option wird, könnte das die Beziehung zwischen Arzt und Patient beeinträchtigen. Im Gegensatz dazu hat der größte Ärztebund der Niederlande (KNMG) ein Positionspapier über die Rolle des Arztes bei Euthanasie und assistiertem Suizid erarbeitet, das klar die Aufgaben und Zuständigkeiten in der Durchführung dieser Handlungen beschreibt.34 Die Medikalisierung des ärztlich assistierten Suizids (PAS) ist auch kritisiert worden als Teil einer Transformation der Medizin von einer fürsorgenden Tätigkeit zu einem Geschäftskonzept, das den Bedarf an medizinischen
Dienstleistungen bedienen soll.35 Alternative Konzepte, bei denen Euthanasie und PAS von nichtärztlichem Personal durchgeführt werden, wurden beschrieben.36 Unterschiede zwischen der Schweiz als nichtmedizinisches Rechtsmodell und Oregon als medizinisches Rechtsmodell bezüglich der Fähigkeiten der Person, die beim Suizid unterstützt und dem Gesundheitszustand der Person, die Selbstmord begeht, wurden ebenfalls beschrieben.37 In den Niederlanden wurde die Rolle des Arztes in den aktuellen Formen der Sterbehilfe in den letzten Jahren durch eine öffentliche Kampagne angefochten, die sich für spezielles, nicht medizinisch ausgebildetes Personal als Berater aussprach, um zur Klärung des Todeswunsches der Person beizutragen und ein tödliches, durch einen Arzt zur Verfügung gestelltes Medikament zu verabreichen. Auch das Konzept der AutoEuthanasie wurde vorgeschlagen, bei der Patienten ihr Leben mit Unterstützung ihrer Kinder beenden würden.38 Nicht nur die ethische Dimension, sondern auch spezifische rechtliche Aspekte können für ärztlich assistierten Suizid relevant sein: In Deutschland haben Ärzte zum Beispiel (ähnlich wie Eltern, Ehegatten oder Polizisten) eine Stelle als Garanten für das Wohl ihrer Patienten und sind verpflichtet, mehr als die üblichen Anstrengungen zur Verhinderung von Suizid zu unternehmen. Sie können daher für Tötung durch Unterlassung haftbar gemacht werden, wenn sie den Patienten unterstützen. Außerdem kann assistierter Suizid zivilrechtlich bestraft werden. 5.
Nichtbehandlungsentscheidungen (NTD) sind wie folgt definiert: Verzicht oder Abbruch von medizinischer Behandlung bei einer Person, entweder aufgrund der medizinischen Aussichtslosigkeit oder auf den freiwilligen, sachkundigen Wunsch dieser Person hin.
Nichtbehandlungsentscheidungen (NTD) sind keine Euthanasie innerhalb der hier verwendeten Definitionen, weil die Entscheidung zum Therapieverzicht (NTD) das Sterben nicht beschleunigen will, sondern den Tod als ein natürliches Phänomen durch Wegfall der unwirksamen, aussichtslosen, sehr belastenden oder unerwünschten lebensverlängernden Maßnahmen akzeptiert.39 Eine Nichtbehandlungsentscheidung (NTD) kann im Zusammenhang mit der Aussichtslosigkeit (Futility) medizinischer Maßnahmen stehen, zum Beispiel bei der Entscheidung gegen antibiotische Behandlung eines Patienten mit Lungenentzündung und Lungenkrebs, dessen Tod unmittelbar bevorsteht. Ein weiteres Beispiel wäre die Entscheidung gegen eine Viertlinien-Chemotherapie bei einem Patienten mit rasch fortschreitendem Krebsleiden und ungenügendem Ansprechen auf vorangegangene Behandlungen, wenn diese Chemotherapie mit einem hohen Risiko von Nebenwirkungen oder erhöhter behandlungsbedingter Mortalität einhergeht. Eine Nichtbehandlungsentscheidung (NTD) bei aussichtslosen medizinischen Interventionen sollte mit dem Patienten und entsprechenden Pflegepersonen oder Betreuern erörtert werden. Probleme können bei Patienten auftreten, die aus Hartnäckigkeit oder aus Verzweiflung weiterhin auf ihren
Radbruch et al. aussichtslosen Behandlungen bestehen. Im Gegensatz zur Aussichtslosigkeit medizinischer Maßnahmen kann eine Nichtbehandlungsentscheidung (NTD) auch durch eine Entscheidung eines Patienten ausgelöst werden, medizinische Therapien abzubrechen oder auf sie zu verzichten. Dies kann zu moralischen Herausforderungen für das Pflegeteam führen, zum Beispiel wenn ein Patient mit Niereninsuffizienz sich entscheidet, die HämodialyseBehandlung einzustellen oder wenn ein Patient mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) und vollständigem Ausfall der Atemmuskulatur den Abbruch der künstlichen Beatmung verlangt. Diese Nichtbehandlungsentscheidungen (NTD) beenden nicht das Leben (wie die Euthanasie es tut), sondern lassen vielmehr den aufgrund der zugrundeliegenden Erkrankung bevorstehenden Tod zu, der durch die lebensverlängernden Maßnahmen verhindert wurde. Die Bitte des Patienten um Therapieverzicht (NTD) erfordert offene und einfühlsame Kommunikation, um sicherzustellen, dass der Patient und seine Pflegepersonen ausreichend informiert sind und die Implikationen und Konsequenzen der NTD verstehen. 6.
Palliative Sedierung ist definiert als überwachter Einsatz von Medikamenten mit dem Ziel, einen Zustands der verminderten oder fehlenden Wahrnehmung (Bewusstlosigkeit) herbei zu führen, zur Entlastung von ansonsten therapierefraktären Leiden in einer Weise, die für den Patienten, die Familie und Gesundheitsdienstleister ethisch vertretbar ist.40
Palliative Sedierung ist eine anerkannte, ethische Vorgehensweise beim Einsatz in angemessenen Situationen. 40 Das EAPC-Weißbuch zur Sedierung hält Sedierung für eine wichtige und notwendige Therapie bei der Versorgung von ausgewählten Palliativpatienten mit ansonsten refraktärem Leiden. Allerdings erfordert dieser Ansatz Beachtung der Verhältnismäßigkeit und guter klinischer Praxis und Aufmerksamkeit für mögliche Risiken und problematische Praktiken, die zu schädlichen und unethischen Handlungen führen können. Mögliche ethische Konflikte oder Probleme sollten gebührend berücksichtigt werden und die Indikation, Planung und Verabreichung der Sedierung sollte auf Konsens im Team und zwischen den Teams, Konsens mit dem Patienten und zumindest in den meisten Fällen auch mit Angehörigen basieren. Ein ausführlicher Leitfaden ist EAPC Positionspapier zur palliativen Sedierung zu finden.40 Die Definition von palliativer Sedierung ist viel diskutiert worden, unter Aspekten der medizinischen Indikation, Entscheidungsfindung, ethischer Normen, Ziele, Formen und philosophischer Fragen. Diese Debatte hängt auch mit unterschiedlichen kulturellen und organisatorischen Einstellungen zusammen. So gibt es zum Beispiel eine fortlaufende Debatte darüber, ob die ethische Vorbedingung im letzten Teil der EAPC-Definition40 angemessen ist oder weggelassen werden sollte. Während diese Aussage im Delphi-Verfahren große Zustimmung erhielt, wurde gemäß der engen Definition in
7 dieser Studie kein Konsens unter den Vorstandsmitgliedern der nationalen Palliativorganisationen in Europa erreicht. Die ethische Vorbedingung verursacht einige Diskussionen sowohl zwischen den Teilnehmern des Expertengremiums als auch zwischen den Autoren dieses Papiers.
Werte und Philosophie der Palliativversorgung 7. In der Palliativversorgung wird der innere Wert jeder Person als autonomes und einzigartiges soziales Individuum anerkannt und respektiert. Im Idealfall behält der Patient oder die Patientin seine oder ihre selbstbestimmte Entscheidungsgewalt über den Ort der Pflege, Behandlungsmethoden und den Zugang zu spezialisierter Palliativversorgung. 28 Eine Diskursanalyse der Definition von Palliativversorgung stellte fest, dass die wesentlichen Ziele Linderung und Verhinderung von Leiden sowie die Verbesserung der Lebensqualität sind.41 Dies basierte auf gemeinsamen Grundwerten wie zum Beispiel Respekt vor der Autonomie des Patienten. Entscheidungsgewalt über Ort der Versorgung, Behandlungsmethoden und Zugang zu spezialisierter Palliativversorgung wird besonders betont und der Selbstbestimmung des Patienten wird eine wichtige Rolle zugewiesen. Der Mensch steht im Mittelpunkt der Versorgung. Palliativversorgung sollte in einer respektvollen, offenen und einfühlsamen Weise geleistet werden - einfühlsam für persönliche, kulturelle und religiöse Werte, Überzeugungen und Praktiken wie auch für das geltende Recht jedes Landes. Palliativmedizin ist vor allem patientenzentriert und an individuelle und familiäre Bedürfnisse geknüpft. Eine salutogenetische Ausrichtung mit Schwerpunkt auf die Ressourcen und Kompetenzen von Patienten und nicht nur auf ihre Schwierigkeiten, wäre empfehlenswert.
Kernfragen auf Patientenebene 8. Individuelle Wünsche nach Euthanasie und ärztlich begleiteten Suizid (PAS) haben komplexe Ursachen und können persönliche, psychologische, spirituelle, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und demographische Faktoren umfassen. Die Anwendung von Euthanasie oder ärztlich assistiertem Suizid birgt die Gefahr, die Wünsche des Patienten durch Übersehen dieser Divergenz von zugrunde liegenden Bedeutungen und der Ambivalenz oder wechselnden Prioritäten der Patienten fehlzudeuten. In einer umfangreichen Befragung berichteten 10,6 % der todkranken Patienten, dass sie Euthanasie oder ärztlich assistierten Suizid ernsthaft für sich selbst erwägen würden, aber das Folgegespräch ergab, dass 50,7 % dieser Patienten ihre Meinung nach 6 Monaten geändert hatten, während eine fast gleiche Anzahl begonnen hatte, darüber nachzudenken.42 Letztlich hatten in dieser Umfrage nur 5,6 % der verstorbenen Patienten den Arzt auf Euthanasie oder PAS angesprochen.
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Eine tiefergehende Auswertung stellte viele Bedeutungen und Ausdrucksweisen des Wunsches nach beschleunigtem Tod fest, angefangen von einer Manifestation des Lebenswillens und einer altruistischen Geste über einen Verzweiflungsschrei, der das Elend der aktuellen Situation wiedergibt bis hin zu einer letzten Handlungskontrolle, die der Sterbende ausüben kann.43 Die Mitteilung eines Sterbewunsches scheint für die Patienten ein wichtiges Kommunikationsinstrument zu sein. In einer ähnlichen Studie war eine wichtige Motivation für den Wunsch nach vorzeitigem Tod, keine Last für andere sein zu wollen.44,45 Leiden wurde ebenfalls als Grund genannt, obwohl es meistens eher erwartetes Leiden als gegenwärtig akutes Leiden war: Die Patienten hatten große Angst vor krankheitsbedingter Verschlimmerung in der Zukunft. In der klinischen Praxis zeigen Patienten oft große Ambivalenz, mit dem Wunsch nach vorzeitigem Tod auf der einen Seite und dem Willen zu leben auf der anderen Seite, oft parallel zueinander oder mit kurzfristigen Schwankungen. Diese Koexistenz von gegensätzlichen Wünschen wurde als ein Teil der authentischen, vielschichtigen Erfahrungen und moralischen Auffassungen am Lebensende erklärt.46 9. Wünsche nach Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid erfordern Respekt und sorgsame Aufmerksamkeit, zusammen mit offener und einfühlsamer Kommunikation im klinischen Rahmen. Mitarbeiter in der Palliativversorgung sollte diese Bitten hören und ernstnehmen und in der Lage sein, einen offenen Dialog über diese Anfragen mit Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern einzuleiten. Ein Wunsch nach Euthanasie sollte zu einer Erkundung der dieser Frage zugrundeliegenden belastenden Erfahrungen mit dem Patienten und der Familie führen. In Deutschland erklärten Patienten, dass die Äußerung ihres Wunsches nach vorzeitigem Tod gegenüber den Mitarbeitern des Palliativteams mit dem Bedürfnis nach Information und Rückversicherung und der Wahrnehmung der Kompetenz des Personals bezüglich Symptomkontrolle verbunden war.44 10. Einzelpersonen, die Euthanasie oder assistierten Suizid wünschen, sollten Zugang zu palliativmedizinischer Expertise erhalten. Bitten um Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid können durch die Bereitstellung einer umfassenden Palliativversorgung modifiziert werden. Die Belastung durch körperliche Symptomen kann gelindert werden und die psychosoziale und spirituelle Betreuung kann zur Verbesserung des Wohlbefindens des Patienten und der Angehörigen führen. Informationen über die verfügbaren Möglichkeiten der Palliativversorgung können beruhigen und Ängste bezüglich des nachfolgenden Krankheitsverlaufs mindern.44 11. Palliative Sedierung kann eine Option für viele Situationen bedeuten, in denen Patienten Euthanasie oder ärztlich assistierten Suizid wünschen.
Sedierung ist potenziell zur Behandlung von Patienten mit unerträglichen Beschwerden aufgrund von körperlichen Symptome indiziert, wenn keine anderen Methoden zur Linderung innerhalb eines akzeptablen zeitlichen Rahmens und ohne inakzeptable Nebenwirkungen zur Verfügung stehen (therapierefraktär). Die spezifischen unerträglichen Symptome sollten benannt werden. Die häufigsten Symptome sind agitiertes Delirium, Atemnot, Schmerzen und Krämpfe. Notfallsituationen können massive Blutungen, Erstickungszustände, schwere lebensbedrohliche Atemnot oder überwältigende Schmerzanfälle sein. Kontinuierliche tiefe Sedierung sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn sich der Patient im Endstadium befindet, wie in der australischen Definition zu den Stadien der Palliativversorgung festgelegt (der Tod triff wahrscheinlich innerhalb der nächsten Tage ein).47 Palliative Sedierung kann in diesem Stadium auch für schwere nicht-körperliche Probleme in Betracht gezogen werden, wie refraktäre Depressionen, Angstzustände, Hoffnungslosigkeit oder existentielle Krisen, obwohl es weniger Konsens über die Angemessenheit von Sedierung für diese Indikationen gibt. Im Gegensatz hierzu wurde in Frankreich ein Gesetz zur palliativen Sedierung von der Nationalversammlung verabschiedet, das für Patienten mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung das Recht beinhaltet, palliative Sedierung bis zum Todeszeitpunkt zu erhalten. Ärzte wären verpflichtet, palliative Sedierung zur Verfügung zu stellen, wenn der Patient dies wünscht. Der Gesetzentwurf wurde im Juni 2015 vom Senat abgelehnt, wird aber noch im Rechtssystem bearbeitet. Es gab im Delphi-Verfahren wenig Zustimmung zu dieser Aussage und es wurde kein Konsens unter den Vorstandsmitgliedern der nationalen Palliativorganisationen in Europa erreicht. Einige Kommentare äußerten Bedenken, dass die palliative Sedierung als Alternative zur Sterbehilfe (Euthanasie) angesehen werden könnte, was nicht im Einklang mit der Absicht dieses Weißbuchs ist. 12. Palliative Sedierung bei sterbenden Patienten ist von Euthanasie zu unterscheiden. Bei der palliativen Sedierung ist die Absicht, unerträgliches Leiden zu lindern; es wird mithilfe eines sedierenden Medikaments zur Symptomkontrolle vorgegangen und das erfolgreiche Ergebnis ist die Linderung der Beschwerden. Bei der Euthanasie ist die Absicht, das Leben des Patienten zu beenden; es wird mithilfe der Verabreichung eines tödlichen Medikaments vorgegangen und das erfolgreiche Ergebnis ist der sofortige Tod. Palliative Sedierung sollte nie die Absicht haben, das Leben zu verkürzen.2,48 In einer Befragung über die Praxis der palliativen Sedierung haben 17 % der antwortenden Ärzte angegeben, dass die Beschleunigung des Sterbens die ausdrückliche Absicht war,49 aber dies weist auf einen Missbrauch des Verfahrens hin. Bei sehr schwachen Patienten kann eine unbeabsichtigte lebensverkürzende Nebenwirkung nicht ausgeschlossen werden, obwohl zwei
Radbruch et al. systematische Übersichtsarbeiten klargestellt haben, dass die palliative Sedierung das Überleben bei unheilbar kranken Krebspatienten nicht beeinträchtigt.50,51 Es ist wichtig, dass der verantwortliche Arzt seine Absichten bei der Einleitung palliativer Sedierung überprüft und dokumentiert, um Missbrauch oder Fehlbehandlung zu vermeiden. Es wird empfohlen, die Entscheidung zur palliativen Sedierung im Team zu treffen oder zumindest durch Inter- oder Supervision zu hinterfragen. 13. Palliativversorgung wird bis zum Lebensende zur Verfügung gestellt und ist per Definition nie aussichtslos. Palliativversorgung wird niemals abgebrochen, da sie bis zum Augenblick des Todes geleistet wird (und im Trauerfall sogar darüber hinaus als professionelle Unterstützung für die Familie). Obwohl also lebensverlängernde Maßnahmen als aussichtslos betrachtet werden können (Futilität), ist die Palliativversorgung nie aussichtslos.39 Der Patient lehnt Interventionen der Palliativversorgung möglicherweise ab, aber dies bedeutet nicht, dass das Konzept der Palliativmedizin aussichtslos ist. Ganz im Gegenteil: Palliativmedizin ist wirkungsvoll bei der Linderung der belastenden Schmerzen und Symptome. Die Pflege der Patienten - physisch, psychosozial und spirituell - wird bis zum Tod fortgeführt. Es wurde argumentiert, dass das Konzept der palliativen Aussichtslosigkeit die Notwendigkeit der Euthanasie unterstützt.52 Dieser Begriff ist jedoch eine Fehlbezeichnung und ein Widerspruch in sich, da er auf einem falsches Verständnis von Palliativversorgung beruht. 14. Die Bereitstellung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid sollte nicht in die Praxis der Palliativversorgung einbezogen werden. Wir halten fest, dass es sowohl philosophische als auch medizinische Gründe gegen die Anwendung von Euthanasie gibt. Aus philosophischer Sicht macht Euthanasie das menschliche Leben zum Mittel zur Beendigung des Leidens, da menschliches Leben im Akt der Euthanasie verwirkt wird, um Leiden zu beenden. Aus medizinischer Sicht ist Euthanasie eine medizinische Maßnahme (Injektion von tödlichen Medikamenten), jedoch keine medizinische Behandlung oder Therapie gemäß des Sinns dieser Begriffe, denn die primäre Aufgabe des Arztes ist, Beschwerden zu lindern und zu heilen, aber nicht, Leben zu beenden.39 Bernheim et al. haben jedoch die Interaktion von Palliativversorgung und Legalisierung der Euthanasie diskutiert und behaupten, dass die Situation in Belgien darauf hin deute, dass ein synergistischer Effekt zwischen den beiden besteht. Sie beschrieben ein Modell namens Integraler Palliativversorgung (Integral Palliative Care), bei dem Euthanasie als weitere Option am Ende des palliativmedizinischen Behandlungspfades betrachtet wird. 52 In einem anderen neueren Artikel erklärten Protagonisten der Federation of Palliative Care in Flandern, welche Erfahrungen sie nach der Konfrontation mit der Einführung der rechtlich
9 möglichen Euthanasie gemacht haben: es kam zur wachsenden Beteiligung der Mitarbeiter und Teams der Palliativversorgung an dem, was sie „die Begleitung von Euthanasie“ nennen. Mit Blick auf die Kontinuität in der Betreuung entschieden sie, Patienten mit Wunsch nach Euthanasie nicht im Stich zu lassen, indem sie sie an externe Behandler außerhalb der vertrauten Umgebung in der Versorgung verweisen, sondern sie weiterhin mit aller notwendigen Unterstützung versorgen. Auf diese Weise wollten sie zum Ausdruck bringen, dass Euthanasie und Palliativversorgung zwei verschiedene Dinge bleiben, dass sie aber „gelegentlich gemeinsam berücksichtigt werden können bei der Betreuung von ein und demselben Patienten“.53 Palliativmediziner in anderen Ländern sind besorgt über diese Angebote, weil ihre klinische Erfahrung in der Palliativversorgung sie gelehrt hat, den Wunsch nach Euthanasie von Palliativpatienten zwar einfühlsam wahrzunehmen, aber auch bei der Interpretation dieses Wunsches vorsichtig zu sein. Die Definition der Palliativversorgung scheint mit Euthanasie nicht vereinbar zu sein. Die WHO hat 2002 deutlich erklärt, dass Palliativversorgung das Sterben weder beschleunigt noch aufschiebt26 und dies wurde in anderen Definitionen von Palliativversorgung aufgegriffen.41 Aber auch wenn Palliativversorgung mit höchster Qualität geleistet wird, verhindert das nicht, dass einzelne Patienten den Wunsch nach einem vorzeitigen Tod äußern, einschließlich der Bitte um Euthanasie oder ärztlich assistierten Suizid.54-56 Es liegt in der Verantwortung der Mitarbeiter in der Palliativversorgung, die impliziten oder expliziten Anfragen nach Euthanasie wahrzunehmen und sich dem diesem Wunsch zugrunde liegenden Leiden zu widmen. Es gab im Delphi-Verfahren mäßige Zustimmung zu dieser Aussage und es wurde kein Konsens unter den Vorstandsmitgliedern der nationalen palliativmedizinischen Verbände in Europa erreicht. Eine Reihe von Befragten (hauptsächlich aus den Beneluxstaaten) widersprach nachdrücklich. Der Dissens spiegelt somit die aktuelle Situation in Europa. Dennoch wurde diese Aussage als normative Aussage beibehalten, obwohl selbstverständlich das moralische Verständnis von beschleunigtem Sterben in unterschiedlichen Kulturen oder Subkulturen verschieden sein kann.
Kernfragen auf organisatorischer Ebene 15. Es wird anerkannt, dass sich innerhalb Europas verschiedene Ansätze hinsichtlich Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid herausbilden und es gilt, eine offene und respektvolle Debatte um dieses Thema zu fördern. Diese Debatte sollte zum Verständnis für die Konsens- und Dissensbereiche zu Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid in Europa beitragen und auf die sozialen, existentiellen, spirituellen, ethischen und rechtlichen Auswirkungen der verschiedenen Ansätze hinweisen, sowohl für Patienten als auch für Angehörige, für
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Mitarbeiter im Gesundheitswesen und für die Gesellschaft. Während diese Stellungnahme im Delphi-Verfahren breite Zustimmung erhielt, wurde gemäß der enggefassten Definition in dieser Studie kein Konsens bei den Vorstandsmitgliedern der nationalen Palliativorganisationen in Europa erreicht. 16. Studien zu den Einstellungen und Haltungen zu Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid unter Fachleuten, Patienten und der breiten Öffentlichkeit sowie Untersuchungen über ihre Erfahrungen mit diesen Themen können die breitere Debatte untermauern. Viele der publizierten Studien leiden jedoch unter methodologischen Schwächen, beginnend mit der mangelhaften Definition der verwendeten Begriffe, die zu Zweifeln hinsichtlich der Faktenlage führt.57 Ein besser koordiniertes Vorgehen ist für diese Studien erforderlich. Palliativversorgung könnte Forschungsarbeiten zu Themen im Zusammenhang mit Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid durchführen. Dies sollte jedoch in den Kontext der Palliativmedizin eingebettet sein, zum Beispiel gestützt auf Wissen oder Einstellungen im Zusammenhang mit Euthanasie oder ärztlich assistiertem Suizid. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Untersuchungen eine hohe Qualität und Verallgemeinbarkeit aufweisen. Während diese Stellungnahme im Delphi-Verfahren breite Zustimmung erhielt, wurde kein Konsens bei den Vorstandsmitgliedern der nationalen Palliativorganisatinen in Europa gemäß der enggefassten Definition in dieser Studie erreicht. 17. Angst vor dem Verlust der Autonomie am Lebensende kann mit Vorsorgeverfügung und gesundheitliche Vorsorgeplanung (Advance Care Planning ACP) begegnet werden, welche zu verbesserter Kommunikation und somit Stärkung der Autonomie des Patienten beitragen. In dem modernen Medizinsystem befürchten manche Patienten, dass ihr Leben unnötig verlängert wird oder mit unerträglichen Qualen endet. Dementsprechend können Euthanasie oder ärztlich assistierter Suizid als eine Alternative erscheinen. Das Patienteneinverständnis ist jedoch eine ethische Voraussetzung jeder ärztlichen Behandlung und das Recht des Patienten, jegliche Behandlung abzulehnen, wird in den meisten europäischen Ländern zunehmend anerkannt. Patientenverfügungen („Patiententestamente“), Vorsorgevollmacht und andere Instrumente der ACP können die Autonomie des Patienten stärken und Ängste abbauen. Allerdings besteht noch nicht in allen europäischen Ländern ein rechtlicher Rahmen für ACP. 18. Wenn Euthanasie oder ärztlich assistierter Suizid in einer Gesellschaft legalisiert sind, sollte auf die Vermeidung von (1) der Unterentwicklung oder Entwertung von Palliativversorgung und (2) Konflikten zwischen rechtlichen Anforderungen und den persönlichen und berufsbedingten Werten von
Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften besonders geachtet werden. Aus einer Reihe von Gründen ist es schwieirig, empirische Daten über die Auswirkungen von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid auf gesellschaftlicher Ebene zu erhalten: (1) nur sehr wenige Länder haben Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid legalisiert; (2) es dauert eine lange Zeit, bis gesetzliche Änderungen auf gesellschaftlicher Ebene Auswirkungen haben und die Gesetzesregelungen liegen verhältnismäßig kurz zurück; (3) es ist schwer, den Zusammenhang zwischen gesetzlichen Änderungen und Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene nachzuweisen, da gesetzliche Änderungen in ein breites soziokulturelles Spektrum von Ursachen eingebettet sind; und (4) Forschung kann bewusst oder unbewusst durch ethische Voraussetzungen und Annahmen beeinflußt sein. Trotzdem können aus der Perspektive der Palliativversorgung im Hinblick auf die Legalisierung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid eine Reihe von Befürchtungen formuliert werden. Dies kann zu erhöhter Aufmerksamkeit beitragen, um unerwünschte Entwicklungen zu vermeiden. Nur wenige Informationen sind darüber verfügbar, wie oft Palliativversorgung Patienten mit Wunsch nach Euthanasie oder ärztlich assistiertem Suizid angeboten wird. In Belgien und in den Niederlanden ist die Einbeziehung von Palliativexperten keine Voraussetzung für Euthanasie oder ärztlich assistierten Suizid, obwohl die belgischen Gesetze vorschreiben, dass der Patient über die Möglichkeiten von Palliativversorgung informiert wird. In Belgien gibt es keine klaren Informationen in den Berichten der Bundeskommission,58 obwohl alle Berichte schlussfolgern, dass Ärzte und Palliativteams oft freiwillig außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen konsultiert wurden. Die Anzahl der Rücksprachen mit Palliativteams sind in den meisten der Berichte registriert (710 Fälle im Jahr 2013).14 In einer kürzlich veröffentlichten landesweiten Umfrage berichteten die teilnehmenden Ärzte einen wesentlich höheren Anteil, mit Einbindung von Palliativteams in 73,7 % der Fälle im Jahr 2013.15 Berichte der Bundeskommission äußern regelmäßig Bedenken einiger Ausschussmitglieder darüber, dass Beratungen über Palliativversorgung nicht zu einer Einschränkung der Autonomie des Patienten führen sollten.14. Geschichtlich gesehen war es immer Pflicht des medizinischen Berufsstands, sich mit Heilung und Pflege und nicht mit der zielgerichteten Beendigung des Lebens zu befassen.36 Die meisten Ärzte verinnerlichen dies in ihrem persönlichen und beruflichen Wertekodex, auch in Rechtssystemen, in denen die Gesetzgebung Euthanasie oder ärztlich assistierten Suizid erlaubt oder die Öffentlichkeit diese befürwortet. Wenn Ärzte als Helfer bei Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid herangezogen werden sollen, kann es daher zu Rollenkonflikten kommen.53,59 Allerdings wurde noch nicht evaluiert, welche Auswirkungen die Charakterisierung der Euthanasie als medizinische Behandlung auf die berufliche Identität von Ärzten und auf Gesundheitseinrichtungen und Rechtsinstitutionen hat.
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19. Im Falle der Legalisierung von Euthanasie oder ärztlich assistiertem Suizid sollte auch der Verhinderung von (1) der Ausweitung der klinischen Kriterien auf andere gesellschaftliche Gruppen; (2) Druck auf vulnerable Personen; und (3) gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber Tötungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Eine Evaluierung der Häufigkeit von Euthanasie und assistiertem Suizid in Oregon und den Niederlanden ergab keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für besonders gefährdete Gruppen wie ethnische Minderheiten, verglichen mit dem Bevölkerungsdurchschnitt.60 Allerdings beschrieb die erste bevölkerungsbezogene Studie in der Schweiz, dass assistierter Suizid in Zusammenhang mit dem weiblichen Geschlecht und Situationen stand, die möglicherweise auf eine größere Vulnerabilität bzw. Schutzbedürftigkeit hindeuten, wie zum Beispiel bei Alleinlebenden oder Geschiedenen, obwohl sie auch mit höherer Bildung und einer höheren sozioökonomischen Position einherging.61 Im Kontext der Euthanasie wurde von der Gefahr einer schiefen Ebene (Slippery Slope) gesprochen. Dies bedeutet, dass, auch wenn in der Gesetzgebung klare Indikationen für Euthanasie formuliert sind, die Bestimmungen erweitert werden und letztendlich von der laufenden Praxis überholt werden.38,53 Bernheim und Kollegen sowie andere Autoren haben festgestellt, dass die Daten aus den Niederlanden und Belgien keinen Nachweis für eine schiefe Ebene erbringen.52,62 Dennoch sind die medikamenteninduzierte Lebensbeendigung ohne Wunsch des Patienten - per Definition nicht Euthanasie und Missbrauch der palliativen Sedierung zwei Indikatoren für eine solche schiefe Ebene. In den Niederlanden sind trotz des neuen Gesetzes von 2002 0,4 % aller Todesfälle medikamenteninduzierte Tötungen ohne expliziten Wunsch des Patienten.63 Jüngste Berichte legen nahe, dass in diesem Land auch der Missbrauch von „terminaler Sedierung“ zugenommen hat. Ärzte berichten, dass sie kontinuierliche tiefe Sedierung mit der Absicht einer Überdosierung initiiert haben, um das Sterben des Patienten zu beschleunigen.49 Eine schiefe Ebene ist auch die Bereitstellung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid für Personen mit Depression und solche in frühen Stadien der Demenz, wenn der Patient noch einen expliziten Wunsch formulieren kann, wie von der Organisation Nederlandse Vereniging voor een Vrijwillig Levenseinde (NVVE) in den Niederlanden vorgeschlagen wurde. Im letzten Bericht der RERCs wurde angegeben, dass im Jahr 2013 Euthanasie bei 97 Patienten mit Demenz und 42 Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen durchgeführt wurde.12 Die niederländische Gesetzgebung erlaubt Ärzten auch, das Leben von Neugeborenen zu beenden, wenn sie mit solch schwerwiegenden Erkrankungen geboren wurden, dass die Beendigung des Lebens als die beste Option betrachtet wird.64 Darüber hinaus zeigen die Entwicklungen in Belgien und den Niederlanden eine Erweiterung der Indikationen. In den Niederlanden wird Demenz oder Depression als Indikation für Euthanasie akzeptiert.65 In Belgien wurden seit der Einführung des Sterbehilfegesetzes im Jahr 2002 insgesamt 25 Projekte für
11 Gesetzeserweiterungen vorgeschlagen.3 Erst vor kurzem hat das belgische Parlament dafür gestimmt, dass auch Kinder und Jugendliche Sterbehilfe oder ärztlich assistierten Suizid erhalten können.20. In Belgien wurde eine Tendenz beschrieben, dass Familienangehörige den Sterbeprozess als würdelos, nutzlos und sinnlos ansehen, auch wenn er ruhig, komfortabel und mit professioneller Unterstützung vonstattengeht.53 20. Die EAPC ermutigt ihre Mitglieder, in einen direkten und offenen Dialog mit denjenigen einzutreten, die die Legalisierung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid (PAS) befürworten. Verständnis und Respekt für alternative Sichtweisen sind nicht das Gleiche wie die ethische Akzeptanz von Euthanasie oder ärztlich assistiertem Suizid. Ein offener Dialog ist erforderlich zur Klärung der zugrundeliegenden Werte und Prioritäten und zum Ausloten der metaethischen Inkompatibilitäten und kulturellen Unterschiede, die Missverständnisse und Verurteilung verursachen. Die Diskussion sollte sich auf optimale ganzheitliche Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen aus palliativmedizinischer Perspektive fokussieren. Ethik im Gesundheitswesen und die persönlichen und professionellen Werte der Behandler können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen und müssen in die Diskussion einbezogen werden. Auch bei kritischer Reflexion der Erfahrungen in Belgien, den Niederlanden und Oregon ist zu berücksichtigen, dass es dort vielleicht mehr Transparenz und offene Diskussion um das Thema Lebensende gibt als in den meisten anderen Ländern, wo ähnliche Methoden eher auf verdeckte Weise stattfinden.66 21. Die EAPC respektiert individuelle Entscheidungen für Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid, betont jedoch die Bedeutung einer Neuausrichtung der Aufmerksamkeit auf die gesellschaftliche Verantwortung aller Länder, für ihre älteren, sterbenden und schutzbedürftigen Bürger zu sorgen. Eine wesentliche Komponente, um dies zu verwirklichen, ist die Etablierung der Palliativversorgung als Teil des regulären Gesundheitswesens aller europäischen Länder, unterstützt durch geeignete Finanzierung, Ausbildung und Forschung. Die Umsetzung diese Ziels ist eine der wirksamsten Alternativen zur Forderung nach Legalisierung von Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid. Die EAPC plädiert für den Zugang zu adäquater Palliativversorgung für alle, die sie benötigen, als Menschenrecht.67 Die Verfügbarkeit einer guten Palliativversorgung zur Verfügung ist von größter Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Menschen nicht wegen mangelnder Symptomkontrolle oder privater oder gesellschaftlicher Ausgrenzung um Euthanasie bitten.
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Fazit Das EAPC-Positionspapier stellt fest, dass Euthanasie kein Teil der Palliativversorgung ist. Sicherlich kann auch die beste Palliativversorgung nicht verhindern, dass manchmal Patienten den vorzeitigen Tod wünschen. Jedoch gehen Euthanasie und Palliativmedizin fundamental unterschiedlich auf diese Patienten zu. Befürworter der Legalisierung von Euthanasie verstehen die Anfrage des Patienten als Bezugspunkt für die Autonomie des Patienten und möchten dieser persönlichen Präferenz entsprechen. Palliativexperten sollten den Wunsch nach Euthanasie auch bei jenen Patienten anerkennen, die ihn zum Ausdruck bringen, dies aber als Ausgangspunkt für eine ganzheitliche Versorgung nehmen, beginnend mit umfassendem Assessment und Kommunikation, und dem Versuch, die Motivation und Haltung hinter diesem Patientenwunsch zu verstehen. Abschließend sind Patienten, die eine tödliche Injektion zur Beendigung ihrer Leiden und zum Herbeiführen des Todes wünschen, eine große Herausforderung in der Palliativversorgung. Diese Patienten verdienen nicht nur die beste Form der medizinischen Behandlung zur Symptomkontrolle, sondern auch spezielle psychosoziale und spirituelle Beratung, basierend auf persönlichem Respekt und Verständnis in Situationen von Not und Verzweiflung.2 Palliativversorgung beruht auf der Ansicht, dass selbst in den verzweifeltsten Momenten eines Patienten durch einfühlsame Kommunikation basierend auf Vertrauen und Partnerschaft die Situation verbessert und eine Änderung seiner Sichtweise, dass das Leben lebenswert ist, erreicht werden kann. Danksagungen Die Ethics Task Force dankt Lars Johan Materstvedt, David Clark, John Ellershaw, Reidun Førde, Anne-Marie Boeck Gravgaard, H Christof Müller-Busch, Josep Porta i Sales und Charles-Henri Rapin, die das EAPC-Positionspapier über Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid im Jahr 2003 erstellt haben (Materstvedt et al., 2003), das die Basis für dieses Weißbuch bildet. Die Task Force dankt auch den Experten und Expertinnen, die an der ersten und vierten Delphi-Runde teilgenommen und erheblich zum Inhalt des Dokuments beigetragen haben: Ira Byock, Ilora Finlay, Bert Broeckaert, Luc Deliens, Judith Rietjens, Friedemann Nauck, Morana Brkljacic, Georg Bosshard, Carl Johan Fürst, Jose Pereira, Patrick Peretti-Watel, Reidun Førde, Josep Porta i Sales, Agnes van der Heide, Marcel Louis Viallard, Dominique Jacquemin undAnneMarie Boeck Gravgaard. Die Task Force (Arbeitsgruppe) dankt dem EAPC-Vorstand, Claudia Bausewein, Michaela Bercovitch, Paul Van den Berghe, Marilene Filbert, Carlo Leget, Irene Murphy, Maria Nabal, David Oliber, Sheila Payne, Carlo Peruselli, Per Sjögren, Tiina Saarto und Esther Schmidlin, die zur Diskussion in der fünften Delphi-Runde beigetragen und das Papier als EAPC-Weißbuch beim EAPC-Vorstandstreffen in Lyon im April 2015 übernommen haben.
Erklärung von Interessenkonflikten
Der Autor/die Autoren erklären, dass keine potenziellen Interessenkonflikte in Bezug auf die Forschung, Autorschaft und/oder Veröffentlichung dieses Artikels bestehen.
Finanzierung
Der Autor/die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung in Bezug auf die Forschung, Autorschaft und/oder Veröffentlichung dieses Artikels erhalten.
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