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Tutorat zur Prüfungsvorbereitung «Einführung in die Politische Philosophie» (HS15) 31.12.2015, 09.00-12.00 Lukas Studer 1.) Begriffsbestimmung  Drei strukturelle Begriffe  Polity: institutionelle Dimension, politisches Gemeinwesen  Policy: prozessbasierte Dimension  Politics: inhaltliche Dimension, politische Betätigungsfelder  Drei Politikverständnisse  epistemisch: Wahrheitsfindung (expertokratisch oder deliberativ)  agonistisch: Konkurrenz unter akzeptierten Regeln (liberale Demokratie oder adversarial politics)  antagonistisch: Kampf um Hegemonie 2 1.) Begriffsbestimmung  Politik umfasst folgende Faktoren  gemeinsames Handeln  verbindliche und notwendige Entscheidungen  Einbeziehung von Wertesystemen, Interessen etc.  Dissens  unterschiedliche Arten der Entscheidungsfindung 3 2.) Warum politische Autorität?  Wieso soll politische Autorität gerechtfertigt werden?  Herrschaft von Menschen über Menschen ist nicht selbstverständlich  Begründungspflicht gegenüber den Unterworfenen/Frage der Legitimität 4 2.) Warum politische Autorität? Thomas Hobbes  historische Motivation  Bürgerkrieg in England, instabile politische Situation  1651: Leviathan  Gedankenexperiment: Der Naturzustand  Anthropologische Annahmen: 1.) Gleichheit der Menschen in Bezug auf die mögliche Gefahr, die sie füreinander darstellen 2.) Streben nach Besitzerweiterung, Konkurrenz verschiedener Interessen und deren Durchsetzung ( natürliches Recht) 5 2.) Warum politische Autorität? 3.) Mensch handelt grundsätzlich rational und ist bestrebt, sein Überleben zu sichern  Unsicherheit, Unmöglichkeit eines Risikokalküls  Knappheit der Ressourcen  Totale Abwesenheit von politischer Autorität  Konsequenz: Zustand eines «Kriegs aller gegen alle»; Selbstjustiz, Gewalt, moralische Regeln gelten nicht oder sind sogar schädlich (heisst nicht, dass Mensch ein genuin unmoralisches Wesen ist) 6 2.) Warum politische Autorität?  Hobbes’ Folgerungen aus dem Gedankenexperiment  Die Abwesenheit von politischer Autorität/das Verharren im NZ ist für kein Individuum rational  Das Ablehnen einer politischen Autorität führt in einen Selbstwiderspruch  Es ist kein moralischer Konsens unter den Menschen nötig, um PA zu akzeptieren  Fazit: Notwendigkeit einer politischen Autorität. 7 2.) Warum politische Autorität? (5) Zwei Exkurse  Nash-Gleichgewicht: Die Teilnehmer wählen diejenige Strategie, bei der sich ihre Situation nicht mehr verbessern kann, wenn sie als Einziger davon abweichen würden. 8 B kooperiert B kooperiert nicht A kooperiert 4/4 -2/6 A kooperiert nicht 6/-2 0/0 2.) Warum politische Autorität?  Rousseaus «volontés»  volonté de tous: entspricht den subjektiven Ansprüchen der Mitgliedern einer Gemeinschaft; kann als Menge aller rationalen, aber egoistischen Einzelansprüche gesehen werden ( nashGleichgewicht)  volonté générale: die Ansprüche einer Gemeinschaft als Ganzes; soziale Entscheidungen, evt. Hintanstellung von subjektiven Ansprüchen ( beidseitige Kooperation) 9 2.) Warum politische Autorität?     Der Souverän bei Hobbes… Wird von allen Mitgliedern der Gesellschaft akzeptiert Hat die oberste Befehlsgewalt im Staat Hat die alleinige Zwangsgewalt ist nicht Vertragspartner Kritik von John Locke:  wenn es keine Instanz gibt, die dem Souverän entgegenstehen kann, besteht die Gefahr der Tyrannei.  Folgerung: Dem Souverän werden verfassungsmässige Schranken aufgelegt 10 2.) Warum politische Autorität?  Weitere Kritikpunkte  Bezug Gedankenexperiment – Realität  Zustand des Kriegs aller gegen alle setzt sich in internationalen Beziehungen fort – besteht dennoch Sicherheit für den Einzelnen? 11 2.) Warum politische Autorität? Assoziativer Ansatz  Theorie entsteht nicht anhand von Gedankenexperiment, sondern geht zu Beginn von empirischen Grundlagen aus  Teleologie/Konzeption eines guten Lebens  Teilweise Postulierung von stufenweiser Entwicklung einzelner Gesellschaftsformen 12 2.) Warum politische Autorität?        13 Aristoteles Mensch als «zoon polítikon» und «zoon logon echon» Teil einer Gemeinschaft zu sein ist die ethische Erfüllung eines Individuums Staat ist der «Naturzustand» des Menschen Hierarchische Ordnung ergibt sich aus Naturrecht Staat ist eine Gemeinschaft freier Menschen Bürger sollen fähig sein, sowohl zu herrschen als auch beherrscht zu werden. Frauen, Sklaven und Metöken erhalten keinen Bürgerstatus 2.) Warum politische Autorität? Kommunitarismus  Mensch als soziales und durch die Gemeinschaft geprägte Wesen (natürliche Gemeinschaftlichkeit)  Voraussetzung von «social habits»  Etatistische vs. non-etatistische Formen (nicht jede Form des Kommunitarismus begründet die Notwendigkeit eines Staates) 14 2.) Warum politische Autorität? Kavka  Der «simple account»: Die Annahme, moralisch vollkommene Wesen benötigten keinen Staat, da zwischen ihnen kein Dissens entstehen könne.  moralisch vollkommene Wesen: Wesen mit einem System von moralischen Überzeugungen, das nur und alle wahren (objektiv einsichtigen) m.Ü. beinhält. In allen anderen Belangen sind sie gewöhnliche Menschen, i.e. sie haben unvollständige Information, Wünsche, Hoffnungen etc. 15 2.) Warum politische Autorität?  Kavka: Auch moralisch vollkommene Wesen sind sich nicht in allen praktischen Fragen einig. Gründe für diese These sind:  1.) Begrenztheit der Information und der kognitiven 16 Kapazitäten führt zu unterschiedlichen Weltanschauungen. Selbst wenn Übereinstimmung bestünde bei moralischen Überzeugungen, würden dennoch Dispute in Bezug auf praktische Fragen entstehen. (Beispiel Utilitarismus)  2.) Moralischer Pluralismus/unvollständiger Objektivismus: es gibt moralische Überzeugungen, die sich zwar widersprechen, aber beide nicht falsch sind. 2.) Warum politische Autorität?  3.) Problem der Interaktion: Vertreter der selben moralischen Theorie können uneinig sein über die Bewertung von Handlungen, an denen mehrere Akteure beteiligt sind (prisoner’s dilemma, public good problems).  Koordination durch Staat ermöglicht Kompromisslösung, die für alle Beteiligten die beste Lösung erbringt.  Fazit: auch in einer Gemeinschaft von moralisch vollkommenen Wesen braucht es eine Institution, die  zwischen unterschiedlichen moralischen Urteilen 17 vermittelt  koordinative Aufgaben übernimmt 2.) Warum politische Autorität? Einwände zu Kavka und die Replika  voluntary settlement objection (Engel würden selber Kompromiss finden): es ist keine Eigenschaft von moralisch vollkommenen Wesen, dass sie den Kompromiss über ihre eigenen moralischen Urteile stellen.  evolutionäres Argument führt zur These, dass eine Gesellschaft aus «compromising angels» langfristig nicht stabil wäre  futility objection (Staat könnte Engel nicht zum Kompromiss zwingen): diese setzt voraus, dass Engel ihre eigenen moralischen Überzeugungen stets höher gewichten als den Kompromiss 18 2.) Warum politische Autorität?     19 Neutrale Begründung von politischer Autorität (Kant) möglichst voraussetzungsschwache Begründung politische Autorität ist notwendig, um die Freiheit der Bürger zu schützen/Konflikte von gleichberechtigten(!) Anliegen beizulegen Zustimmung zur PA aufgrund von Vernunftgründen  soll Zusammenleben in grösstmöglicher Freiheit garantieren 2.) Warum politische Autorität? Öffentliche Güter  keine Exkludierbarkeit, kein rivalisierender Konsum (Beispiel: Leuchtturm)  Vgl. dazu open access common (See), enclosed common (klassische Handelsgüter), Klubgüter  Problem: auch bei hoher Nachfrage ist es für 20 Privatwirtschaft uninteressant, öffentliche Güter bereitzustellen  Marktversagen  Unterschiedliche Möglichkeiten zur Bereitstellung von ÖG: Versicherungsvertrag, free-riderMonopol, Staat…) 2.) Warum politische Autorität?  Probleme der Privatisierung von ÖG  «burdensome», aber nicht exkludierbar  nicht rentabel  Problem der Koordination und Reichweite (Bsp. Katastrophenschutz, Gesundheitsversorgung)  Problem des Ausschliessens von ärmeren Menschen (Zugang zu Bildung, Sicherheit etc.)  Frage des Umgangs mit Trittbrettfahrern (Beispiel Verkehr/Währung)  Möglichkeit von teilweiser privater 21 Beteiligung/zivilgesellschaftlichen Lösungen: Wohlfahrtstaat (kein reines ÖG), Festsetzung von Standards, «excludable commons» 2.) Warum politische Autorität?  Fazit: Auch ein neutraler Ansatz der Legitimierung von PA sieht Notwendigkeit nicht nur in Wächterfunktion. Im Gegensatz zu bisherigen Konzepten fragt dieser Ansatz konkret danach, welche Leistungen ein Staat erbringen soll, welche Güter privat/zivilgesellschaftlich übernommen werden können. 22 3.)Was ist legitim?  Ambiguität des Begriffs «Legitimität»  1.) subjektive, faktisch-soziale Legitimität: Anerkennung einer politischen Institution und ihrer Leistungen/Forderungen durch repräsentative Gruppe  2.) normative, objektive Legitimität: Anerkennungswürdigkeit aufgrund von festgelegten Kriterien  Anspruch: Beide Formen der Legitimität deckungsgleich zu machen, i.e. durch anerkannte Prozeduren faktische Legitimität zu generieren 23 3.) Was ist legitim?  Legitimität bedeutet nicht nur die Anerkennung der politischen Autorität als Institution, sondern auch  Legitimität der Gemeinschaft (polity): input legitimacy  Legitimität des Verfahrens, der Organisation: throughput legitimacy  Legitimität der Leistungen: output legitimacy 24 4.) Was ist Souveränität?  Begriffsbestimmung: innerstaatlich vs. international  1.) Souverän in einem Staat: hat die oberste Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungskompetenz, oberste Staatsgewalt  2.) Souveränität als Eigenstaatlichkeit (international)  vgl. Ukraine-Krise  Ist (innerstaatliche) Souveränität ohne 25 Rechtsgrundlage möglich? Antwort Hart: Ja, sie entspricht einem gewohnheitsmässigen Gehorsam dem Souverän gegenüber. Der Souverän seinerseits bringt per 4.) Was ist Souveränität?  Kontinuitätsproblem: Ist der Souverän eine Einzelperson, wer übernimmt dann Verantwortung, wenn der Souverän stirbt?  es muss eine Regel entstehen, welche die Nachfolge sichert (Erbfolge, Neuwahlen etc.) und welche der eingesetzte Souverän selbst nicht setzen kann  Somit sind zu unterscheiden:  Rules of recognition (Regeln, welche die Einsetzung einer Instanz festlegen).  Rules of obligation: Sie werden vom Souverän erlassen und sind bindend für das Volk 26 4.) Was ist Souveränität?  Volk als Souverän: ohne Rechtsgrundlage nicht möglich, weil  Konstitutionsproblem: ein Bündel an rules of recognition ist notwendig, um Volk als politische Instanz zu konstituieren.  Identifikationsproblem souveräner Akte: Es muss klar geregelt sein, wie das Volk als Souverän seine Entscheidungen fällt.  Nicht-Identität von Ethnos und Demos/Paradox der Volkssouveränität: Das (politische) Volk ist nicht die Masse aller Betroffenen (Einwohner eines Staates) 27 4.) Was ist Souveränität?  Zum Konstitutionsproblem: Wie setzt sich das Volk seine eigenen rules of recognition?  Um rules of recognition zu setzen, müsste das Volk Souverän sein, aber ohne rules of recognition ist es kein Souverän.  Zirkularität  Möglichkeit der internationalen Anerkennung: andere Souveräne anerkennen den Souverän (normative Legitimität durch faktische Legitimität)  Im Idealfall wird ein Souverän durch alle möglichen (internationalen) Akteure gestützt 28 4.) Was ist Souveränität?  Souverän: Im üblichen Verständnis muss er niemandem Rechenschaft ablegen (er kann selbst Gesetzgeber sein, oder er ist rechtlich eingeschränkt  dann ist bspw. das Volk Souverän)  Ist der Souverän eingeschränkt, so unterliegt er verfassungsmässigen Beschränkungen seiner Kompetenz. Diese sind negativ, i.e. dem Souverän werden keine zusätzlichen Pflichten aufgebunden, sondern Kompetenzen entzogen. 29 4.) Was ist Souveränität?  C. Schmitt: «Souverän ist, wer den Ausnahmezustand entscheidet.»  «Ausnahmezustand» bei Schmitt: Ähnlich dem 30 Naturzustand bei Hobbes. Der Souverän legitimiert sich, wenn es ihm gelingt, den Staat ohne Bezugnahme auf das Recht aufrechtzuerhalten - im Ausnahmezustand getroffene Entscheidungen können nicht angefochten werden.  Davon abzugrenzen ist Hart: Eine Rechtsdurchsetzung, die allein auf Gewalt begründet ist, macht noch keinen Souverän; es braucht den Gehorsamshabitus oder rules of recognition. 5.) Was ist Freiheit?  Gemäss der neutralen Begründung von politischer Autorität soll die Freiheit der Bürger im Staat/in der Gemeinschaft garantiert sein.  Friedrich Hayek plädiert für eine negative Freiheit: Freiheit ist die Abwesenheit von Zwang.  Freiheit ist ein Zustand, der nie vollkommen realisiert werden kann  Freiheit betrifft interpersonale Verhältnisse (die Abwesenheit von gegenseitigem Zwang)  Der Staat ist die bestgeeignetste Instanz, um die Freiheit der Bürger sicherzustellen 31 5.) Was ist Freiheit?  Es braucht so viel staatlichen Zwang, wie nötig, und so wenig, wie möglich.  Die Regeln staatlichen Zwangs müssen unpersönlich, abstrakt, allgemein und bekannt sein. 32 5.) Was ist Freiheit?  Die Bestimmung von positiver und negativer Freiheit (Berlin)  Negative Freiheit: Freiheit von etwas (Zwang, Beeinträchtigungen). Problem: Unzulänglich (vgl. Diskussion um public/common goods – was muss der Staat von sich aus bereitstellen?); Frage der Prävention, Illegalisierung von Drogen etc.  Positive Freiheit: Freiheit zu etwas (Staat stellt Güter zur Verfügung, Stipendien etc.). Problem: Risiko des Missbrauchs (Autoritarismus, Paternalismus) 33 5.) Was ist Freiheit? Alternative Bestimmungen der Freiheit  Freiheit als «non-domination»  Forderung von negativen Grundfreiheiten, gekoppelt an partizipatorische Strukturen (republikanischer Freiheitsbegriff, negativ geprägt)  Freiheit als Möglichkeit der freien Wahl der Lebensführung  keine Beschränkung auf negative Bestimmung  keine Beschränkung auf positive Bestimmung 34 5.) Was ist Freiheit?  Freiheit als triadische Beziehung (konkrete 35 Bestimmung von Freiheit bestimmt sich anhand dreier Variablen  agent («Selbst»; handelnde Entität)  constraints (Hindernisse, Einschränkungen)  purposes (Interesse, eigentliche Präferenz)  Es lässt sich an Beispielen zeigen, dass man nach der Bestimmung von PF und NF in derselben Situation sowohl frei als auch unfrei sein kann (Raucherin wird zwar nicht eingeschränkt in ihrem Recht, auf der Strasse zu rauchen, aber ihre Sucht schränkt ihre Möglichkeiten in Bezug auf Handlungsalternativen ein) 5.) Was ist Freiheit? Fazit: Bei der Bestimmung von politischen Freiheitskonzepten müssen Beschränkungsfaktoren des individuellen Handelns gegeneinander abgewogen werden. Daraus ergeben sich Forderungen an den Staat, sich in jeweiligen Fragen aktiv oder passiv zu verhalten. 36 6.) Wieso Demokratie?  Begriffsbestimmung «demokratisch»  1.) Eigenschaft eines (möglicherweise einzelnen) Entscheidungsverfahrens. Nicht unbedingt wertfreie Verwendung; oftmals synonym zu «frei», «transparent», «fair», etc. benutzt; Entscheidung einer begrenzten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt anhand von Mehrheitsentscheidung oder Konsensfindung  2.) Art der politischen Autorität: politische Gewalt geht vom (jeweils näher zu bestimmenden!) Volk aus 37 6.) Wieso Demokratie?  Grundbedingungen von demokratischen Entscheidungen     Zwang zur kollektiven Entscheidung begrenzte Information Pluralismus der Ansichten keine Einigkeit zu erzielen (allenfalls Kompromiss)  Demokratische Reaktionen auf Grundbedingungen  öffentlicher Diskurs unter Einbezug möglichst aller Mitglieder  öffentliche Prüfung der Argumente: Umsetzbarkeit, Begründung und Kohärenz der Argumente  Revision von Entscheidungen; Wahlen  aber: keine Garantie, dass alle Erwartungen der Bürger umgesetzt werden 38 6.) Wieso Demokratie?  Bestimmung des «Volks» (rules of recognition)  abgegrenzte Gruppe  bestimmter Versammlungsort, Versammlungszeit  partizipative Entscheidungsprozedur  «formal decision-making demos»: das Volk als Souverän ist durch einen Rechtsakt konstitutiert  begrenzte Gruppe, formale Kriterien der Mitgliedschaft, formale Entscheidungsprozeduren  «deliberative demos»: potenziell unbegrenzte Gruppe, offene Diskussion mit allen Beteiligten, keine formalen Regeln («politisch interessierte Bevölkerung») 39 6.) Wieso Demokratie?  Dahls Argumente für die Demokratie  A1 intrinsisch: Alle Menschen haben das gleiche Recht auf Freiheit und das gleiche Recht auf Berücksichtigung ihrer Anliegen  principle of equal consideration of interests  A2 intrinsisch: Menschen entwickeln persönliche Vorstellungen darüber, was gut oder gerecht ist und entwickeln dementsprechende Ansprüche: presumption of personal autonomy  A1 und A2 ergeben principle of strong equality (intrinsisch); diesem wird nach Dahl in der Demokratie am besten Rechnung getragen 40 6.) Wieso Demokratie?  A1instrumentell Demokratie garantiert Freiheitsrechte wie Versammlungsrecht, Recht auf freie Meinungsäusserung etc.  A2 instrumentell Es ist plausibler, dass Menschen in demokratischen Systemen ihren Gesetzen zustimmen (auch wenn sie nicht damit einverstanden sind – «losers consent»)  A3 instrumentell Demokratie fördert menschliche soziale und moralische Entwicklung  Demokratie garantiert allerdings nicht die 41 Verwirklichung von persönlichen Wünschen, sondern nur die Berücksichtigung von Anliegen 6.) Wieso Demokratie?  Fazit: Aus Dahls Argumenten ergeben sich Bedingungen, die ein Regierungssystem erfüllen sollte:  Förderung der grösstmöglichen Freiheit  Berücksichtigung dringender Ansprüche  Beförderung der sozialen Autonomie  Alle diese Bedingungen haben von allen Regierungsformen in der Demokratie die besten Voraussetzungen, erfüllt zu werden. 42 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Kritiken an der Mehrheitsregel  «majority decision» wird zu «majority rule» (Diktatur der Mehrheit)  Münzwurf-Vergleich (keine wirkliche Wahrheitsfindung)  formale Probleme (was ist ein «kollektiver Entscheid?» Bsp. spezifisch beschränkte Abstimmungsfragen)  Demos-Problem  «beste aller schlechten Entscheidungsformen»?  oder gäbe es Alternativen? 43 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Begründung nach Locke: einstimme Zustimmung zur Form, daraus begründet hypothetische Zustimmung jedes einzelnen Entscheids  3 Bedingungen für Begründung durch physikalische Kraft  1. Zusammenhalt der Polity nach Entscheidung. 44 Problem: lässt sich bei knappen Mehrheitsverhältnissen nicht zeigen  2. Mehrheitsentscheidung als vektorielle Resultante. Problem: Nicht adäquat, da dies eher ein Kompromiss-System darstellen würde (und nicht «the winner takes it all», wie bei Mehrheitsregel) 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  3. gleiche Kraft aller Teilnehmenden. Problem: unterschiedliche Intensität von Meinungen und Überzeugungen  eben nicht gleiche Kraft der Teilnehmenden Fazit  Zustimmung kann nicht als physikalische Kraft, Meinungen/Überzeugungen können nicht als physikalische Gewichte angesehen werden  Kernfrage besteht in der normativen Bedeutung von Zustimmung und deren Verhältnis zu Zwang 45 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Bedingungen einer nicht-physikalischen Begründung  unter nicht-idealen Bedingungen ist die Forderung nach Entscheidungen durch Einstimmigkeit in den meisten Fällen illusorisch – es muss also auf eine Alternative zurückgegriffen werden, welche von allen Mitgliedern der Gemeinschaft respektiert wird. Es entsteht ein Basiskonsens, dessen Zustimmungswürdigkeit nicht nur auf Zwang beruht (Bsp. Grenzen der Zustimmungskompetenz, Interesse an Möglichkeit kollektiven Handelns etc.) 46 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Es besteht die Möglichkeit, einen Kompromiss zu suchen. Dieser muss allerdings vorgeschlagen werden (agenda setting); ein Kompromiss, der sich «vektoriell» aus der Summe aller Meinungen ergibt, ist nicht möglich. Die Mehrheitsregel wird zwingend nach dem Prinzip «the winner takes it all» entschieden.  (Normative) Gleichheit der Kräfte wird hier vorausgesetzt, Intensität der Überzeugungen und Meinungen hat keinen Einfluss (extensionale Gewichtung). 47 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Das Problem der Einstimmigkeit  Die Mehrheitsregel und ihre Bedingungen sind in einem agonistischen Politikverständnis eingebettet.  Weitere Umstände des Politischen wie knappe Ressourcen und das Recht auf eigene/abweichende Meinung sprechen gegen Einstimmigkeit als Ziel des politischen Prozesses  «reasonable disagreement» (Rawls): Akzeptanz von Dissens bei gleichzeitiger Anerkennung der Notwendigkeit kollektiven Handelns 48 7.) Ist die Mehrheitsregel fair?  Zustimmung zusammengefasst  Zustimmung ist als autorisierender, legitimierender Ausdruck von Interessen zu verstehen, nicht aber als «Addition von Interessen». Die Ungleichheit von Interessen ist Voraussetzung einer Theorie der Mehrheitsregel.  Es besteht normative Gleichheit der Akteure; die Mehrheitsregel baut auf dem gegenseitigen Respekt dieser Akteure voreinander auf.  Jedes Mitglied, jede Stimme ist entscheidend.  Mehrheitsregel darf nicht zu Marginalisierung von Minderheiten führen; die Möglichkeit wechselnder Mehrheiten ist entscheidendes Kriterium 49 8.) Was heisst Gerechtigkeit? Zwei Formen der Gerechtigkeit  kommutative Gerechtigkeit  «ausgleichend» (i.e. Strafen, Tausch von Gütern, Schadenersatz etc.)  orientiert sich an «arithmetischer» Gleichheit  basiert auf der Voraussetzung von Statusgleichheit aller Betroffenen (Eigenschaften der einzelnen Personen spielen keine Rolle) 50 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  distributive Gerechtigkeit  bezieht sich auf Verteilung (von Gütern, Ämtern, Rechten…)  keine «absolute» Gleichheit, sondern gewichtete, verhältnismässige Gleichheit  Eigenschaften der einzelnen Personen sind relevant  zentrale Frage nach Unterscheidungs- und Verteilungskriterien:  Gleichheit  Verdienst  Bedarf 51  Gesellschaftlicher Gesamtnutzen 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Utilitarismus (allgemein)  fusst auf einem Nutzenprinzip: eine Handlung ist 52 genau dann gut, wenn sie den grössten Nutzen für die grösstmögliche Anzahl Betroffener verursacht (act-utilitarianism)  alternativ: eine Handlung ist gut gdw. sie einer Regel folgt, die den grössten Nutzen für die grösstmögliche Anzahl Betroffener verursacht (ruleutilitarianism)  konsequentialistisch: die Güte einer Handlung oder Regel leitet sich aus ihren Folgen im Hinblick auf einen Zweck ab. Der Zweck darf selber nicht nach moralischen Massstäben beurteilt werden, das wäre zirkulär. 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Problem des «average of happiness» (Sidgwick)  gemäss Sidgwick beziffert sich das Glück 53 (happiness) einer Gruppe aus der Summe der happiness der einzelnen Mitglieder  die Quantität nimmt dabei zu, wenn sich die Gruppe vergrössert; bei gleichbleibender Anzahl Mitglieder, wenn sich die Qualität ihrer Empfindungen (i.e. das subjektive Glück)  ceteris paribus ist das Glück einer Gruppe von 200 Menschen grösser als das von 100 Menschen   führt zum Problem, dass gemäss Sigdwick die «average happiness» sinken kann, während die «total happiness» (die Glückssumme) steigt. Um dieses Problem zu lösen, muss Durchschnittsnutzen gegenüber totalem Nutzen 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Gerechte Verteilung durch Effizienz (Pareto)  pareto-besser: Zustand A ist dann besser als Zustand B, wenn in A mindestens ein Teilnehmer bessergestellt ist, aber kein Teilnehmer schlechtergestellt  pareto-Optimum: es ist nicht möglich, jemanden besserzustellen, ohne einen anderen schlechterzustellen  ! jede volkswirtschaftliche, vollkommene 54 Einkommensverteilung entspricht einem paretoOptimum. Grosse Einkommens- und Vermögensunterschiede sind dabei möglich. 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Der abnehmende Grenznutzen  gemäss der utilitaristischen Wohlfahrtsfunktion 55 addiert sich der Nutzen jedes Individuums zu einem Gesamtnutzen der Gesellschaft zusammen (vgl. Sidgwick)  die «intermediate-welfare-function» berücksichtigt die Annahme des abnehmenden Grenznutzens: je mehr ein Gut konsumiert wird, desto mehr nimmt sein Nutzen ab (Easterly). Das bedeutet: Je mehr die Ungleichheit zunimmt, desto grösser muss der Nutzengewinn der Reichen sein, um den Gesamtnutzen überhaupt zu beeinflussen; irgendwann kann dieser Grenznutzen erreicht werden. 8.) Was heisst Gerechtigkeit? John Rawls  Absicht: Aufstellung einer Theorie der möglichst gerechten Verteilung von Gütern und Ämtern (distributive Gerechtigkeit)  Bedingung: Teilnehmer müssen den Regeln der Verteilung zustimmen können  Argument: hypothetisches Vertragsargument (Gedankenexperiment) 56 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Der Schleier des Nichtwissens  sämtliche zukünftigen Mitglieder einer Gesellschaft verhandeln die Regeln/Verteilungsprinzipien dieser Gesellschaft aus  sie wissen nicht, welchen Platz sie in dieser Gesellschaft einnehmen werden (i.e. welche Religion, welchen Beruf, sozialer Status, Vermögen etc.) – aber: die Existenz sozialer Positionen ist bekannt  Grundgüter  Von ihnen nimmt man an, dass jeder Mensch sie 57 haben möchte – Rechte, Freiheiten, Chancen, Einkommen/Vermögen, Selbstwertgefühl 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Prinzipien der Gerechtigkeit nach Rawls  Freiheitsprinzip (hat absolute Priorität): jeder soll das umfangreichste System an Grundfreiheiten haben, so dass jeder andere dasselbe System an Grundfreiheiten beanspruchen kann. Die Grenzen individueller Rechte und Freiheiten beginnen bei den Rechten des Nächsten. Beispiele: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Recht auf Bildung, Schutz des Eigentums etc. 58 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Prinzipien der Gerechtigkeit nach Rawls (Forts.)  Differenzprinzip: Ungleichheiten in der Verteilung von Gütern und Ämtern sind gerechtfertigt, wenn sie den am wenigsten Begüterten den grösstmöglichen Vorteil bringen  Prinzip der fairen Chancengleichheit: Ungleichheiten müssen so entstehen, dass allen Beteiligten die gleichen Möglichkeiten zur Erlangung von Ämtern und Positionen zukommen  Das Prinzip der fairen Chancengleichheit hat Vorrang vor dem Differenzprinzip 59 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Bei Rawls ist die Besserstellung eines Individuums nur gerechtfertigt, wenn auch die Situation des am schlechtesten gestellten Individuums verbessert wird (vgl. pareto-besser: Besserstellung ist gerechtfertigt, solange es keinem Individuum dabei schlechter geht)  «Maximin»-Regel: Man wird hinter dem Schleier des Nichtwissens eine Lösung suchen, bei der man die schlechteste Situation so weit als möglich verbessert, i.e. die schlechteste Situation der gewählten Lösung ist besser als alle schlechtesten Situationen der Alternativen 60 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Rawls’ Prinzipien gelten unter liberalen 61 Voraussetzungen; der Staat mischt sich so wenig als möglich ein  Rawls unterstützt keine staatlich finanzierte Wohlfahrtsgesellschaft, sondern Umverteilungsgedanke: Maximierung des Lebensstandards der Armen und Verhinderung der Konzentration von Reichtum in den Händen weniger  Forderung: Wenig Einfluss von Privatwirtschaft auf Politik; Einschränkung von Übertragung von Vorteilen über Generationen 8.) Was heisst Gerechtigkeit?  Kritik und Fragen  in welchen Grenzen bewegt sich der Umverteilungsstaat (Internationalität)?  Welche Rolle spielt generationenübergreifende Gerechtigkeit?  atomistisches Menschenbild? (kommunitaristische Kritik) 62 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Entwicklung politischer Gemeinschaften zum Nationalstaat  antike Polis: Stadtstaaten; «direkte» Politik  Modernisierung führte zu Vergrösserung der 63 Territorien und Gemeinschaften, teilweise kulturelle Homogenisierung (Zusammenschluss Städte/Stämme), Übergang von direkten repräsentativen Systemen, Föderalisierung  kulturelle Unterschiede zwischen Völkern führten zu unterschiedlichen politischen Einheiten  Nationalstaaten bilden Sicherheitsgemeinschaften, Kommunikationsgemeinschaften (teilen sich Kultur, Sprache etc.) 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Zwei Argumente Millers für den Nationalstaat. Politische Einheit/Gemeinschaftsgefühl fördern :  1.) Demokratiefähigkeit (vgl. Dahl), i.e. Dialog zwischen Mehrheit/Minderheit, Vertrauen unter Mitgliedern der Gemeinschaft  2.) Soziale Gerechtigkeit: Möglichkeit von Transfer wird erst durch Institution möglich; gesteigerte Solidarität zu Transferzahlungen  zu beachten (1): Föderale Strukturen können «subnationale Kompetenzen» bei der sozialen Gerechtigkeit fördern  zu beachten (2): «nationale Identität» kann Mehrfachbedeutung erhalten 64 9.) Brauchen wir Nationalstaaten? Alternativen zum Nationalstaat  Kosmopolitismus 1: zentralistisch  Problem 1: Bürgernähe nicht realisierbar (undemokratisch)  Problem 2: keine Fluchtmöglichkeiten (tyrannisch)  Problem 3: globale kulturelle Homogenisierung wäre notwendig  Kosmopolitismus2 : dezentral  wäre kein richtiger Kosmopolitismus, da die 65 Souveränität bei den einzelnen Teilstaaten bliebe; damit würde immer noch eine nationalstaatliche Organisation herrschen 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Kosmopolitismus 3 : ethisch  zeichnet sich durch nationale Verantwortung für globale Gerechtigkeit aus  individuelles Verhalten einzelner Staaten zu globalen Fragestellungen  gleiche Gewichtung der Interessen aller Menschen, Kulturen, Ethnien etc.  Einwand Miller 1: Der Anspruch des ethischen Kosmopolitismus ist es, dass alle kulturellen Eigenheiten bestehen bleiben. Auf globaler Ebene werden unterschiedliche Gerechtigkeitsbegriffe kollidieren 66 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Einwand Miller 2 : Reziprozität ist bei global gerechtem Verhalten nicht gegeben. Erwartungen an gerechtes Verhalten von anderen Teilnehmern der Gesellschaft haben im Nationalstaat klare Formen, international hingegen sind sie unrealistisch  «Heroismus», der über moralische Verpflichtung hinausgeht 67 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Millers Vorschlag einer globalen Gerechtigkeit  Die Interaktion zwischen Staaten muss auf gerechte Weise geregelt sein. Faktoren: territoriale Integrität, Regelung der Gewaltanwendung, pacta sunt servanda…  Kosten und Nutzen von internationaler Kooperation müssen gerecht aufgeteilt sein (Beispiel Umweltschutz – Entwicklungsländer)  Schutz der Menschenrechte und der politischen Selbstbestimmung (bei klarer Beachtung der Relevanz dieser Rechte)  Nationalstaaten bleiben erhalten und autonom, dennoch soll internationale Solidarität greifen (Bsp. Naturkatastrophe) 68 9.) Brauchen wir Nationalstaaten?  Kritik an Millers Ansatz  Konzeption nationaler Einheit ist homogen und naturalistisch formuliert  konkrete institutionelle Umsetzung des Konzepts globaler Gerechtigkeit?  Dichotomie national-global  zu radikal? 69 10.) Was ist Terrorismus?  Definitionskriterien nach Michael Walzer  «bewusstes Töten Unschuldiger, um Bevölkerungen Furcht einzujagen und Regierungen unter Druck zu setzen»  Staatsterrorismus: Gewaltakte gegen eigenes Volk, um Furcht zu verbreiten/Opposition zu bedrängen oder im Keim zu ersticken  Terrorismus im Krieg: Töten von Zivilisten in so grosser Zahl, dass Regierungen kapitulieren müssen  Kriterien ermöglichen einigermassen präzise 70 Anwendung (Unterscheidung Freiheitskämpfer/Terroristen), limitiert Terrorismus aber auf Töten (nicht Folter, Geiselnahme etc.) 10.) Was ist Terrorismus?  Hasspredigen sind gemäss Walzers Bestimmung keine terroristischen Akte  Beschränkung auf terroristische Handlungen führt zu Unterscheidung von terroristischen Absichten und Gesinnungen (Bsp. gewaltfreies Verbreiten von Schrecken) 71 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  Walzer unterscheidet zwei Arten der moralischen Beurteilung eines Krieges:  «gerecht» im adjektivischen Sinne: der Krieg wurde wegen Gründen gestartet, die ihn tatsächlich rechtfertigen (der Krieg «ist gerecht».  «gerecht» im adverbialen Sinne: der Krieg wird mit verhältnismässigen Mitteln geführt  «ius ad bellum» vs. «ius in bello» 72 11.) Gibt es den gerechten Krieg? «ius ad bellum» «ius in bello»  gerechter Grund  Verhältnismässigkeit  legitime Autorität  rechte Absicht   ultima ratio  vernünftige Aussicht  auf Erfolg  Verhältnismässigkeit der Güter   73 der Mittel (vgl. Obamas «rote Linie») Immunität von Zivilisten Behandlung Kriegsgefangener Schutzpflicht besetzer Gebiete etc. 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  Gemäss Walzer sind «ius ad bellum» und «ius in bello» logisch unabhängig  Man kann zwei Extrempositionen zur Beurteilung eines Krieges anführen:  Maximalposition: Ein Krieg ist gerechtfertigt gdw. er alle genannten Bedingungen erfüllt  Minimalposition: Das «ius ad bellum» hat Priorität. Auch militärische Interventionen, die nicht alle Kriterien erfüllen, können gerecht sein. 74 11.) Gibt es den gerechten Krieg? Diskussion der Kriterien für einen gerechten Krieg  1.) Gerechte Gründe (Möglichkeiten)  Selbstverteidigung  Intervention (Bsp. Menschenrechtsverletzungen)  Befreiungskampf Aber: Legitimität von Präventiv- und Präemptivkriegen? Wer beurteilt die Legitimität eines Befreiungskampfs? Wie sinnvoll ist es, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen? 75 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  2.) Legitime Autorität – unterscheidet sich von Fall zu Fall  Selbstverteidigung: souveräne Regierungen (Walzer)  Interventionen: UN-Sicherheitsrat  Befreiungskampf: kritische Masse von Bürgern? ( wer entscheidet, wann diese erreicht ist?)  3.) Rechte Absicht  logisch verknüpft mit «guten Gründen»  Problem: wie und von wem wird sie kontrolliert? 76 müssen alle Gründe offengelegt sein?  können Pflichten entstehen, die die Kriegshandlungen überdauern? (Bsp. 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  4.) Ultima Ratio  Scheinargument?  5.) Verhältnismässigkeit der Güter  Ziel der militärischen Handlung muss erwarten lassen, dass die positiven Folgen die negativen bei weitem übertreffen  Problem: Unvorhersehbarkeit der Entwicklung, Abenteuerlichkeit 77 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  Kriterien der humanitären Intervention:  gerechter Grund: Verletzungen grundlegender Menschenrechte  legitime Autorität: UN-Sicherheitsrat oder regionale Organisationen kollektiver Sicherheit  ultima ratio: Intervention erst, wenn alle nichtmilitärischen Möglichkeiten erschöpft sind  rechte Absicht: Schutz vor massiven Verletzungen elementarer Menschenrechte  vernünftige Aussicht auf Erfolg   besteht Konflikt zwischen Wahrung von 78 Menschenrechten und der Souveränität des betroffenen Staates 11.) Gibt es den gerechten Krieg?  Kants Kritik am Krieg  Krieg kann kein im Recht enthaltener Begriff sein, sondern er ist ein Notmittel in einer Situation fehlender oder mangelnder rechtlicher Institutionalisierung  In einem nicht-idealen Rechtzustand sollten Vorkehrungen getroffen werden, welche den Krieg verunmöglichen. Gründe für einen gerechten Krieg müssen dabei verhindert und/oder vermindert werden. 79 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  «Ziviler Ungehorsam» umfasst Handlungen, die folgende Merkmale aufweisen:  öffentlich  gewaltlos  gewissensbestimmt  gesetzwidrig  soll gewöhnlich eine Änderung der Gesetze oder der Regierungspolitik herbeiführen 80 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  Zusatzbedingungen nach Habermas/Rawls  1. Nur für Fälle schwerwiegender Ungerechtigkeit oder Verteidigung von Grundprinzipien  2. Alle legalen Einflussmöglichkeiten müssen erschöpft sein  3. Verfassungsordnung als Ganze darf nicht gefährdet werden  4. Öffentliche Ankündigung und Kalkulierbarkeit für Polizei und Aktivisten  5. Zurückhaltung auf Seiten von Aktivisten und Staat 81 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  In der Theorie des Zivilen Ungehorsams werden konstitutionelle Mitsprache- und Freiheitsrechte vorausgesetzt; gewaltloser Widerstand gegen autoritäre Regime gelten nicht als ZU  Als Argumente für den ZU in einer Demokratie können gelten:  Demokratie ist dynamisch, von wechselnden Mehrheiten abhängig und offen für höhere normative Ansprüche/rechnet mit Revisionsbedarf  Geltung von Gesetzen ist nicht immer gleich strikt 82 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  Ziviler Ungehorsam entspricht nicht dem Konflikt Moral/Recht; es sollen vielmehr neue Rechte durchgesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass liberaldemokratische Verfassungen einen normativen Überschuss beinhalten, i.e. den idealen Ansprüchen der Verfassung kann mit den Gesetzen i.d.R. nicht vollumfänglich Folge geleistet werden.  «gewissensbestimmt»  Selbstvergewisserung, keine Fremdbestimmung  universalisierbare Gründe (keine Privatmoral)  83 dementsprechend soll ZU nicht (ausschliesslich) auf private Vorteile abzielen  Nachweis der persönlichen Benachteiligung 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  Die Appellwirkung besteht i.d.R. im Inkaufnehmen persönlicher Nachteile zur Förderung der Gesetze/Verfassung als solche  Das Gebot der Gewaltlosigkeit schliesst nicht jegliche Art von Nötigung aus (Bsp. Strassenblockade – gewaltlose Einschränkung der Bewegungsfreiheit Dritter)  Ziviler Ungehorsam darf die Rechtsordnung als solche nicht unterminieren, auch darf es den Rechtsfrieden nicht gefährden (geschieht i.d.R. nicht, da ZU punktuell) 84 12.) Was ist «Ziviler Ungehorsam?»  ZU steht im Zusammenhang mit der Unvollständigkeit des Mehrheitsprinzips; kann in halbdirekten Demokratien auch Kritik an institutioneller Arbeit sein; er muss sich aber immer auf Grundrechte oder Verfassungsprinzipien beziehen 85 Schluss Viel Erfolg an der Prüfung! 86