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Funktionale Sicherheit nach ISO 26262 – Einordnung im Rechtssystem
Funktionale Sicherheit nach ISO 26262 –
Die Zahl der weltweiten Produktrückrufe wegen fehlerbehafteter Teile nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Dies verursacht neben immensen Kosten einen oft kaum wieder gut zu machenden Imageschaden. Technische Normen können den Unternehmen dabei helfen, Fehler bereits in der Entwicklung und Produktion zu vermeiden, sodass ein haftungsrechtlich relevanter Schadensfall überhaupt nicht eintritt.
Die ISO 26262 zur Funktionalen Sicherheit in Personenkraftwagen ist seit 2011 maßgebend für die sicherheitsrelevanten elektrischen und elektronischen Systeme in Kraftfahrzeugen. Die Umsetzung der in der ISO 26262 festgesetzten Anforderungen bestimmt wesentlich die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit der Hersteller sicherheitsrelevanter Systeme und insbesondere die der Fahrzeughersteller.
Neue Technologien und erweiterte Funktionalitäten führen dazu, dass immer mehr sicherheitsrelevante elektronische Systeme entwickelt werden müssen. Beispiele hierfür sind etwa elektronische Bremssysteme, Fahrer-Assistenzsysteme oder auch aktive und passive Sicherheitssysteme. Mit der stetig wachsenden Komplexität elektronischer Systeme in Fahrzeugen steigt jedoch auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlfunktionen. Werden durch ein in den Verkehr gebrachtes, fehlerhaftes Produkt Personen geschädigt oder kommen sogar zu Tode, kann dies enorme rechtliche Konsequenzen haben. Neben eine eventuelle zivilrechtliche Produkthaftung tritt zudem womöglich eine strafrechtliche Verfolgung.
Stand der Wissenschaft und Technik
Einordnung im Rechtssystem
Funktionale Sicherheit nach ISO 26262 – Einordnung im Rechtssystem
ISO 26262 – Funktionale Sicherheit Um das Risiko von Gefahr bringenden Fehlfunktionen auf das kleinste zu tolerierende Maß zu reduzieren, sollten die einschlägigen technischen Normen berücksichtigt werden. Die Automobilindustrie hat sich hierzu eine spezielle Sicherheitsnorm verordnet, die eine Anpassung der allgemeinen Norm IEC 61508 an die spezifischen Gegebenheiten im Automobilbereich darstellt. Alles ist mit allem verknüpft: Die ISO 26262 berücksichtigt die Beziehungen und Hierarchien der Prozesse im automobilen Entwicklungsprozess. (Quelle: SGS TÜV)
Zwar hat die ISO-Norm keinen Gesetzesrang, da technische Normen keinen Gesetzgebungsprozess durchlaufen, sondern von Fachgremien der Institute für Normung aufgestellt werden und somit lediglich unverbindliche technische Empfehlungen darstellen. „Hersteller und Zulieferer, die ihre Produkte und Prozesse nicht zertifizieren, müssen keine rechtlichen Konsequenzen fürchten.“, erklärt Stephen Norton, Experte für Funktionale Sicherheit von der SGS-TÜV GmbH. Doch kann eine Zertifizierung als Nachweis oder zumindest als starker Indikator dafür gelten, dass man nach dem Stand der Wissenschaft und Technik entwickelt und produziert hat. Nach dem Produkthaftungsgesetz sind Unternehmen dazu verpflichtet, diesen Wissensstand kontinuierlich einzuhalten. Der BGH meinte in einem Urteil dazu, dass jene Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, die nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neuesten Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich und geeignet sind, um Schäden zu verhindern. Fällt nun bei einem womöglich folgenschweren Unfall wegen eines technischen Defekts der Verdacht auf ein bestimmtes Bauteil, hat der Erzeuger nachzuweisen, dass er nach dem Stand der Wissenschaft und Technik vorgegangen ist. Dazu ist kein Zertifikat nach ISO 26262 erforderlich. Die geforderten europäischen Sicherheitsziele können also auch auf andere Weise erreicht werden.
Die Einhaltung einer technischen Norm indiziert jedoch die widerlegliche Vermutung, dass der Hersteller zumindest den Mindeststandard an Sicherheit eingehalten hat. Zu beachten ist dabei stets, dass der Stand der Wissenschaft und Technik nicht automatisch mit der einschlägigen Norm gleichgesetzt werden kann. Normen können überholt sein und nicht mehr den aktuellen Stand der Technik wiedergeben. Hersteller müssen deswegen alle ihnen zugänglichen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse ausnutzen, auch wenn die bekannten Normen geringere Sicherheitsstandards erlauben. Sie haben hierbei stets das Gefahrenpotential zu berücksichtigen, einen Abgleich mit marktgängigen Referenzprodukten und bekannten Informationen durchzuführen und gegebenenfalls sogar eigene Forschung zu betreiben. Unabhängigkeit und Kompetenz der Prüfstelle Ganz nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ genügt bei ordnungsgemäßer Funktionsweise die Überprüfung der Funktionalen Sicherheit nach der ISO 26262 durch eine beliebige Person innerhalb des Unternehmens, ohne dass weitere Anforderungen an diese gestellt werden. Im Falle eines Produkthaftungsfalles werden aber im Rahmen der Beweiserbringung die Unabhängigkeit und Kompetenz der auditierenden Stelle geprüft. Unabhängigkeit ist gegeben, wenn keine wirtschaftliche oder arbeitsrechtliche Abhängigkeit der Stelle vom herstellenden Unternehmen besteht. Die Kompetenz kann durch Akkreditierung dargelegt werden, also die Bestätigung durch eine dritte Stelle, die darlegt, dass die Prüfstelle die Kompetenz besitzt, bestimmte Konformitätsaufgaben wahrzunehmen. In Deutschland ist hierfür die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH DAkkS zuständig.
Weitere rechtliche Probleme Aus rechtlicher Sicht bleiben diverse weitere Fragen offen. So ist nicht geklärt, ob der Fahrer sich auf die Funktion seiner Sicherheitssysteme verlassen darf und inwiefern neue Infotainment-Systeme mit den elektronischen Sicherheitssystemen in Interpendenz treten und für den Hersteller ein erhöhtes Haftungsrisiko darstellen. Auch testen europäische Fahrzeughersteller ihre Autos im Vorfeld eines Produktionsstartes regelmäßig lediglich in Europa. Häufig kommt es in der tatsächlichen weltweiten Nutzung aufgrund anderer Klima- und Straßenverhältnisse jedoch zu schwerwiegenden Problemen, die haftungsrechtliche Fragen aufwerfen. Sichere Entwicklung und Produktion Die ISO 26262 enthält den Grundgedanken, Produkte sicherer zu machen und den Endverbraucher besser vor Produktgefahren zu schützen, indem Unternehmen im Vorfeld auf eine sichere Entwicklung und Produktion achten und die mit Funktionaler Sicherheit vertrauten Personen einen ausreichenden Grad an Kompetenz und Qualifikation aufweisen. Seit der Veröffentlichung der Sicherheitsnorm wird auf dem Arbeitsmarkt entsprechend geschultes Personal gesucht.
MEGIST Consulting bietet Ihnen die dafür erforderliche Fachkompetenz und Professionalität, nicht nur im technischen, sondern insbesondere auch im rechtlichen Bereich. Gemeinsam finden wir Lösungen, um die Sicherheitsanforderungen in der Automobilbranche zu erfüllen und damit das Risiko von Haftungsfällen zu vermeiden. Ansprechpartner: Caroline Schiller
Es ist davon auszugehen, dass in einem Gerichtsverfahren bei Nichtbeachtung dieser Rahmenbedingungen eine Entlastung des jeweiligen Unternehmens oder Entwicklers und eine Beweislastumkehr nicht gegeben sind. Nachweise für Funktionale Sicherheit, die nicht von einer als unabhängig und kompetent geltenden Stelle erstellt wurden, werden also gerichtlich nicht zum Zwecke der Beweiserbringung bezüglich des Einhaltens des Standes der Wissenschaft und Technik akzeptiert.
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