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Gehirn Und Geist

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Oliver Weiss 34 Gehirn und Geist titelth em a We r b e psyc ho lo g i e Die Macht der Marken Ob Prada, Porsche oder Rolex: Mit dem richtigen Label erscheint ein Produkt automatisch begehrenswert. Doch was genau macht Marken attraktiv? Um Käufer zu gewinnen, appellieren Werber vor allem an deren Gefühle. Text: Mi r iam B e rg e r ] I l lu strati o n e n : O l iver Weis s K alt ist es draußen. Am liebsten Psychologe und Neurowissenschaftler Brian S ER I E IM Ü B E R B LIC K würde ich meine Füße einfach un- Knutson von der Stanford University in Kalifor- ter der Bettdecke lassen. Stattdes- nien zeigen, dass eine Kaufentscheidung auf sen beeile ich mich, zur Arbeit zu mehreren voneinander unterscheidbaren Pro- Die Welt der schönen Dinge kommen, friere an Haltestellen, zessen im Gehirn beruht. Die Forscher präsen- warte an Bahnhöfen. Ein Kaffee wäre jetzt gut. tierten den Teilnehmern ihrer Studie Fotos an- Nehme ich den vom Bahnhofskiosk? Gehe ich in sprechender Konsumprodukte, etwa eine edel die Bäckerei? Zum Italiener? Nein, lieber zu Star- aussehende Schachtel Pralinen. Nach ein paar Se- bucks. Das gönne ich mir. Da kostet ein Becher kunden blendeten sie auch den Preis der Ware Kaffee zwar fast vier Euro, aber … tja, was eigent- ein. Wiederum ein paar Sekunden später sollten lich? Was macht Starbucks so anziehend für die Probanden per Knopfdruck entscheiden, ob mich, dass ich gut und gerne das Doppelte für ei- sie das Produkt kaufen würden. Währenddessen nen Kaffee bezahle? maßen die Wissenschaftler per funktioneller Der Neuropsychologe und Marketingberater Christian Scheier hat darauf eine einleuchtende ­Magnetresonanztomografie (fMRT) die Hirnaktivität der potenziellen Käufer. Antwort: »Marken, die uns ansprechen, aktivie- Beim Anblick von interessanten Produkten ren das Belohnungssystem im Gehirn«, sagt er. war insbesondere der Nucleus accumbens aktiv, Und das passiere nicht etwa nach rationalem Ab- eine Ansammlung von Nervenzellen tief im In- wägen der Vor- und Nachteile, sondern nahezu neren des Gehirns. Dieses Gebiet wird als wich- automatisch. Starke Marken lösen ein unmittel- tiger Teil des Belohnungssystems angesehen bares »Das will ich haben!« aus. Warum, sei uns und seine Aktivität gemeinhin als Zeichen für meist nicht bewusst. positive Erwartungen gewertet. Sobald das Pro- Wo viel Geld zu verdienen ist, wird auch viel dukt aber mit einem hohen Preis versehen wur- geforscht. Ein ganzer Forschungszweig – das de, regte sich im Kopf der Probanden die Insula – Neuromarketing – beschäftigt sich seit den eine andere wichtige Region der Emotionsregu- 1990er Jahren mit den unbewussten Vorgängen lation. Sie ist normalerweise aktiv, wenn wir uns im Gehirn des Verbrauchers. 2007 konnte der ekeln oder Schmerz erwarten. Teil 1: Wie Werbung wirkt • Die Macht der Marken • »Unternehmen profi­ tieren von unserem Spiel­trieb« (S. 41) • Spuren im Unbewuss­ ten (S. 44) Teil 2: Die Vermessung des Schönen Max-Planck-Direktor David Pöppel über Ästhe­ tik (GuG 4/2015) Teil 3: Das Auge isst mit Produktdesigner nutzen die Wechselwirkung der Sinne (GuG 5/2015) Einmal Kaffee mit Urlaub, bitte! Erfolgreiche Marken verleihen dem Produkt eine Bedeutung, die über seine eigentliche Funktion hinausgeht. Allein das macht einen schnöden Becher Kaffee in unseren Augen wertvoller. 3_2015 35 Au f ei n en B lick Die Regeln des »Branding« 1 Erfolgreiche Marken aktivieren das Beloh­ nungssystem im Gehirn und beeinflussen so die Kaufentscheidung. 2 Starke Marken kön­ nen sogar die Wahr­ nehmung verändern: Ein Produkt mit bekanntem Label schmeckt Proban­ den besser als das iden­ tische Lebensmittel mit dem Logo eines unbe­ kannten Herstellers. 3 Die akustische Mar­ kenführung (Audio­ branding) gewinnt in der Werbebranche an Bedeu­ tung, da wir uns akusti­ schen Reizen schlechter entziehen können als visuellen. Ob wir das entsprechende Produkt kaufen terschiedlich wahrgenommen wird, liefert die oder nicht, hänge davon ab, ob wir die erhoffte Kaffeemarke den Rahmen für das Produkt. Belohnung oder den schmerzlichen finanziellen ­Starbucks verkaufe zwar eigentlich auch nur Verlust als stärker empfinden, meint Scheier. So Kaffee, meint Christian Scheier, die implizite gesehen gebe es zwei Möglichkeiten, Menschen Botschaft aber laute: Bei uns ist eine Tasse Kaf- zum Kauf zu veranlassen: »Ich kann entweder fee wie ein Kurzurlaub. Und vier Euro für einen den Schmerz reduzieren oder die Belohnung er- Kurzurlaub? Das ist nun wirklich nicht zu viel höhen. Marken tun Letzteres.« verlangt! Starke Marken machen Produkte in unserer Auch für etablierte Produkte lohnt es sich of- Wahrnehmung also wertvoller. Doch was genau fenbar, den Markenhebel immer wieder neu zu hebt Starbucks über andere Kaffee-Hersteller hi- justieren. So startete die Deutsche Telekom 2008 naus? »Wenn ich Konsumenten frage: ›Warum ihre Kampagne »Erleben, was verbindet«. »Ein gehst du zu Starbucks?‹, dann antworten sie in schönes Beispiel, wie sich durch einen neuen der Regel: ›Na ja, der Kaffee schmeckt da beson- Marketingchef das Marketing über die Jahre ders gut!‹«, so Christian Scheier. Doch das ist stark verändern kann«, sagt Scheier. »Die Frage nicht der wahre Grund: Das amerikanische Ver- lautete: Was wäre für die Telekom ein zeitge- brauchermagazin »Consumer Reports« veröf- mäßes Markenversprechen? So entstand der Slo- fentlichte 2011 die Ergebnisse eines so genannten gan ›Life is for sharing‹. Die Belohnung besteht Blindtests, in dem Produkte bewertet werden, darin, dass wir in unserer hektischen Welt mit während die Marke verdeckt bleibt. Dabei schnitt der Marke Telekom dennoch unser Erleben mit- der Kaffee von Starbucks nicht besser ab als etwa einander teilen können.« der halb so teure der Supermarktkette Walmart. Der Einrahmungseffekt 36 Eine der erfolgreichsten Werbekampagnen lancierte der Seifenhersteller Dove. Anfang der 1990er Jahre lag der Wert der Marke laut dem Die Belohnung bei Starbucks ist nicht der Kaffee amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Da- an sich, erklären Scheier und sein Kollege Dirk vid Aaker noch bei zirka 200 Millionen US-Dol- Held in ihrem Buch »Was Marken erfolgreich lar. Heute sei Dove geschätzt fast vier Milliarden macht«. Vielmehr fungiere das Label Starbucks US-Dollar wert. Aaker ist der Meinung, dass die- für das Produkt Kaffee wie ein Rahmen für ein ser Erfolg vor allem einem geschickten Marke- Bild – wodurch wir den Kaffee anders wahr­­ ting zu verdanken ist. In der langjährigen Kam- nehmen. In der Psychologie spricht man vom pagne zeigte der Seifenhersteller immer wieder »Framing-Effekt« (Einrahmungseffekt), ein Phä- leicht bekleidete Frauen, die nicht den vermeint- nomen, das in unserem Alltag regelmäßig eine lichen Idealmaßen entsprachen, sich aber nichts- ­Rolle spielt. destoweniger in fröhlicher, unbeschwerter Run- Der Hirnforscher Michael Deppe und sein de amüsierten. Die Belohnung ist hier nicht das Team von der Universität Münster beobachteten Pflegeprodukt selbst, sondern psychologische den Framing-Effekt zum Beispiel bei Zeitungs- Ent­lastung, meint Scheier. Die Bilder signali­ schlagzeilen. Die Forscher ließen die Versuchs- sieren: »Du bist okay so, wie du bist – genau wie personen 30 erfundene Überschriften nach ihrer diese Frauen.« Glaubwürdigkeit beurteilen. Die Schlagzeilen Kaffee wird zum Kurzurlaub; Telekommuni- waren dabei in vier verschiedene Zeitungen ein- kation zum Mittel, sein Leben mit den Liebsten gebettet. Später sollten die Probanden auch die zu teilen; und Seife verspricht Befreiung vom all- Glaubwürdigkeit der Zeitungen einschätzen. We- gegenwärtigen Schönheitsideal. Starke Marken nig überraschend erschienen die gleichen Aus­ verbinden ihr Produkt also mit einer emotio- sagen den Probanden deutlich glaubwürdiger, nalen Belohnung und verändern damit die Wahr- wenn sie in einer von ihnen als seriös beurteilten nehmung ein- und desselben Produkts funda- Zeitung erschienen. mental. Das haben Marketingfachleute längst Genau wie die Zeitung den »Rahmen« für begriffen: Während es in der Werbung früher vor die Schlagzeile bildet und diese dadurch un­ allem darum ging, die Einzigartigkeit eines ProGehirn und Geist Oliver Weiss dukts herauszustellen, verlege man sich inzwi- Forscher die Probanden in einen Kernspintomo- schen oft auf das »Emotional Branding«, resü- grafen und präsentierten ihnen kurz vor der miert der Psychologe und Markenexperte Bernd ­Verkostung mal eine Coke-, mal eine ­Pepsi-Dose Schmitt von der Columbia University in New oder aber ein neutrales Bild. Allein das Foto York 2012 in einem Übersichtsartikel. der Coke-Dose aktivierte Hirnregionen wie den Emotion schlägt Fakten ­dorsolateralen präfrontalen Kortex ­(DLPFC): Mit dem »Knopf im Ohr« bewies ein Stofftier­ produzent aus Giengen an der Brenz bereits 1904 ein gutes Gefühl für »Markenzeichen«. Laut früheren Studien ist er involviert, sobald Wie stark die Gefühle bei Markenpräferenzen positive Gefühle unser Verhalten beeinflussen. mitreden, beweisen zahlreiche Untersuchungen. Außerdem regte sich der Hippocampus, eine für Legendär und vielfach wiederholt: der Pepsi-­ das Gedächtnis zentrale Hirnregion. Die Forscher Coke-Test. Der Psychologe Samuel McClure und vermuten, dass die Probanden, sobald sie die sein Team in Houston servierten Versuchsper- ­Coke-Dose erblickten, Kontextinforma­tion über sonen Pepsi und Coca-Cola in neutralen Gläsern, die Marke abriefen. Die meisten Menschen ha- so dass die Teilnehmer nicht wussten, was von ben »Coca-Cola« wohl einfach als das beste Cola- beiden sie gerade probierten. Die Präferenzen in Getränk abgespeichert. dieser Bedingung hielten sich in etwa die Waage, Christian Scheier kennt eine Menge solcher schlugen aber tendenziell eher Richtung Pepsi Beispiele, etwa bei Waschmittelmarken: »Sobald aus. Selbst bekennende Coca-Cola-Fans mochten ›Persil‹ draufsteht, finden die Probanden, dass das Produkt des Konkurrenten mindestens ge- das Produkt besser riecht. Im Blindtest dagegen nauso gern. sind sie nicht in der Lage, verschiedene Wasch- Eine andere Gruppe bekam zweimal Pepsi, mittel zu unterscheiden.« Wissenschaftler spre- eine weitere zweimal Coke – allerdings jeweils in chen in solchen Fällen von einem Placebo-Effekt. einem Pepsi- und einem Coca-Cola-Glas. Obwohl Ein Placebo kann tatsächlich deutliche körper- die Getränke in den verschiedenen Gläsern völlig liche und psychische Veränderungen auslösen, identisch waren, schmeckte den Probanden stets wenn man daran glaubt. das Getränk im Coke-Glas deutlich besser, auch So konnten Forscher vom Massachusetts In- dann, wenn Pepsi drin war. Schließlich legten die stitute of Technology nachweisen, dass sich der 3_2015 Ausgezeichnet 37 Oliver Weiss Mit Jingle zum Kult Coca-Cola nutzte zwar schon früh Musik in der Werbung, wechselte aber lange Zeit von Kampagne zu Kampagne die Melodie. Erst Ende der 1990er Jahre entschied man sich für ein »Sound-Logo«, das immer wieder in verschiedene Songs integriert wird. Blutdruck von Probanden nach Konsum eines Preis weckte also eine positive Erwartung an die vermeintlichen Energydrinks erhöhte, obwohl Qualität des Produkts. das Getränk keinerlei blutdrucksteigernde Wirk- 90 Dollar für eine Flasche Wein? Na gut, wenn stoffe enthielt. Die Versuchspersonen zeigten wir uns dadurch für einen Abend etwas Luxus ­sogar eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit, so- ­erkaufen können. Vier Euro für Kaffee? Na klar, fern sie vom Effekt derartiger Getränke im Allge- wenn damit der Kaffee zur ersehnten Auszeit meinen überzeugt waren. verhilft! Bekannte Marken haben ihr implizites Die Wirtschaftswissenschaftlerin Hilke Plass- Image längst in unsere Köpfe gebrannt. Doch die mann und ihre Kollegen bewiesen 2008 in einem wenigsten schaffen es, dass Verbraucher gezielt Experiment, dass auch der Preis als Placebo wir- nach ihnen suchen. Daher ist es für neue wie ken kann. Sie ließen ihre Probanden im Hirn- für etablierte Marken gleichermaßen wichtig, scanner verschiedene Weine testen und deren im Alltag der Verbraucher präsent zu sein – und Geschmack bewerten. Einen Wein verabreichten das möglichst auffallend. Die Möglichkeiten da- sie ohne das Wissen der Probanden zweimal – für sind vielfältig und sprechen im besten Fall einmal als Billigwein für 10 US-Dollar und ein- alle Sinne des potenziellen Käufers an, also nicht mal als Luxusprodukt für 90 US-Dollar. nur die Augen, sondern zum Beispiel auch die Bei dem vermeintlich teuren Wein war das ­Belohnungssystem, speziell der orbitofrontale Kortex, vermehrt aktiv. Diese Hirnregion gilt als 38 Ohren. Besser mit Musik? Logo! eine Kontrollinstanz, wenn es darum geht, Infor- Der Psychologe Michael Oehler ist Professor für mationen bezüglich ihres Belohnungsgehalts zu musikalische Akustik an der Fachhochschule bewerten. Tatsächlich schmeckte der Wein den Düsseldorf und Präsident der Gesellschaft für Probanden nach eigener Auskunft besser. Der Musikpsychologie. Er beschäftigt sich unter anGehirn und Geist derem mit dem so genannten Audiobranding. der Universität Mannheim zeigte, bestimmt we- »Wegschauen ist leicht, weghören nicht. Das niger die Zufriedenheit mit dem Produkt die ist der Vorteil von akustischer Markenführung«, Markentreue. Maßgeblich dafür sind vielmehr erklärt Oehler. So sei es etwa günstig für eine demografischen Faktoren und Persönlichkeits- Marke, über ein akustisch gut wahrnehmbares merkmale der Konsumenten. Homburg schickte und wiedererkennbares Logo zu verfügen. einen Fragebogen an 3000 zufällig ausgewählte Im Gegensatz zu vielen Unternehmen, die Menschen, die zwei Jahre zuvor jeweils ein Fahr- Sounddesign lange als nettes Beiwerk betrach­ zeug einer deutschen Automarke gekauft hatten. teten, hat sich etwa die Deutsche Telekom früh Knapp 1000 Befragte sandten den Bogen ausge- damit auseinandergesetzt. Ihr »Logo«, eine ein- füllt zurück. Wie erwartet waren mit dem Wagen fache Abfolge von fünf relativ hohen Tönen, ist zufriedene Kunden insgesamt der Marke gegen- sehr bekannt und so gestaltet, dass sie sich gegen über loyaler und gaben eher an, das nächste Auto andere Geräusche gut durchsetzt. »Selbst wenn beim selben Händler kaufen zu wollen. Doch war ich in der Küche bin und die Waschmaschine der Effekt zum Beispiel bei Männern größer als läuft, nehme ich wahr, wenn im Wohnzimmer bei Frauen. Für Letztere spielte die Zufriedenheit eine Telekomwerbung läuft«, sagt Oehler. mit dem Produkt für die nächste Kaufentschei- Andere Geräusche wie der dumpfe Herzschlag von Audi hätten dagegen vor allem dann einen Effekt, wenn man wirklich zuhöre. Gerade Fern- dung keine so große Rolle. Wie man treue Kunden gewinnt seh- und Radiowerbung werde aber häufig nicht Stattdessen war den Frauen die Qualität des per- bewusst rezipiert. Immer häufiger beziehen Un- sönlichen Kontakts mit dem Händler wichtiger. ternehmen daher Erkenntnisse aus der Psycho­ Ältere Menschen legten ebenfalls weniger Wert akustik und Musikpsychologie bei der Werbung auf die bisherige Zufriedenheit mit dem Gefährt, mit ein: Welche Klänge fallen auf? Wann wirkt wahrscheinlich war es ihnen einfach zu müh- eine Sprechstimme angenehm? Welche Musik sam, vor dem Kauf rationale Argumente für weckt Assoziationen, die den Charakter des Pro- und gegen eine Automarke zu sammeln. Auch dukts unterstreichen? Gutverdiener blieben der gewohnten Marke eher Die akustische Gestaltung einer Marke be- treu, selbst wenn sie eigentlich nicht vollkom- schränkt sich dabei längst nicht auf Werbe­jingles. men zufrieden waren – vielleicht, weil sie das Schon im Jahr 1997 konnte der Psychologe Adrian ­finanzielle Risiko eines Fehlkaufs nicht so sehr North in seiner viel zitierten Studie nachweisen, schreckte. dass in einem Supermarkt mehr französische Schließlich gab es noch Menschen, denen es Weine verkauft werden, wenn im Hintergrund einfach Spaß macht, immer wieder etwas Neues französische Akkordeon-Musik erklingt – und im auszuprobieren. Teilnehmer, die laut einem Per- Gegenzug mehr deutscher Wein bei deutscher sönlichkeitstest diese Eigenschaft besaßen, be- Blasmusik. kundeten häufig, die Automarke wechseln zu Heute verwenden Fluggesellschaften bestimmte Geräusche und Musik in der Wartehalle, wollen, selbst wenn sie mit dem alten Auto zufrieden waren. um den Passagieren ein Gefühl von Sicherheit Bekannt ist auch, dass es eine Verbindung zwi- und Verlässlichkeit zu vermitteln – ganz im Ge- schen der Marke und dem Selbstbild des Kunden gensatz zur »flippigen« Musik in Läden für junge gibt. Allerdings ist fraglich, ob der Charakter des Verbraucher, besonders im Modehäusern oder Labels eher zum Selbstbild des Konsumenten Elektronikmärkten. Werbung beeinflusst uns, ob passen muss oder zum Idealbild, also dem, wie er wir wollen oder nicht, allerdings individuell un- gern wäre. Die meisten Kosmetikhersteller wer- terschiedlich. ben nach wie vor ausschließlich mit einem Inwiefern wir uns an Marken orientieren und Schönheitsideal. Wegen des großen Erfolgs der wie empfänglich wir für ein spezielles Image Dove-Kampagne vermuteten die Wirtschaftswis- sind, hängt nämlich auch von uns selbst ab: Wie senschaftlerin Lucia Malär und ihren Kollegen der Marketingprofessor Christian Homburg von von der Universität Bern allerdings, dass es wo- 3_2015 Immer häufiger beziehen Unternehmen Erkenntnisse aus der Psychoakustik und Musikpsychologie bei der Werbung mit ein. Welche Klänge fallen auf? Wann wirkt eine Sprechstim­ me angenehm? Welche Musik weckt Assozia­ tionen, die den Charakter des Produkts unter­ streichen? 39 Marco Finkenstein Literaturtipp Scheier, C., Held, D.: Was Marken erfolgreich macht. Neuropsychologie in der Markenführung. Haufe, Freiburg 2012 Wissenschaftlich fundierte Übersicht mit vielen ­spannenden Fallbeispielen Quellen Laroche, M.: To Be or not to Be in Social Media: How Brand Loyalty is Affected by Social Media? In: International Journal of Information Management 33, S. 76 – 82, 2013 Malär, L.: Emotional Brand Attachment and Brand Personality. The Relative Importance of the Actual and the Ideal Self. In: Journal of Marketing 75, S. 35 – 52, 2011. Schmitt, B.: The Consumer Psychology of Brands. In: Journal of Consumer Psychology 22, S. 7 – 17, 2012 Weitere Literatur im Internet: www.spektrum.de/artikel/ 1327343 40 möglich sinnvoller ist, dem tatsächlichen Selbst- Marken überall: hier das Werbeplakat, da die bild der Verbraucher nahezukommen. Sie be- eingängige Melodie, die uns nicht mehr aus fragten Kunden zu ihrer emotionalen Bindung dem Kopf geht. Es scheint, als wären wir Spiel­ gegenüber den von ihnen präferierten Marken. bälle einer übermächtigen Werbeindustrie, die Fazit: Versuchten die Hersteller eher an das Ideal- sich zunehmend darauf spezialisiert, in unseren bild ihrer Kunden anzuknüpfen, war die Marke ­Köpfen den Schalter auf Autopilot umzulegen. weniger erfolgreich, als wenn sie die realen Um- Womöglich schmuggeln die Hersteller ihre Wer- stände berücksichtigten. bebotschaften sogar unbemerkt in mein Gehirn? »Passt das zu mir?« Haben Sie noch vage die »wissenschaftliche Studie« im Kopf, bei der der Forscher James Vicary Allerdings fanden Wissenschaftler heraus, dass Kinobesuchern während des Films Coca-Cola- unter bestimmten Bedingungen die Werbung Werbung im Mikrosekundenbereich – also nicht mit dem Idealbild doch erfolgreich sein kann – bewusst wahrnehmbar – präsentierte? Die Zu- nämlich immer dann, wenn das Selbstwertge- schauer hätten danach deutlich mehr Coke fühl der Verbraucher nicht besonders hoch ist. gekauft! Doch der Autor selbst hat Jahre später Von der selbstbildorientierten Dove-Kampagne zugegeben, dass er das Ergebnis bloß erfunden sollten sich demnach vor allem selbstbewusste hatte. Laut neueren Studien können »unter- Konsumentinnen angesprochen fühlen, die sich schwellige« Botschaften zwar etwas bewirken, in den gezeigten Frauen wiedererkennen. aber der Effekt ist begrenzt. Die Möglichkeiten, eine emotionale Bindung Werbung habe schon genug damit zu tun, mit zu den Kunden herzustellen, sind durch das bewussten Inhalten Eindruck auf den Konsu­ ­Internet stark gewachsen. Ein Team um den Wirt- men­ten zu machen, sagt Musikpsychologe Oeh- schaftspsychologen Michel Laroche von der Con- ler: »So beeinflussbar, wie manche vermuten, cordia University bestätigte 2013, dass es ­einer sind wir gar nicht.« Marketingexperte Chris­tian Marke durchaus nützt, sich in sozialen Netzwer- Scheier sieht das ähnlich: »Neben unserem Auto- ken wie facebook, MySpace oder Twitter zu posi- piloten existiert schließlich auch ein Pilot.« Ÿ tionieren. Die Forscher ließen dazu Follower von Marken in den Netzwerken einen Fragebogen ausfüllen. Es kam heraus, dass soziale Netzwerke die Beziehung und das Vertrauen zur Marke und zum Unternehmen, aber auch unter den Anhängern stärken – was wiederum einen positiven Miriam Berger ist Psychologin und Wissenschaftsjournalistin in Köln. Inzwischen nimmt sie sich immer eine Thermoskanne voll Kaffee zur Arbeit mit. ­Effekt auf die Treue zum Produkt hatte. Gehirn und Geist