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Gemeinsam mit dem Wald statt auf dem Holzweg? Kaminabend „Waldökosysteme“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Diskussionsforum Ökosystemleistungen - Chancen und Risiken einer ökonomischen Bewertung von Natur“ Unsere Wälder stehen im Kreuzfeuer der Begehrlichkeiten – ob hier in Deutschland oder weltweit. Von der energetischen und stofflichen Nutzung von Holz bis hin zur Erholungsfunktion und der Bereitstellung wichtiger Habitate für die biologische Vielfalt: Wald wird vielfältig genutzt und soll verschiedensten Ansprüchen gerecht werden. Doch wie lassen sich diese Ansprüche miteinander vereinbaren? Und welche politischen Weichenstellungen sind erforderlich, um den Werten des Waldes angemessen Rechnung zu tragen? Nach bisher drei erfolgreichen Veranstaltungen der Reihe „Diskussionsforum Ökosystemleistungen: Chancen und Risiken einer ökonomischen Bewertung der Natur“ fand am 2. November 2015 in den Räumen der Deutschen Umwelthilfe in Berlin das vierte Kamingespräch mit dem Schwerpunkt Waldökosysteme statt. Mehrere ExpertInnen setzten mit ihren Impulsbeiträgen Akzente aus der Sicht von Wissenschaft, Unternehmenspraxis, Forstwirtschaft und Naturschutz. So konnten zu dem Gespräch Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Leiterin des Departments Bioenergie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Gisbert Braun, Head of Corporate Quality & Sustainability der Faber-Castell Aktiengesellschaft, Dr. Markus Ziegeler, Geschäftsführer des Deutschen Forstwirtschaftsrats (DFWR), Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) sowie Hubertus Kraut, Direktor des Landesbetriebs Forst Brandenburg begrüßt werden. Die Moderation übernahm Prof. Dr. Bernd Hansjürgens, Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. Nach kurzen Impulsbeiträgen der Podiumsgäste diskutierten diese gemeinsam mit den rund 50 Gästen im Publikum. Wie nicht anders zu erwarten: Am Wald und an der „Waldpolitik“ scheiden sich die Geister. Zwar bestand Einhelligkeit, dass Nutzung und Schutz mitunter schwer in Einklang zu bringen sind. Doch zur Bewertung der Problemlage, möglicher Zielkonflikte und Handlungsoptionen gingen die Meinungen doch deutlich auseinander So wurde bemängelt, dass sich die Gesellschaft oftmals nicht nach dem richte, was Wälder nachhaltig leisten könnten. Klimaveränderungen, erhöhte Schadstoffbelastungen, eine wachsende Holznachfrage – das setze das Ökosystem Wald zunehmend unter Druck, die Überlastungsanzeichen seien nicht zu übersehen. Der Wald werde oftmals nur als „Rohstofflieferant“ betrachtet und andere Ökosystemleistungen bei der Waldbewirtschaftung nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem fuße der Erhalt dieser Vielfalt viel zu stark auf Freiwilligkeit. Es müsse daher vor allem verstärkt ordnungsrechtlich eingegriffen und der Schutz der biologischen Vielfalt abgesichert werden. „Diese Probleme treffen doch nicht auf alle heimischen Wälder zu“, wurde prompt entgegnet. Und auf eine generell falsche Bewirtschaftungsweise sei dies ohnehin nicht zurückzuführen. Eine multifunktionale, integrative Forstwirtschaft erreiche schließlich schon jetzt ein hohes Maß an Ressourceneffizienz. Der Pluralismus der Eigentümer und ihrer unterschiedlichsten Waldnutzungsarten führe darüber hinaus zu einer Vielfalt an Ökosystemleistungen. Weitere pauschale Bewirtschaftungsrestriktionen? Das erhöhe nur das Risiko einer Verschwendung knapper Ressourcen und eines Verlustes an
gesellschaftlicher Wohlfahrt. Vor allem fehle es doch an einer generellen Wertschätzung des Waldes – zumindest wenn sie konkret etwas kosten soll. Das zeige sich vor allem am geringen Wert des Rohstoffes Holz. Obwohl es eine große Nutzungsbandbreite dieses Rohstoffes gebe, werde diese in der Regel nicht ausgeschöpft. Die Verwendung als Brennstoff sei angesichts der vielfältigen stofflichen Verwendungsmöglichkeiten sicherlich die denkbar schlechteste. Es brauche zur Steuerung vor allem geeignete finanzielle Anreizsysteme. Deutschland ist bekanntlich keine Insel. So ging schließlich der Blick über den Tellerrand hinaus und es stand die Frage im Raum, ob es denn sinnvoll sei, europäische Wälder, größtenteils kulturell über Jahrhunderte angepasste Wirtschaftswälder, verstärkt aus der Nutzung zu nehmen. Dadurch würde sich der Rohstoffbezug noch stärker als bisher auf Staaten in Asien und Amerika verlagern und die Nutz- und Schutz-Problematik schlicht exportiert. Für ein rohstoffhungriges Industrieland wie Deutschland könnte das bei gleich bleibendem bzw. steigendem Ressourcenverbrauch kaum eine verantwortungsbewusste Politik sein. Die Kontrolle von Umweltstandards werde weiter erschwert. Können finanzielle Anreizsysteme diese Zielkonflikte reduzieren und gewünschte Entwicklungen angemessen fördern? Wie müssten diese dann ausgestaltet sein? Oder sollte das Ordnungsrecht verschärft werden? Sind bestehende gesetzliche Regelungen ausreichend oder nicht? Die facettenreiche Diskussion warf viele Fragen auf. Einigkeit bestand aber darin, dass eine kongruente Bewertung und Wertschätzung von Biodiversität sowie der verschiedenen Ökosystemleistungen eine wichtige zusätzliche Entscheidungsgrundlage bei Nutzungskonflikten sein könnte. Um das zu erreichen, müsse, so wurde von vielen Seiten betont, die Waldpolitik gestärkt werden. Das Thema sei politisch „unterbelichtet“, viele Ministerien in Bund- und Ländern vernachlässigten es sträflich. Hingegen befinde die forstwirtschaftliche bzw. -wissenschaftliche Diskussion in Deutschland im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau. Wertschätzung bedeute aber auch mehr Effizienz: Für eine Minderung des Nutzungsdrucks müssten Prioritäten in der Holznutzung gesetzt und Möglichkeiten der sog. Kaskadennutzung systematisch weiter erforscht, entwickelt und technisch umgesetzt werden. Je mehr Stufen einer möglichst hochwertigen stofflichen Nutzung aufeinander folgen, bis das Holz energetisch genutzt wird, umso besser ist die Bilanz in den meisten Fällen für Umwelt und Natur. Ergänzend dazu wurden auch die Bedeutung des Verbraucherbewusstseins und des handfesten produktorientierten Umweltschutzes hervorgehoben. Schlussendlich fehlte im Kamingespräch auch nicht eine grundsätzliche Infragestellung von Konsum- und Produktionsmustern und heutigen Wachstumsmodellen. Nur den Ressourcenverbrauch (Rohstoffe, Land etc.) effektiv zu senken könne letztlich Wirtschaft und Naturschutz miteinander vereinbaren. „Der Wald ist den Deutschen heilig“, schloss schließlich ein Teilnehmer die Diskussion, „doch seine Schätze leider nicht“. Es bedürfe daher einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Nutzung und den Schutz des Waldes und aller seiner Ökosystemleistungen. Vor allem fehle es aber an einem gesellschaftlichen Wissen über die Zusammenhänge von Ökologie und Ökonomie.
Das „Diskussionsforum Ökosystemleistungen: Chancen und Risiken einer ökonomischen Bewertung von Natur“ ist eine Veranstaltungsreihe, die gemeinsam von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der 'Biodiversity in Good Company‘ Initiative als Unternehmensnetzwerk sowie den wissenschaftlichen Partnern Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig ins Leben gerufen wurde. Vorbild sind die bekannten „Kamingespräche“, die die DUH seit Jahren zu verschiedenen Themen anbietet. Die internationale Studie "The Economics of Ecosystems and Biodiversity" (TEEB) hat dem Thema zu internationaler Bekanntheit verholfen: Neue Konzepte zur Inwertsetzung von Natur ermöglichen es, Biodiversität und besonders Ökosysteme sowie deren Leistungen für die Gesellschaft unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Die Veranstaltungsreihe bietet ein offenes Diskussionsforum, in dem Interessierte und Akteure aus Wirtschaft, Politik und Praxis die Chancen und Risiken des Ökosystemleistungsansatzes und von „Valuing Nature“ diskutieren. Ziel ist es, den Themenkomplex „ökonomische Bewertung von Natur, der Ökosysteme und ihrer Leistungen“ zu diskutieren und zu hinterfragen, wo diese sinnvoll ist und wo sie an Grenzen stößt oder sogar kontraproduktiv wirken würde. Die Veranstaltungen haben jeweils einen thematischen Schwerpunkt und stellen beispielsweise einzelne Ökosystemleistungen, Handlungsfelder oder Akteure in den Mittelpunkt.