Transcript
Hallo und herzlich willkommen! Ich möchte mich zunächst bei den Veranstaltern bedanken, daß ich hier eingeladen worden bin und möchte auch einen Gruß im Namen meiner beiden Gnadenbrotkühe übermitteln. Ich bin selbst Landwirt auf einem ganz kleinen Betrieb mit knapp 9 Hektar im Hochschwarzwald auf 900 Meter. Am heutigen Tag ist ja Erntedank und an so einem Tag sollte man auch daran erinnern, daß es gar nicht selbstverständlich ist, daß wir was zu essen haben. Auch der extremste Veganer muss irgendwann was essen und am Anfang von seinem Essen steht immer ein Landwirt oder ein Gärtner. Und zu 99% ist sein Essen verbunden mit Chemie oder mit Tierhaltung. Landwirtschaft heisst auf englisch agriculture, die Ackerkultur. Und Kultur stammt vom lateinischen colere, das heisst pflegen oder verehren. Und da kann man sich schon fragen, unsere heutigen Landwirte, pflegen die noch? Vielleicht ja, den Boden. Vielleicht auch mal die Tiere. Aber verehren sie den Boden und die Tiere auch?
Heute geht es um Massentierhaltung und auch da haben meine 2 Kühe eine Botschaft:
Ich habe die kleinste heimische Rinderrasse, das sind Hinterwälder Kühe, und nicht nur sie sind vom Aussterben bedroht, sondern auch die kleine Landwirtschaft. Heute geht ja alles nur Richtung Wachstum: grösser, mehr. Und weil jetzt vorher Martin Hahn von den Grünen (Mitglied des BaWü Landtages) hier gesprochen hat, nehme ich die Essenz meines Vortrages vorweg. Eine der wesentlichen Chancen, die wir haben, um Massentierhaltung zu verhindern, damit es den Tieren besser geht, ist nicht der Verbraucher, ist auch nicht der Landwirt, sondern ist die Politik! Die Politik muss vorangehen. Ganz persönlich muss ich sagen, daß ich hier im grünen Ländle etwas enttäuscht bin, was da an Vorlagen aus dem Hause Bonde (grüner Landwirtschaftsminister in BaWü) kam. Die ganzen Tierschutzinitiativen der letzten 2 Jahre, sei es das Verbot von Kükenschreddern oder das Verbot tragende Kühe zu schlachten kamen nicht aus Baden-Württemberg, sondern aus Schleswig-Holstein vom Kollege Habeck oder von Christian Meyer (Niedersachsen), die beide noch einen stärkeren roten Koalitionspartner haben.
Wenn wir uns anschauen, welchen Einfluss hat die Politik? Wir haben jetzt hier ein Beispiel, da ist ein neuer Stall gebaut worden. Einer der grössten Milchviehbetriebe Deutschlands, die haben 3200 Kühe. Es wurde ein neuer Stall gebaut für 500 Kühe, mag sein, dass die da auch mehr Platz haben. Mir geht es um die Förderungen. Von den Gesamtkosten 2,4 Mio. sind 600 tds. Zuschüsse, d.h. ¼ der Investitionen sind vom Staat. Also mit Geld von uns allen Steuerzahlern, das zieht uns die Politik aus der Tasche, wird hier Massentierhaltung ermöglicht. Ich sage ja nicht, daß die Regierung aus BaWü schuld ist. Aber auch wir haben hier, wie Martin Hahn angesprochen hat, den Fall Ostrach und andere sehr grosse geplante Tierhaltungen und ich bin schon der Meinung, daß hier das Land Möglichkeiten hätte, besser darauf zu reagieren. Zum Hintergrund, was in Ostrach passiert: da haben Landwirte eine riesengrosse Biogasanlage gebaut, die Unmengen Mais in Strom verwandelt und jetzt sagt man zurecht, das ist ja Quatsch. Soviel Mais da, und wir wollen keine Vermaisung der Landschaft und Biogas war doch eher gedacht, daß man da den Mist von Kühen verwendet. Was machen die Bauern? Sie sagen: Ja, super, bauen wir halt einen Riesenkuhstall und stopfen den Mais vorne in die Kuh und mit dem Mist machen wir dann weiter unser Biogas. Wie unvernünftig kann man eigentlich sein? Bei einem Milchpreis von 27 ct, wo bei jedem Liter den der Bauer melkt, mal ganz unabhängig wie es der Kuh dabei geht, der Bauer draufzahlt. Also wie bekloppt kann man sein da einen Stall für 1000 Kühe zu bauen? Und wie bekloppt ist die
Politik, daß sie das auch noch fördert. (Zwischenruf von Martin Hahn: kein Cent kommt vom Land). BaWü hat jetzt beschlossen, es gibt für tierfreundliche Stallbauten bis zu 40% Fördermittel vom Land! Wer im Schwarzwald einen Milchziegenstall baut, bekommt bis zu 40% Zuschuss. Was macht man mit soviel Ziegen, ja Ziegenkäse, da gibt es einen Bioverarbeiter im Schwarzwald, der möchte ganz Deutschland mit Ziegenkäse beglücken. Das Problem ist, die anfallenden Zicklein, die will keiner, die werden 4 Tage alt nach Frankreich gekarrt und dafür zahlt dann unser Ländle 40% Zuschuss. Und das ist etwas, das ich als Tierschützer und Landwirt nicht verstehen kann.
Schauen wir mal auf die Landwirte, den Bauernverband. Da kommen dann Parolen, sie nennen es Faktencheck wie „Das Durchschnittsalter der Kühe bleibt stabil“.
Wenn man sich das nun genauer anschaut, an Hand von wissenschaftlichen Daten, dann sieht man, daß das Alter von Kühen in den letzten 40 Jahren um 2 Jahre gesunken ist. Das heisst doch, der Bauernverband lügt in seinem Faktencheck. Sie lügen dreist um der Bevölkerung irgendwas vorzumachen! Sie machen einen kleinen Taschenspielertrick, den nur Insider oder Landwirte verstehen. Sie reden nicht von dem Abgangsalter, wie alt also eine Kuh wird, bis sie den Betrieb verlässt, wenn sie krank wird. 70% der Kühe verlassen den Betrieb, weil sie krank sind, nicht weil sie alt sind. Sie reden stattdessen von der Nutzungsdauer und das stimmt dann. Die Nutzungsdauer ist der Zeitraum, ab dem die Kuh das erste Kalb hat, bis sie den Betrieb verlässt. Und der bleibt gleich. Warum? Weil man die Kühe so züchtet, daß sie immer jünger ihre ersten Kälber kriegen, das nennt man Erstkalbealter und das wurde nach vorne verlagert. Junge Kühe geben also gleich lange Milch wie früher, aber verlassen auch ganz jung den Betrieb und das ist ein Skandal und da lügt einfach der Bauernverband.
Massentierhaltung. Ist das auch Massentierhaltung? Wir haben hier 300 Wildrinder, völlig frei gehalten, im natürlichen Herdenverbund. Das ist, wer es erkannt hat, die URIA Herde von Hermann Maier in Balingen. Da sieht man wie schwierig die Begriffe sind. Was ist denn Massentierhaltung? Nicht überall wo viele Tiere sind, geht es nicht tiergerecht zu. Ähnlich ist es mit artgerecht. Artgerecht ist es für ein Tier eigentlich nur in der Wildnis. Deshalb rede ich lieber von Tierwohl oder Tiergerechtigkeit, das ist unabhängig von der Grösse. Beliebtes Argument, auch bei Bioverbänden, ist: das Tierwohl ist unabhängig von der Anzahl der Tiere, sondern es ist mehr abhängig davon, ob der Landwirt gut ist oder schlecht. Auch das ist eine beliebte Lüge! Es lässt sich wissenschaftlich ganz klar belegen, daß statistisch in grossen Beständen Kühe nicht so alt werden, Kühe häufiger krank werden und mehr Kälber sterben. Es ist doch klar: wenn ich im Norden und Osten des Landes Kuhställe habe mit 1000, 2000 Kühen, da werden so viele Kälber geboren, das kann eine Familie nicht mehr alleine schaffen, wo zum Beispiel die Oma nachts beim kranken Kälbchen sitzt. Da sind dann Billigarbeiter aus Osteuropa die das machen. Da ist einfach die Betreuungsintensität nicht so hoch, also sterben mehr Tiere.
Daß jetzt ein Vorbildbetrieb wie der von Hermann Maier von der grünen Landesregierung eher schikaniert wird, das hat sich Martin Hahn eben schon anhören müssen, aber ich kann auch von meinem Betrieb sagen. Ich habe meine Ziegen aus Tierschutzgründen nicht mit den vorgeschriebenen Ohrmarken versehen, ich habe viel Geld dafür bezahlen müssen und fühle mich auch im Stich gelassen. Inzwischen hat sich was geändert, bei Ziegen kann man jetzt in BaWü auf die Ohrenmarken verzichten, wenn man es anders macht (Fußfessel und Pansenbolus). Aber es geht eigentlich mehr darum, wie geht man mit solchen Bauern um, da gibt es immer einen gewissen Spielraum nach unten und oben und den muß man nicht nach oben ausreizen.
Was machen wir nun gegen Massentierhaltung? Ganz einfach: go vegan! Wir werden jetzt alle Veganer, nur manche wollen nicht zu Fuß Richtung vegan. Wie z.B. Attila Hildmann, der Star der veganen Kochszene, der fährt lieber Porsche, der darf dann auch mal Ledersitze haben.
Mit vegan ist das wirklich eine schwierige Sache, wenn wir schauen, die Meldung kam vor ein paar Tagen: Jeder verzehrt 60 Kilo Fleisch, und zwar auf stabilem Niveau und die Schlachtzahlen haben im 1. Halbjahr den Rekordwert aller Zeiten gehabt. Das heisst aber, wenn wir alle hier vegan leben, und das ist ja ein Riesenhype um vegan, nützt das keinem einzigen Tier! Es werden mehr geschlachtet, denn je. Aber wenn wir an das ranwollen, ist es sehr wohl richtig, wenn jeder für sich selbst sagt: ich esse vegan, weil ich Tiere mag. Aber wir müssen auch politisch aktiv werden. Denn an den steigenden Schlachtzahlen sind die politischen Rahmenbedingungen schuld. Es ist ja völlig pervers, was die Landwirtschaft heute macht. Wir importieren Soja aus Südamerika, stopfen es in die Tiere und machen dann Milchpulver und Billigfleisch und exportieren es nach China. Jetzt wollen die Chinesen kein Milchpulver mehr, wir haben ein Riesenproblem, die Bauern demonstrieren. Und was macht die Politik? Sie nehmen das Geld der sogenannten Superabgabe, also Gelder die Bauern zahlen mussten, weil sie zuviel Milch erzeugt haben, und verteilen es wieder an die Bauern. Das ist, wie wenn das Land aus Strafzahlungen von Drogendealern hergeht und Drogen kauft und die frei auf dem Schulhof verteilt. So ist unsere Politik!
Ja, was essen denn die Veganer? Hier mal 2 Bilder: oben ist Palmölanbau in Indonesien und unten ist Alpkäse. Also Veganer aufgepasst, wenn ich vegan lebe, dann reicht das allein nicht aus, ich muss zusätzlich schon sehr darauf achten, was ich da esse, wo es herkommt. Und pervers ist sozusagen, vegan zu essen, aber nicht bio.
Schauen wir nochmal auf Attila Hildmann, er empfiehlt gerne Mandelproduke. Wir haben hier Californien, Leute die da Pflanzenschutzmittel zusammenmischen für Mandelbäume. Sie werden dann so ausgespritzt. Das heisst, wenn ich Mandelmilch kaufe, die nicht Bio ist, dann kommt die aus solchen Verhältnissen. Das hat mit Tierschutz nichts mehr zu tun, denn durch die Insektizide dort sterben Millionen von Tieren, Bienen gehen kaputt usw.
Ein Beispiel: vor Jahren hätte man gesagt: igitt Analogkäse und heute supi, aber sauteuer. Enthält Wasser und 25% Kokosnussfett, also ¾ verkaufen sie teures Wasser. Was ist aber mit dem Kokosöl? Sowohl in Thailand, als auch in Indonesien setzen die Bauern dressierte Affen ein zur Kokosnussernte. Das hat mit Tierschutz sicher nichts zu tun.
Also wenn ich meinen veganen Ersatzkäse, auf Basis Kokosöl esse, dann habe ich mit diesem Tierleid zu tun. Früher hatten sie gar Palmöl in diesem Käse. Also wieder: wenn vegan, dann bio. So als tierhaltender Landwirt, da wird man ganz schön geprügelt. Wenn man so wie ich, viel nach aussen steht, hört man so Einiges von Veganern. Beschäftigt man sich dann mal mit einzelnen Organisationen wie VEBU oder PETA: Hier mal ein Beispiel PETA, die über die Verbindung von Milch und Kalbfleisch schreiben: „Oft werden die Kälbchen sogar noch angekettet“ Entschuldigung, wenn jemand so einen Schwachsinn schreibt, mit denen muss ich gar nicht diskutieren. Die Anbindung von Kälbern ist seit 1998 in der EU verboten! Was die gemacht haben: die haben amerikanische Quellen schlecht übersetzt. PETA, eine Organisation mit zig Millionen Spendengeldern, sind nicht in der Lage eine adäquate Information über Tierhaltung in Deutschland zu machen. Inzwischen, auch aufgrund meiner Kritik - also ich kleiner Bauer aus dem Schwarzwald haben sie ihre Seite überarbeitet.
Viele Tierschützer schimpfen über die Bauern und zu Hause sitzen sie dann auf ihr Pferd und sagen: ich liebe doch mein Pferd. Man weiss inzwischen, dass Reiten für Pferde absolut schädlich ist. Deren Wirbelsäule ist nicht dafür gemacht, daß sich da ein Mensch drauf setzt. Von den Haltungsbedingungen in Einzelboxen reden wir jetzt mal gar nicht. Ich will auch nicht weiter auf die Tierschützer eindreschen und sagen: das Rudeltier Hund wird allein in der Stadtwohnung gehalten und womöglich vegan ernährt.
Also die Sache, wir lösen das Thema Massentierhaltung mit „go vegan“ ist mit einem ganz grossen Fragezeichen zu versehen. So, die zweite Idee: wir machen alle Bio, alles gut mit Bio? Leider nein!
Aber wir wissen ja, es gibt doch Bioland und Demeter. Ist das besser? Nicht immer! Wieder ein Massentierhaltungsstall, diesmal von Bioland:
Man sieht, wir haben in den grossen Biobetrieben genau dieselben Bedingungen: gleiche Kuhrasse, fast die gleiche Leistung, selber Stallplatz, sie gehen nicht unbedingt auf die Weide, bekommen genauso Kraftfutter und werden nur etwas älter.
Der einzige Unterschied von Biomilch zu der konventionellen Milch ist, daß die Kühe Biofutter bekommen. Das ist natürlich relativ frustrierend, aber ich habe geschrieben „nicht immer“.
Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht, zwei verschiedene Handelsmilchtypen zu vergleichen, links Biolandmilch aus dem Schwarzwald und rechts die Demeter Vorzugsmilch aus Rengoldshausen. Da haben wir bei Bioland: enthornte Kühe, die Silage fressen, die nicht unbedingt auf die Weide kommen, die künstlich besamt werden, wo den Kühen die Kälber weggenommen werden, also alles das, was man eigentlich ablehnt. Wir haben auf der anderen Seite, das ist auch „nur“ Bio: eine Milch, wo die Kälber bei den Kühen bleiben, wo die Kühe behornt sind, wo ein Stier mitläuft, also nichts von wegen gewaltsame Besamung, wo kein Kraftfutter gefüttert wird, wo keine Silage gefüttert wird, wo wirklich eine hervorragende Milch entsteht.
Hier das Beispiel Rengoldshausen, muttergebundene Aufzucht, 8 Wochen bis fast 3 Monate, wo das Kalb bei der Mutter oder später bei einer Amme bleibt, dann schleichend abgewöhnt wird. Es geht anders!
Nun also mein Lieblingsthema! Martin Hahn hat es vorher gesagt, wir brauchen Tierhaltung. Wir brauchen sie für die Landschaftspflege, wir brauchen sie für den Dünger. Also die Zahl der bioveganen Höfe in Deutschland sind drei, vier, fünf. Die schaffen es nicht mal, sie alle hier zu ernähren. Wir brauchen Tierhaltung! Und was halt wenige wissen, wenn ich jetzt als Veganer oder Vegetarier bei einem Demeter Stand meine Radieschen kaufe, dann ist da Tierleid mit verbunden. Da Demeter der einzige Verband ist, der Tierhaltung zwingend vorschreibt. Das heisst, ein Demeterbetrieb muß Tiere haben und die Demetertiere werden nicht bei Eurythmie und Harfenmusik hinterm Stall beerdigt wenn sie aus Altersgründen sterben. Nein, die werden geschlachtet! Und wer das nicht will, der muss sich eben etwas anderes suchen, da ist die Bandbreite nicht ganz so gross. Deshalb habe ich gesagt, ich will die Tiere halten, aber nicht töten. Sondern ich nutze sie. Ich nutze sie für die Landschaftspflege, ich nutze sie für den Mist. Der Mist geht von hinten aus der Kuh direkt hier rein ins Gewächshaus, da mach ich die Tomaten, die man hier probieren kann.
Es weiss kaum ein Landwirt, was das sein soll. Das ist ein Misthaufen einer Kuh! Heute haben Kühe chronischen Durchfall, die bekommen Silage und Kraftfutter und dann geht der Schwanz hinten hoch und herauskommt ein Güllestrahl. Die Landwirte brauchen diese Gülle, denn die haben Laufställe, wo ein Schieber diese Gülle gleich wegschiebt. Wenn alle Kühe scheissen würden wie meine, dann würde deren Stall gar nicht funktionieren. Wenn man Kühe artgerecht ernährt, haben die so einen Kot. Weiss kein Landwirt! Auftrag für die Bauernschulen, so was muss gelehrt werden.
Aus Verzweiflung an dieser ganzen Situation, habe ich dann angefangen eine Tierschutzstiftung zu gründen.
Dabei sind mir etwas zu Hilfe gekommen: hier vorne mein ehemaliger Stier, ein Hinterwälder Bulle, der sehr alt geworden ist. Die Stiere werden, wenn sie alt werden, manchmal ein bisschen bösartig, er leider auch. Ich konnte es nicht mehr verantworten, er musste weg und das war zugleich das Ende meiner Mutterkuhhaltung. Das heisst, ich habe nicht mehr gezüchtet, nicht mehr vermehrt, kein Fleisch mehr erzeugt. Der Hauptgrund war aber, daß der Stier immer auf meine alte Kuh Jaffa im Hintergrund losgegangen ist. Die ist 19 Jahre alt geworden, aber er konnte sie einfach nicht leiden.
Zweiter Kandidat war mein Ziegenbock. Wenn man, wie ich Milchziegen hat, dann muss man einen Bock mitlaufen lassen. Der deckt die Ziegen, dann gibt’s Zicklein, dann lässt man die Zicklein ein Weilchen trinken, dann nimmt man die Zicklein weg, wirft sie weg oder vermarktet sie, wenn man einen Markt dafür hat und dann kann man Käse machen. Es bekam mein Bock Athrose und konnte altersbedingt nicht mehr springen, er war dann impotent. Da gab es ein Jahr keine Zicklein. Keine Zicklein, kein Käse! Für mich gut, aber meine Kunden, die ja gewohnt waren, daß ich guten Käse mache, fragen „wo ist Dein Käse?“ Denen das zu erklären, eher schwierig. Dieses Jahr im Frühjahr ist der Bock dann gestorben, er wurde 12 Jahre alt, was für einen Zuchtbock immens alt ist und jetzt stand ich da: was mach ich jetzt? Für mich kam die Frage auf, wie kann ich „Tiere zu nutzen, ohne zu töten“ in die Welt bringen? Es bringt ja nichts, wenn ich da irgendwo im Schwarzwald das alleine mache.
Und dann wurde ich eingeladen, vom jetzigen Verein lebenlassen eV einen Vortrag zu halten. Aus diesem Vortrag heraus ist der Verein entstanden. Da geht es genau darum: wir wollen auf Höfen Tiere halten, ohne sie zu schlachten. Wir lassen sie leben! Ein Pilotprojekt haben wir bereits. Es ist eine Demeter Gärtnerei, Gärtnerei Willmann in Vaihingen/Enz. Dort wird mit den vorhandenen Tieren nicht mehr weiter gezüchtet, die bleiben am leben. Der Bulle wurde kastriert und ist auf einen Gnadenhof gekommen. Und die nutzen nun nur noch den Mist, denn es ist, wie gesagt, Vorschrift bei Demeter Tiere zu halten. Sie brauchen auch den Mist ja auch für ihre Kulturen als Dünger. Und wer jetzt dort seine Radieschen kauft, der kann sagen: die kann ich mit gutem Gewissen essen, denn für dieses Radieschen muss kein Tier sterben.
Und jetzt ging es für mich weiter: „tierleidfrei“ - schön! Aber ich will ja trotzdem Käse machen. Wie mach ich das? Wie kann ich Käse machen, ohne ein Tier zu töten? Es gäbe natürlich die Möglichkeit die ganzen Tiere, die entstehen, am Leben zu lassen. Ist aber eine relativ ineffektive Sache. Eine Kuh gibt vielleicht drei vier Jahre Milch, was man gar nicht weiss, weil es keiner macht. Heute bekommt die Kuh jedes Jahr ein Kalb. Da ist dringend Forschung angesagt. Ich könnte diese Kälber einfach kastrieren und am Leben lassen. Das ist möglich, wäre auch gar nicht so teuer. Interessanterweise hat der Bauerverband Schleswig Holstein das mal ausgerechnet und kam dann auf den Preis von 2,90 € für den Liter Milch, für die kein Tier sterben muss und ich habe gesagt: Super, wo kann ich die kaufen? Gibts leider nicht.
Wenn man nochmal auf die Kritik von Tierschützern schaut: Um Milch zu geben, muss eine Kuh jedes Jahr ein Kalb bekommen. Genau wie alle Säugetiere nur Milch geben, wenn sie auch ein Kind haben. Wenn man etwas will, muss man auch mal biologische Grundgesetze ausser Kraft setzen! Es gibt doch den Spruch „jeder hat gesagt, es geht nicht, bis einer kam, der das nicht wusste und der hat es dann einfach gemacht.“ Ich melke seit diesem Jahr meine Ziegen, ohne das die vorher ein Zicklein bekommen haben. Ich fange einfach im Frühjahr, wenn die auf die frische Weide kommen, an zu melken. Dann dauert es eine gewisse Zeit, dann geben die Milch. Und aus dieser Milch mache ich den ersten tierleidfreien Käse. Also heute fast Weltpremiere: weil für diesen Käse kein Tier sterben muss. Alle meine Tiere auf dem Hof bekommen ihr Gnadenbrot.
Es gibt ein nettes Buch von einer Tierrechtlerin, das heisst „Artgerecht ist nur die Freiheit“. Das ist schon richtig. Ich habe hier meine Ziegen im Herbst: wenn die Zäune abgebaut sind, geh ich mit denen spazieren, wie so ein Wanderschäfer, lass die laufen. Manchmal dauert mir das zu lange, dann lass ich die einfach da und geh heim. Die könnten da hinten in die Freiheit, in die Wälder, die könnten abhauen. Machen sie nicht! Die haben keine Grenzen aber im Gegenteil, wenn es anfängt zu regnen, kommen sie von alleine in ihren Stall. Artgerecht ist die Freiheit....
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