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Fachtagung für Schweinehalter und Tierärzte
Heile Schwänze - (wie) geht das? 14./15. März 2016
Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen e. V.
Thüringer Tierseuchenkasse
Thüringer Verband für Leistungsprüfung
„Thürin nger Ferkelerzeuger standen s im m vergange enen Jahr in einem bbesondere en Zwiespalt. E Einerseits mussten m sie sich durrch stringe entere Tierschutzaufl agen mit der d Forderung auseinan ndersetzen, dass de en Ferkeln maximal ein Drittell des Schwanzes kupiert werden durfte.“ d Mit diesen W Worten erö öffnete An ndrè Tellee die Fach htagung Schwänze - (wie) ge eht das?“ a am 14. /15.. März 2016 in Jena bzw. Waltershau„Heile S sen. „N Nachdem diese d Forderungen n nahezu von n jedem Betrieb in Thüringen n Anfang 2 2015 umge esetzt w wurden, folgten in den Somm mermonaten n böse Ü Überraschu ungen: Nicht nur, dasss es wäh hrend de er Aufzuch ht bereits zu z erhöhte en Tieraus sfällen iinfolge vo on Schwan nzbeißen kam, auch h die Ve ermarktung gsfähigkeit der Ferkkel war errheblich h eingeschränkt. Wen nn LKW-we eise Ferke el auf dem m Schlach hthof landen, weil keiiner sie miit den län ngeren Sch hwänzen abnehmen a n will, so is st dies be estimmt ke ein Tierschutz!“ Die S Suche nach h praktika ablen Lösu ungen lief auf Hochttouren, um m diesem m Dilemma a auch aus Tierschu utzgründen n zu entkommen“, beschrieb b der erfa ahrene Be etriebsle eiter, der zugleich z Vorstandsvo V orsitzende er der IGS S Thüringe en e.V. ist, die Situati on. Dabei w wird das Schwanzku S upieren be ereits in de en 1960er Jahren alss geeignette Maßnahme gegen Kannibalism K mus besch hrieben. Seit S den 1970er 1 Ja hren wurd den die Schweineschwän nze routine emäßig ge ekürzt. So o gehört das d Schw wanzkürzen n heute noch zu um Standa ardprogram mm für neu ugeborene e Ferkel in konventionnell geführrten Betrieben, um eine möglichst m unversehrtte Aufzuch ht und Mast abzusichhern. chnen, dasss diese Teilamputat T tion aus G Gründen de es TierLangfristig ist damit zu rec es nicht mehr tolerabel ist. Da as betrifft dann die ge esamte Keette der Sch hweineschutze haltung g von der Ferkelerzeugung g über die Aufzu ucht bis hin zur Mast. D. h. a alle Halter werden w ge efordert se ein, die Urs sachen, die e Schwanzzbeißen auslösen können n, abzustellen. „Vielleiccht war ess eine beso onders gün nstiger Um mstand, in oder aufgrrund diese er Situation Exxperten ken nnen zu le ernen, die sehr tiefgründige Errfahrungenn mit diese er Problematikk besaßen und ganz neue Lösu ungsansätz ze aufzeigten“, führtee Andrè Te elle fort. Letztlicch schlosse en sich 14 betroffene e schweine ehaltende Betriebe m mit 25.000 Sauenund 36 6.000 Masttplätzen zu usammen, suchten fa achlichen Rat bei deen o. g. Ex xperten, der Wiissenschafft und Thüringer Be eratungsorrganisation nen und bbeantragte en beim Thüring ger Ministe erium für In nfrastruktu r und Land dwirtschaftt Fördermitttel, um da as Pilotprojekt „Thüringe er Beratun ngs- und M Manageme entsystem Caudophhagie“ übe er einen Zeitraum von dre ei Jahren bearbeiten b zu können n. Das Ziel ist anspruuchsvoll: es sollen die Gru undlagen und Bespiellösungen n in den beteiligten b Betriebenn geschaffe en werden, langfristig au uf das Sch hwanzkürze en in Thürringen verz zichten zu können. Natürlich N ist es b bis dahin noch n ein weiter w Weg und es be edarf der Zusammen Z narbeit alle er Beteiligten, d den Tierha altern, den Tierärzten n, den Wiss senschaftle ern und Beeratern.
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eitet wird in n mehreren Etappen n. Die Fach htagung diente zualleererst der intensiGearbe ven Scchulung de er Tierhalte er und Tie erärzte der beteiligte en Projektbbetriebe. Darüber D hinaus wurde sie e allen Th hüringer S Schweineha altern und Tierärzteen zugänglich gemacht, um fundiiertes Wis ssen zu de en Ursach henkomple exen für ddas Auftretten von Schwanzbeißen zu z schöpfe en. esuch von n knapp 200 2 Der Be Gästen n zeigte unmissv verständlicch, dass der Be eratungsbe edarf vorrhanden ist, denn a allgemein besteht b no och eine re echt kritissche Einsttellung, o ob die Au ufgabe üb berhaupt zzu schaffe en ist. Um mso mehr sstimmen die d überw wiegend p positiven Eindrücke E von v den Be esuchern optimistisch h.
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Die Re eferentinne en Frau Dr. Astrid vom Bro ocke (Be eratungs- und Koordinierungsstelle Caudoph hagie NR RW; links), Mirjam Le echner (UEG Hohenllohe, rech hts) und Dr. Anja Eisenack (F Fachtierärz ztin, Nidegg gen, mittig) zeigten, dass e es notwen ndig ist, sich s sehr komplex mit m dem Tierverhalte en, der Haltung, H dem Management und d dem Sto offwechse el zu bescchäftigen, um die Urssachen de es Schwanzbeißens zu begrreifen und zu erkennen, wo an ngesetzt werw den kann, um unkkupierte Fe erkeln aufzziehen und d mästen zu z können.
alten und d Haltung g Verha Wer sicch wie Dr. Astrid vo om Brocke e bereits seit s 2011 mit m dem Scchwanzbeiß ßen beschäftig gt, kennt sich aus s. Schwan nzbeißen ist eine Verhaltenssstörung unserer Schweine, die au us einem Grund, G de r bei den Schweinen n ganz unnterschiedliich sein kann, zzum Ausbrruch komm mt. Es kann n die gerad de einwirke ende Luftg eschwindig gkeit im Tierberreich, die intensive Sonnenein S nstrahlung im schon warmen S Stall, Lang geweile, eine be eginnende Erkrankung, das Fu utter usw. sein, was s das Fasss zum Übe erlaufen bringt u und zu dem m gestörte en Verhalte en führt. Es kann zw weistufig duurch fehlge eleitetes Erkund dungsverha alten, plötz zliches und d gewaltsa ames Beiße en infolge des Kamp pfes um Futter/W Wasser/Pla atz oder durch d path hologisches s, zwanghaftes Beiß ßen entste ehen. In jedem Fall kann es zu erhe eblichen V Verletzunge en der Sch hwänze mitt ihren bek kannten Auswirkungen füh hren. Wich htig ist, zu wissen, dass das Schwein geenetisch da azu promiert ist, zu wühlen, zu z kauen u und zu beiißen. Selbst wenn eiine attraktive Futgramm on in einem natürlichen Umfe ld mit Erde e und Gra as zum Wüühlen da is st, zieht terstatio das Scchwein dass Wühlen mit m dem Rü üssel vor und holt sic ch das bereeitstehende e Futter nicht ab, wenn ess seinen Nahrungstr N rieb woand ders erfülle en kann. D Daraus erkllärt sich dann a auch rechtt schlüssig g, warum zusätzliches Raufuttter oder B Baumwolls seile für Schweine so attrraktiv sind. Dennoch:: sie lösen das Problem nicht aallein. Des shalb ist wichtig, zu wissen, welche Risiken de enn im Bettrieb lauern n, die das Auftreten der o.g. Verhalttensstörung beförderrn können. Diesem Ziel Z kommt man mit eeiner tiefgrü ündigen Schwacchstellenanalyse näh her. Allgem mein unterr SchwIP bekannt, läässt sich mit diesem Managemen nttool betrie ebsspezifissch aufzeigen, wo Handlungsb H bedarf besteht: Im Angebo ot von Besschäftigung gsmaterial,, dem Kom mfort, Futte er oder Waasser, Ges sundheit usw. D Diese Analyyse, die vo on einem B Betriebsfre emden gem macht werdden sollte, weil er nicht „b betriebsblin nd“ und zu udem objekktiv ist, die ent dann da azu, dass iim Betrieb ausgehend vvon den eig genen Mög glichkeiten n Veränderrungen festgelegt unnd umgesetzt werden. W Wichtig dabei ist: Klein ne Verbessserungen sind besse er als alless zu lassen n wie es ist! Dass Ergebniss der deuttschlandwe eiten Studie mit 213 3 Betriebenn (2012) und u 188 Betrieb ben (2013) zeigte ga anz deutlic h: Wenn Betriebe B diesen ersteen Schritt wagen, und be etriebsindivviduell 1 – 2 Verände erungen vornahmen, reduziertte sich das s Risiko des Au uftretens von v Schwa anzbeißen signifikant! Dabei is st aber auuch unumw wunden S Seite 3 von 8
hervorzuheben: Die Tierhalter, d.h. die Leute im Stall sind der Schlüssel zum Schloss! Die Effekte der einzelnen Risikoklassen machten sichtbar, womit man sich doch intensiver beschäftigen sollte: Das Futter steht ganz oben, sowohl von der inneren Qualität, d.h. der möglichen Belastung mit Mykotoxinen, dem Gehalt an Rohfaser und Strukturkohlenhydraten oder auch der Mahlfeinheit, die so wesentlich auf die Magen- und Darmgesundheit wirkt. Empfohlen wurde auch, Futterumstellungen immer über 7 Tage einzurichten. Dem Problem der wirklich stressfreien Fütterung ist sicher so ohne weiteres gar nicht bei zu kommen, wenn die Fütterung z.B. mittels Kurztrog erfolgt. Aber auch hier gibt es, je nach Fütterungsanlage die eine oder andere Möglichkeit, den Fütterungsstress zu reduzieren. Gleich danach kommt die Wasserversorgung: Wie sind die Tränken für die Tiere erreichbar? Werden sie möglicherweise auch ständig durch andere Tiere blockiert? Baumwollseile können hier recht leicht Abhilfe schaffen, weil dann der Bereich um die Tränken zum Aktivitätsbereich wird. Außerdem beißen Schweine gern auf der Zahnleiste herum. „Haben sie schon einmal gemessen, wieviel Wasser pro Minute aus der Tränke kommt? Stellen sie sich vor, sie hätten Durst und müssten ihn stillen bei zu niedrigem oder zu hohem Wasserdruck.“ Diese sehr anschauliche Botschaft macht nachdenklich. Für die viel geforderten Beschäftigungsmöglichkeiten gilt, es muss attraktiv sein, d.h. immer mal wieder wechseln. Ketten mit Karabinerhaken, an die dann auch verschiedenen Materialien angeboten werden können, wirken besser als immer das gleiche in der Bucht zu belassen. Ohne zeitlichen Mehraufwand geht das nicht und auch hier ist das Auge des Mitarbeiters unersetzlich. Tritt Schwanzbeißen auf, muss ein Notfallplan existieren (siehe Ausführungen Frau Dr. Eisenack)! Wer im laufenden Betrieb genauer dokumentieren möchte, wann und wo, in welchen Buchten usw. verstärkt Probleme auftreten, kommt um eine Bonitur nicht herum. Dies lässt sich mit einigen Tricks auch gut praktizieren: Ein Papiersack um eine mittig angeordnete Tränkeinsel oder am Buchtenrand gespannte Baumwollseil sind sehr attraktiv und lassen eine Bonitur der Schwänze gut zu! Das Auge sollte natürlich vorher geschult werden, um gut zu differenzieren zu können, was wir da eigentlich sehen. Aber es ist machbar und macht auch deutlich sensibler für unsere Tiere. Grundsätzlich, hob Frau Dr. vom Brocke hervor, gilt immer: „Fragen Sie ihren Beratern oder Tierärzten Löcher in den Bauch, nur so kann es gelingen“.
Was lässt sich am Schwein sehen? Vielleicht kann Mirjam Lechner als Deutschlands Schweineflüsterin bezeichnet werden, was sie sieht und wie sie dies interpretieren kann, nimmt wohl fast jeden mit. Und so geschah es auch in Thüringen: Ihr Leitsatz „Schwanzbeißen ist nur ein Symptom, wir haben ein Stoffwechselproblem“ ist die Folge genauester Tierbeobachtung, die mit Anatomie und Physiologie gewürzt neue Sichtweisen erlaubt. Über die Ohren unserer Schweine nahm sie den Einstieg. Gesehen hat es jeder, der in der Ferkelaufzucht zu tun hat, schon: Die TOP-Ferkel, die eingestallt wurden, bekommen immer „größere“ Ohren, die Ferkel werden lang und struppig und nehmen ab. Der Umstellungsstress mit einer gänzlich neuen Haltungsumwelt, ganz anderen Tränke- und Fütterungssystemen überfordern das eine oder andere Tier. Die Folgen sind einseitiges Ohrenbeißen, von die Expertin als Frustrationsverhalten einordnet. Seite 4 von 8
Darüber hinaus gibt es dann auch hängende Ohren mit intakten Rändern, typischerweise oft verbunden mit gestauten Venen und aufgeschwollenen Nasenrücken, Wangen und Lidrändern, den bekannten Ödemgesichtern. Um die Ursachen dafür im Detail ergründen zu können, folgte ein langer Weg, der mit vielen neuen Erfahrungen und akribischer Fleißarbeit, auch wissenschaftlicher Art, verbunden war. Denn eins wurde im Laufe der Zeit deutlich: veränderte Haltungsbedingungen wie Beckentränken, das Anbringen von Abkotbrettern in der Bucht oder auch die Wasserhygienisierung lösten zwar das Problem der Ohrrandnekrosen. Dennoch: es trat weiter Schwanzbeißen auf, oft konzentriert in der 2. Haltungswoche, das fanden sehr viele Forschergruppen unabhängig voneinander heraus. Manchmal bestand der Eindruck, ohnmächtig zu sein, aber dann kam ein entscheidender Hinweis von ZONDERLAND: Das Verhalten der Tiere ändert sich ca. eine Woche vor dem Beißausbruch: Die Ferkel sind auffällig unruhig, wenn sie aktiv sind, bekommen die beschriebenen geschwollenen Gesichter und es sind mehr sitzende Schweine zu sehen. Der „Backtest“, d.h. die Immobilisierung der Tiere in der Rückenlage machte dann deutlich: Die betroffenen Tiere litten unter einer Entzündung der Klauenlederhaut, beim Rind oder Pferd auch als Klauen- oder Hufrehe bekannt. Beim Schwein bisher eher nicht beachtet! Tatsache ist, dass betroffene Ferkel liegen, weil sie krank sind und Schmerzen haben. Wenn sie laufen müssen, kann der typische Spitzengang beobachtet werden, der die entzündeten Ballen entlasten soll. Als wesentlichsten ursächlichen Faktor benannte Frau Lechner Endotoxine. Diese Abbauprodukte von Bakterien kommen normalerweise immer im Körper vor. Wenn die Tiere jedoch nicht genug saufen können, wenn sie nicht wissen wohin mit der Wärme, wenn das Futter mit Mykotoxinen belastet ist oder die Ferkel auch schon von der Mutter gesundheitlich vorbelastet sind, werden diese Zellwandbestandteile der Bakterien vermehrt im Tier gebildet und verursachen Entzündungen in den Klauen. Und zusätzlich - hier schließt sich der Kreis zum Schwanzbeißen – fangen auch die Schwänze an, sich von innen her zu entzünden, wenn sie ihre ursprüngliche Länge haben oder nur geringfügig gekürzt sind.
Die Futterrehe ist die am weitesten verbreitete Hufrehe und wird durch falsche Fütterung verursacht. Eine kohlenhydratreiche Nahrung fördert das Entstehen von Stoffwechselstörungen. Strukturlose, kohlenhydratreiche Futtermittel (z. B. Getreide) führen zu einer explosionsartigen Vermehrung der Streptokokken (kohlenhydratspaltenden Bakterien) im Dickdarm und zu einer massiven Freisetzung von Milchsäure. Diese verursacht ein Massensterben der rohfaserverdauenden Bakterien, eine Freisetzung von Giftstoffen (Endotoxine) und eine Übersäuerung im gesamten Organismus. Ähnlich können bei der Rehe durch Wasseraufnahme durch Aufnahme größerer Mengen kalten Wassers vermutlich die Darmflora geschädigt und Endotoxine freigesetzt werden. Quelle: Wikipedia
Am Saugferkel ist – verstärkt am 3. Lebenstag – dann auch bereits zu erkennen, ob eine erhebliche Belastung mit krankmachenden Stoffwechselprodukten von der Mutter her erfolgt. Belastete Saugferkel haben bereits Schwanzspitzennekrosen, Karpalgelenksnekrosen, Kronsaumentzündungen, nekrotisierte Zitzen und /oder die bekannten Ödemgesichter. Abhilfe kann mit etwas Geduld erzielt werden: Eine Tränkwasserhygienisierung gepaart mit einem ordentlichen Saufkomfort für Saugferkel, Mykotoxinbindern im Futter und einer ordentlichen Übergangsfütterung versprechen Erfolg, der sich dann auch recht schnell bei den Kleinsten zeigt. Bisher viel zu wenig berücksichtigt wurde, dass diese frühe Endotoxinbelastung, die sich recht schnell von der Symptomatik wieder
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„verwächst“, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Abwehrfähigkeit der Ferkel führt. Zu den zu beobachtenden Tiersignalen, die in unseren Köpfen die ALARM-Leuchte angehen lassen sollten, gehören neben den oben genannten Symptomen Harnsaufen genauso wie das Einstellen des Harnens, weil das Wasser für lebenswichtige „Kühl“prozesse im Tierkörper benötigt wird. Ist so etwas zu beobachten, sollte das Tränkesystem genauer unter die Lupe genommen werden: Werden die Tränken genutzt? Alle diese Kleinigkeiten in der Summe sind in Betracht zu ziehen, damit die Haltung von unkupierten Tieren überhaupt erst möglich wird. Um dies langfristig umsetzen zu können, muss also schon bei den Sauen angefangen werden. Deren Gesundheit und Stoffwechselstabilität in der Laktation beeinflusst in den ersten Lebenstagen das Immmunsystem der Saugferkel. Die sich anschließende Absetzphase ist ein sehr kritischer Wendepunkt. Es ist eine Herausforderung, die Futterumstellung so zu gestalten, dass sich die Aktivität der Verdauungsenzyme, insbesondere von Pepsin und Amylase, erst entwickeln muss, um milchfremde Futterbestandteile verdauen zu können. Geschieht das nicht, führt der ansteigende pH-Wert im Magen und im sich anschließenden Darmtrakt dazu, dass u.a. vorhandene Colibakterien sich rasant vermehren. Ungenügende Wasserversorgung begünstigt dann das Auftreten von Coli-Durchfall und – damit schließt sich auch hier der Kreis - Schwanzbeißen kann auftreten. Wichtige Botschaft von Mirjam Lechner, schon am 3. Lebenstag ist es möglich, die Würfe und damit auch die Sauen in weniger oder stark stoffwechselbelastete einzuordnen. Gelingt es Schritt für Schritt, im Betrieb die Würfe immer stabiler zu machen, ist die Wahrscheinlichkeit, diese unbelasteten Ferkel mit Langschwanz auch gesund, d.h. ohne Schwanzläsionen unter optimierten Haltungsbedingungen über die Aufzucht und Mast zu bringen, viel höher.
Ringelschwänze setzen Gesundheit voraus „Man kann eine Krankheit nicht heilen, indem man das Fieberthermometer versteckt“, mit diesem Zitat nahm Dr. Anja Eisenack den Staffelstab von Mirjam Lechner auf und widmete sich den Stoffwechselabläufen, die an der Entstehung von Schwanzläsionen beteiligt sind. Für die Schweinehalter stellt dabei der Schweineschwanz das Fieberthermometer dar. Dabei wies sie mehrfach darauf hin, das das Phänomen, das so nachhaltig die gesamte Kette der Schweinehaltung bewegt, nicht nur von einem Faktor, dem Verhalten oder der Haltung oder dem Stoffwechsel bedingt wird. Es ist von allem ein bisschen. Lösungsansätze lassen sich jedoch nur nachhaltig umsetzen, wenn alle Teile richtig zueinander passen. Damit ist es notwendig, auch genügend von der Biochemie der Entstehung von Entzündungsreaktionen zu wissen, die letztlich zu den bekannten Gewebereaktionen führen, die wir sehen können. Dazu gehören die Rötung (Rubor), die Überwärmung (Calor), und die Schwellung (Tumor), diese führen beim Tier zum Schmerz und zu einer Funktionseinschränkung. Entzündungen werden ausgelöst durch Endotoxine, den Stoffwechselprodukten der gram-negativen Bakterien (z.B. Coli, Salmonellen, Pasteurellen), die sich z.B. durch eine stärkehaltige, rohfaserarme Fütterung im Darm rasant vermehren können. Flüssigkeitsmangel, hervorgerufen durch eine gestörte Thermoregulation oder schlechte Wasserversorgung befördern das Ganze. Die in großer Menge anfallenden Lipopolysaccharide, so werden die Endotoxine Seite 6 von 8
auch genannt, durchdringen die Darmschleimhaut und kommen so in den Blutkreislauf. Die Leber kann bestimmte Mengen natürlich entgiften, ist ihre Stoffwechselleistung jedoch durch eine rohproteinreiche Nahrung oder durch Mykotoxine sowieso schon belastet, kommt das Organ an Grenzen und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Zusätzlich machen Mykotoxine die Darmwand noch durchlässiger für Endotoxine. Die Blutgefäße schwellen an, Thrombozyten machen das Blut dicker und in den baumartig verzweigten und in den Endgefäßen immer dünner werdenden Adern kommt es zum Verschluss der Kapillaren, auch bekannt unter Mikrozirkulationsstörungen. Es entstehen punktförmige bzw. stecknadelkopfgroße Einblutungen ins Gewebe. Daran schließt sich das Absterben einzelner oder zahlreicher lebenden Zellen an, schlimmstenfalls sterben kleine oder größere Arealen des betroffenen Körperteiles ab. Der Teufelskreis wird noch dadurch verstärkt, dass die an den Entzündungsreaktionen beteiligten Botenstoffe auch auf das Zentralnervensystem wirken und zur verstärkten Ausschüttung von Stresshormonen katabol auf den Stoffwechsel einwirken. Der Appetit geht zurück, Fieber kann auftreten und die Tiere sehen so aus, wie sie sich fühlen: schlecht. Auch hier bewirken verschiedenen Haltungsfaktoren beschleunigend oder entlastend, auch auf das Verhalten der Tiere. Die Wasserversorgung unserer Tiere ist offenbar ein ernsthaft unterschätzter Faktor, und sie wirkt äußerst vielfältig: Durst verändert das Verhalten, es führt zu Überlebensstrategien, die nicht wirklich weiterhelfen, z.B. dem Harnsaufen. Wasser ermöglicht die notwendige Thermoregulation des Gehirns. Ist nicht genügend Wasser vorhanden, wird das im Gewebe und Kreislauf vorhandene zur Kühlung verwendet. Auch die Niere braucht Wasser zum Ausscheidung der entgifteten Produkte! Wird das alles besser berücksichtigt, reduziert eine bessere Darm-Gesundheit die Stoffwechselbelastung der Tiere und die entzündlich bedingten Nekrosen der Schwänze und Ohren nehmen ab. Großer Wert muss auch auf die gesunde Muttersau gelegt werden, weil vorgeschädigte Ferkel ein beeinträchtigtes Immunsystem aufweisen, in deren Folge u.a. auch eingesetzte Antibiotika nicht zu dem gewünschten Impferfolg führen. Im Falle einer Eskalation muss natürlich gehandelt werden. Beim geringsten Hinweis darauf, dass zu wenig Wasser aufgenommen wird – z.B. weil die Ferkel die Tränken nicht kennen oder (anfangs) finden – ist eine zusätzliche Tränkmöglichkeit zu geben. Das kann auch über zusätzliche Rundtränken oder die Flutung von Futtertrögen o.ä. erfolgen. Wichtig ist auch, dass die Tiere insbesondere im Sommer nicht ständig intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Das würde sonst zu einer starken Wärmebelastung führen, welche die Tiere stresst. Hier hilft es, die Fensterscheiben zu kalken oder mit einer Wärmeschutzfolie zu versehen, damit wird die intensive Sonneneinstrahlung vermieden, aber es ist trotzdem hell. Das Ablenken bzw. der Ausgleich der reizarmen Haltung der Tiere gelingt z.B. durch das Bereitstellen von Melasse-Wühlmasse, Minerallecksteinen oder Fasermix, aber auch durch den Einsatz von ausreichend dicken Baumwollseilen, die zum Kauen und Spielen anregen. Das Kauen auf den Seilen scheint direkt beruhigend zu wirken und die Produktion von Speichel wird angeregt, was zusätzlich positive Effekte auf Verdauung und Stoffwechsel hat. Manchmal ist es jedoch auch notwendig, den Beißer aus der Bucht zu nehmen, um wieder Ruhe in die Gruppe zu bekommen. Seite 7 von 8
Für die Behandlung bieten sich die NSAID, d.h die sogenannten nichtsteroidalen Entzündungshemmer an, die zugleich auch schmerzstillend sind, hier ist der Tierarzt der Partner vom Fach. In vielen Fällen lässt sich auch der Einsatz von Antibiotika nicht vermeiden, die aber in jedem Fall mit einer Schmerzmittelgabe verbunden sein sollte.
Resüme Die Fachtagung beschrieb umfassend das Symptom des Schwanzbeißens und seine Ursachen. Zugleich konnte die Fülle der notwendigen Maßnahmen begründet werden: Um langfristig erfolgreich Schweine mit intakten Ringelschwänzen halten zu können, dürfen wir uns nicht auf das Schwanzbeißen focussieren. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Zur Vermeidung des Entzündungs- und Nekrosesyndroms sind vielfältige Veränderungen notwendig: 1. eine stoffwechsel-, darm- und verhaltensgerechte Fütterung 2. eine tiergerechtere und an die Leistung der Tiere angepasste Thermoregulation 3. eine tiergerechtere (Tränktechnik) und qualitativ verbesserte Wasserversorgung und ebenfalls 4. genetische Anpassungen in den Züchtungsstrategien, d.h. Zuchtlinien, die Leistung mit minimalen Nebenwirkungen ermöglichen. Dieser Herausforderung stellen sich die 14 Projektbetriebe, drei weitere Thüringer Unternehmen haben ihr Interesse signalisiert, sich zu beteiligen. Das Pilotprojekt startet mit intensiven Untersuchungen: Nicht nur die Haltungsbedingungen werden genauestens unter die Lupe genommen, auch Futter, Tränkwasser, Tiergesundheit, Stoffwechselindikatoren und Klimachecks gehören zum Repertoire der Ursachen- und Risikoanalyse in den Betrieben. Darauf aufbauend wird jeder Betrieb einen Maßnahmeplan erhalten, der eigenverantwortlich Stück für Stück, zu Beginn möglicherweise auch in kleineren Einheiten, umgesetzt wird. Mit einer Erfolgskontrolle wird verifiziert, ob durch die getroffenen betrieblichen Veränderungen bekannte Ursachen erfolgreich abgestellt werden konnten und die Tiere ein geringeres Betroffenheitspotenzial aufweisen. Erst danach schließen sich gezielte Untersuchungen mit „Langschwänzen“ unter den praktischen Gegebenheiten der Betriebe an. Das Pilotprojekt wird von der Thüringer Aufbaubank über eine Anteilsfinanzierung gefördert, 75 % der Zuwendung stammen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) und zu 25 % aus Mitteln des Freistaates. Antragsteller der operationellen Gruppe der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) ist die Tierproduktion Alkersleben GmbH. Natürlich bleibt ein Eigenanteil, der von den Wirtschaftspartnern eigenständig zu tragen ist. Herausgeber:
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Naumburger Str. 98, 07743 Jena
Autor:
Dr. Simone Müller
Fotos:
S. Müller und K. Kallenbach
März 2016 Copyright: Diese Veröffentlichung ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen und der fotomechanischen Wiedergabe sind dem Herausgeber vorbehalten.
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