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Hell Statt Heiß

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LEIBNIZ | LICHT Hell statt heiß Chemische Reaktionen mit Licht 26 Seinen ersten Aha-Effekt in Sachen Photochemie hatte Marko Hapke als Postdoc in einem Labor der Universität Yale in den USA. Seine Aufgabe war es, in Alkanen (Kohlenwasserstoffen) die C-H-Bindung zu aktivieren. Chemiker bezeichnen C-H-Bindungen gern als „heiligen Gral“, weil sie so stabil sind. „Schwer zu knacken“, wie Marko Hapke sagt. Gemeinhin kommen dafür Katalysatoren zum Einsatz, und zwar bei Temperaturen von mehreren hundert Grad. In Yale nun versuchte es Marko Hapke nicht mit Hitze, sondern mit Licht. Er montierte eine starke Halogenlampe an die Versuchsapparatur, setzte sich eine Spezialbrille auf, bestrahlte das Reaktionsgemisch, analysierte das Ergebnis und war komplett fasziniert: „Photochemie ist ein ganz heißes Forschungsgebiet.“ Die Bedingungen sind milder als bei thermischen Reaktionen. Unter Lichteinfluss verlaufen die Reaktionen häufig sauberer. Und: Licht aktiviert die beteiligten Moleküle spezifischer als Wärme, denn nicht alle Moleküle lassen sich vom Licht beeinflussen. Arzneimittel hergestellt durch Katalyse In der Fachliteratur fristet die Photochemie eher ein Dasein am Rande. Der Klassiker sind thermische Reaktionen. „Die sind auch viel leichter zu verstehen als photochemische Reaktionen“, sagt Marko Hapke. Licht als Arbeitsmittel sei noch immer ein bisschen „magic“. Das reizt ihn. So ging der junge Forscher von Yale nach Rostock ans LeibnizInstitut für Katalyse (LIKAT), das international hoch anerkannt ist und auch die Photokatalyse verfolgt. Dort baute Marko Hapke eine Nachwuchsgruppe auf und begann für seine Habilitation zu arbeiten. Dabei knüpfte er un- ter anderem an Forschungen zu einem Katalysatorkomplex auf Cobalt-Basis an, die am LIKAT Tradition haben. Mit einem Cobaltkatalysator hatten LIKAT-Forscher schon in den 1990er Jahren der Fachwelt die Vorzüge photochemisch gesteuerter Reaktionen aufzeigen können. Eines der Verfahren dient der Herstellung von Pyridinen, die Pharmaka und Pflanzenschutzmitteln ihre chemische Struktur verleihen. Vor allem jedoch erweist sich der im LIKAT verwendete Typus von Cobaltkomplexen noch immer als ergiebiger Forschungsgegenstand, um grundlegende Mechanismen des Katalyseprozesses zu erkunden. Da die erste Generation der neuentwickelten Katalysatorkomplexe recht sensibel ist, bereits bei Temperaturen oberhalb von minus 30 Grad Celsius reagiert und ständig Kühlung braucht, haben Marko Hapke und seine Nachwuchsforscher Fotos: LIKAT (2); nordlicht/LIKAT Farbige Kristalle eines Cobaltkatalysators 2/2015 LEIBNIZ | LICHT sie weiter modifiziert. Ziel war es, sie „luftstabil“ zu machen und auch bei normaler Raumtemperatur damit umgehen zu können. Hungrig nach Elektronen Wichtigster Teil des Katalysators ist das reaktive Zentrum, in diesem Fall Cobalt. Es ist von einem organischen Molekül wie ein Gerüst umgeben, dem sogenannten Liganden, der das reaktive Zentrum stabilisiert. Cobalt zählt zu den Übergangsmetallen, die den Namen ihrer Position im Periodensystem verdanken. Bei ihnen ist nach dem klassischen Atommodell die äußere Umlaufbahn der Elektronen nur unvollständig besetzt. Übergangsmetalle trachten deshalb danach, ihre Elektronenschale zu vervollständigen, idealerweise auf 18 Elektronen. Cobalt weist auf seiner Außenschale neun Elektronen auf und versucht, die Lücken mit Elektronen aus seiner Umgebung zu füllen. Einige spendiert ihm der Ligand ‑ wie viel, das hängt von dessen Struktur ab. Je mehr Elektronen er abtreten kann, desto stabiler verhält sich der Cobaltkomplex. Was dann noch für eine vollständig besetzte Elektronenschale fehlt, holt sich das Cobalt von den Ausgangsstoffen der chemischen Reaktion, der es als Katalysator zugesetzt wird. Genau das macht ja seine Wirkung aus: Der Elek­ tronenklau bei den Ausgangs- Im Labor: ein spezieller Photoreaktor. 2/2015 stoffen erhöht deren Bereitschaft zu reagieren. Und das heißt für sie nichts anderes, als eigene molekulare Bindungen aufzugeben und neue einzugehen. Die Kunst, einen „luftstabilen“ Katalysator zu entwickeln, besteht also darin, sein reaktives Zentrum so zu stabilisieren, dass er gut handhabbar ist und nicht gleich mit der normalen Raumluft reagiert. Und dass er trotzdem ausreichend Hunger verspürt auf die Elektronen der chemischen Reaktionsteilnehmer. Wie das Licht mit seiner physikalischen Doppelnatur – als Welle und als Teilchenstrom – diese ­Prozesse beeinflusst und welche Rolle etwa die Photonen spielen, das ist häufig noch unverstanden und eine der grundlegenden Fragen, der die Photokatalyse nachgeht. Nachfrage aus Wirtschaft und Industrie Das Ergebnis dieser Forschung ist „eine echte Rarität“, wie Marko Hapke sagt. Der luftstabile Cobaltkomplex beispielsweise weckt das Interesse von Kooperationspartnern in Wissenschaft und Industrie für photochemische Verfahren. Er lässt sich etwa für die Synthese von Naturstoffen verwenden, das sind zum Beispiel Stoffwechselverbindungen von Pflanzen mit antibiotischer Wirkung. Diese Synthese kann über die photokatalytische Herstellung von Pyridinen gelingen. Die ringförmige Pyridin-Struktur bietet dabei idealen Platz für funktionale Molekülgruppen, die für die spezifischen Eigenschaften des Stoffes sorgen. Naturstoffsynthesen sind ein weites Feld mit Zukunft, erklärt Marko Hapke. Für ihn ist die Nutzung von Licht als Arbeitsmittel ein Königsweg der modernen Chemie. Spitzenforschung wird kaum mehr daran vorbeikommen. Hapke nennt ein weiteres Beispiel aus dem LIKAT: die photokatalytische Spaltung von Wasser als Grundlage für zukunftsträchtige Wasserstoffantriebe. Wie Sonnenlicht Wasser mittels Katalysator in seine Elemente spaltet, ist schon gut verstanden. Eines der größten Probleme besteht darin, den so erzeugten Wasserstoff als Treibstoff zu speichern und den Antrieben zur Verfügung zu stellen. In ihrem Projekt „Light2Hydrogen“ entwickelten LIKAT-Chemiker ein photokatalytisches Verfahren, das Brennstoffzellen kontinuierlich mit Wasserstoff versorgen kann, indem es Ameisensäure photokatalytisch in Wasserstoff und CO2 umsetzt – bei normalen Temperaturen. Marko Hapke erläutert die Vorteile von Cobaltkomplexen. Chancen für neue LED‘s Seit seiner Zeit in Yale beobachtet Marko Hapke, wie die Photochemie an Attraktivität gewinnt. Auch ihn wird sie noch weiter beschäftigen. Als nächstes – nach seiner Habilitation an der Universität Rostock in diesem Sommer – forscht er zu Fragen einer effizienteren Ausrüstung für die photochemische Katalyse, zum Beispiel Lichtquellen. Mit sogenannten OLED‘s, Organischen Leuchtdioden, gibt es inzwischen Lampen mit definierter Wellenlänge, die exakt im Absorptionsspektrum der beteiligten Substanzen strahlen und damit chemische Reaktionen ganz spezifisch steuern können. Kein Vergleich mit der Halogen-Lampe in Yale. Vor allem: Hier geht es um eine Chemie, mit der keine thermische Reaktion mehr mithalten kann. r eg i n e r ac h ow 27