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IKB-Kapitalmarkt-News – Wahlen in Spanien: Konjunkturausblick erleichtert Koalitionsbildung 21. Dezember 2015 Dr. Klaus Bauknecht
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Die gestrige Parlamentswahl in Spanien hat das seit mehr als drei Jahrzehnten bestehende Zweiparteiensystem beendet, das aus der konservativen Volkspartei (PP) und den Sozialisten (PSOE) bestand. Neben den beiden etablierten Parteien ziehen nun erstmals „Podemos“ und „Ciudadanos“ ins Parlament ein. Die Wahl der beiden neuen Parteien bei gleichzeitiger Abstrafung der beiden etablierten Parteien ist angesichts von deren Korruptionsskandalen wenig überraschend. Zudem dürfte die herrschende Kritik an den Reformen und der aktuellen Sparpolitik der regierenden PP viele Stimmen gekostet haben. Im neuen Vier-Parteien-Parlament herrschen keine klaren Verhältnisse. Zwar ist die regierende PP des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy mit 122 Abgeordnetensitzen wieder stärkste Partei, die Konservativen mussten jedoch erhebliche Stimmenverluste hinnehmen (bisher 186 Sitze). Die Sozialisten sind mit 91 Sitzen die zweitstärkste Partei und haben ebenfalls deutlich weniger Stimmen erhalten. Die Linkspartei Podemos kommt auf beachtliche 69 Mandate, wohingegen die konservativ-liberale Ciudadanos mit 40 Sitzen hinter den Erwartungen blieb und die kleinste Fraktion stellt. Für die nötige Mehrheit im Parlament von 176 Sitzen wird zukünftig ein Regierungsbündnis nötig sein. Koalitionsverhandlungen sollten sich allerdings als schwierig erweisen, da weder Linke noch Konservative über eine Mehrheit verfügen und das Regieren in einer Koalition für die Parteien in Spanien bisher unbekannt war. Somit hat sich die politische Unsicherheit in Spanien erhöht, auch wenn eine linkspopulistische Partei – anders als in Griechenland – keine mehrheitliche Unterstützung bekommen hat. Dies war allerdings bereits im Vorfeld der Wahlen erwartet worden. Auf den ersten Blick sind die Kennzahlen der spanischen Wirtschaft gut: vor allem das BIP konnte 2015 deutlich zulegen. Auch wenn das vierte Quartal nicht ganz an das dynamische Wachstum der Vorquartale anknüpfen sollte, wird dennoch ein BIPWachstum von rund 3 % für das Gesamtjahr erreicht werden. Im Vergleich zu 2014 (BIP-Wachstum von 1,4 %) hat sich das Wachstumstempo somit verdoppelt. Auch im kommenden Jahr sollte sich die konjunkturelle Erholung fortsetzen. Zwar wird die Wirtschaft die hohen Zuwachsraten von 2015 eher nicht wiederholen können, mit prognostizierten 2,7 % wird das Jahr 2016 aber immer noch eine sehr überzeugende Performance aufweisen.
Abb. 1: Spanien: reales BIP-Wachstum und Prognose, in % zum Vorquartal 1,2
Prognose 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 -0,2
-0,4 -0,6 Q1 2013
Q3 2013
Q1 2014
Q3 2014
Q1 2015
Q3 2015
Q1 2016
Q3 2016
Quellen: Eurostat; IKB
Beobachter argumentieren, dass diese Wachstumsraten das Resultat umgesetzter Reformen seien. Demnach haben die Arbeitsmarktreformen dazu geführt, dass die Flexibilität des Arbeitsmarktes zunimmt. Zudem konnte die im Vergleich zu den anderen großen europäischen Ländern bis 2009 überdurchschnittlich gestiegene Lohnkostenentwicklung umgekehrt werden. Dadurch erhöhte sich die Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Wirtschaft deutlich.
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Abb. 2: Spanien: Leistungsbilanz und Lohnstückkosten 10
104 103
5
102 101
0
100 99
-5
98 97
-10
96 95
-15
94 93
-20 2008
92 2009
2010
2011
Leistungsbilanz, in Mrd. €
2012
2013
2014
2015
Lohnstückkosten, 2010 = 100 (rechte Skala)
Quellen: Eurostat; OECD; IKB
Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik führte aber im Umkehrschluss zu großen Belastungen für die Bevölkerung. Vor allem ist problematisch, dass die ergriffenen Strukturmaßnahmen erst langsam greifen und es Zeit braucht, bis die positiven Effekte bei den Menschen ankommen. Die negativen Effekte sind hingegen oftmals sofort spürbar. Ein Blick auf die Arbeitslosenquote verdeutlicht das: Trotz guter BIP-Zahlen verharrt sie auf einem hohen Level und sinkt nur langsam. Besonders prekär ist die Lage bei den unter 25-Jährigen, von denen fast jeder Zweite arbeitslos ist. Allerdings ist der Rückgang auch bei der Jugendarbeitslosigkeit (Abb. 3) ersichtlich und sollte mit den Wachstumserwartungen anhalten. Die sinkende Zinslast des Staates reduziert zudem die für eine stabile Schuldenquote notwendige Primärbilanz, was den Druck auf die Regierung reduziert, weitere Konsolidierungsmaßnahmen umzusetzen. Spanien ist allerdings in den letzten Jahren eher hinter den angestrebten Fiskalzielen geblieben. Doch der durch das Wachstum und sinkende Zinsen reduzierte Konsolidierungsdruck könnte eine Koalitionsregierung der PP mit den Sozialisten oder sogar Podemos erleichtern. Deshalb sollte eine weniger ambitionierte Sparpolitik nicht von vornherein ausgeschlossen werden, vor allem weil die Schuldentragfähigkeit doch eher gesichert ist, wenn auch auf einem hohen Niveau, und die politische Stabilität Spaniens dadurch sichergestellt werden könnte.
Abb. 3: Arbeitslosenquoten in Spanien, in % 60 55
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 2008
2009
2010
2011 Insgesamt
Quellen: Eurostat; IKB
2012
2013 Unter 25 Jahre
2014
2015
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Fazit: In Spanien hat sich die politische Landschaft deutlich verändert. Seit gestern sitzen erstmals vier Parteien im Parlament, allerdings ohne klare Mehrheitsverhältnisse. Die konservative PP des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist wieder stärkste Partei, musste jedoch herbe Verluste hinnehmen und ist für die Regierungsbildung auf einen Partner angewiesen. Eine Koalition wird sicher nur mit finanz- und wirtschaftspolitischen Kompromissen zu erreichen sein. Doch dank der EZB-Politik sowie dem sich festigenden spanischen Wirtschaftswachstum scheint die Schuldentragfähigkeit mehr und mehr gesichert – auch wenn die Schuldenquote Spaniens relativ hoch ist. So würde eine handlungsfähige Koalition, die den Fuß etwas von der Bremse nimmt, voraussichtlich keine unverantwortliche Fiskalpolitik verfolgen. Im Gegenteil, stabile politische Verhältnisse in der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone wären ganz im Sinne Europas.
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