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STRAUSS »Don Juan«
BERLIOZ
»Les Troyens«, V. Akt
STRAUSS »Ein Heldenleben«
GERGIEV, Dirigent MATOCHKINA, Sopran KRAPIVINA, Mezzosopran SEMISHKUR, Tenor AKHMEDOV, Tenor VOROBIEV, Bass PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN Mittwoch 14_09_2016 20 Uhr Donnerstag 15_09_2016 20 Uhr Samstag 17_09_2016 19 Uhr
Die ersten Veröffentlichungen unseres neuen MPHIL Labels Valery Gergiev dirigiert Bruckner 4 & Mahler 2 zusammen mit den Münchner Philharmonikern
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RICHARD STRAUSS »Don Juan« Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester op. 20
HECTOR BERLIOZ »Les Troyens« Grand Opéra en cinq actes Konzertante Aufführung des V. Akts
RICHARD STRAUSS »Ein Heldenleben« Tondichtung für großes Orchester op. 40
VALERY GERGIEV, Dirigent YULIA MATOCHKINA, Mezzosopran YEKATERINA KRAPIVINA, Mezzosopran SERGEJ SEMISHKUR, Tenor EVGENY AKHMEDOV, Tenor YURI VOROBIEV, Bass PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN Einstudierung: Andreas Herrmann BIRGIT ROLLA, Mezzosopran | ANDREW LEPRI-MEYER, Tenor MICHAEL MANTAJ, Bass | WERNER ROLLENMÜLLER, Bass | WOLFGANG KLOSE, Bass
Das Konzert am 14. September 2016 wird von Mezzo aufgezeichnet und live auf dem Kanal Mezzo Live HD gesendet.
119. Spielzeit seit der Gründung 1893 VALERY GERGIEV, Chefdirigent PAUL MÜLLER, Intendant
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Anarchismus in Tönen STEPHAN KOHLER
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
RICHARD STRAUSS (1864–1949) »Don Juan« Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester op. 20
Geboren am 11. Juni 1864 in München; gestorben am 8. September 1949 in GarmischPartenkirchen.
ENTSTEHUNG Das in Deutschland vor allem durch Mozarts »Don Giovanni« und Molières »Dom Juan« verbreitete »Don Juan«-Thema beschäftigte den jungen Richard Strauss während seiner Münchner und Weimarer Kapellmeister-Zeit vor allem im Hinblick auf eine opernhafte Behandlung des Stoffes. Während er für seine zuletzt nicht realisierte »Don Juan«-Oper zahlreiche literarische Vorbilder bemühte, beschränkte er sich bei seiner gleichnamigen einsätzigen »Tondichtung«, die den Opernversuchen vorausging, auf Nikolaus Lenau (eigentlich Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau, 1802–1850) und dessen 1843/44 entstandene »Dramatische Szenen«. Inspiriert von Lenaus »Don Juan« brachte der Komponist im Mai 1888 im Klosterhof der Kathedrale San Antonio zu Padua (»Il Santo«) die ersten Skizzen zu Papier, die er
Richard Strauss: »Don Juan«
3 nach Beendigung seines Italien-Aufenthalts in München zielstrebig zu einer »symphonischen Dichtung« ausarbeitete. Bereits am 30. September 1888 war in München die Partiturreinschrift vollendet.
WIDMUNG »Meinem lieben Freunde Ludwig Thuille«: Der Komponist Ludwig Thuille (1861 Bozen – 1907 München) gehörte in jungen Jahren zum engsten Freundeskreis um Richard Strauss und wirkte später als Kompositionslehrer an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München.
URAUFFÜHRUNG Am 11. November 1889 in Weimar im 2. Abonnementskonzert der Weimarer Hofkapelle im Großherzoglichen Hoftheater (Großherzogliche Hofkapelle unter Leitung von Richard Strauss).
VOM FREIHEITSANSPRUCH DES ROMANTISCHEN GENIES An Richard Strauss schieden sich schon immer die Geister. Im Gefolge der »Frankfurter Schule« um Theodor W. Adorno warf man dem Komponisten des »Rosenkavalier« publikumswirksame Effekthascherei, oberflächliches Virtuosentum und auf den puren finanziellen Erfolg schielende Geschäftstüchtigkeit vor. Aber auch heute gibt es nicht wenige Musiker – wie etwa die Dirigenten Michael Gielen oder Nikolaus Harnoncourt – , die den Werken von Richard Strauss »mangelndes Ethos« vorwerfen oder sie als »Musik ohne Moral« brandmarken. Etwas boulevardesker drückte sich Christoph von Dohnányi aus, als er vor einigen Jahren das Bonmot zum Besten gab, Strauss’ Musik erinnere ihn manchmal an »Vergnügungsstätten« wie das Bordell: Solange man drin sei, amüsiere man sich prächtig. Komme man heraus, schäme man sich der zuvor genossenen Freuden abgrundtief... Vieles spricht dafür, dass – wie schon bei Adorno – das Unbehagen an der Musik von Richard Strauss zurückgeht auf ein ganz anderes Unbehagen: nämlich das an Vita und Person des Komponisten. Hier wiederum spielt Strauss’ vor allem in späteren Jahren gegen alles »Moderne« zu Felde ziehende und politisch nicht unbedingt republikanische Gesinnung eine entscheidende Rolle. Richtig ist, dass für den Komponisten der Tondichtung »Don Juan« das von revolutionsgeschulten Künstlern wie Berlioz ererbte egomanische Selbstverständnis und die unbedingte künstlerische Freiheit stets mehr zählten als die Einhaltung demokratischer Pflichten. Die Lektüre anarchistischer Philosophen wie Max Stirner oder John Henry Mackay, dazu Strauss’ früh einsetzende Nietzsche-Begeisterung,
Richard Strauss: »Don Juan«
4 schienen nicht so sehr politischem oder philosophischem Informationsbedürfnis entsprungen, sondern blieben stets rückgekoppelt an den absolut gesetzten Freiheitsanspruch des romantischen Genies.
VON WAGNER ZU BERLIOZ, VON SCHOPENHAUER ZU NIETZSCHE Der Zeitabschnitt, in dem Strauss die philosophischen Prämissen seiner späteren Lebensführung und künstlerischen Ideologie am intensivsten refl ektierte, ja nachgerade erst aufzuspüren begann, ist ziemlich deckungsgleich mit dem halben Dezennium, das er Anfang der 1890er Jahre als Großherzoglich-Weimarischer Hofkapellmeister in der Stadt Goethes verbrachte, gleichzeitig langjähriges Wirkungszentrum seines großen Vorbilds Franz Liszt. In Weimar entwickelte sich Strauss vom bedingungslosen Anhänger der Wagner- Schule zum solipsistischen Querdenker, vom Verfasser »symphonischer Dichtungen« im Gefolge Berlioz’ und Liszts zum Opernkomponisten und nicht zuletzt vom Schopenhauer-Leser, wie er es in einem Brief an Cosima Wagner selbstironisch formulierte, zum »NietzscheBruder«. Ein unübersehbarer thematischer Leitfaden durch die Weimarer Jahre ist dabei die Beschäftigung mit dem »Don Juan«-Thema, das beinahe den Stoff zu Strauss’ erster Oper geliefert hätte, wäre es nicht im Widerstreit der philosophischen Systeme, die der junge Komponist damals hin- und herwälzte, dem Nietzsche-Ansatz seines selbstverfassten ersten Operntextes »Guntram« zuletzt dann doch noch unterlegen. Im Winterhalbjahr 1892/93 hatte Strauss auf seiner großangelegten Griechenland-, Ägypten- und Süditalien-Reise Nietzsches
Werke erstmals genau gelesen, obwohl ihn Freunde und Familie »vor allen möglichen Dämonen und Einfl üssen: Stirner, Nietzsche und so manche ungenannte« schon frühzeitig gewarnt hatten. In der späten Abhandlung »Aus meinen Jugend- und Lehrjahren« aber gibt der 70-jährige unumwunden zu: »Als ich in Ägypten mit Nietzsches Werken bekannt geworden, dessen Polemik gegen die christliche Religion mir besonders aus dem Herzen gesprochen war, wurde ich in meiner seit dem fünfzehnten Jahre unbewussten Antipathie gegen diese Religion, die den Gläubigen von der eigenen Verantwortung für sein Tun und Lassen (durch die Beichte) befreit, bestärkt und begründet !« Eltern und Familie hatten mit ihren Befürchtungen also doch nicht so Unrecht gehabt, zumal der Biograph und wichtigste Exeget Max Stirners (1806–1856), der schottische Dichter und »Anarchist« John Henry Mackay (1864–1933), seit kurzem zum Freundeskreis des Komponisten gehörte.
DON JUAN ALS ATHEIST, ANARCHIST UND »ABSOLUTER EGOIST« Strauss hatte den gleichaltrigen Schriftsteller im März 1892 kennen gelernt; Mackays im Vorjahr erschienener, politisch provozierender Roman »Die Anarchisten« erregte damals großes Aufsehen. In einem Brief an den Vater wird berichtet, er habe »die reizende Bekanntschaft eines schottischen Dichters John Mackay gemacht, großer Anarchist und Biograph des Berliner Philosophen Max Stirner, des bedeutendsten Antagonisten Schopenhauers und des Christentums, des Vertreters des absoluten Egoismus, des Verfassers von >Der Einzige und sein Eigentum< !« Offenbar hatte Mackay dem Komponisten die Lektü-
Richard Strauss: »Don Juan«
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Leopold Graf von Kalckreuth: Richard Strauss (um 1890)
Richard Strauss: »Don Juan«
6 re von Stirners Hauptwerk von 1845 empfohlen; ob Strauss sie konsequent zu Ende führte, ist nicht bekannt. Immerhin beschäftigte ihn Stirners Idee vom eigenen Ich als der einzigen Realität des menschlichen Lebens über einen längeren Zeitraum und regte ihn zu Entwürfen zu einer »Don Juan«-Oper an, die weitgehend unbekannt blieben:
»DON JUAN I« 1. Akt: Don J. in den Gluten der Sinnlichkeit, Vertreter des absoluten Egoismus, des unbeherrschten Ichtums (Stirner ?), schönen Frauen nachjagend, wird er von einer 16 Jahre älteren Frau (X.), die von rasender Leidenschaft zu ihm erfaßt ist, unwillkürlich angezogen; ihr näher kommend, weicht er von unbezwinglicher Scheu ergriffen, von ihr zurück und eilt anderen Weibern nach; unter anderem auch einem schönen, aber ganz verworfenen Geschöpf (Y.), das ebenfalls in frühester Jugend verführt, nur in Sinnlichkeit wühlend, die wahre Liebe nicht an sich erfahren hat. Diese Liebe erwacht allmählich in ihr durch die Leidenschaft für Don Juan. Schluß des I. Aktes, daß X. (vielleicht durch einen in philosophischer Lebensanschauung absoluten Antagonisten (A.) des Don J.’schen Ichtums, einen »Pessimisten« (Schopenhauer, Christus)) erfährt, daß Don Juan ihr Sohn ist. Die Leidenschaft für Don Juan ist jedoch in ihr bereits zu so grauenhaftem Wahnsinn gesteigert, daß sie nichtsdestoweniger nach der Vereinigung mit ihm strebt. 2. Akt: Don Juan unterliegt der Verführung seiner Mutter und vereinigt sich mit ihr. Nachher gesteht sie im Taumel der Liebesglut, gleichsam um diese ideell bis zum höchsten Wahnsinn zu steigern, ihm, daß
sie seine Mutter ist. Er, sein eigen Spiegelbild in dieser grauenhaften Verzerrung erblickend (nachdem er seine Mutter erwürgt hat), zur Erkenntnis der furchtbaren Schuld der Individuation gekommen, will in furchtbarstem Schrecken über sich sich selbst den Tod geben, erkennt aber (vielleicht durch die dazwischentretende Y. (?)) den Tod nicht als die Strafe, die er ersehnt, sondern als Erlösung und beschließt, leben zu bleiben, um der furchtbaren Buße willen, die er sich auferlegt: nie mehr ein Weib zu berühren; der Buße fortwährender Entsagung, wo sein ungebändigter Naturtrieb nach Befriedigung drängt. 3. Akt: Der büßende Don Juan, im schaudervollsten Kampf mit seinen furchtbarsten Trieben (erkennt in der Aufopferung der Y. die wahre Liebe), wird von den ihn wegen der Ermordung seiner Mutter verfolgenden Schergen (dabei vielleicht A., der Don Juan’s Mutter unerwidert geliebt hat, u. ihren Tod rächen will) erschlagen. Er fleht um sein Leben, denn er will leben, um zu büßen, und empfindet den ihn von seinen Qualen erlösenden Tod als schrecklichste Strafe.
GEFÄHRLICHE NÄHE ZU DA PONTE UND MOZART Im selben Monat, in dem dieses Szenarium entstand, notierte sich der Komponist aus Stirners »Der Einzige und sein Eigentum« die folgende Passage: »Wenn Ich dich hege und pfl ege, weil Ich dich lieb habe, weil Mein Herz an dir Nahrung, Meine Bedürfnisbefriedigung fi ndet, so geschieht es nicht um eines höheren Wesens willen, dessen geheiligter Leib du bist, nicht darum, weil Ich ein Gespenst, d. h. einen erscheinenden Geist in dir erblicke, sondern aus egoistischer Lust: du selbst mit deinem
Richard Strauss: »Don Juan«
7 Wesen bist Mir werth, denn dein Wesen ist kein höheres, ist nicht höher und allgemeiner als du, ist einzig wie du selber, weil du es bist.« Und als ob sich Strauss an dieser Stelle des Nikolaus Lenau-Bezugs seiner Tondichtung »Don Juan« von 1888 erinnerte, fügte er kommentierend hinzu: »Dagegen Lenau: >Die Einzle kränkend, schwärm’ ich für die Gattung... < « Zwischen Lenau und Stirner unsicher hinund herpendelnd werden Lesefrüchte wie diese von einem zweiten »Don Juan«Szenarium gefolgt, das das Inzest-Motiv des ersten Entwurfs zwar beibehält, nun aber vom Beischlaf mit der Mutter (ÖdipusMotiv) auf Unzucht mit der eigenen Tochter überträgt. Mit der 2-Aktigkeit rückt hier Strauss dem dramaturgischen Modell von Mozarts »Don Giovanni« sehr viel näher als im ersten Szenarium. Neu hinzu kommt die stoffgeschichtlich bedeutsame KirchhofSzene – eine weiteres Moment der Annäherung an Mozart und da Ponte, das sich aber zuletzt als deutliche Hemmschwelle für die geplante Umsetzung in Musik erwies: Zu Mozarts berühmter Komthur-Szene wollte Strauss dann doch nicht in Konkurrenz treten.
»DON JUAN II« Er liebt nicht seine Mutter, sondern seine Tochter (16 Jahre alt, in vollster Unschuld) 1. Akt: Maskenball, Don Juan erhält von einer Maske eine Rose, den letzten Gruß einer an gebrochenem Herzen gestorbenen Geliebten. Er lernt seine Tochter (Maria) hier kennen, von deren Reizen bestrickt er ihr verführend naht; ihr aber näher kommend, weicht er, von unbezwingbarer Scheu ergriffen, von ihr zurück und eilt anderen Weibern nach, darunter Y., einem ganz verworfenen
Geschöpf. Seine Tochter wird von Elvira, Don Juan’s verlassener Geliebten, gewarnt, die dazwischen kommt (Don Juan außer sich, hat denn die Hölle sich wider mich verschworen, mir alle alten Lieben auf den Hals zu hetzen). Er vertauscht seine Maske mit Leporello, und hängt ihm Elvira auf. 2. Akt: Kirchhof mit der Statue des Comthurs und dem Grab von Mariens Mutter. Liebesscene mit Donna Anna (nach Puschkin), nachdem Don Juan dem Leporello die Erwiderung des Comthurs erzählt hat und die Verführung der Anna in ihrem Schlafzimmer als Oktavio. Nachher Frevel an der Statue des Comthur, die er höhnt, daß sie das ruhig geschehen habe lassen, und lädt den Comthur zum Abendessen ein. Leporello und er glauben zu sehen, daß die Statue mit dem Kopf nickt. Don Juan aber beruhigt sich, daß im Licht des Mondes seinem aufgeregten Blut ihm dies nur vorgespiegelt hat; als beide den Kirchhof verlassen wollen, naht Maria, die sich verspätet hat, um das Grab ihrer Mutter zum ersten Mal zu sehen. Hier Scene mit Ermordung der Maria, nachdem er sie als seine Tochter erkannt hat. Zum Schluß des 2. Aktes vielleicht Y.
BLEIBENDE PRÄGUNG DURCH NIKOLAUS LENAU Für seine »Don-Juan«-Experimente wurde Strauss von vielen Freunden mit Textlieferungen und Anregungen versorgt. So schickte ihm Marie Ritter, die Nichte seines väterlichen Freundes Alexander Ritter, Ausgaben von Molières »Dom Juan« und Puschkins »Steinernem Gast«. Mit Puschkin allerdings war Strauss, wie die Erwähnung des russischen Dichters im zweiten Entwurf beweist, seit längerem bereits vertraut. Dennoch: Alle Versuche, die »Don
Richard Strauss: »Don Juan«
8 Juan«-Oper unter Zuhilfenahme von literarischen Ideen Nietzsches, Stirners oder Puschkins zu verwirklichen, scheiterten. Letztlich siegte die Tondichtung über die nachfolgenden Opernentwürfe und legitimierte die Wahl ihres literarischen Vorbilds, der »Dramatischen Szenen« Nikolaus Lenaus, noch nachträglich. Wie diese Wahl zustande kam, liegt nichtsdestoweniger im Halbdunkel: wir wissen wenig, was Strauss zur Lenau-Lektüre in dieser frühen Zeit veranlasst haben könnte. Paul Heyses Drama »Don Juans Ende«, das Strauss mit seinem »Mentor« Hans von Bülow in Frankfurt gesehen hatte, mag die Beschäftigung mit dem »Don Juan«- Thema ausgelöst, ohne sie aber nachhaltig beeinflusst zu haben. Immerhin vergingen nach dem Frankfurter Theaterbesuch drei Jahre, bis der Komponist im Mai 1888 im Klosterhof der Kathedrale San Antonio zu Padua (»Il Santo«) die ersten Skizzen zu Papier brachte, die er nach Beendigung seines Urlaubsaufenthalts zielstrebig zu einer »symphonischen Dichtung« ausarbeitete. Bereits am 30. September 1888 hatte Strauss die Partiturreinschrift vollendet, der er – gleichsam als Motto – einige beziehungsvoll ausgewählte Verse aus Lenaus »Don Juan«-Dichtung voranstellte.
»SPIEL DER INTELLIGENZ GEGEN DAS GEFÜHL« Auch Cosima Wagner diskutierte in einem Brief an Richard Strauss die Herkunft des »Don Juan«-Themas bei ihrem Schützling, fragte sich nach der Motivation seiner Stoffwahl und fand für sich die folgende Antwort: »Mir ist es in Ihrem >Don Juan< erschienen, als ob mehr das Gebaren Ihrer Personen Sie eingenommen hätte, als wie
dass die Personen selbst zu Ihnen gesprochen hätten. Das nenne ich eben das Spiel der Intelligenz gegen das Gefühl. Es ist sehr schwer, über solche Dinge sich zu äußern, und mir selbst erscheint alles, was ich Ihnen da sage, als recht thörig, weil ungenügend. Vielleicht hilft mir ein Gleichnis; ich denke mir, dass die Gestalt dem Künstler entsteht wie dem Pygmalion das Bildnis, und dass aus der leidenschaftlichen Teilnahme an diesem Bildnis mit dem Segen der Schönheit die Bewegung wird. Schon die Wahl Ihres Stoffes zeigt das Vorwiegen der Intelligenz. Mit dem Lenau’ schen >Don Juan<, der aus Überdruß der Langeweile sich ergibt, haben Sie gewiß nicht empfunden; aber der Vorwurf hat Sie interessiert, und es ist Ihnen eine Menge dabei eingefallen, welche Sie mit erstaunlicher Sicherheit geordnet haben.« Cosima Wagner hat hier hellsichtig analysiert, was sich im Denken und Fühlen des jungen Komponisten damals abspielte: Während der Arbeit an »Don Juan« wurde es Strauss zunehmend bewusst, in welche Richtung er die Musik und ihre Inhalte weiterentwickeln wollte. An Hans von Bülow schrieb er im August, einen Monat vor Vollendung der »Don Juan«-Partitur: »Eine Anknüpfung an den Beethoven der >Coriolan<-, >Egmont<-, >Leonore III<-Ouvertüre, der >Les Adieux<, überhaupt an den letzten Beethoven, dessen gesamte Schöpfungen nach meiner Ansicht ohne einen poetischen Vorwurf wohl unmöglich entstanden wären, scheint mir das Einzige, worin eine Zeit lang eine selbständige Fortentwicklung unserer Instrumentalmusik noch möglich ist: Will man ein in Stimmung und konsequentem Aufbau einheitliches Kunstwerk schaffen, und soll dasselbe auf den Zuhörer plastisch einwirken, so muß das, was
Richard Strauss: »Don Juan«
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Dirigierposen des jungen Richard Strauss (um 1890)
Richard Strauss: »Don Juan«
10 der Autor sagen wollte, auch plastisch vor seinem geistigen Auge geschwebt haben. Dies ist nur möglich infolge der Befruchtung durch eine poetische Idee, mag dieselbe nun als Programm dem Werke beigefügt werden oder nicht.«
IMAGINÄRES THEATER MIT MITTELN DER MUSIK Außer den der Partitur »beigefügten« Lenau-Versen erhielt »Don Juan« kein weiteres, die Musik determinierendes »Programm«; nichtsdestoweniger ist den minutiös ausgearbeiteten Skizzenbüchern zu entnehmen, dass Strauss bei der Komposition einem verbal formulierten Formverlauf folgte, dem unübersehbar Züge eines dramatisch zugespitzten Librettos eignen: »Wonne-Thema auf Cis-Dur-Cantilene, die mit dem Eintritt der Erschöpfung von dem 1. Don Juan-Thema unterbrochen wird in den Bratschen, anfangs diese durchklingt. Mit einem Ruck fährt er auf: mit einem kühnen Sprung des 1. Themas auf die C-Dominante; von da in einem leichtfertigen Thema weiter, von dem es in immer tolleres Treiben geht. Lustiges Gejauchze, unterbrochen von Schmerzensund Wonneseufzern. Durchführung. Nach Fortissimo höchster Steigerung: plötzliche Ernüchterung. Englisch Horn öde; die Liebes- und Freuden-Themen klingen planlos durcheinander, unterbrochen von neuen Sehnsuchts- und Wonneschauern. Endlich schließt sich ein neues Liebesmotiv sehr schwärmerisch und zart an...«
in den Jahren vor »Guntram« und »Feuersnot« nur die Bühne der eigenen Phantasie sein konnte. Von den erzielten Fortschritten gegenüber früheren Werken wie »Aus Italien« oder »Macbeth« schien der Komponist selbst am meisten überrascht. So heißt es in einem Brief an seinen Vater, geschrieben unmittelbar im Anschluss an die erste Orchesterprobe des »Don Juan« zur Weimarer Uraufführung vom 11. November 1889: »Alles klingt famos und kommt prächtig heraus, wenn es auch scheußlich schwer ist. Die armen Hornisten und Trompeter taten mir wirklich leid. Die bliesen sich ganz blau, so anstrengend ist die Geschichte. Der Klang war wundervoll, von einer riesigen Glut und Üppigkeit, das Ganze wird hier einen Mordseffekt machen. Besonders schön klang die Oboenstelle in G-Dur mit den vierfach geteilten Kontrabässen, die geteilten Celli und Bratschen, alles mit Sordinen, auch die Hörner alle mit Sordinen, das klingt ganz magisch, ebenso die Katerstelle mit dem HarfenBisbigliando und den Bratschen-Ponticellis. Ein Glück, daß das ganze Ding nicht eigentlich diffi cil ist, sondern nur sehr schwer und anstrengend.«
Als »Einakter ohne Worte« ist die symphonische Dichtung die notwendige Vorstufe zur später fehlgeschlagenen »Don Juan«Oper. Talent, Befähigung und Arbeitsweise drängten den Komponisten schon in diesem frühen Stadium zur Bühne – auch wenn es
Richard Strauss: »Don Juan«
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»Don Juan« NIKOLAUS LENAU
Den Zauberkreis, den unermesslich weiten, Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten Möcht’ ich durchzieh’n im Sturme des Genusses, Am Mund der Letzten sterben eines Kusses. O Freund, durch alle Räume möcht’ ich fliegen, Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor Jede Und, wär’s auch nur für Augenblicke, siegen.
Ich fliehe Überdruss und Lustermattung, Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen, Die Einzle kränkend, schwärm’ ich für die Gattung. Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft, Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft. Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre Im weiten Kreis der schönen Frauen, Ist meine Lieb’ an jeder eine andre, Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen. Ja ! Leidenschaft ist immer nur die neue; Sie lässt sich nicht von der zu jener bringen, Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen, Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.
Wie jede Schönheit einzig in der Welt, So ist es auch die Lieb’, der sie gefällt. Hinaus und fort nach immer neuen Siegen, Solang der Jugend Feuerpulse fliegen !
Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben, Er hat vertobt, und Stille ist geblieben. Steintot ist alles Wünschen, alles Hoffen; Vielleicht ein Blitz aus Höh’n, die ich verachtet, Hat tödlich meine Liebeskraft getroffen, Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet; Vielleicht auch nicht; – der Brennstoff ist verzehrt, Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.
Von Richard Strauss der Partitur seiner Tondichtung »Don Juan« vorangestellte Textauszüge aus Nikolaus Lenaus gleichnamigem Versepos (1843/44, Fragment)
»Don Juan«: Das Vorwort zur Partitur
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»Grand Opéra in Shakespeare’schem Stil« PETER JOST
HECTOR BERLIOZ (1803–1869)
WIDMUNG
»Les Troyens« Grand Opéra en cinq actes Konzertante Aufführung des V. Akts
An die Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein (1819–1887), die Lebensgefährtin von Franz Liszt. Die auf den 10. Mai 1865 datierte Widmung an die Fürstin wurde allerdings nicht auf das Titelblatt der Ausgaben gedruckt, sondern nur einigen Exemplaren des Klavierauszugs beigelegt.
UR- UND ERSTAUFFÜHRUNGEN LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geboren am 11. Dezember 1803 in La CôteSaint-André (Département Isère / Südfrankreich); gestorben am 8. März 1869 in Paris.
ENTSTEHUNG Text: April bis Juni 1856, verfasst vom Komponisten auf der Grundlage des Epos »Aeneis« (31–19 v. Chr., Buch 2 und 4) von Vergil (eigentlich Publius Vergilius Maro, 70–19 v. Chr.). Musik: Juni 1856 bis April 1858, Änderungen und Ergänzungen 1859/ 60 und 1863.
Ausschnitte (Duette Nr. 3 und Nr. 37, konzertant): 29. August 1859 im Casino von Baden-Baden, Sänger: Pauline Viardot und Jules Lefort, Dirigent: Hector Berlioz; III.–V. Akt (gekürzt): 4. November 1863 unter dem Titel »Les Troyens à Cathage« mit einem neu komponierten »Prélude« im Pariser Théâtre-Lyrique, Dirigent: Adolphe Deloffre; I.–II. Akt (gekürzt, konzertant): 7. Dezember 1879 unter dem Titel »La Prise de Troie« im Pariser Théâtre du Châtelet, Dirigent: Édouard Colonne, sowie gleichzeitig im Pariser Cirque d’Hiver, Dirigent: Jules-Étienne Pasdeloup; I.–V. Akt (an zwei Abenden, gekürzt, in deutscher Sprache): 6./7. Dezember 1890 am Karlsruher Hoftheater, Dirigent: Felix Mottl;
Hector Berlioz: »Les Troyens«
13 I.–V. Akt (ungekürzt, in englischer Sprache): 3. Mai 1969 in Glasgow, Dirigent: Alexander Gibson; I.–V. Akt (ungekürzt, in französischer Sprache): 17. September 1969 in London; Dirigent: Colin Davis.
INHALT DES V. AKTS 1. BILD: Im Lager der Trojaner, die nach der Eroberung ihrer Stadt durch das griechische Heer geflohen und auf ihrer Irrfahrt in Karthago gelandet sind, singt der Matrose Hylas sehnsuchtsvoll von seiner Heimat. Der trojanische Priester Panthée (Panteus) beschwört die Heerführer mit Verweis auf die Zeichen der Götter, die Stadt aufzugeben, auch wenn es den Soldaten in ihrem Asyl recht gut gefällt. Énée (Æneas), der Anführer der Trojaner, drückt seine Niedergeschlagenheit aus; er weiß, dass er Karthago und damit die geliebte Didon (Dido), Karthagos Königin, verlassen muss, um nach Italien zu segeln, da es ihm bestimmt ist, dereinst Rom zu gründen. Er möchte aber Didon in der Hoffnung auf ihr Verständnis zuvor noch einmal sehen. Da erscheinen die Geister einiger Trojaner, die beim Kampf um ihre Stadt starben, nämlich die von Priam (Priamus, dem König von Troja), von Cassandre (Kassandra, der Seherin), von Chorèbe (Choröbus, dem Verlobten Cassandres) und von Hector (Hektor, dem Sohn des Priamus). Sie alle drängen so vehement zum sofortigen Aufbruch, dass Énée ihnen nachgibt. Er ruft seine Truppen zu sich und befiehlt, die Segel zu setzen. Didon kommt hinzu und macht Énée angesichts der Vorbereitungen zum Aufbruch bittere Vorwürfe. Als sie erkennt, dass sie gegen Énées festen Willen nicht ankommt, verflucht sie ihn.
2. BILD: In einem letzten Aufbäumen gegen das drohende Schicksal versucht Didon ihre Schwester Anna und ihren Minister Narbal zu überreden, bei Énée einen kleinen Aufschub zu erwirken. Doch dann meldet Iopas, der Dichter an Didons Hof, dass die Trojaner bereits abgesegelt sind. Nun steht Didons Entschluss fest: Sie lässt einen Scheiterhaufen errichten und nimmt, allein zurückgeblieben, von Karthago und allem, was ihr lieb und wert war, Abschied. 3. BILD: Am Fuße des Scheiterhaufens rufen die Priesters Plutos die Götter der Unterwelt an und erbitten von ihnen für Énée einen ruhmlosen Tod in Italien. Didon erscheint und legt Énées Rüstung und Toga als Pfand ihrer unglücklichen Liebe auf den Scheiterhaufen. Sie nimmt Énées Schwert und ersticht sich, nachdem sie in einer Vision den künftigen Heerführer Annibal (Hannibal) beschworen hat, Rom zu besiegen und sie, Didon, zu rächen. Als ihre Schwester ihr zu Hilfe eilt und der Chor den ewigen Kampf zwischen den Karthago und dem künftigen Weltreich Rom bekräftigt, erkennt die sterbende Didon die tatsächliche Zukunft: Roms Triumph und Karthagos Untergang.
VEREHRUNG DER ANTIKE Der junge Berlioz wurde von seinem Vater, der ihn nach nur kurzem Schulbesuch selbst unterrichtete, im Geiste humanistischer Bildung erzogen. Neben französischer Literatur gehörte daher die Lektüre der antiken Klassiker zum festen Unterrichtsprogramm. Dabei sei Vergil der erste gewesen, berichtete Berlioz später in seinen »Memoiren«, der es verstanden habe, »den Weg zu meinem Herzen zu finden und meine erwachende Phantasie zu entflammen«. Neue Nahrung erhielt diese frühe
Hector Berlioz: »Les Troyens«
14 Verehrung der Antike durch die Begegnung mit auf antiken Sujets beruhenden Opern, insbesondere von Christoph Willibald Gluck (»Iphigénie en Tauride«, »Alceste«), die Berlioz nach seinem Umzug nach Paris 1821 kennen lernte. Eine eigene Oper über eine der großen Sagen der Antike zu komponieren, wurde zu einem Jugendtraum, der lange unerfüllt blieb.
»AUFTRAGSWERK« In den 1850er Jahren beschäftigte sich Berlioz laut seinen »Memoiren« immer intensiver mit der »Idee einer groß angelegten Oper, zu der ich den Text und die Musik schreiben möchte«, wich zugleich jedoch vor den Anstrengungen und Risiken eines solchen Projekts zurück. Das »Sujet erscheint mir großartig, herrlich und tief ergreifend« – so der weitere Wortlaut in den »Memoiren«, wobei er offenbar bereits konkret die Geschichte der Trojaner im Kopf hatte. Auslöser für die Verwirklichung wurde die Ermutigung der Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein, Liszts Lebensgefährtin, der Berlioz bei einem Besuch in Weimar im Frühjahr 1856 seine »Idee, eine Grand opéra in Shakespaere’schem Stil zu komponieren« geschildert hatte. Nach Berlioz’ Erinnerung antwortete die Fürstin: »Gewiss muss aus Ihrer Leidenschaft für Shakespeare, vereint mit einer solchen Liebe zur Antike, etwas Großartiges und Neues entspringen. Also nur Mut, Sie müssen diese Oper schreiben !« Berlioz verstand diesen Rat als privaten Auftrag und begann unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Paris mit dem Entwurf des Librettos.
OPER IN ZWEI TEILEN Der Oper liegen zwei eigentlich getrennte Mythen der Antike zugrunde: 1) die Erobe-
rung Trojas durch die griechischen Belagerer, bei der dem trojanischen Helden Æneas mit einigen Getreuen die Flucht gelingt – bei Vergil als rückblickende Erzählung geschildert; der Stoff selbst geht auf Homers »Odyssee« zurück – sowie 2) die Landung der Trojaner in Karthago, wo sich Æneas in die Königin Dido verliebt: Eine Liebe, die scheitern muss, weil Æneas in göttlichem Auftrag nach Italien aufzubrechen gezwungen ist, wo er zum Ahnherr des zukünftigen römischen Reichs wird. Durch die Handlung und die beiden Schauplätze sind die beiden Teile der Oper – »La Prise de Troie« (»Die Eroberung Trojas«, Akte I–II) und »Les Troyens à Carthage« (»Die Trojaner in Karthago«, Akte III–V) – relativ deutlich voneinander getrennt. Deren Verbindung stellt vordergründig die in allen Akten präsente Figur des Énée (Æneas) dar, jedoch spielen die beiden Frauenfiguren Cassandre (Kassandra) im ersten und Didon (Dido) im zweiten Teil die gewichtigeren Rollen. Gemeinsam ist beiden Frauen, dass sie sterben müssen, damit sich das von den Göttern vorherbestimmte Schicksal der Trojaner – der eigentlichen Protagonisten, nach denen die Oper benannt ist – erfüllen kann. Das Schicksal als bestimmende Leitidee der Oper wird musikalisch durch den über die Aktgrenzen hinweg immer wieder erklingenden Ruf »Italie« als vorbestimmtes Ziel der Trojaner dargestellt.
VERGIL UND SHAKESPEARE Berlioz’ schon zitierte Bezeichnung »Grand opéra im Shakespeare’schem Stil« mag auf den ersten Blick befremden. Aber Berlioz fand in den Dramen Shakespeares, die er 1827 durch die Aufführungen einer englischen Schauspieltruppe in Paris kennen lernte und die einen unauslöschlichen Ein-
Hector Berlioz: »Les Troyens«
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Hector Berlioz im Pariser Photoatelier von Félix Tournachon, genannt »Nadar« (um 1861/62)
Hector Berlioz: »Les Troyens«
16 druck hinterließen, genau das wieder, was ihn bereits als Jugendlichen an Vergil fasziniert hatte: die aufwühlende, tief bewegende Darstellung der Leidenschaften. Insofern wird verständlich, dass er nach Fertigstellung des Librettos an die Fürstin Wittgenstein schrieb: »Sie werden finden, dass ich bei dieser Vergil-Dichtung vieles aus Shakespeare entnommen habe«. Tatsächlich sind mehrere Szenen unverkennbar nach dem Vorbild des englischen Dramatikers gestaltet: So beispielsweise der Auftritt der Geister verstorbener trojanischer Helden und Würdeträger (II. und V. Akt) oder auch die lebensnahen Äußerungen des jungen Matrosen und der beiden Wachsoldaten zu Beginn des V. Aktes. In der großen Liebesszene zwischen Énée und Didon (Finale des IV. Akts) zitiert Berlioz sogar wörtlich aus »Der Kaufmann von Venedig«. Berlioz selbst sprach von einem »Verschnitt« zwischen beiden Autoren, und in der Tat verweist das Erhabene, die epische Größe auf Vergil, das Innige und Tragische, insbesondere auch in den Kontrasten zueinander, direkt auf Shakespeare.
KLASSIZISMUS Das Bühnenwerk »Les Troyens« trägt den Untertitel »Grand Opéra en cinq actes«. Damit demonstrierte Berlioz bereits äußerlich sein bewusstes Anknüpfen an die Tradition der französischen Gattung, die sich um 1860 allerdings bereits im Niedergang befand. Der Kontrast zu den zeitgenössischen Tendenzen – denkt man etwa an Richard Wagners gleichzeitig komponiertes Musikdrama »Tristan und Isolde« – könnte kaum größer sein. Berlioz hielt an älteren Formen wie Rezitativ und Arie sowie am Prinzip der Nummernoper fest, in der ein bestimmter, in einer geschlossenen Form dargebotener Affekt zum Ausdruck ge-
langt. Entsprechend verweigerte er sich auch Wagners moderner psychologischer Konzeption, in welcher die Musik in einem spannungsvollen Verhältnis zur Handlung steht. Statt auf eine szenenübergreifende Entwicklung setzte Berlioz auf den dramatischen Ausdruck in kontrastiven Nummern, wobei der französischen Tradition gemäß Chor, Ballett und Tanz eine große Rolle spielen. Unverkennbar schimmert in »Les Troyens« das Vorbild der französischen Opern Glucks durch: leidenschaftlicher, dramatischer Ausdruck in einer wirkungsvollen, aber eher schlichten Tonsprache. Der klassizistische Ansatz der Oper tritt im V. Akt besonders konzentriert hervor. Der Wechsel der Emotionen steigert sich hier insofern, als er nicht nur in aufeinander folgenden Nummern erscheint, sondern auch widerstreitende Gefühle in der gleichen Szene umfasst.
ZUR MUSIK So sehr »Les Troyens« vom Geist Glucks und nachfolgender Komponisten der »Grand opéra« erfüllt sind, so weit ist Berlioz doch von bloßer Nachahmung entfernt. Ihm geht es musikalisch um eine Erneuerung des Ideals, nicht um Stilkopie. Einerseits greift die Musik mit ihrer Betonung der Melodik, ihrer diatonischen Führung und der überwiegend nur mäßig besetzten Orchesterbegleitung unverkennbar auf die klassische Tonsprache zurück, andererseits verwendet sie moderne Klangformen und -kombinationen, die entscheidend zum emotionalen Ausdruck beitragen. So erhält Hylas’ Lied zu Beginn des V. Akts seinen leichten Ton von Melancholie durch die Kombination der geteilten Celli mit Klarinetten und Flöten, während – bis auf eine Stelle – die hohen Streicher völlig ausgespart bleiben. Umso wirkungsvoller treten diese im nach-
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Alfred Grévin: »›Les Troyens‹ au Théâtre-Lyrique« (»Le Journal amusant«, 1863)
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18 folgenden Rezitativ des trojanischen Priesters Panthée mit dem Chor der Heerführer auf. Im anschließenden Duo der beiden Soldaten ändert sich die Instrumentation erneut. Bis auf Celli und Bässe, die nur Stütztöne artikulieren, sind die Streicher ausgeblendet, um den Holzbläsern in mittlerer und tiefer Lage das Feld zu überlassen. Ähnlich brüsk wie die Instrumentation wechseln auch Tempi und Dynamik. So lässt sich kaum ein größerer Kontrast als zwischen den beiden ersten Szenen des zweiten Bildes denken. Auf ein inniges Andante, in dem Didon ihre Schwester beschwört, einen Aufschub des trojanischen Aufbruchs zu erwirken, folgt ein drängendes, rhythmisch sehr markantes Allegro assai, das sich rasch zum Fortissimo steigert.
Im zweiten Bild schließt sich an den großen Monolog Didons, in dem sie sich in völliger Verzweiflung nach dem Tod sehnt, ihre Abschiedsarie (Nr. 48) an, die, traurig und trostvoll zugleich, zu den schönsten melodischen Eingebungen Berlioz’ zählt. Den Höhepunkt des Akts bildet aber zweifellos das große Schluss-Tableau (Nr. 49–52), das die ganze Palette musikdramatischer Wirkungen aufbietet – von der Totenbeschwörung bis zur ekstatischen Sterbeszene Didons.
INTENSITÄT DES AUSDRUCKS Einige Szenen des V. Akts zählen zu den ausdrucksintensivsten der ganzen Oper. Dazu gehört im ersten Bild der Auftritt Énées (Nr. 41 Rezitativ und Arie), in dem sich der zwischen göttlichem Willen und Liebesversprechen hin- und hergerissene Führer der Trojaner seine ausweglose Situation gleichsam von der Seele singt und dabei die ganze Bandbreite einer großen Tenorpartie bis hin zum Belcanto nuancenreich durchmisst. Dazu gehört aber vor allem auch die Schlussnummer des Bildes (Nr. 44 Duett und Chor), in der Didon ihren Geliebten zur Rede stellt. Der Gegensatz zwischen der Verzweiflung der Königin, die am Ende in Wut umschlägt, und Énées von Traurigkeit durchsetzten Beteuerungen seiner Liebe forciert sich bis hin zur Verfluchung des Trojaners durch Didon: »Monstre de piété !… Va donc ! Va ! Je maudis et tes dieux et toi-même !« (»Du göttertreues Ungeheuer !… Geh doch ! Geh ! Ich verfluche sowohl deine Götter als dich selbst !«).
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»Wer spricht von Siegen ? Überstehen ist alles !« STEPHAN KOHLER
RICHARD STRAUSS (1864–1949)
ENTSTEHUNG
»Ein Heldenleben« Tondichtung für großes Orchester op. 40
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geboren am 11. Juni 1864 in München; gestorben am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen.
ORIGINALTITEL Im Partiturautograph ist das Werk ohne unbestimmten Artikel und Untertitel lediglich »Heldenleben« benannt und kennt keinerlei Satzeinteilungen oder Satzüberschriften, wie sie sich später einbürgerten; im Programmheft der Frankfurter Uraufführung fügte Strauss den unbestimmten Artikel »Ein« und den Untertitel »Symphonie in Es-Dur« hinzu, den er bei Drucklegung der Partitur in »Tondichtung für großes Orchester« abänderte.
Am 16. April 1897 notierte Strauss in seinem Schreibkalender: »Sinfonische Dichtung ›Held und Welt‹ beginnt Gestalt zu bekommen; dazu als Satyrspiel ›Don Quichote‹ !« Die Idee, konträre Lebensläufe zweier »Helden«-Typen in einem symphonischen Diptychon zu portraitieren, fasste Strauss allerdings schon im Herbst 1896 in Florenz; »Heldenleben« und »Don Quixote« wurden gleichzeitig konzipiert und weitgehend parallel komponiert, »Don Quixote« aber zuerst zu Ende geführt und instrumentiert (Abschlussdatum: 29. Dezember 1897). Im Frühjahr 1898 weicht der Titel »Held und Welt« dem ironisch gefärbten Beethoven-Zitat »Eroica«; erst im Sommer 1898 wird der neue Titel »Heldenleben« verbindlich festgelegt. Während seiner alljährlichen Sommerferien in Marquartstein / Oberbayern trägt Strauss unter dem Datum des 30. Juli in seinen Schreibkalender ein: »Abends 10 Uhr der große Bismarck entlassen !« und darunter: »›Heldenleben‹ beendigt !« Am 2. August, nur drei Tage nach Fertigstellung des Particells, begann Strauss in Marquartstein Instrumentation und Partiturreinschrift,
Richard Strauss: »Ein Heldenleben«
20 die er am 1. Dezember 1898 an seinem neuen Wohnsitz in (Berlin-) Charlottenburg beendete. Auf Zureden seines Freundes Friedrich Rösch begann er Mitte Dezember den ursprünglich »stillen« Schluss des »Heldenleben« zu ändern und notierte am 27. Dezember 1898 in seinem Schreibkalender: »›Heldenleben‹ 2. Schluss vollendet !« Die Originalpartitur enthält hingegen nur den ersten, »stillen« Schluss; für den zweiten ist keine Handschrift des Komponisten nachweisbar.
WIDMUNG »Wilhelm [recte: Willem] Mengelberg und dem Concertgebouw-Orchester in Amsterdam gewidmet« (= in der gedruckten Partitur, nicht im Autograph). Willem Mengelberg (1871–1951) war einer der bedeutendsten Strauss- und Mahler-Dirigenten der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts und jahrzehntelanger Chefdirigent des Amsterdamer Königlichen ConcertgebouwOrchesters; Strauss übertrug seinem Freund und Pultkollegen zwar nicht die Uraufführung des »Heldenleben«, schenkte ihm aber das Autograph des Particells.
URAUFFÜHRUNG Am 3. März 1899 in Frankfurt am Main im großen Saal des Frankfurter »Saalbaues« im Rahmen des »Elften Freitags-Concerts« der Frankfurter Museums-Gesellschaft (Frankfurter Museums-Orchester, »aus dem Manuscript« spielend, unter Leitung von Richard Strauss; Violinsolo: Alfred Heß). Im selben Konzert sang Strauss’ Gattin Pauline Strauss-de Ahna Orchesterund Klavierlieder ihres Mannes; er selbst dirigierte zum Abschluss die ›Fantastischen Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters‹ »Don Quixote« op. 35.
»Es führten viele fest ihr Pferd am Zügel. Der Ruhm der tausend Schlachten ist verweht. Was bleibt vom Heldentum ? Ein morscher Hügel, auf dem das Unkraut rot wie Feuer steht…« Letzte Strophe des »Epitaphs auf einen Helden« von Kŏng Fūzĭ (Konfuzius, 551– 479 v. Chr.), in deutscher Sprache nachgedichtet von Klabund
DER BEETHOVEN DES FIN-DE-SIÈCLE Zu Saisonbeginn des Jahres 1898 trat Richard Strauss, berühmt-berüchtigt und skandalumwittert, sein neues Dirigieramt in Berlin an. Die Ferienmonate zuvor verbrachte der mit 34 Jahren jüngste Hofkapellmeister Seiner Majestät des Kaisers am langjährigen Sommerwohnsitz seiner Familie im oberbayerischen Marquartstein. Von dort kündigte er in einem Brief vom 23. Juli, ganz offenbar beflügelt vom Leben auf dem Lande, die Gestaltwerdung einer umfangreichen neuen Komposition an: »Da Beethovens ›Eroica‹ bei unseren Dirigenten so sehr unbeliebt ist und daher nur mehr selten aufgeführt wird, componire ich jetzt, um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, eine größere Tondichtung, ›Heldenleben‹ betitelt (zwar ohne Trauermarsch, aber doch in Es-Dur, mit sehr viel Hörnern, die doch einmal auf den Heroismus geeicht sind); dieselbe ist, dank der kräftigen Landluft, in der Skizze so weit gediehen, dass ich, wenn nichts Besonderes dazwischen kommt, hoffen darf, die Partitur bis Neujahr zu vollenden !« Bei aller Ironie (und Selbstironie !), in die Strauss Äußerungen über das eigene Komponieren zu kleiden pflegte, umschreibt die scheinbar so unbekümmert formulierte
Richard Strauss: »Ein Heldenleben«
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József Faragó: Richard Strauss (1905)
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22 Briefstelle, was Strauss und vielen seiner Zeitgenossen eine durchaus ernst gemeinte und keineswegs zu ironisierende Kunstabsicht war: die Fortsetzung Beethovens mit modernen Mitteln oder selbst der Beethoven seiner Zeit zu sein.
ABSOLUTE MUSIK ? FEHLANZEIGE ! Schon Jahre zuvor hatte der Komponist in einem Brief an seinen Mentor Hans von Bülow festgestellt, eine Möglichkeit zur Fortentwicklung der Musik sehe er nur in der Nachfolge der Werke Beethovens, und zwar insbesondere derjenigen, die von programmatischen Inhalten lebten. Musik habe »Ausdruck« zu sein, Sinn und Zweck erhalte sie »durch eine poetische Idee, mag dieselbe nun als Programm dem Werke beigefügt werden oder nicht«. Der Komponist des »Heldenleben« weigerte sich hartnäckig, zwischen »absoluter« Musik und »Programm«Musik inhaltliche oder auch nur ästhetische Unterschiede anzuerkennen, und strebte als Vollender einer von Berlioz und Liszt ererbten Tradition grundsätzlich die Verbindung, ja Vereinigung von »poetischer Idee« und musikalischer Formensprache an: »Wissen Sie vielleicht, was absolute Musik ist ? Ich nicht !« heißt es in einem Brief an den Berliner Musikschriftsteller Oscar Bie. Nicht zufällig also orientierte Strauss sein »Heldenleben«, das sich durchaus als moderne »Eroica«-Variante verstanden wissen wollte und dem zeitweilig sogar der Titel »Eroica« zugedacht war, an Form-Vorbildern der Klassik, die er – wie im benachbarten »Don Quixote« – je nach den Erfordernissen der »poetischen Idee« frei variierte, abwandelte oder ergänzte.
»SYMPHONIE IN ES-DUR« War es dem »Don Quixote« vorbehalten, drei musikalische Ideen zu formaler Einheit zu verbinden (Symphonische Dichtung, Solokonzert und Variationsform), so implizierte der thematische Rückgriff des »Heldenleben« auf Beethovens »Eroica« die Wiederbelebung der klassischen Sonatensatzform. Da werden zunächst in einer großangelegten, 3-teiligen Exposition die in sich geschlossenen Themengruppen des Werks aufgestellt (in der zur Uraufführung erschienenen Erläuterungsschrift: »Der Held« / »Des Helden Widersacher« / »Des Helden Gefährtin«), um im anschließenden vierten Abschnitt (»Des Helden Walstatt«) höchst virtuos verarbeitet und zum Gegenstand einer ausführlichen Durchführung zu werden. Diese mündet dann vor Beginn des Abschnitts »Des Helden Friedenswerke« in eine Art Reprise, die Strauss mit zahlreichen Zitaten aus eigenen Werken angereichert hat. Zitiert werden die symphonischen Dichtungen »Macbeth«, »Don Juan«, »Tod und Verklärung«, »Till Eulenspiegels lustige Streiche«, »Also sprach Zarathustra« und vor allem der unmittelbar vorausgehende »Don Quixote«, der an statistischer Präsenz in diesem Motivgewebe nur noch von Strauss’ Opern-Erstling »Guntram« übertroffen wird; mit neun Zitaten, die heute allerdings niemand mehr als solche zu erkennen vermag, dominiert das 1894 uraufgeführte, eigenwillige Bekenntniswerk alle übrigen zitierten Werke, so auch die Lieder »Traum durch die Dämmerung« und »Befreit«. Mit dem sechsten und letzten Abschnitt »Des Helden Weltflucht und Vollendung« wird die großräumig disponierte Variante eines aus der »klassischen« Sonatensatzform abgeleiteten Symphoniesatzes stilgerecht mit einer
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24 Satz-Coda abgeschlossen. In der Tat verwundert es nicht, dass Strauss zeitweise versucht war, sein »Heldenleben« im Untertitel als »Symphonie in Es-Dur« zu bezeichnen.
te« Aufführungspraxis verzerrt und glaubte es seinen ursprünglichen Intentionen entfremdet.
ZWEI SCHLÜSSE – EIN AUTOGRAPH
Der strikt durchgehaltene Verzicht auf die Bekanntgabe eines »Programms« besagt nicht, dass Strauss sich seiner Intentionen nicht von allem Anfang an bewusst gewesen wäre. Im Gegenteil: Seine Skizzenbücher zeigen, mit welcher Akribie er vor Beginn der eigentlichen Kompositionsarbeit das geistige Programm entworfen und fixiert hat. Romain Rolland, der mit dem Komponisten des »Heldenleben« zahlreiche Gespräche über seine Arbeitsweise führte, notierte in sein Tagebuch: »Er beginnt die Arbeit mit einer ausführlichen Skizze des literarischen Vorwurfs; erst anschließend geht er zu Musik über. Auf meine präzise Frage hin antwortet er mir, dass die musikalischen Einfälle nie zusammen mit den literarischen, sondern stets in deren Gefolge, also nach ihnen, auftreten. Er hält es im übrigen für überflüssig, dass man als Zuhörer das ›Heldenleben‹ mit einem Führer in der Hand verfolgt. Es genügt, sagt er, das Gegensatzpaar zu erkennen: den Helden und seine Widersacher.« Strauss litt sicherlich nicht unter mangelndem Selbst(wert)bewusstsein; dennoch sind viele Briefe des Komponisten wie zahlreiche seiner kolportierten Äußerungen durchzogen von einem manisch geprägten »Durchsetzungssyndrom«. Die Gegnerschaft von Kritikern und feindselig gesinnter Öffentlichkeit, die stets virtuos überspielte Angst vor Misserfolg und finanziellem Abstieg, aber auch das keineswegs so selbstsichere, wie manchmal nach außen hin zur Schau getragene künstlerische Selbstverständnis des jungen Richard Strauss legen den Schluss nahe, dass in
Ein Blick in die 1899 bei F. E. C. Leuckart in Leipzig erschienene Partitur hält, was das einzige Partiturautograph des Komponisten verspricht: dem Werk sind keinerlei programmatische Erläuterungen oder Zwischentitel beigegeben. Die Überschriften der sechs Abschnitte wurden erst kurz vor der Uraufführung für die damals so unentbehrlichen Einführungsschriften entworfen und begannen umgehend, eine auf das Werk zurückstrahlende, verhängnisvolle Eigendynamik zu entwickeln. Viele Indizien sprechen dafür, dass es gar nicht Strauss selbst war, der die Satzüberschriften formuliert hat, sondern Friedrich Rösch, einer seiner Adepten und Parteigänger, auf dessen maßgeblichen Einfluss auch die nachträgliche Umarbeitung des Schlussabschnitts zurückzuführen ist: Die erste, bisher ungedruckte Fassung verdämmert als »Erlösungsschluss« im Pianissimo, während die zweite, im Druck verbreitete Fassung zuletzt noch kräftige, sozusagen »heroische« Blechbläser-Akzente setzt. Die Autorisierung zur Publikation dieser harmonisch banalen und unvorteilhaft instrumentierten Fassung, für die es kein nachweisbares Manuskript von der Hand des Komponisten gibt, schien Strauss in späteren Jahren bereut zu haben; jedenfalls quittierte er im Beisein seines Biographen Willi Schuh eine Zürcher Aufführung des bekannten »Heldenleben«-Schlusses mit der sarkastischen Bemerkung: »Staatsbegräbnis !« Ganz offensichtlich sah er sein Opus 40 durch die von ihm letztlich »mitverschulde-
ANTAGONISTISCHES PRINZIP
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25 der Tat die Maske des »Heroischen« eine buchstäblich »aufgesetzte«, das musikalische Säbelrasseln ein Akt unterdrückten (und camouflierten) Inferioritätsgefühls war. In einem der »Heldenleben«-Skizzenbücher heißt es bezeichnenderweise, die Exposition der »heroischen Kraft« müsse »nach primärer Entfaltung der Fähigkeiten mit einer großen Herausforderung an die Welt« enden; dabei seien »Kampfruf« und »Schlacht« notwendige Mittel, um nicht nur »äußeren Feinden entgegenzugehen«, sondern vor allem auch »inneren Feinden« wie »Zweifel« und »Ekel« den Krieg zu erklären. Der Held könne »aus dieser Schlacht neu gestärkt im Verein mit der Geliebten alle inneren, geistigen und künstlerischen Kräfte immer mehr entwickeln und sie der Welt präsentieren !«
EKEL, ZORN UND RESIGNATION Romain Rolland war es auch, der mit seiner sehr einseitigen Interpretation des »Heldenleben« – »Die Deutschen haben jetzt ihren Hymniker des Sieges« – die bis heute noch virulente Diskussion um den geistigen Standort des Werks entfachte. Strauss wurde in der Folge immer wieder vorgeworfen, er habe sich zum musikalischen Apologeten des Wilhelminismus gemacht und der zeitgenössischen Gigantomanie ein tönendes Denkmal gesetzt – die Willem Mengelberg und dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam gewidmete Partitur verlangt ein blechgepanzertes Aufgebot von mehr als 100 Spielern. Gewiss ist das Werk, wie schon Rolland feststellte, ein Dokument seiner Zeit – aber nicht im affirmativen Sinn, indem es den prunkenden »Heroismus« Wilhelms II. verherrlichte, sondern im Gefolge von Arthur Schopenhauers Hauptwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung« und der dort gepriesenen Interiorisierung des Konflikts
zwischen Individuum und Lebenswelt. »Des Helden Weltflucht« erinnert präzise an die nur zehn Jahre später verfassten Verse Rainer Maria Rilkes: »Wer spricht von Siegen ? Überstehen ist alles !« – epigrammatische Worte, die der Rilke-Verehrer Gottfried Benn zur Signatur einer ganzen Epoche erklärte. In Strauss’ Skizzenbüchern ist denn auch die Rede vom »Abbröckeln der Heldenmotive«, vom »Schluss des Sieges«, dem die »zarten Gebilde der Kunst« folgen, und schließlich von »Ekel, Zorn« und »Übergang in die Resignation«. »Nach dem Kampf mit der Welt«, so Strauss, trete sein Held »die Flucht in die Einsamkeit« an: »Die Indolenz bleibt stets dieselbe; da erfasst ihn Ekel, er zieht sich ganz in’s Idyll zurück, nur mehr seinen Betrachtungen, Wünschen und dem stillen, beschaulichen Austrag seiner eigensten Persönlichkeit zu leben. Herbstlicher Wald – Resignation !«
MISSVERSTÄNDNISSE MITKOMPONIERT Wie wenig repräsentativ diese Haltung dem zeitgenössischen, »wilhelminischen« Publikum zu sein schien, beweisen die unfreundlichen Reaktionen auf die ersten Aufführungen: »Da die Opernhaus-Konzerte das allerkonservativste Publikum, Adel und viel alte Jungfern haben, gab’s starkes Zischen !« (so Strauss nach der Berliner Erstaufführung an seinen Vater). Den Vorwurf tönender Selbstdarstellung, den man dem Komponisten machte, indem man ihn in ungebrochener Personalunion mit seinem »Helden« wähnte, konnte Strauss auch in der Folgezeit nie ganz entkräften; trotzdem blieb er mit gutem Grund dabei, zu leugnen, »dass der Held ich sein soll«. Der Komponist des »Heldenleben« war kein Held; »heroische Kraft« war ihm ebenso fremd wie »Weltflucht«. Als Fritz Erler
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26 Richard Strauss im »Heldenleben«-Jahr 1898 portraitierte, malte er ihn als Vertreter eines expressionistischen, nervöszerrissenen Künstlertypus’, nicht als selbstgefälligen, selbstsicheren »Heros«. Einer nicht zu Unrecht für nötig erachteten Neutralisierung des virulenten autobiographischen Aspekts kam Strauss entgegen, indem er bei Drucklegung dem Originaltitel des Manuskripts – »Heldenleben«, ohne jeden Zusatz – den unbestimmten Artikel »Ein« voranstellte. Wenn denn überhaupt ein konkretes Leben Pate gestanden haben soll für »Ein Heldenleben«, dann höchstens das von Wagners Tristan, der im Verlauf des dreiaktigen, von Strauss über alles gestellten Musikdramas »Tristan und Isolde« mehrfach als »Held« bezeichnet wird und eine ähnliche innere Wandlung zur Haltung der »Weltflucht« vollzieht wie der namenlose Protagonist des »Heldenleben«. Diese These ließe sich durch zahlreiche harmonische und motivische Anspielungen auf den 3. Akt »Tristan« erhärten, die in den Schlussabschnitt des »Heldenleben« Eingang fanden und beide Werke als philosophische Derivate von Schopenhauers Weltverneinungs- und Entsagungsideologie miteinander verklammern.
IMMANENTE PATHOS-KRITIK Geht man von der gemeinsamen Entstehungsgeschichte von »Don Quixote« und »Ein Heldenleben« aus, wird auch der Hinweis des Komponisten plausibel, beide Helden-Gestalten seien »so sehr als directe Pendants gedacht, dass besonders ›Don Quixote‹ erst neben ›Heldenleben‹ voll und ganz verständlich ist«. Das ironisch gebrochene Heldentum des »Ritters von der traurigen Gestalt« und das eher ungebrochene, von Anfechtungen weniger tangierte des anonymen »Heldenleben« wollen sich
gegenseitig korrigieren, relativieren und zurechtrücken. Durch die wechselseitige Erhellung zweier komplementärer HeroismusKonzeptionen gerät das vielzitierte Pathos des »Heldenleben« in die Perspektive einer bewusstgemachten, wohlüberlegten »Setzung«; sie dient der Darstellung und gleichzeitigen Objektivierung einer überzeitlichen, quasi »typischen« Haltung – ein künstlerischer Vorgang, der dem Komponisten wohl kaum als unreflektierte Emanation von »Selbstbekenntnissen« anzulasten ist, wie sie bis heute manche Kritiker dem Autor des »Heldenleben« nur zu gern unterschieben.
FILMISCHE TECHNIKEN Immerhin fand das »Heldenleben« den Beifall eines so feinsinnigen und allem pompösen Auftrumpfen abgeneigten Geistes wie Claude Debussy, der am 30. März 1903 in der Pariser Zeitschrift »Gil Blas« Strauss’ Kompositionstechniken einer bis heute gültigen Analyse unterzog. Debussy rühmte am »Heldenleben« das »ungewöhnliche und äußerst selten praktizierte Verfahren«, eine an filmische Techniken gemahnende »Bildersprache« nach »Farbwerten« aufzugliedern, an die Stelle der »Form-Architekturen eines Bach oder Beethoven rhythmisch organisierte Orchesterfarben« zu setzen und die »entferntesten Tonarten der bloßen Lebendigkeit wegen kaltblütig übereinander zu türmen, ohne sich um die daraus resultierende zerreißende Klangwirkung zu kümmern«. Debussys durchaus kritische Bewunderung für Strauss’ »Heldenleben« war so groß, dass er die Schlussfolgerung zog: »Wer ein Werk mit einem solchen Durchsetzungsvermögen komponieren konnte, muss so etwas wie ein Genie sein !«
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Valery Gergiev DIRIGENT
In Moskau geboren, studierte Valery Gergiev zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am Leningrader Konservatorium. Bereits als Student war er Preisträger des Herbertvon-Karajan-Dirigierwettbewerbs in Berlin. 1978 wurde Valery Gergiev 24-jährig Assistent von Yuri Temirkanov am MariinskyOpernhaus, wo er mit Prokofjews TolstoiVertonung »Krieg und Frieden« debütierte. 2003 dirigierte Gergiev als erster russischer Dirigent seit Tschaikowsky das Saisoneröffnungskonzert der New Yorker Carnegie Hall.
Valery Gergiev leitet seit mehr als zwei Jahrzehnten das legendäre Mariinsky-Theater in St. Petersburg, das in dieser Zeit zu einer der wichtigsten Pflegestätten der russischen Opernkultur aufgestiegen ist. Darüber hinaus ist er Leiter des 1995 von Sir Georg Solti ins Leben gerufenen »World Orchestra for Peace«, mit dem er ebenso wie mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters regelmäßig Welttourneen unternimmt. Von 2007 an war Gergiev außerdem Chefdirigent des London Symphony Orchestra, mit dem er zahlreiche Aufnahmen für das hauseigene Label des Orchesters einspielte.
Valery Gergiev präsentierte mit seinem Mariinsky-Ensemble weltweit Höhepunkte des russischen Ballett-und Opernrepertoires, Wagners »Ring« sowie sämtliche Symphonien von Schostakowitsch und Prokofjew. Mit dem London Symphony Orchestra trat er regelmäßig im Barbican Center London, bei den Londoner Proms und beim Edinburgh Festival auf. Zahlreiche Auszeichnungen begleiteten seine Dirigentenkarriere, so z. B. der Polar Music Prize und der Preis der All-Union Conductor’s Competition in Moskau. Seit Beginn der Spielzeit 2015/16 ist Valery Gergiev Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.
Die Künstler
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Yulia Matochkina
Yekaterina Krapivina
MEZZOSOPRAN
MEZZOSOPRAN
Yulia Matochkina wurde in Mirny bei Archangelsk in Nordwest-Russland geboren. 2004 hatte sie bereits ihr Studium an der örtlichen Fachmusikschule in den Abteilungen Dirigieren und Chorgesang beendet, 2009 folgte der Hochschul-Abschluss im Fach Gesang am Staatlichen Petrosawodsker Glasunow-Konservatorium. Bereits ein Jahr zuvor war Yulia Matochkina Mitglied der Mariinsky-Akademie für junge Opernsänger geworden, ihr Debüt auf der Bühne des Mariinsky-Theaters gab sie als Cherubino in Mozarts »Figaro«. Nach zahlreichen Erfolgen bei nationalen und internationalen Gesangswettbewerben gewann Yulia Matochkina 2015 den 1. Preis beim XV. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb. Mit dem Ensemble des Mariinsky-Theaters ist Yulia Matochkina in Österreich, Deutschland, Finnland, Schweden, England, Frankreich, Italien, Spanien, Japan und in der Schweiz aufgetreten. Außerdem war sie mehrfach Gast beim Edinburgh International Festival.
Die russische Mezzosopranistin studierte am Staatlichen Konservatorium der südrussischen Stadt Astrachan und war dort Solistin am Städtischen Opernhaus. 2006 gab Yekaterina Krapivina ihr erstes Gastspiel am Mariinsky-Theater, im Jahr 2011 wurde sie als Solistin ins Ensemble aufgenommen. Zu Yekaterina Krapivinas zahlreichen Rollen am Mariinsky-Theater zählen Polina, Gouvernante und Milowsor (Daphnis) in Tschaikowskys »Pique Dame« sowie Olga in Tschaikowskys »Eugen Onegin«, Cherubino in Mozarts »Le nozze di Figaro«, Teresa in Bellinis »La sonnambula«, Alisa in Donizettis »Lucia di Lammermoor«, Flora Bervoix in Verdis »La traviata«, Ines in Verdis »Il trovatore«, Anna in Berlioz’ »Les Troyens«, Suzuki in Puccinis »Madama Butterfly«, Aufräumfrau in Janáčeks »Die Sache Makropoulos« und Hippolyta in Brittens »A Midsummer Night’s Dream«. Yekaterina Krapivina bereiste mit dem Mariinsky-Theater die USA, Großbritannien, Israel und Japan.
Die Künstler
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Sergej Semishkur
Yevgeny Akhmedov
TENOR
TENOR
Sergei Semishkur stammt aus der russischen Industriestadt Kirow. Er studierte Gesang und Chorleitung am Glinka-Konservatorium in Nischnij-Nowgorod. 2003 wechselte er zur Akademie für junge Sänger des MariinskyTheaters, 2007 wurde er Solist im Ensemble, 2010 sang er die Titelpartie in Schostakowitschs »Die Nase« in einer für den Grammy nominierten Einspielung des MariinskyTheaters. 2007 gab Sergei Semishkur sein Debüt bei den Salzburger Festspielen in der Titelrolle von Berlioz’ »Benvenuto Cellini«. Ebenfalls in Salzburg trat er als Solist in Mussorgskys »Lieder und Tänze des Todes« mit den Wiener Philharmonikern auf. Am Mariinsky-Theater singt Sergei Semishkur ein vielfältiges Repertoire an Tenorrollen, das sich von den Meisterwerken Donizettis, Verdis und Puccinis bis zu den Klassikern des russischen Repertoires erstreckt. Auch Rollen von Berlioz und Offenbach werden von Semishkur gesungen sowie Hauptrollen in Opern von Janáček und Szymanowski.
Yevgeny Akhmedov war bereits seit 2011 am Michailowsky-Theater in St. Petersburg engagiert und seit 2012 Mitglied der Mariinsky-Akademie für junge Opernsänger, als er 2015 ein Ehrendiplom beim XV. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb gewann. Im Jahr zuvor hatte er bereits sein Debüt auf der Bühne des Mariinsky-Theaters als Lenskij in Tschaikowskys »Eugen Onegin« gegeben. Prominente MariinskyRollen folgten wie Don Ottavio in Mozarts »Don Giovanni«, Nemorino in Donizettis »Liebestrank«, Alfredo in Verdis »Traviata« und Almaviva in Rossinis »Barbier von Sevilla«. Akhmedovs Repertoire umfasst zahlreiche weitere Rollen wie den Narren in Mussorgskys »Boris Godunow« sowie Lykov in Rimskij-Korsakows »Zarenbraut« und Tschekalinsky in Tschaikowskys »Pique Dame«. Seit 2016 ist Yevgeny Akhmedov Mitglied des Atkins Young Artists Program am Mariinsky-Theater, mit dem er bereits zahlreiche Tourneen absolvierte.
Die Künstler
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Yuri Vorobiev
Andreas Herrmann
BASS
CHORDIREKTOR
Der in St. Petersburg geborene Bass absolvierte die Glinka-Chorschule seiner Heimatstadt und studierte in der Folgezeit am Rimskij-Korsakow-Konservatorium. Seit 2009 ist er Solist im Ensemble des Mariinsky-Theaters, mit dem er auf viele Gastspielreisen ging: Unter Leitung von Valery Gergiev sang Yuri Vorobiev die Bass-Partie in Schostakowitschs 14. Symphonie im Konzerthaus in Wien und im Concertgebouw Amsterdam, als Narbal in Berlioz’ »Les Troyens« sang er in Tokio in der Suntory Hall sowie in New York in der Carnegie Hall. Als Gurnemanz in Wagners »Parsifal« war Yuri Vorobiev in der Londoner Barbican Hall und weiteren britischen Konzertsälen zu hören. Er gastierte beim Festival in Aix-en-Provence, bei den Salzburger Festspielen, an der Opéra de Lyon und am Königlichen Opernhaus in Covent Garden. Zu Vorobievs Rollen am Mariinsky-Theater zählen Sarastro in Mozarts »Zauberflöte«, Ramfis in Verdis »Aida« sowie Timur in Puccinis »Turandot«.
Der 1963 in München geborene Dirigent und Chorleiter schloss sein Studium an der Münchner Musikhochschule mit dem Meisterklassen- Diplom ab. Seine Ausbildung ergänzte er durch zahlreiche internationale Chorleitungsseminare und Meisterkurse bei renommierten Chordirigenten wie Eric Ericson und Fritz Schieri. Als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München unterrichtet Andreas Herrmann seit 1996 vorwiegend im Hauptfach Chordirigieren. Zehn Jahre, von 1996 bis 2006, leitete er den Hochschulchor, daneben zeitweise auch den Madrigalchor der Hochschule, und betreute in dieser Zeit Oratorienkonzerte, Opernaufführungen und a cappellaProgramme aller musikalischen Stilrichtungen. Pädagogische Erfolge erzielt Herrmann weiterhin mit der Ausbildung professioneller junger Chordirigenten aus ganz Europa, wie etwa in einem Spezialworkshop über neue a cappella-Musik. 1996 übernahm Andreas Herrmann die Leitung des Philharmonischen Chores München.
Die Künstler
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Philharmonischer Chor München Der Philharmonische Chor München ist einer der führenden Konzertchöre Deutschlands und Partnerchor der Münchner Philharmoniker. Er wurde 1895 von Franz Kaim, dem Gründer der Münchner Philharmoniker, ins Leben gerufen und feierte 2015 seinen 120. Geburtstag. Seit 1996 wird er von Chordirektor Andreas Herrmann geleitet. Das Repertoire erstreckt sich von barocken Oratorien über a cappella- und chorsymphonische Literatur bis zu konzertanten Opern und den großen Chorwerken der Gegenwart. Das musikalische Spektrum umfasst zahlreiche bekannte und weniger bekannte Werke von Mozart über Verdi, Puccini, Wagner und Strauss bis hin zu Schönbergs »Moses und Aron« und Henzes »Bassariden«. Der Chor pfl egt diese Literatur ebenso wie die Chorwerke der Komponisten Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner, Reger, Strawinsky, Orff oder Penderecki. Er musizierte u. a. unter der Leitung von Gustav Mahler, Hans Pfitzner, Krzysztof Penderecki, Herbert von Karajan, Rudolf Kempe, Sergiu Celibidache, Zubin Mehta, Mariss Jansons, James Levine, Christian Thielemann und Lorin Maazel. In den vergangenen Jahren hatten Alte und Neue Musik an Bedeutung gewonnen: Nach umjubelten Aufführungen Bach’scher Pas-
sionen unter Frans Brüggen folgte die Einladung zu den Dresdner Musikfestspielen. Äußerst erfolgreich wurde auch in kleineren Kammerchor-Besetzungen unter Dirigenten wie Christopher Hogwood und Thomas Hengelbrock gesungen. Mit Ton Koopman entwickelte sich eine enge musikalische Freundschaft, die den Chor auch zu den »Europäischen Wochen« in Passau führte. Im Bereich der Neuen Musik war der Philharmonische Chor München mit seinen Ensembles bei Ur- und Erstaufführungen zu hören. So erklang in der Allerheiligen-Hofkirche die Münchner Erstaufführung der »Sieben Zaubersprüche« von Wolfram Buchenberg unter der Leitung von Andreas Herrmann. Ende 2014 gestaltete der Chor die Uraufführung von »Egmonts Freiheit – oder Böhmen liegt am Meer« unter der Leitung des Komponisten Jan Müller-Wieland. Der Philharmonische Chor ist ein gefragter Interpret von Opernchören und setzt nachdrücklich die unter James Levine begonnene Tradition konzertanter Opernaufführungen fort, die auch unter Christian Thielemann mit großem Erfolg gepflegt wurde. Zu den CD-Einspielungen der jüngeren Zeit zählen Karl Goldmarks romantische Oper »Merlin«, die 2010 den ECHO-Klassik in der Kategorie »Operneinspielung des Jahres – 19. Jahrhundert« gewann, und eine Aufnahme von Franz von Suppés »Requiem«, die für den International Classical Music Award (ICMA) 2014 nominiert wurde.
Die Künstler
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Münchner Klangbilder DIE KONZERTPLAKATE DER SPIELZEIT 2016/17
Musik erzeugt Bilder in unseren Köpfen. Für die Gestaltung von Plakaten hat das Orchester der Stadt deshalb auch für die Spielzeit 2016/17 die Künstler der Stadt gebeten, ihre Bilder festzuhalten. Aus der Musik und der Geschichte des Stückes wurden so neue Kunstwerke geschaffen: eine besondere Zusammenarbeit zwischen der gestalterischen und der musikalischen Welt Münchens. Jeder Künstler hat dabei seine eigene Sprache, um die Melodien und Töne in Bilder zu übersetzen. Entstanden sind Fotografien, Malereien, Installationen, Grafiken und Collagen mit einzigartigem Charakter. Allesamt Plakate, die neugierig machen auf ein ganz besonderes Konzerterlebnis. Plakate, die zeigen, wie vielfältig Musik ist und wie individuell sie wahrgenommen werden kann.
TITELGESTALTUNG ZUM HEUTIGEN KONZERTPROGRAMM »Licht und Schatten, hell und dunkel, Stille und Komposition – diese Gegensätze vereinen sich im Motiv zur Person des Helden. Und genau wie die Musik in Strauss’ Sinfonischer Dichtung, rückt das hell strahlende Logo im Motiv den dunklen Schatten in ein erhabenes Licht. Zugleich symbolisiert die Farbe Rot das Drama zwischen Held und Widersacher.« (Kerstin Schulmayer, 2016)
DIE KÜNSTLERIN Kerstin Schulmayer, Grafik-Desingerin und Fotografin, lebt und arbeitet, seit 17 Jahren in ihrer Wahlheimat München. grafi
[email protected]
Alle bereits erschienenen Motive können Sie online unter mphil.de/kalender/plakate ansehen.
Kerstin Schulmayer
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k4 f
RODION SHCHEDRIN Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 RICHARD STRAUSS »Till Eulenspiegels lustige Streiche« op. 28 LUDWIG VAN BEETHOVEN Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica« VALERY GERGIEV Dirigent DENIS MATSUEV Klavier
Samstag 24_09_2016 19 Uhr Sonntag 25_09_2016 11 Uhr
Donnerstag 29_09_2016 20 Uhr b Freitag 30_09_2016 20 Uhr c Donnerstag 29_09_2016 10 Uhr Öffentliche Generalprobe GYÖRGY LIGETI »Concert Românesc« für Orchester BÉLA BARTÓK Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 »Concerto for Orchestra« PABLO HERAS-CASADO Dirigent JAVIER PERIANES Klavier
h4 m
Sonntag 09_10_2016 11 Uhr
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 a-Moll op. 77 ANTON BRUCKNER Symphonie Nr. 6 A-Dur
1. KAMMERKONZERT Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz
VALERY GERGIEV Dirigent LEONIDAS KAVAKOS Violine
STEVE REICH »Music for Pieces of Wood« (1973) »Clapping Music« (1972) »Drumming«, Part 1 (1970/71) »Mallet Quartet« (2009) »Marimba Phase« (1967) »Pendulum Music« (1968)
»MINIMAL MUSIC« Steve Reich zum 80. Geburtstag
DIE SCHLAGZEUGER DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER
Vorschau
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Die Münchner Philharmoniker 1. VIOLINEN Sreten Krstič, Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici, Konzertmeister Julian Shevlin, Konzertmeister Odette Couch, stv. Konzertmeisterin Claudia Sutil Philip Middleman Nenad Daleore Peter Becher Regina Matthes Wolfram Lohschütz Martin Manz Céline Vaudé Yusi Chen Iason Keramidis Florentine Lenz Vladimir Tolpygo
2. VIOLINEN Simon Fordham, Stimmführer Alexander Möck, Stimmführer IIona Cudek, stv. Stimmführerin Matthias Löhlein, Vorspieler Katharina Reichstaller Nils Schad Clara Bergius-Bühl Esther Merz Katharina Schmitz Ana Vladanovic-Lebedinski Bernhard Metz Namiko Fuse
Qi Zhou Clément Courtin Traudel Reich Asami Yamada
BRATSCHEN Jano Lisboa, Solo Burkhard Sigl, stv. Solo Max Spenger Herbert Stoiber Wolfgang Stingl Gunter Pretzel Wolfgang Berg Beate Springorum Konstantin Sellheim Julio López Valentin Eichler
VIOLONCELLI Michael Hell, Konzertmeister Floris Mijnders, Solo Stephan Haack, stv. Solo Thomas Ruge, stv. Solo Herbert Heim Veit Wenk-Wolff Sissy Schmidhuber Elke Funk-Hoever Manuel von der Nahmer Isolde Hayer Sven Faulian David Hausdorf Joachim Wohlgemuth
Das Orchester
35 KONTRABÄSSE Sławomir Grenda, Solo Fora Baltacigil, Solo Alexander Preuß, stv. Solo Holger Herrmann Stepan Kratochvil Shengni Guo Emilio Yepes Martinez Ulrich Zeller
FLÖTEN
Alois Schlemer Hubert Pilstl Mia Aselmeyer
TROMPETEN Guido Segers, Solo Bernhard Peschl, stv. Solo Franz Unterrainer Markus Rainer Florian Klingler
Michael Martin Kofler, Solo Herman van Kogelenberg, Solo Burkhard Jäckle, stv. Solo Martin Belič Gabriele Krötz, Piccoloflöte
POSAUNEN
OBOEN
PAUKEN
Ulrich Becker, Solo Marie-Luise Modersohn, Solo Lisa Outred Bernhard Berwanger Kai Rapsch, Englischhorn
Stefan Gagelmann, Solo Guido Rückel, Solo Michael Leopold, stv. Solo
KLARINETTEN Alexandra Gruber, Solo László Kuti, Solo Annette Maucher, stv. Solo Matthias Ambrosius Albert Osterhammer, Bassklarinette
FAGOTTE
Dany Bonvin, Solo Matthias Fischer, stv. Solo Quirin Willert Benjamin Appel, Bassposaune
SCHLAGZEUG Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger Jörg Hannabach
HARFE Teresa Zimmermann, Solo
CHEFDIRIGENT Valery Gergiev
Jürgen Popp Johannes Hofbauer Jörg Urbach, Kontrafagott
EHRENDIRIGENT
HÖRNER
Paul Müller
Jörg Brückner, Solo Matias Piñeira, Solo Ulrich Haider, stv. Solo Maria Teiwes, stv. Solo Robert Ross
Zubin Mehta
INTENDANT ORCHESTERVORSTAND Stephan Haack Matthias Ambrosius Konstantin Sellheim
Das Orchester
36 IMPRESSUM
TEXTNACHWEISE
BILDNACHWEISE
Herausgeber: Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4 81667 München Lektorat: Stephan Kohler Corporate Design: HEYE GmbH München Graphik: dm druckmedien gmbh München Druck: Gebr. Geiselberger GmbH Martin-Moser-Straße 23 84503 Altötting
Peter Jost schrieb seinen Text als Originalbeitrag für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Stephan Kohler stellte seine Texte den Münchner Philharmonikern zum Abdruck in diesem Programmheft zur Verfügung; er verfasste darüber hinaus die lexikalischen Werkangaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken. Das literarische Vorwort zu Strauss’ »Don Juan« (aus Nikolaus Lenaus gleichnamigem Versepos) zitieren wir nach dem Wortlaut des Erstdrucks der Orchesterpartitur; Druckfehler und andere Irrtümer wurden stillschweigend bereinigt. Künstlerbiographien (Gergiev; Matochkina; Krapivina; Semishkur; Akhmedov; Vorobiev, Philharmonischer Chor, Herrmann): Nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Abbildungen zu Richard Strauss: Strauss Archiv München (SAM), Sammlung Stephan Kohler. Abbildungen zu Hector Berlioz: Gunther Braam, The Portraits of Hector Berlioz (Hector Berlioz, New Edition of the Complete Works, Vol. 26), Kassel 2003; John Pope-Hennessy / Gabriel White, Berlioz and the Romantic Imagination (Ausstellungskatalog), London 1969. Künstlerphotographien: Marco Borggreve (Gergiev); Matochkina; Valentin Baranovsky (Krapivina); Semishkur; Akhmedov; Vorobiev).
Medienpartner:
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt
Impressum
In freundschaftlicher Zusammenarbeit mit
DAS FESTIVAL FÜR FAMILIEN
FAMILIENKONZERT
»Peter und der Wolf«
EDUCATION TANZPROJEKT »Romeo & Julia«
COMMUNITY MUSIC Performances für Groß und Klein Samstag 12_11_2016 — GASTEIG mphil.de
18 B G JA IS RA H TI RE S
’16 ’17
DAS ORCHESTER DER STADT