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Weggehen und Dableiben: Migration, Geschlecht und Religion Call for Papers zur Jahrestagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung vom 30.3. bis 1.4.2017 an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum Migration kann ebenso wie Sesshaftigkeit als historische wie aktuelle Normalität angesehen werden. Dabei kennzeichnen die Begriffe heterogene Phänomene und heterogene Gruppen von Menschen. Im öffentlichen gesellschaftlichen und politischen und z.T. wissenschaftlichen sowie praktisch pädagogischen Umgang mit dieser Heterogenität sind unterschiedliche Linien zu beobachten. Einerseits wird die Heterogenität zum Verschwinden gebracht und einem Defizitdiskurs unterworfen, wenn beispielsweise „Flüchtlinge“ oder „Kinder mit Migrationshintergrund“ als problematische, gefährdete und potentiell gefährliche Gruppen etikettiert und vereinheitlicht werden und dabei gleichzeitig das Phänomen der Einwanderung dramatisiert wird. Im Kontrast dazu erscheinen die „Einheimischen“ als homogene Gruppe bzw. als Nation. Umgekehrt wird andererseits unter dem Label „Vielfalt schätzen“ versucht, Migration als Menschenrecht und als gesellschaftliche Realität und anzuerkennen und anerkennend zu bearbeiten. Gleichzeitig wird die berufliche und private Mobilität von Individuen wie Familien zur Normalität und dauerhaften biographischen Erfahrung. Ebenso gilt die Flexibilität, sich in einer globalisierten Welt/in unterschiedlichen Welten zu bewegen, als selbstverständliche Kompetenz: Das Nomad*innentum entspricht viel eher dem Bild gesellschaftlicher Normalität und Modernität als die Sesshaftigkeit. Die Prozesse transnationaler Vergesellschaftung und Multilokalität liegen quer zur Unterscheidung von „Migrant*innen und „einheimischen Sesshaften“ und betreffen beide gleichermaßen bzw. lösen die Unterscheidung im Phänomen der Mobilität auf. Im Zusammenhang der gegenwärtigen Flüchtlingssituation und der Einwanderung von Menschen islamisch geprägten Herkunftsländern erfährt darüber hinaus Religion in der öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Debatte als ein weiterer Bezugspunkt sozialer und kultureller Unterschiede eine verstärkte Aufmerksamkeit. Dabei wird Religion – zumindest im öffentlichen Diskurs – zum einen als ein Phänomen thematisiert, das in erster Linie Migrant_innen zuzuordnen ist und als Grundlage homogenisierender Defizit- und Dominanzdiskurse dient. Dagegen schreibt man der Religion für säkularisierte Gesellschaften kaum mehr einen Stellenwert zu oder versteht die dort vertretenden christlichen Religionen als eingesessen bzw. zum Kulturbestand zugehörig. Zum anderen veranschaulicht die sichtbar gelebte Religion von Zuwanderer*innen die Relevanz von Religion und kulturellen Deutungsmustern für die Konstruktion von Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit, Weiblichkeit und Männlichkeit sowie für die Herstellung individueller und kollektiver Identität. Die drei genannten Felder von Migration/Sesshaftigkeit, transnationaler Vergesellschaftung und Religion sind nur zugänglich und analysierbar über die Untersuchung von Differenzierungspraktiken, von Fragen des Umgangs mit sozialen, kulturellen, religiösen und geschlechtlichen Differenzen und vor allem mit Fragen der Herstellung und Funktion von Differenzen. Dabei spielt das Geschlecht als Differenzkategorie eine besondere Rolle. Auf der 17. Tagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der DGfE soll es anlässlich der gegenwärtigen erneuten Dramatisierung des Themas darum gehen, die Verschränkungen von Migration bzw. Sesshaftigkeit, Geschlecht und Religion zu untersuchen und der Frage nachzugehen, was daraus für die erziehungswissenschaftliche und pädagogische Praxis folgt. Denn das Feld von Erziehung und Pädagogik spielt eine zentrale Rolle in der Produktion von Zugehörigkeiten und Differenzen, in der Legitimation oder Bekämpfung von Ungleichheiten, in der Vermittlung oder Reflektion dominanter Diskurse. Folgende vier Themen sind vorgesehen: 1. Differenzierungspraktiken - - Konstruktionen von Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit/von Einschluss und Ausschluss im Zusammenhang mit Migration und Geschlecht, Unterscheidungspraktiken von Diskriminierung und Rassismus (Kulturelle) Deutungen und Bilder von Weiblichkeit, Männlichkeit und der Geschlechterordnung Geschlechterideologien im Zentrum der Idee/Fiktion einer homogenen Nation 2. Geschlechterperspektiven auf Migration und Sesshaftigkeit als historische und aktuelle Normalität - Migration und Sesshaftigkeit, Transmigration/Delokalisierung Veränderungen der Aufnahmegesellschaft durch Einwanderung Migration und Geschlecht über die Lebensspanne, Sozialisation und Bildung. Geschlechtsbezogene Gewalt und Unterdrückung als Ursache und Wirkung von Migration 3. Religion und Geschlecht - Religiöse Zuschreibungen bzw. die Engführung kultureller Identität auf das Religiöse Religion als Instrument, das Subjekte in ihren Praktiken begrenzt und unterdrückt, andererseits aber auch emanzipatorische Möglichkeitsräume eröffnet. Persistenz des Religiösen in pädagogischen Feldern und in Institutionen (religiöse Deutungsmuster und Mythen der Geschlechtszugehörigkeit, religiös gefärbte Leitbilder und pädagogische Konzepte, Feindseligkeit gegen Religion und Religiosität) 4. (Sozial-)pädagogisches Handeln - Flucht und Soziale Arbeit (geschlechterreflektierte und rassismuskritische Unterstützungsarbeit, Umgang mit Gewalt und Traumatisierung) Konzepte zum pädagogischen Umgang mit kultureller und geschlechtlicher Vielfalt Ein- und Ausschlüsse in erziehungswissenschaftlichen Denktraditionen Herausforderungen und Strategien rassismuskritischer Bildungsarbeit Wir wünschen uns Beiträge zu einem oder mehreren dieser Schwerpunkte. Exposés sollten maximal eine Seite umfassen. Wir bitten um Kenntlichmachung, ob der Beitrag sich auf ein aktuelles Forschungsvorhaben bezieht oder als breiterer thematischer Vortrag geplant ist. Wir bitten um Einsendungen bis 1.9.2016 an die Adresse [email protected].