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Hefte für marxistische Theorie und sozialistische Politik Bulletin
Ausgabe 48 / März 2016
Spendenempfehlung: 1€ + Porto
Inhalt dieser Ausgabe: Editorial
Seite 2 2 Syrienkrieg und Völkerrecht
Gespaltene Entwicklung
Seite 3
Zielscheiben des Westens
Friedenskampf als ein Hauptfeld des Klassenkampfes
Seite 7
Friedensstifter? Seite 30 Friedenspolitische Konferenz in Berlin
Frieden statt NATO
Seite 13
Programm der Konferenz
Seite 31
Am Krieg gescheitert
Seite 15
Impressum
Seite 32
Syrien, der "Krieg gegen den Terror", Linke und Friedensbewegung
Seite 19
Seite 24 Seite 28
editorial... Das Bulletin 48/März 2016 des Geraer Sozialistischer Dialog steht ganz im Zeichen der Friedenspolitischen Konferenz der LINKEN am 18. und 19. März 2016.in Berlin. Wichtige Themen der Konferenz sind: „Nach dem Scheitern des *War on Terror’ – für einen New Deal gegen Krieg, Fundamentalismus und Gewalt“, „Krieg schafft keinen Frieden. Linke Strategien gegen Terror und Krieg“, „Umbruch der Weltordnung und neue Imperiale Akteure?“, „Linke Alternativen für eine neue Friedenspolitik und „Strategien für eine neue Friedensbewegung“ 100 Jahre nach der im Januar 1916 begonnenen „Hölle von Verdun“ im Ersten Weltkrieg gab es in Syrien ähnliche militärische Höllenszenarien. Der Waffenstillstand am 23. Februar war ein Hoffnungszeichen, mehr wohl aber nicht. Der Krieg gegen den Terror ist selbst zum Terror geworden. Die NATO-Politik der militärischen Einkreisung der Russischen Föderation hält an. Polen, die Baltischen Staaten, Ungarn, Bulgarien, Tschechien und die Slowakei werden zu militärischen Basen der NATO ausgebaut. Die Welt ist voller Kriege und die Bundesrepublik Deutschland ist mit der Bundeswehr dabei. Von der militärischen Zurückhaltung in der Zeit der Systemkonfrontation hat die Bundesrepublik sich längst verabschiedet. Sie war und ist Kriegspartei in allen kriegerischen Konflikten seit 1999. Die Ausgaben für „Verteidigung“ lagen 2006 bei 27,9 Mrd. Euro oder 19 Prozent des Gesamthaushaltes. 2016 betragen sie 34,4 Mrd. Euro oder 23 Prozent. Die Bundeswehr nimmt derzeit an 18 laufenden Auslandseinsätzen mit rund 4.000 Soldaten teil, darunter in Afghanistan mit 850 Soldaten, im Irak mit 50 Ausbildern und mit 737 Soldaten im Kosovo. Es geht „Schlag auf Schlag“.. Am 4. Dezember 2015 beschloss der Bundestag die Teilnahme am Syrien-Krieg. Am 18. Januar 2016 ließ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verlauten, sie könne einen Einsatz der Bundeswehr in Libyen „nicht mehr auszuschließen“. Am 22. Februar wurde ein detaillierter Plan des US-amerikanischen Präsidenten bekannt, in Libyen militärisch zu 2
intervenieren, gegebenenfalls auch, bevor dort eine einheitliche Regierung gebildet wird. Zu Kriegen gehören Waffen, im Jahr 2014 verdoppelte die Bundesrepublik den Export von Kriegswaffen. Auf Kritik reagierte Sigmar Gabriel mit dem Versprechen einer entschieden strengeren Exportkontrolle für deutsche Waffen. Ungeachtet dessen erhöhte sich der Wert der Waffenexporte von 2014 auf 2015 von 6,5 auf 7,5 Mrd. Euro. Darunter waren Leopard IIKampfpanzer für das Emirat Katar im Werte von 1,6 Mrd. Euro. Was sind die Worte eines Wirtschaftsministers mit dem Parteibuch der SPD Wert angesichts der Profitinteressen der deutschen Rüstungsindustrie? Zu den einzelnen Beiträgen dieser Ausgabe des Bulletins: Wir stellen an den Anfang dieses Bulletins das Referat von Dr. Arnold Schölzel, Chefredakteur der jungen Welt, auf der Mitgliederversammlung des Geraer Sozialistischer Dialog am 13. Februar 2016 in Berlin unter dem Thema „Gespaltene Prozesse“ und zur Lage in der Partei DIE LINKE, angesichts der gesellschaftlichen Situation zu Beginn des Jahres 2016. Aus der Feder von Prof. Dr. Anton Latzo stammt der Beitrag „Der Schoß ist fruchtbar noch, Friedenskampf als ein Hauptfeld des Klassenkampfes“. Seine zentrale These: „Nach der Konterrevolution und der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion und in den sozialistischen Staaten in Europa ist die Rückkehr des Krieges als Mittel der imperialistischen Mächte zur Durchsetzung politischer Ziele zum kennzeichnenden Merkmal des Alltags im Kapitalismus geworden“. „Frieden statt NATO“ lautet der Beschluss der Bundesversammlung des Geraer Sozialistischer Dialog vom13. Februar 2016, in dem wir unsere Position zur Friedensfrage darlegen, unter anderem mit der Einschätzung: „Die NATO und die besondere der USAImperialismus tragen die Hauptverantwortung für diese menschenverachtende, den Weltfrieden gefährdende Situation.“ Der Beitrag von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, „Am Krieg gescheitert“ beschäftigt sich mit der Geschichte der deutschen Linken zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Der DKPVorsitzende schreibt über Konsequenzen und Aufgaben, die sich aus dieser
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Geschichte und aus einem marxistischen Verständnis der Weltlage von heute ergeben. . „Syrien, der Krieg gegen den Terror, Linke und Friedensbewegung“ ist das Thema des Beitrages der Friedensaktivistin von Doris Pumphrey. „Seit dem Ende der Sowjetunion – und mit ihr des Warschauer Vertrages – befinden sich die USA (mit wechselnden Gruppen von Verbündeten)“, so die Autorin, „in einer permanenten Aggression gegen andere Länder, direkt mit eigenen militärischen Interventionen oder indirekt mit finanzieller, geheimdienstlicher und militärischer Unterstützung von Oppositionsgruppen und mit regionalen Verbündeten, um sich die Welt ihren Interessen unterzuordnen.“ Gregor Schirmer, Professor für Völkerrecht, widmet sich dem Thema „Syrien und das Völkerrecht“. Dieser Beitrag beginnt mit den Fragen „Was geht in Syrien eigentlich vor? Kann man das tödliche Durcheinander überhaupt mit rechtlichen Mitteln erfassen? Das ist in der Tat schwierig. Maßstab ist vor allen die UNO-Charta, an die all am Konflikt direkt oder indirekt beteiligten als Mitglieder der UN gebunden sind.“ In sechs Punkten behandelt der Autor als Völkerrechtler seine Sicht zur Situation in Syrien und fasst diese in den Sätzen zusammen: „Alles in allem: Wir haben es in Syrien mit einer ziemlich verworrenen Verquickung von Bürgerkrieg, internationalem Krieg, der auf der einen Seite eine Aggression westlicher Länder ist und auf der anderen Seite eine Selbstverteidigung Syriens, sowie flächendeckendem Terror und Massenflucht zu tun.“ Im abschließenden Beitrag „Zielscheibe des Westens“ erläutert und belegt Domenico Losurdo die bereits im Untertitel vertretene Position: „Die US-geführten Interventionen der vergangenen Jahre haben sich immer gegen Länder mit antikolonialer Revolution gerichtet. Das Hauptaugenmerk gilt Russland und China“. Abschließend veröffentlichen wir die Einladung mit dem Programmablauf zur Friedenspolitischen Konferenz der Partei DIE LINKE in Berlin. Auf eine Buchvorstellung und auf Artikel zu weiteren aktuellen Themen haben wir in dieser Ausgabe verzichtet. Anton Latzo Ekkehard Lieberam Renato Lorenz Jochen Traut Bulletin ● Geraer Sozialistischer Dialog
Gespaltene Entwicklung Mit „gespaltener Entwicklung“ kennzeichne ich mehrere Prozesse. Am wichtigsten erscheint mir dabei der als dritte industrielle Revolution, Digitalisierung der Wirtschaft oder mit einem Terminus aus der DDR als wissenschaftlichtechnische Revolution bezeichnete Entwicklung insbesondere der technischen Produktivkräfte. Die Geschwindigkeit der Entwicklung ist durch den Rhythmus, in dem sich die technischen Entwicklungen auf diesem Gebiet abspielen, charakterisiert. Das Smartphone gibt es seit knapp zehn Jahren, es steht für eine Miniaturisierung der benötigten Prozessoren, die für alle wirtschaftlichen Gebiete von umwälzender Bedeutung ist. Der Prozeß dieser Verkleinerung und gleichzeitiger Erhöhung der Rechengeschwindigkeit ist noch längst nicht am Ende. Unmittelbar verbunden mit dieser Entwicklung ist eine Qualifizierung von hunderten Millionen Menschen auf mathematischtechnischem Gebiet, von einem Zuwachs an wacher Intelligenz, an allerdings unorganisierter illusionsloser Analysefähigkeit gesellschaftlicher Lagen – bei Fehlen einer wissenschaftlichen Weltanschauung – und bei gleichzeitiger Dequalifizierung von wahrscheinlich Milliarden Berufstätigen. Das hat Folgen für die Produktionsverhältnisse. Konzentration und Zentralisation, Monopolbildung gehen in großen Schüben voran. Die kalifornischen Internetkonzerne sind heute die an den Börsen am höchsten bewerteten Monopole der Welt. Apple hat allein ungefähr 200 Milliarden US-Dollar in Vermögenswerten angelegt. Die deutAusgabe 48 März 2016
sche Industrie hat den Anspruch aufgestellt, beim Internet der Dinge, der sogenannten Industrie 4.0, die Nase weltweit vorn zu haben und die Softwarestandards zu setzen. Was daraus wird, ist offen. Aber am 9. Februar 2016 berichteten verschiedene Medien, Bosch trete im Zukunftsgeschäft mit der Vernetzung des Alltags mit einem eigenen Cloud-Dienst gegen die Konkurrenz an. Konzernchef Volkmar Denner erklärte in Berlin, der Service sei „das letzte Puzzleteil in unserer Softwarekompetenz“. Damit werde Bosch zu einem Komplett-Anbieter für Vernetzung und das sogenannte Internet der Dinge. Bosch starte zunächst in Deutschland mit einem eigenen Rechenzentrum in der Nähe von Stuttgart. Es gebe aber einen klaren Plan für einen weltweiten Ausbau, betonte Denner ohne nähere Details. Er erklärte: „Die Vernetzung der Welt ist ein ganz zentraler Kern der Bosch-Strategie.“ In den Medienberichten hieß es, der eigene CloudService bringe den Konzern stärker in Wettbewerb zu Diensteanbietern wie IBM, Cisco, SAP oder Amazon. Die gesellschaftlichen Folgen dieser Entwicklung, insbesondere in den Eigentumsverhältnissen, sind noch unüberschaubar. In einem Auszug aus einem Buch, das 2017 erscheinen soll, beschrieb die USWissenschaftlerin Shoshanna Zuboff am 3. März in der FAZ die sich daraus entwickelnde „Unterart des Kapitalismus“ als „Überwachungskapitalismus“. In Worten, die in mancher Hinsicht an Hilferdings Beschreibung des Übergangs von der Freiheit des Kapitalismus der freien Konkurrenz zur alles durchdringenden Herrschaft der Monopole, beschrieb sie dessen Konsequenzen: „Der Überwachungskapitalismus führt zu keiner Erosion der Entscheidungsrechte – zusammen mit deren Ursachen und Wirkungen –, sondern zu einer Neuverteilung. Nun haben nicht mehr viele Menschen einige Rechte,
vielmehr konzentrieren sich diese Rechte innerhalb des Überwachungsregimes und eröffnen damit eine neue Dimension sozialer Ungleichheit. Der Überwachungskapitalismus reicht über den herkömmlichen institutionellen Bereich des Privatunternehmens hinaus. Er akkumuliert nicht nur Überwachungstechniken und Kapital, sondern auch Rechte. (...)Im Ergebnis bringt der Überwachungskapitalismus eine zutiefst antidemokratische Macht hervor, die einem Putsch nahekommt, allerdings keinem coup d’état im herkömmlichen Sinne, der dem Staat gilt, sondern einem coup des gens, der den Menschen ihre Souveränität nimmt. Er stellt Prinzipien und Praktiken der Selbstbestimmung – im psychischen und sozialen Leben, in Politik und Regierung – in Frage, für die die Menschheit lange gelitten und große Opfer gebracht hat.“ Zuboff beschreibt so die andere Seite der gespaltenen Entwicklung: Der Progression der Technik entspricht umfassende gesellschaftliche Regression, Produktivkräfte werden mit ihrer Anwendung zu Destruktivkräften. Es geht dabei nicht nur um die technisch nun leicht handhabbare Überwachung und vor allem kapitalistisch verwertbare Vorhersage des Verhaltens von Milliarden Menschen, wie Zuboff meint. Es geht um ein Zurückbleiben der gesellschaftlichen Entwicklung hinter dem Voranstürmen zu einer technologischen Basis, die nur unter sozialistischen Verhältnissen nicht zur Katastrophe, zur Fesselung von Emanzipation wird. Es wird, lässt sich sagen, vor unseren Augen die materiell-technische Basis des Kommunismus geschaffen. Ihre Inbesitznahme durch den Kapitalismus hat verheerende Folgen: Wer sich nicht für diese Technik qualifiziert, riskiert die Ausgrenzung aus der Gesellschaft. In den entwickelten kapitalistischen Ge3
sellschaft bildet sich eine nicht unbeträchtliche Minorität von 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht vorgesehen ist. Vielmehr sind lebenslange Armutskarrieren, Vorenthalten von Bildung und Kultur bis hin zur absoluten Verelendung gewollt. Die Nichtteilnahme fast der Hälfte der Bevölkerung am politischen Leben, etwa die Teilnahme an Wahlen, ist einkalkuliert. Ökonomische Konsequenz: Dauerkrise, Vergrößerung der Ungleichgewichte, Stärkerwerden der Stärksten, speziell D. und USA. Ausnahme, gewissermaßen abgespalten, aber nicht außerhalb, ist China, das offenbar ökonomisch, formationstheoretisch anders zu betrachten ist: Eine Gesellschaftsordnung eigener Art, die asiatische Produktionsweise in ganz anderer Bedeutung als von Marx gemeint. Eine weitere Folge ist die Verknüpfung dieser Spaltung in Vorwärts und Rückwärts mit einer permanenten wirtschaftlichen Krise. Was im August 2007 mit der Hypothekenkrise in den USA begann, ist nach neun Jahren in keiner Form gelöst - siehe Lucas Zeise: Überakkumulation und Unterkonsumtion sind die entscheidenden klassischen Merkmale und zwar auch im Finanzsektor: Es gibt ein Überangebot an liquiden Geldmassen (von Warren Buffett als Massenvernichtungswaffen bezeichnet) und mangelnde Geldbzw. Kreditnachfrage auf der anderen Seite. Andererseits: Die Konzerne verdienen genug, Das „Handelsblatt“ meldete am 8. März neue Redkordzahlen bei den Dividendenauszahlungen der DaxKonzerne (38 Milliarden Euro). Bislang steckt VW zehn Milliarden Verlust aus dem Abgasbetrug mit Leichtigkeit weg, die RusslandSanktionen wurden von der deutschen Großindustrie mit Exporten 4
in die USA überkompensiert. Gravierender ist eher der Ausfall der Nachfrage in einzelnen Ländern wie z. B. Frankreich, das zum ersten Mal seit Jahrzehnten 2015 nicht mehr größter Handelspartner der Bundesrepublik war.
Exkolonien nicht mehr bezahlen kann, wenn es seine militärischen Fähigkeiten völlig überdehnt hat, springt Berlin militärisch und finanziell ein – aber nicht mehr als Juniorpartner wie 1991 beim USGolfkrieg, sondern als Führungsnation, die für Stabilität im eigeDas ist nicht ein einfacher Wider- nen Beritt sorgen muss. Die Notspruch wie gewöhnlich, es ist wendigkeit, die Führungsposition Sprengstoff der Weltwirtschaft. auch militärisch unter Beweis zu Zerohedge beziffert die Auslands- stellen, ist da und diese Führungsverschuldung der Schwellenlänaufgabe wird übernommen werder in Fremdwährungen, also Dol- den. Das Papier von 2013 „Neue lar oder Euro, auf 11 Billionen. Macht. Neue Verantwortung“ hatSollte dieses Kapital flüchten oder te den falschen Titel. Richtig muss sich auch nur das Gerücht verbrei- es heißen „Neue Großmacht. Groten – und die Zinserhöhung in den ße Verantwortung“. USA wäre ein Anlass – kann es zur Kernschmelze des Finanz- Auf der anderen Seite nehmen markts und entsprechenden Rück- eben dadurch die Bruchlinien inwirkungen auf die sogenannte nerhalb der EU zu. Gegenseitige Realwirtschaft kommen. Drohungen, einseitige Aktionen und Verletzung von EU- Selbstverständlich ist das nicht Regelungen sind an der Tagesorddas Ende des Kapitalismus, wohl nung. Die EU als imperialistisches aber, um Altvater zu zitieren, das Konstrukt war immer ein KrisenEnde des Kapitalismus wie wir ihn mechanismus, um Konkurrenz zu kennen. Die wahrscheinlichen mildern, derzeit häufen sich die Erscheinungen sind Wirtschaftslauten Überlegungen führender krieg, demnächst wahrscheinlich Politiker, radikale Veränderungen auch ein Währungskrieg, d. h. vorzunehmen. Der Beschluss zur verstärkte Konkurrenz der WirtÜberarbeitung des Schengenschaftszentren, Dominanz einiger Abkommens ist da eher nebenLänder in ganzen Regionen, Neu- sächlich, aufs Ganze gesehen aber aufteilung von Interessensphären, ein Musterfall. Verstärkung des Staatsmonopolismus zur Krisenregulierung, neue, - Deutschlands Politikmodell derveränderte Herrschaftsformen, zeit in der EU: Es lenkt seine reladarunter autoritäre und faschisti- tiv schwächeren Partner, ohne sie sche. Es erscheint denkbar, dass zu kontrollieren. Es handelt sich die BRICS-Staaten, einige Länder so gesehen um die Erfüllung des Lateinamerikas sich davon abkop- Kriegszielprogramms von Bethpeln, ohne sozialistisch zu werden. mann Hollweg vom September 1914, wo das fast wörtlich so for- Zwei Staaten sind aus der Krise muliert wurde. Allerdings hat Berbislang gestärkt hervorgegangen: lin 2015 dazu genutzt, die Rolle Für die BRD war das seit 2010 so. der Führungsnation sichtbarer zu Sie hat in der EU einen derzeit spielen als früher. Das war in der uneinholbaren Vorsprung ökono- Schlacht mit der Syriza-Regierung misch und als politische Führungs- deutlich zu verfolgen. Eine Zäsur macht. Die Zeiten von gleicher stellte dar, dass Schäuble mal Augenhöhe mit Frankreich, symeben den Vorschlag machte, Griebolisiert durch „Merkozy“, sind chenlands Mitgliedschaft im Euro vorbei. Wenn Paris die Politik der zu suspendieren. Die Zäsur besteht neokolonialen Führung seiner darin, dass Deutschland, das aus
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historischen und strategischen Gründen an der Einheit der EU interessiert ist, zum erstenmal die Irreversibilität der Währung in Frage stellte. Es gewann schließlich die Schlacht mit Athen, gerade wegen dieser Frage, verlor aber den PR-Krieg. - Als kurz nach der Kapitulation Athens die Zuwanderung zu einer nächsten Krise führte, war Berlins „freundliche Deutschen“-Politik fast unausweichlich. Noch einmal Hässlichkeiten alten Stils – die deutsche Exportindustrie war in großer Sorge. In den Auseinandersetzungen in der EU setzte Berlin aber rasch auf Erpressung kleinerer Partner: Es drohte mit Kürzung von EU-Fonds bei Nichtübernahme von Asylsuchenden. Spanien und Frankreich beugten sich bald, Polen schwenkte symbolisch in letzter Minute ein, der Beschluss über die Umverteilung von Flüchtlingen markierte eine zweite Zäsur (auch wenn er nicht umgesetzt wurde): Erstmals gab es keine Konsensentscheidung – Rumänien, Tschechien, Slowakei und Ungarn stimmten dagegen, Finnland enthielt sich. Die nationalen Interessen waren wieder da. Anders gesagt: Deutschland hat zweimal faktisch allein entschieden, ein drittes Mal könnte der EU -Türkei-Gipfel am 7. März 2016 gewesen sein. Lautstark wird der Verdacht geäußert, dass der „überraschende“ Vorschlag der Türkei, alle irregulären Migranten aus Griechenland zurückzunehmen, in Berlin erfunden wurde. Das gab es alles noch nicht in der EU. Sie ist dabei, ein „Unimultipolares System“ zu werden. Das Dilemma: Diktiert Berlin, gibt es Widerstand, verzichtet es auf Führung, verstärken sich die zentrifugalen Tendenzen. Der britische Historiker Brendan Simms hat diese Entwicklung 2014 in seinem Buch „Kampf um Vorherrschaft. Eine deutsche Geschichte Europas von 1453 bis zur Ausgabe 48 März 2016
Gegenwart“ auf interessante Weise antizipiert: Europas Politik, so seine These, dreht sich seit bald 600 Jahren darum, wer den deutschen „Kaiser“ bestimmt. - Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die deutsche Innenpolitik. Sie lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Rechtsruck. Er wurde vorbereitet durch das, was SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit an imperialistischen Kriegen und sozialdarwinistischen Maßnahmen realisiert haben. Dem Völkerrechtsnihilismus entsprach die hemmungslose Zerstörung der sozialstaatlichen Regelungen und der Errungenschaften der Arbeiterbewegung, die bewusst in Angriff genommene Demontage bürgerlicher Demokratie. Die politische und mediale Empörungswelle über Pegida, AfD und anderes Unappetitliche lenkt davon ab, wer und womit den Rechtsruck in der Bundesrepublik eingeleitet hat. So wie der Angriffskrieg gegen Jugoslawien mit „Nie wieder Auschwitz“ antifaschistisch gerechtfertigt wurde, so verkündeten die Abrissbirnenschwinger der sozialen und kommunalen Grundversorgung die „Eigenverantwortung“ oder das „Fordern und fördern“ statt der „sozialen Hängematte“
mistischer Politik, von revolutionärer ganz zu schweigen. - In den Koalitionsparteien ist noch nicht entschieden, ob sie bei den bevorstehenden Wahlen auf die chauvinistische Karte setzen. Merkel versucht ein sowohl als auch, Gabriel hat für die SPD noch nicht entschieden, wohin die Reise gehen soll. - In diesem Kontext erhält rechte, konservative, nationalistische Ideologie neue Bedeutung. Die neoliberal genannte Variante imperialistischer Politik enthielt stets jene Komponente, die Losurdo in Anlehnung an die kolonialistische „White Supremacy“-Ideologie, die ich selbst für in allen englischsprachigen Ländern dominierend halte, „Herrenvolkideologie“ genannt hat: Die Ideologie einer fundamentalen Ungleichheit und Superiorität bzw Inferiorität von Kulturen, politischen und Wirtschaftssystemen. Ein postmodern gestylter Rassismus sozusagen, der den sozialen Rassismus von oben nach unten offen ausspricht, sich beim horizontalen Rassismus gegen andere Nationen aber zurückhält. Schon wegen der Exportquote. Keine hässlichen Deutschen.
- Die salonfähige Verbreitung dieser neuen Kombination entwickel- Die sozialen Voraussetzungen te sich über Thilo Sarrazin, diverse dieses Rechtsrucks, der 1998 beWirrköpfe, intellektuelle Neonazis gann und nun von den Originalen und schließlich die Professoren in getragen wird, die auf die Beruder AfD seit 2013. Ein attraktives fung auf „Nie wieder Auschwitz“ Angebot für von Abstiegsängsten gern verzichten, liegen auf der geplagte Mittelständler, insbesonHand: Spaltung der Arbeiterklasse dere konservativ gestimmte Freiin mehrfacher Hinsicht, Hinnahme berufler, aber auch mit starken dieser Spaltung durch die Gewerk- Sympathien im Staatsapparat. schaften oder wie im Fall der IG Vieles erinnert übrigens an das Metall sogar die Erklärung, den ungarische Modell mit der Losung Dachverband, den DGB, links lie- „Ungarn soll vernichtet werden“ gen zu lassen, zu schwächen. In von Linken, Schwulen und der EU, den Kernbelegschaften der Groß- der Politik Viktor Orbáns für den konzerne herrscht ein seit Jahrmultifrustrierten Normalbürger zehnten verankerter Standortnati- und mit der Neonazipartei Jobbik onalismus, damit auch Schwäals intellektueller und aktivistichung der Basis traditionell refor- scher Reserve, Steigbügelhalter 5
und Scharfmachergruppe. - Neofaschisten erhalten eine neue Funktion in der Bundesrepublik. Verstärkte soziale Demagogie trifft in der Krise ohne sichtbares Ende auf Unzufriedenheit und Angst. Jürgen Elsässers Funktion ist eine andere als vor eineinhalb Jahren: Er und andere stellen keine eigene politische Kategorie dar, sie sind aber Stimmungsreflektoren und – verstärker.
die zunehmende Aggressivität des Imperialismus, ja sogar die wachsende Kriegsgefahr. Der stellt sich hinter „Adopt a Revolution“, weil er offenbar weismachen will, der arabische Frühling habe Gaddafi umgebracht und bei Assad sei es dasselbe. Die zweite Stufe des Roll Back – nach der Beseitigung und dem Zerfall des realen Sozialismus in Europa und Russland, nämlich die Vernichtung aller Errungenschaften der antikolonialen Befreiungsbewegungen in einer Kette imperialistischer Weltordnungskriege ist nie ernsthaft begriffen worden. Das führt letztlich dazu, dass man in einem Atemzug Kriegshetze und Friedensbewegung betreiben will. Das wird nur übertroffen, den Sozialismus mit Hilfe des Imperialismus durch
dann ist das vom Standpunkt der herrschenden Klasse ein Austesten, wie eine solche Bewegung in Deutschland funktionieren kann. Es besteht kein Zweifel: Bei ausreichender Resonanz wird auf dieses politische Reservepotential zurückgegriffen.
In der Geschichte der Linken, der Arbeiterbewegung ist die Forderung einzelner nicht neu, sich den „besorgten Bürgern“ oder national, in Wirklichkeit völkisch Gesinn- Diese zeitweise öffentlichkeitsten anzunähern. Das Resultat war wirksame Rolle konnten sie nur stets gleich verheerend. Der ergewinnen, weil die Linke und die hoffte Gewinn von Patrioten blieb Friedensbewegung auf die Besetaus, dafür kam die nationale Dezung wichtiger Felder verzichten. magogie des Großkapitals zum Das betrifft jede Form der MobiliZug, d. h. gewann eine Massenbasierung auf der Straße für die sozisis. Die Schlussfolgerung lautet: ale Frage. Massenmobilisierung Um Bündnispartner kämpfen, sie durfte nie sein. Das Thema zu Wort kommen lassen, die Syrien-Krieg und Ukraine– aus welcher Motivation » Für wirksamen Widerstand auch immer – sich gegen Krieg haben die Rechten gegen den Rechtsruck fällt die Lin- Krieg und vielleicht sogar besetzt, bevor die Linke auch nur anfing, über ihre ke faktisch aus – trotz der Bemü- gegen Kapitalismus äußern. Äquidistanz, die selbstverDie Frage nach Krieg und hungen vieler Mitglieder. « ständlich de facto auf UnFrieden ist, daran hat sich terstützung für die Positiseit Togliattis Rede auf dem on, insbesondere für die angeblich „Transformation“ einzuführen. Für VII. Weltkongresse nichts geänzurückhaltende der Merkelwirksamen Widerstand gegen den dert, das Hautkettenglied unserer Regierung, hinauslief zu diskutie- Rechtsruck fällt die Linke faktisch Strategie und Taktik, erst recht in ren. Sie tut es bis heute nicht, aus – trotz der Bemühungen vieler Zeiten, da mit dem Gedanken an fängt sich aber dafür Unfug wie Mitglieder. einen dritten Weltkrieg gespielt den von Christine Buchholz ein – wird und die Konfrontation sich die Syrer fliehen vor Assad und - So blöd sind selbst deutsche zuspitzt. Es gilt aber auch: Wir den Russen, nicht vor dem IS. Da Wähler nicht. Es muss sich niesind für Volksfront, nicht für erledigen dann eben Russland und mand wundern, wenn die Leute Volksgemeinschaft, für Politik und die USA die Dinge weitgehend wie 2014 allein auf die Straße ge- nicht für Anpassung an den Irratiuntereinander. hen, egal, wer da zur Kundgebung onalismus dieses Systems. aufruft. Wenn sich KleinkriminelArnold Schölzel - Wer als Partei seinen Marxismus le wie in Dresden, Neonazis wie vergisst, der verschläft die Krise, anderswo an die Spitze stellen,
„Sie lügen wie gedruckt wir drucken wie sie lügen.“ 6
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Immer noch haben diejenigen die Welt zur Hölle gemacht, die vorgeben, sie zum Paradies zu machen. Friedrich Hölderlin
Der Schoß ist fruchtbar noch, ... Friedenskampf als ein Hauptfeld des Klassenkampfes Nach der Konterrevolution und der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion und in den sozialistischen Staaten in Europa ist die Rückkehr des Krieges als Mittel der imperialistischen Mächte zur Durchsetzung politischer Ziele zum kennzeichnenden Merkmal des Alltags im Kapitalismus geworden. Im Ergebnis der Restauration des Kapitalismus und der damit verbundenen Politik der sozialen Revanche bestimmen erneut innere und internationale Ausbeutung, Unterdrückung und Repression, antidemokratische Entwicklungen und Militarisierung in Politik und Gesellschaft den Verlauf der internationalen Beziehungen in der aktuellen kapitalistischen Welt. Es darf nicht vergessen werden: Seit dem Beginn der imperialistischen Epoche des Kapitalismus hatte jeder Krieg in Europa die Tendenz, sich zu einem Weltkrieg auszuweiten. Zwei Weltkriege musste die Menschheit erleiden. Unter den Bedingungen der Herrschaft des Kapitalismus in ganz Europa stellt sich auch die Frage von Krieg und Frieden mit neuen Bedrohlichkeiten. Die Gefahren für den Frieden haben allseits, innenwie außenpolitisch, zugenommen. Die Osterweiterung der NATO und der EU haben die internationalen Widersprüche zusätzlich verschärft. Die imperialistischen Mächte haben sich die mittel- und osteuropäischen Staaten untergeordnet. Mit ihrem Eindringen in die ehemaligen Sowjetrepubliken haben sie sich unmittelbar an den Grenzen Russlands festgesetzt und um Russland einen mit Militärstützpunkten und Raketen bestückten Wall vom Baltikum, über Mittel Ausgabe 48 März 2016
- und Osteuropa, über das Schwarze Meer und bis hinter Georgien eingerichtet. Die Lücke, die durch die Ukraine und Belorussland gebildet wurde, soll noch geschlossen werden! In der Ukraine ist man schon dabei. Das Baltikum, Mittelund Osteuropa sind zum Aufmarschgebiet der NATO und EU sowie zum Feld der Austragung von Widersprüchen zwischen ihren Hauptmächten geworden. Die Staaten dieses geographischen Raumes spielten aber nicht immer diese Rolle. Bis 1989 gingen von ihnen immer wieder Initiativen aus, die Frieden erhaltende Wirkungen hatten. Die sozialistische Gesellschaft erzeugte solche internationale Verhältnisse, die sie für die Gestaltung einer menschlichen und von Ausbeutung freien Gesellschaft brauchte. Das war Frieden! In 25 Jahren hat der Imperialismus das internationale und europäische System, das 40 Jahre Frieden ermöglicht hat, zerstört. Er ist aber nicht in der Lage, ähnliches zu schaffen. Die NATO- und EUMächte streben aktiv danach, den geopolitischen Raum zu erobern. Eine Schlussfolgerung, die sich daraus ergibt: Die ökonomische, politische und gesellschaftliche Realität weist uns mit aller Eindringlichkeit darauf hin, dass der Krieg keine isolierte gesellschaftliche Erscheinung ist. Sein Entstehen, sein Wesen und sein Charakter sind nur zu verstehen, wenn sie historisch und aus der Gesamtheit der gesellschaftlichen Zusammenhänge betrachtet werden. Der Krieg ist Ausdruck und Fortsetzung einer bestimmten Klassenpolitik.
Zur Lage Der Übergang der NATO, der USA und der Hauptmächte der EU zu feindlichen politischen, ökonomischen und militärischen Handlungen gegenüber Russland und der VR China und zum Aufbau der militärischen Infrastruktur an der Grenze Russlands ist eine sich zuspitzende Gefahr für den Frieden und zeigt, dass die NATO und ihre imperialistischen Mächte nicht fähig und nicht Willens sind, ihren genetischen Code, den genetischen Code des Imperialismus zu ändern. Deshalb muss eine Hauptrichtung im internationalen Klassenkampf auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen vom Kampf für die Demokratisierung der internationalen Beziehungen auf der Grundlage der allgemein-demokratischen Prinzipien des Völkerrechts charakterisiert werden. Die Durchsetzung demokratisch gestalteter internationaler Verhältnisse erfordert aber einen konsequenten antiimperialistischen Kampf, der vom Klassenwesen des Imperialismus ausgeht und die Mobilisierung der breitesten Öffentlichkeit anstrebt. Die Kritik der Außenpolitik der imperialistischen Mächte, ihrer expansionistischen Ziele und aggressiven Handlungen ohne Berücksichtigung ihrer klassenmäßigen Grundlagen stumpft ihre Wirkung ab und schränkt ihre mobilisierende Kraft gegenüber breiten Schichten der Bevölkerung ein. Sie trägt nicht wenig zur Irreführung der Menschen bei. Unter den gegenwärtigen Bedingungen beinhaltet der Kampf für die Demokratisierung der internationalen Beziehungen jene Kräfte zu 7
mobilisieren, die es verhindern können, dass der USAImperialismus sein Konzept von der Weltherrschaft (unipolare Welt) durchsetzen kann. Es heißt zugleich, gegen jegliche andere Versuche imperialistischer Staaten zu mobilisieren, die im Kampf gegen die Vorherrschaft des USAImperialismus ihre eigenen imperialistischen Ziele (siehe deutscher Imperialismus) verwirklichen wollen. Es gilt, in dieser Phase diese Bestrebungen wenigstens zu paralysieren. Auch die EU hat sich zu einer wirtschaftlichen und politischen Struktur der imperialistischen Staaten entwickelt, die sich bei gleichzeitiger Ausgestaltung der Führungsrolle der BRD immer stärker als Zentrum a) für Expansion des Imperialismus nach dem Osten und b) für den Kampf gegen den mit den USA „gemeinsamen“ Feind (Russland) profiliert und aktiv wird. Es gibt keine Gewähr mehr, dass das nach 1945 entwickelte und wirksam funktionierende System der globalen und regionalen Sicherheit existieren und seine Funktion erfüllen kann. Im Gegenteil: durch die imperialistischen Mächte werden die letzten Reste (OSZE) zielgerichtet geschwächt, zersplittert und deformiert. Ein eindeutig profiliertes, mit gegenseitigen Sicherheiten und Verpflichtungen der Staaten versehenes derartiges System, weicht zunehmenden Anzeichen einer weltweiten und regionalen, vom Imperialismus gewollten Anarchie, in der er sein „Süppchen kochen“ kann. Die Risikofaktoren für regionale und globale Stabilität und Gefahren für den Frieden entstehen dabei nicht nur aus der Entwicklung des Kapitalismus und der bestehenden Widersprüche zwischen 8
den kapitalistischen Staaten. Sie entstehen zunehmend auch aus der inneren Instabilität in einzelnen Ländern. Das betrifft besonders Länder, die sich an der Stoßstelle der geopolitischen Interessen der imperialistischen Staaten oder an der Grenze kulturellhistorischer oder ökonomischer Ordnungen befinden. Positionen und Verhalten der USA Die USA haben seit 1990 insgesamt 19 Kriege und bewaffnete Interventionen geführt. Und bei all diesen Handlungen agieren sie sowohl in als auch außerhalb der NATO. Sie wollen die NATO und die EU einbinden, aber sich nicht durch diese behindern lassen, ihre imperialistischen Ziele zu verwirklichen. „Unser erstes Ziel ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen zu verhindern, egal ob auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo, der eine ähnliche Bedrohung darstellt wie die Sowjetunion. Das erfordert, dass wir verhindern, dass eine feindliche Macht eine Region dominiert, deren unter Kontrolle gebrachten Ressourcen ausreichen würden, eine neue Weltmacht zu schaffen. Diese Regionen beinhalten Westeuropa, Ostasien, das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und Südwestasien.“ (Z. Brzezinski, Die einzige
Weltmacht) Damit wird „Amerikas globale Führungsrolle“ klar definiert. Es geht den USA nicht um Frieden, nicht um gleichberechtigte Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil. Es geht auch nicht primär um eine bestimmte Region. Es ist die Weltherrschaft, die das Hauptmotiv, die Triebfeder des USA-Imperialismus ist. Es geht um die Ausschaltung jeglicher Konkurrenz und des Konkurrenten! In diesem Sinne sind alle Regionen betroffen. Natürlich richtet sich der Hauptstoß primär gegen Russland und die VR China. Aber auch Westeuropa, die EU, die BRD blei-
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ben nicht verschont! Mit erstaunlicher Offenheit wies George Friedman (Chef der USADenkfabrik Stratfor) darauf hin, dass ein „außenpolitisches Grundinteresse“ der USA, „wofür wir seit Jahrhunderten die Kriege führten – erster und zweiter Weltkrieg und kalter Krieg - … die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland (waren). Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es, sicherzustellen, dass das nicht geschieht.“ Im Konzept der USA besteht kein „Europa“. Es gibt in ihrem Konzept keine Anzeichen dafür, dass sie ihre Außenpolitik, ihre Beziehungen und ihr internationales Verhalten unter Einbeziehung eines zusammenhängenden Gebildes namens „Europa“ planen und durchführen. Stattdessen unterhalten die USA Beziehungen zu den einzelnen Staaten Europas und nicht zu einer „europäischen“ Entität. Das ist auch der Ausgangspunkt für die Charakterisierung eines „alten Europas“ (Westeuropa) und eines „neuen Europas“ (Mittel und Osteuropa, einschließlich ehemalige Sowjetrepubliken). Die Errichtung der Militärstützpunkte in den Ländern Osteuropas, die Einrichtung von Raketenstellungen in Polen, Rumänien, Bulgarien, die Lieferung von Waffen an Estland, Lettland, Litauen, an Rumänien, Polen und Bulgarien sowie an die Ukraine erfolgen dem entsprechend nicht im Rahmen der NATO, sondern außerhalb der Institutionen der NATO, zum nicht auf die Zustimmung der anderen NATO-Staaten angewiesen zu sein. Damit erhalten sich die USA die Möglichkeit, den „Sicherheitsgürtel“ um Russland mit der NATO, aber auch ohne das Mitwirken der anderen imperialistischen Hauptmächte der NATO und der EU zu errichten, sich bei ihren aggressiven Handlungen jeglicher Kontrolle zu entziehen! Die Bestrebungen der USA laufen darauf hinaus, zu Bulletin ● Geraer Sozialistischer Dialog
vermeiden, dass eine starke Europäische Union unter deutscher Führung, die auch noch erträgliche Beziehungen zu Russland und zu einer möglichen Eurasischen Union unterhält, in die Lage versetzt wird, die USA in eine ökonomische und geostrategische Randposition gedrängt wird. Die USA sind eine auf ökonomische Stärke und vor allem auf militärische Übermacht basierende imperialistische Macht, die hemmungslos von ihrem militärischen Potenzial und Apparat Gebrauch macht. Trotz abnehmender Stärke als Tendenz dürfte sie in den nächsten 10 Jahren diese Position erhalten können. Dazu dürfte vor allem beitragen, dass auf der Grundlage ihres wissenschaftlichtechnischen Potenzials sie in der Lage sein wird, die Kontrolle über die Ozeane und im Weltraum als Fundament ihrer Macht zu erhalten. Im Rahmen solcher strategischer Überlegungen sind die USA gegenwärtig Hauptaggressionsmacht in der Ukraine. Die USA und ihre europäischen „Verbündeten“ sind aufs Neue militärisch im Nahen und Mittleren Osten aktiv. Sie schüren in Asien immer neue Konflikte um a) eigene Expansion zu betreiben und b) Verständigung zwischen der VR China, Indien und Japan zu verhindern. In Afrika tobt der Konkurrenzkampf zwischen allen imperialistischen Mächten. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass der Kampf um die Neuverteilung der Rohstoffquellen und der Absatzmärkte sowie um politische Einflusssphären fast überall mit militärischen Mitteln ausgetragen wird. Die Tendenz zum Einsatz des Militärischen gewinnt in der Strategie der imperialistischen Staaten die Oberhand! Vielfältige Schritte verdeutlichen den zunehmenden Einfluss des Militärischen in der Durchsetzung der politischen Ziele der imperialistischen Mächte. So wird z.B. in den Ausgabe 48 März 2016
strategischen Planungen für die Gegenwart und die nächste Zeit die USA darauf ausgerichtet, dass die Gefahren, die den USA drohen, vor allem von der VR China und von Russland ausgehen. Damit sind die VR China und Russland an die erste Stelle möglicher amerikanischer Zielobjekte gerückt. Sie wurden noch vor die Länder (KDVR, Iran, Irak, Syrien) gesetzt, die George W. Bush in seiner berüchtigten Rede von 2002 auf der „Achse des Bösen“ verortet hatte. In der Nationalen Militärstrategie, die im Sommer 2015 (www.welt.de) vom Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs Martin Dempsey vorgelegt wurde, heißt es, dass die Gefahr eines Krieges mit einer anderen Großmacht wächst. Das Schwer -gewicht wird vom „Terrorismus“ auf Krieg zwischen Staaten verlagert, womit obige Positionierung bestätigt wird. Es wird eine radikale Abkehr von der Doktrin, die seit der Zerschlagung der UdSSR gültig war, gefordert, wonach die USA zu jedem Zeitpunkt zwei größere Kriege gleichzeitig führen können. Für die USA sei es „unabdingbar“, die Fähigkeit zu besitzen, „einen globalen Krieg führen zu können“. „In der heutigen Bedrohungsumgebung könnte es ohne weiteres sein, dass die Vereinigten Staaten gefordert sind, in mehreren Regionen zeitlich überlappend abzuschrecken oder zu kämpfen: auf der koreanischen Halbinsel, im Ostchinesischen oder Südchinesischen Meer, im Nahen Osten, in Südasien und durchaus möglich, in Europa.“ Und weiter heißt es im Dokument des Nationalen Verteidigungsforums der USA „Eine sichere Verteidigung für die Zukunft sicherstellen“ vom 31. Juli 2014: „Die Vereinigten Staaten müssen sich auch darauf vorbereiten, mit atomar bewaffneten Gegnern konfrontiert zu sein“ (Hervorhebung – A.L.) Die USA bereiten sich also vor, 5 oder 6 Kriege gleichzeitig zu führen. Sie bereiten sich vor, einen globalen Krieg (sprich: Weltkrieg) zu führen
und schließen Kriege zwischen Atommächten nicht aus! Gleichzeitig sind Russland und VR China an die erste Stelle der Bedrohungen gesetzt! Die Positionierung der BRD Mit dem Antritt der jetzigen Koalitionsregierung von CDU/CSU und SPD (2013) hat auch der deutsche Imperialismus die Umsetzung seines Konzepts und seiner Forderung nach Führung in Europa und in der Welt durch konkrete Maßnahmen, durch Militarisierung seiner Innen- und Außenpolitik intensiviert und in eine neue Phase übergeführt. Schon kurz nach der Einverleibung der DDR hat der damalige Bundeskanzler die Linie verkündet: „Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten .“ (H. Kohl vor dem Deutschen Bundestag, Januar 1991). Der Außenminister sekundierte später mit der Präzisierung: „Zwei Aufgaben gilt es parallel zu meistern: Im Inneren müssen wir wieder zu einem Volk werden. Nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potenzial entspricht.“ (K. Kinkel, FAZ vom 19. März 1993) Damit hat Deutschland erneut ein Konzept zur Grundlage der Politik gemacht, dass in der Geschichte die Völker schon in zwei Weltkriege gestürzt hat. Als Ausführende wurde nicht zufällig eine Große Koalition ins Leben gerufen. Sie wurde in der Geschichte der BRD immer dann eingesetzt, wenn es galt, im Interesse des deutschen Kapitals einen neuen Schritt in der Ausprägung und Umsetzung der aggressiven Politik zu vollziehen. Seit 1949 gab es drei Große Koalitionen. Während der ersten (1966 bis 1969) hat das deutsche Kapital die heiße Phase in der Verwirklichung seiner „neuen Ost9
a) praktisch den rechten Putsch in (www.spiegel.de/politik ... der Ukraine unterstützt, 3.09.2014) b) den Wirtschaftskrieg gegen
Die SPD tritt dabei als aktive Kraft auf! Bekanntlich hat Gerhard Schröder als Bundeskanzler die „Enttabuisierung des Militärischen“ verkündet. Es wäre also verfehlt, nur die CDU/ CSU als Akteur zu sehen. Dahinter wirken die Interessen des deutschen Großkapitals. Um diese zu verwirklichen, dafür werden alle willigen Parteien eingesetzt. Die SPD hat sich schon Anfang 2003 in der Denkschrift der Grundwertekommission beim Parteivorstand mit der Position legitimiert: Das Berliner Interesse bestehe an einem „wirtschaftlich und politisch leistungsfähigen Großraum“, der auch einen entsprechenden „Hinterhof“ hat, der bis nach Zentralasien und in den Nahen Osten reicht. Deutschland habe ein „legitimes Interesse an einer dauerhaften und festen Einbindung in einen wirtschaftlich und politisch leistungsfähigen Großraum, der anderen Weltregionen vergleichbar ist“. Zu diesem Großraum gehören nicht nur die ost- und südosteuropäischen Staaten, die 2004 und danach Mitglied de EU geworden sind. „Um West- und Mitteleuropa, das sich als integrierte Weltregion etabliert, liegen in einem Halbkreis von Ost nach Süd Russland, die früher mit der Sowjetunion verbundenen Republiken Weißrussland, Ukraine und Moldawien, sowie Transkaukasien und Zentralasien, die Türkei und die Länder des nahen und Mittleren Ostens und das Mittelmeer“. Damit ist Raum und Ziel für die zu betreibende Expansion des deutschen Imperialismus sehr präzise beschrieben. Ersichtlich werden daraus aber auch zahlreiche Konfliktfelder mit den legitimen Interessen Russlands, aber auch mit den imperialistischen Zielen des USA und der anderen imperialistischen Staaten. Erstaunlich ist, dass diese präzise Beschreibung von der Öffentlichkeit und den Parteien und Organisationen unbeachtet bleibt – auch von den Linken!
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politik“ eingeleitet. Die zweite Große Koalition (2005 bis 2009) wurde gebraucht, um die Agenda 2010 aber auch die Aggression gegen Jugoslawien ohne größere innere Erschütterungen durchzusetzen. Und nun 2013 um eine neue Phase in der Verwirklichung der Wünsche des deutschen Imperialismus einzuleiten und zu beginnen, das zu verwirklichen, „woran wir zweimal zuvor gescheitert sind“.
Russland führt und c) Waffen und Soldaten nach Afrika in den Nahen Osten usw. entsendet.
(Kinkel)
Je breiter diese Vorhaben umgesetzt werden, desto stärker geraten sie aber in Widerspruch zu den legitimen nationalen Interessen der betroffenen Staaten. Aber sie verschärfen und führen auch zu neuen Widersprüchen im Verhältnis zu den USA und den anderen imperialistischen Staaten. Und alles hat mit der Entsendung eines Sanitätszuges nach Kambodscha begonnen!!
Bundespräsident Joachim Gauck wiederholte die Forderung von Kohl, die dieser 1991 vor dem deutschen Bundestag erhoben hat. Deutschland müsse wieder nach der Stellung einer Weltmacht streben. Die Kontinuität ist offensichtlich. Es wurde eine neue Phase, eine neue Offensive in der Umsetzung der langfristig geplanten Außenpolitik des deutschen Imperialismus eingeleitet, die a) auf den Ausbau und die Konsolidierung seiner Dominanz über die EU und in Osteuropa und b) auf die Erweiterung und Stärkung der weltpolitischen Position der BRD ausgerichtet ist. Vor allem wurde damit eine Etappe eingeleitet, in der der imperialistische Machtgedanke im außenpolitischen Denken und Handeln und im inneren Alltag der BRD tiefer verwurzelt wird. (Den Wurzeln wird neuer Nährstoff zugeführt!) Das deutsche Kapital hält den Zeitpunkt für gekommen, die über Jahrzehnte entwickelte und entsprechend den jeweiligen Bedingungen und Möglichkeiten umgesetzte außenpolitische Konzeption jetzt offensiv und aggressiv zu verwirklichen. Deutschland verkündet Friedenspolitik und Demokratie und leitet diesen Abschnitt seiner Außenpolitik damit ein, dass es
Die Bundeswehr, die Rüstungsexporte und die wirtschaftliche und politische Expansion werden zu Wegbereitern bei der Herstellung politisch-territorialer Herrschaftszonen und -verhältnisse.
Deutschland greift – politisch und militärisch – aktiv und aggressiv in einen Prozess ein, in dem der Kampf um Profite, Rohstoffe, Absatzmärkte und politischen Einflusszonen – nach der Niederlage des Sozialismus in Europa - immer häufiger von den imperialistischen Mächten mit militärischen Mitteln ausgefochten wird. Außenminister Steinmeier beschrieb das mit den Worten: Deutschland sei „zu groß und zu wichtig“, als dass es sich noch länger darauf beschränken könne, die „Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“. In einer Welt voller Krisen und Umbrüche brauche das Land eine aktive und militärische Außenpolitik! Die Ukraine-Aggression, der Nahe und Mittlere Osten und andere aktuelle Schauplätze weisen darauf hin, dass die Militarisierung der Außenpolitik sich durchsetzt. Selbst der deutsche Außenminister gesteht, dass „die Dynamik der militärischen Eskalation zunehmend das politische Handeln bestimmt und nicht umgekehrt.
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In der aktuellen internationalen Konstellation stellt die Ukraine einen wichtigen Knotenpunkt dar, von dessen Beherrschung (Kontrolle) die weitere Expansion „bis zum Ural“ (Franz Josef Strauß) abhängt. Die Verwirklichung dieser Konzeption richtet sich
weil sie seine Souveränität und seine Staatlichkeit untergraben. Ihre Verwirklichung ist nur über eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands möglich! Damit werden Russland und seine Realpolitiker aber vor die Alternative gestellt:
a) direkt gegen die Souveränität und die Existenz der unabhän- a) entweder Aufgeben nationaler gigen und selbständigen UkraiInteressen oder ne und b) antiimperialistische Positionen b) stellt eine unmittelbare Bedround eine ebensolche Politik hung der Interessen und der verfolgen. Sicherheit Russlands dar. Würde Russland dem Druck des Zur deutschen Großraum-Politik „Westens“ nachgeben und dessen gehört auch, dass Deutschland, das Bedingungen erfüllen, so würde deutsche Kapital nicht nur auf die Russland aufhören, zu existieren. Ukraine einwirkt, sondern ebenso Charakterisiert wird die Außenpolidaran interessiert ist, die inneren tik der Regierung der BRD durch Verhältnisse in Russland so zu Positionen, die schon in den 1990er beeinflussen, dass sie die Erreichung der Ziele des Imperialismus Jahren formuliert wurden. in der Ukraine und in den anderen • „Entlassen aus der Zeit der Beehemaligen Sowjetrepubliken zusiegten“ müsse Deutschland mindest nicht behindern, sondern, „auch in sein öffentliches Bewenn möglich, sogar fördern. wusstsein heben, dass fast alle Ein Ziel der BRD gegenüber RussFaktoren, die in der Vergangenland und diesem Raum besteht heit für die Geschichte zwischen darin, auf ihre ökonomische Stärke den Staaten und Völkern eine und auf ihren technischen VorRolle gespielt haben, noch immer sprung bauend, ein Bündnis mit gelten und weiterwirken werden, der neuen russischen Bourgeoisie, ob das gefällt oder nicht, ob es mit den „neuen Russen“, zu entwibequem ist oder den Wünschen ckeln, um widerspricht. An erster Stelle steht die Macht. Die Ohnmächtia) Schlüsselpositionen der deutgen müssen Glück haben oder schen Monopole in der russiunwichtig sein, wenn die Mächtischen Wirtschaft zu erringen, gen sie ungeschoren und frei b) Einfluss und Einflussplattforleben lassen. Totaler Machtvermen bei Institutionen des russi- zicht heißt Kapitulation. Machterschen Staates und in der Gesellhalt, Machterweiterung, Machtschaft aufzubauen, wiederherstellung ...“ sei angec) über die Medienlandschaft, sagt. (Egon Bahr, Deutsche InteStiftungen und dergleichen das ressen, 1998, S. 17/18) geistige Leben in Russland • Das „vitale Interesse“ Deutschdurch „westliche Kultur“ zu lands bestehe „in der Verhindedurchdringen sowie rung einer neuen Bedrohung aus d) die „Zivilgesellschaft“ zielgedem Osten, die den Frieden gerichtet in die gewünschte Richfährden würde.“ (Ebenda, S. 26) tung zu fördern. • 1994 kamen die damaligen außenpolitischen Strategiedenker Das sind Ziele und Forderungen der CDU/CSU Wolfgang Schäuble der BRD und der EU, die den Inteund Karl Lamers in ihren ressen Russlands widersprechen, Ausgabe 48 März 2016
„Überlegun-gen zur europäischen Politik“ in Bezug auf Osteuropa zu der Schlussfolgerung: „Ein stabilitätsgefährdendes Vakuum, ein Zwischen-Europa darf es nicht wieder geben. Ohne eine solche Weiterentwicklung der (west)europäischen Integration könnte Deutschland aufgefordert werden oder aus aus eigenen Sicherheitszwängen versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen“. (www.cdu/csu.de) • Zu Beginn der 2000er Jahre wurde eine weitere Position der BRD gegenüber dem Osten verkündet und angefangen, sie Praxis werden zu lassen. „Als größter und wirtschaftlich stärkster Staat in Europa“ müsse Deutschland, so hieß es übereinstimmend bei CDU/CSU, SPD und Grünen, für ein Europa eintreten, das in der Lage sei, sich „gegen äußerliche wirtschaftliche, politische und gegebenenfalls auch militärische Pressionen zu wehren“. Aus dem Großraum müssen die USA hinausgedrängt werden. „Deutschland muss dafür eintreten, dass Europa (gemeint ist EU – A.L.) zu seinen Nachbarn eine besonders intensive, konstruktive und dauerhafte Partnerschaft aufbaut, welche die Lösung der sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und politischen Problemen der europäischen Nachbarschaft nicht wie bisher – vorwiegend, den Vereinigten Staaten überlässt“. Osteuropa als Spannungsherd Mit der Erweiterung der NATO und der EU wurde eine anhaltende territoriale Spaltung des Kontinents in zwei Teile vollzogen. Es kam zur Restauration des Zustands, der schon bis Mitte des 20. Jahrhunderts charakteristisch war: das Europa der Reichen und das Europa der Armen, der Peripherie. Hinzu kommen noch die ständigen Versuche, Russland zu isolieren und abzuspalten und in diesem 11
Zusammenhang der Nationalismus und die Russophobie. Die Länder Mittel- und Osteuropas wurden jeglicher Kontrolle über ihre eigene Entwicklung und ihre Innen- und Außenpolitik beraubt. Sie sind Objekte und Anhängsel der imperialistischen Staaten, vor allem der USA und der BRD/EU. Ihre Außenpolitik wird nicht mehr von der vorherigen Frieden stiftenden sozialen Motivation bestimmt. Sie ist einseitig auf den machtpolitischen Block des Imperialismus in Gestalt der NATO/USA und der EU/BRD ausgerichtet. Damit sind sie zugleich zum Spielball bei der Austragung des von Russophobie getragenen Feldzugs gegen Russland und im Kampffeld der Widersprüche zwischen den imperialistischen Kräften mit ihren spezifischen Zielen geworden. Die Konterrevolution und die Restauration des Kapitalismus in den Ländern Mittel- und Osteuropas bestätigen die Gültigkeit der marxistisch-leninistischen Imperialismustheorie auch für die Gegenwart: „Der Imperialismus ist die fortschreitende Unterdrückung der Nationen der Welt durch eine Handvoll Großmächte. Er ist die Epoche der Kriege zwischen ihnen um die Erweiterung und Festigung der nationalen Unterdrückung. Er ist die Epoche des Betrugs der Volksmassen durch die heuchlerischen Sozialpatrioten, d.h. durch die Leute, die unter dem Vorwand der 'Freiheit der Nation', des 'Selbstbestimmungsrechts der Nationen', der 'Vaterlandsverteidigung' die Unterdrückung der Mehrheit der Nationen der Welt durch die Großmächte rechtfertigen und verteidigen. Eben deshalb muss die Einteilung der Nationen in unterdrückende und unterdrückte den Zentralpunkt in den sozialdemokratischen Programmen bilden, da diese Einteilung das Wesen des Imperialismus ausmacht und von den Sozialpatrioten, Kautsky einbegriffen, verlogenerweise umgangen wird.“ (W.I. Lenin, Bd. 21, 412ff) 12
Heute geht es nicht mehr um Kautsky, sondern um seine Schüler und Nachfolger. Aber die Sachverhalte stimmen. Nach 1989 begaben sich die Staaten Mittel- und Osteuropas jedoch aus zumeist spekulativen und national-egoistischen Motiven auf die Seite derer, die ihnen mächtig und einflussreich schienen. Es entstand auf der Grundlage der Konkurrenz das von den USA proklamierte „neue Europa“, womit die von den USA gestützten Staaten gemeint sind, das „alte Europa“, die sich der EU und besonders der BRD zuwandten und Russland, das nach Jelzin von beiden Lagern bekämpft wurde. In diesen widersprüchlichen Prozessen kam es zu einer Situation der Konkurrenz, die weiter anhält und mit beträchtlichem explosivem, nachhaltig destabilisierendem und den Frieden gefährdendem Potenzial versehen ist. Die Restauration des Kapitalismus führte von einem Europa des KSZEProzesses zu einem Europa zunehmender Konfrontation, in dem sich die Konkurrenz zwischen dem USA -Imperialismus und dem deutschen Imperialismus immer deutlicher zuspitzt. Die Staaten in Mittel- und Osteuropa sind, angesichts der imperialistischen Politik mit kolonialistischen Zügen, in eine Lage gekommen, die ihre Unterordnung unter die Interessen des internationalen Kapitals dermaßen gesteigert hat, dass ihnen heute die Möglichkeit genommen wird, als souveräne und unabhängige Staaten in den internationalen Beziehungen aufzutreten und gleichberechtigt die wahren Interessen der Völker zu vertreten. Schlussgedanken Nach der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion und in den sozialistischen Staaten in Europa ist die Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit der Tatsache konfrontiert, dass der Krieg schon wieder zu einem erschreckend
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gewohnten Begleiter geworden ist. Die Machtverhältnisse zwischen den Großmächten haben sich in den letzten Jahren nicht nur außerordentlich rasch, sondern auch außerordentlich ungleichmäßig entwickelt. Ein Ergebnis besteht in der Verschärfung der inneren und zwischen imperialistischen Widersprüche. Sie werden immer schwerer kontrollierbar. Die zunehmende Unterschiedlichkeit in der Interessenlage des USAImperialismus und der EU-Großmächte weltweit und in den Regionen, einschließlich in Europa, wird untereinander und im Verhältnis zu Russland immer größer und offensichtlicher. Sie enthält die Tendenz, sich zur politischen Gegensätzlichkeit zu entwickeln. Der Krieg ist nicht mehr nur Theorie und Konzept. Er ist zu praktischer Realität – auch in Europa (Jugoslawien, Ukraine) – geworden. Die Imperialisten versuchen, ihre Widersprüche mit Mitteln des Krieges zu lösen, können aber keine Lösung erzielen. Ein Haupthindernis für den Erfolg im Kampf gegen diese Entwicklung erweist sich erneut der Opportunismus. Zu den Mitteln und Methoden, nach denen der Imperialismus greift, um den Vormarsch der antiimperialistischen Kräfte aufzuhalten, gehört nicht zuletzt auch heute der ideologische Kampf. Der Sozialismus hat eine Niederlage erlitten. Aber seine Notwendigkeit besteht und verstärkt sich. Die Kämpfe der Zeit besagen: entweder gesellschaftlicher Fortschritt und Frieden oder allgemeine Barbarei.
Prof. Dr. Anton Latzo
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Beschluss der Mitgliederversammlung des Geraer Sozialistischer Dialog am 13. 02. 2016:
Frieden statt NATO „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“
(Manifest der Kommunistischen Partei, 1848) „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ Jean Jeaurès (1859 – 1914)
Bei der Münchner „Sicherheitskonferenz“ versammeln sich in diesen Tagen über 500 Vertreter der internationalen „Elite“ - Staats- und Regierungschefs, Minister sowie führende Persönlichkeiten aus Industrie, Medien und „Zivil“gesellschaft, um angeblich den Weltfrieden zu retten, gesponsert vom großen Kapital, von reichen Stiftungen und von der Bundeswehr. Dagegen protestieren Tausende. Alternativ dazu wird eine internationale Münchner Friedenskonferenz veranstaltet. Die Herrschenden machen sich Sorgen um den Zustand der Welt. Nicht aus Liebe zu den Menschen und den Menschenrechten, sondern weil die Folgen ihres Strebens nach neuen Absatzmärkten, Rohstoffen und kurzfristigem Profit nun mit voller Wucht zurückschlagen. Auf das mörderische Treiben des „Islamischen Staats“, auf die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg, auf die sozialen Verwerfungen und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen haben sie keine bessere Antwort als mehr von derselben (bitteren) Medizin, die in die Krise geführt hat: neoliberale Austerität alias Kapitalfreiheit als höchstes „Menschenrecht“ und ein „Weiter so“ mit der imperialistischen Kriegpolitik. Um von diesem ZusammenAusgabe 48 März 2016
hang abzulenken und wachsende Proteste zu bekämpfen, wird Rassismus geschürt – „die Flüchtlinge“, „der Ausländer“ oder „der Russe“ seien Schuld - und eine Politik der militanten Abschottung betrieben. Die NATO-Staaten und besonders der USA-Imperialismus tragen die Hauptverantwortung für diese menschenverachtende, den Weltfrieden gefährdende Situation. Wenn die NATO aktuell auch gegen Flüchtlinge im Mittelmeer eingesetzt werden soll, wird der Grundcharakter dieses aggressiven Bündnisses offenbar: Nicht „Verteidigung“ oder die Sicherheit der Menschen, sondern die Sicherung der Geschäfte internationaler Konzerne und die Beseitigung der Widerstände dagegen stehen im Mittelpunkt. Die schonungslose Ausbeutung des afrikanischen Kontinents, die seit Jahrzehnten betriebene Expansion gegenüber Russland und China, die Militärinterventionen im Nahen und Mittleren Osten und die Demütigung der arabischen Bevölkerung haben zu katastrophalen Verwüstungen geführt. In Syrien wird der Kampf um geostrategischen Einfluss opferreich auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen. Wenn nun wieder auf Russland als den großen Bösewicht eingedroschen wird, sei zur Erinnerung gesagt: Der Krieg in Syrien wurde nicht durch russischen Bomben verursacht, sondern durch die instrumentelle Einmischung der westlichen Staaten, um dort einen Regime-Change durchzusetzen. In der Tat können die Schäden nur strikt zivil, durch umfassende soziale Entwicklung und demokratische Partizipation geheilt werden. Notwendig ist die Zerstörung der von den imperialistischen Staaten, den Banken und Konzernen geschaffenen „kannibalischen Weltordnung“ (Jean Ziegler) der Ausbeu-
tung, Armut, des Landraubs, der Zerstörung der Umwelt und immer neuer Kriege. Der „Krieg gegen den Terror“ gerät selbst zum Terror. Mit den 4 Billionen Dollar, die er bislang gekostet hat, könnten alle Menschen auf diesem Planeten hundert Jahre lang ernährt werden! (Quelle: Die Anstalt/New York Times/Welternährungsgipfel) Die Bundesrepublik Deutschland spielt als „global player“ mit für sich selbst reklamierten Führungsanspruch mit. Als größter Exportweltmeister und nach China und viertgrößter Rüstungsexporteur ist sie bestrebt, über EU-Diktate und Freihandelsabkommen ihr ökonomisches Übergewicht auszubauen, auch rücksichtslos auf Kosten der EU-Nachbarländer. Diese „Verantwortung“ wird in wachsendem Maße auch militärisch flankiert. Mit dem Tornadoeinsatz in Syrien wird erneut die Bundeswehr ohne völkerrechtliches Mandat in den Krieg geschickt. Vom US-Militärstützpunkt Ramstein werden täglich tödliche Drohnenangriffe geflogen und aus deutschen Häfen Waffen in alle Welt exportiert. Gegen diese vermeintlich alternativlose Politik wachsen die Proteste. In der BRD lehnen mittlerweile laut einer repräsentativen Umfrage von TNS Emnid 83 Prozent der Bevölkerung Rüstungsexporte ab. In der solidarischen Flüchtlingsarbeit kommen die Ablehnung der Kriegspolitik und der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung, gegen Rassismus und Ausgrenzung aktiv zu werden, praktisch zum Ausdruck. Der in Griechenland begonnene und mittlerweile wegen der neoliberalen Herrschaftsstrukturen der EU gescheiterte Aufbruch für eine konsequente linke Regierungspolitik und für ein Ende des Spardiktats wird in Spanien und Portugal fortgesetzt. Auch in Griechenland wehrt sich die Bevölkerung wieder verstärkt gegen die 13
von den EU-Institutionen diktierten neuen Zumutungen. Nicht zu übersehen ist ein zunehmendes Unbehagen am Kapitalismus in der Bevölkerung und insbesondere in der Lohnarbeiterklasse. Mit Jeremy Corbyn als Vorsitzender der britischen Labour-Partei, Bernie Sanders als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Demokraten in den USA und der Wahl von Justin Trudeau zum Ministerpräsidenten Kanadas wird deutlich, dass spontaner Widerstand zunimmt. Immer mehr Menschen stehen in Opposition zur Politik des Neoliberalismus. Es wächst die Einsicht, dass der Fortschritt nicht den Regierenden überlassen werden kann und gesellschaftliche Umwälzungen nicht primär von den Parlamenten ausgehen können. Die linke Schlussfolgerung aus der Erpressung der griechischen SyrizaRegierung muss sein, immer wieder klar zu stellen, dass die EU „militaristisch, neoliberal und weithin undemokratisch“ ist und wir als Linke in Deutschland die Aufgabe haben, im Zentrum dieser Herrschaftsstruktur die Opposition entschieden zu stärken. Illusorisch ist zu glauben, die LINKE könnte als Korrektiv in einer rot-rot-grünen Bundesregierung den Neoliberalismus zähmen. Hoffungsvoll ist dagegen der Kampf um die Köpfe für ein solidarisches Europa und eine Welt ohne Krieg. Es geht darum, die Oppositionsfähigkeit der Partei auszubauen, die Eigentums-, Sys-
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tem- und Machtfrage zu stellen und das Unbehagen am Kapitalismus zu stärken und zu organisieren. Als vorrangige Aufgaben der LINKEN sehen wir in diesem Sinne: - Aufklärung und Mobilisierung gegen die Kriegspolitik, aktive Stärkung der Friedensbewegung. Das heißt auch, offensiv für den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und für die Auflösung dieses aggressiven Militärbündnisses zu kämpfen. Wir unterstützen ganz entschieden die von der Bundestagsfraktion geplante Klage gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr. Wir beteiligen uns mit diesen Positionen an der Friedenskonferenz der LINKEN im März. - Wir widersetzen uns jeder weiteren Einschränkung des Asylrechts und treten für seine volle Wiederherstellung ein. Damit kein Mensch fliehen muss, müssen die Fluchtursachen - Krieg, Armut und Umweltzerstörung und die diesen zugrunde liegende kapitalistische Weltordnung - beseitigt werden. - Gegen rassistische Hetze und nationalistische Stimmungsmache setzen wir Geschichtsbewusstsein, ein aufgeklärtes Menschenbild und internationale Solidarität. Um rechten Kräften das Wasser abzugraben, müssen menschenwürdige Lebensbedingungen für alle erkämpft werden. - Wir unterstützen den Kampf gegen die Schuldenbremsen und gegen die Austeritätspolitik in den Bundesländern, im Bund und in
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der Europäischen Union. Wir streiten für Wohnen als Grundrecht, Arbeit für alle, für emanzipatorische Bildung und Kultur sowie für eine humane, öffentliche Gesundheitsversorgung. - Wir treten dafür ein, die Wahlkämpfe als Zeiten erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit stärker zu nutzen, um mehr Menschen davon zu überzeugen, sich am Kampf für diese Ziele zu beteiligen. Unserem Namen gemäß streiten wir als Geraer Sozialistischer Dialog für eine offene Parteikultur, in der keiner gleicher ist als der andere. Die nächsten Parteitage sollten insbesondere zwei Grundsätze unseres Erfurter Programms von 2011 in den Mittelpunkt stellen: „Wir sind und werden nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen und gerade deshalb kaum noch voneinander unterscheidbar sind. Wir verfolgen ein konkretes Ziel: Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können. Um dies zu erreichen, brauchen wir ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.“
(Programm der Partei DIE LINKE)
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Am Krieg gescheitert Vor 100 Jahren diskutierte die Gruppe „Internationale“ um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Thesen über den Untergang der Sozialdemokratie als eigenständiger Organisation der Arbeiterklasse. Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele schreibt im folgenden über Konsequenzen und Aufgaben, die sich daraus und aus einem marxistischen Verständnis der Weltlage für heute ergeben. Zum Jahreswechsel 1915/1916 durfte niemand hoffen, dass der imperialistische Krieg ein baldiges Ende nehmen würde, die Fronten waren wie festgefroren. „Der Marsch in sechs Wochen nach Paris hat sich zu einem Weltdrama ausgewachsen; die Massenschlächterei ist zum ermüdend eintönigen Tagesgeschäft geworden, ohne die Lösung vorwärts oder rückwärts zu bringen. Die bürgerliche Staatskunst sitzt in der Klemme, im eigenen Eisen gefangen, die Geister, die man rief, kann man nicht mehr bannen.“1 Das war zwar bereits im April 1915 aufgeschrieben worden, traf aber ein dreiviertel Jahr später noch immer uneingeschränkt zu. „Äußere Umstände“, wie es in der am 2. Januar 1916 hinzugefügten Einleitung der später als „JuniusBroschüre“ bekannt gewordenen Schrift hieß, „verhinderten damals ihre Veröffentlichung“. Zum Zeitpunkt der Abfassung saß die Autorin, die sich das Pseudonym „Junius“ gegeben hatte, im „Königlich-Preußischen WeiberGefängnis“ zu Berlin ein. Die Frankfurter Strafkammer hatte sie wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit“ im Februar 1914 zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt, die sie im Februar 1915 antreten musste. Die Staatsfeindin war Ende September 1913 in der Stadt am Main auf Ausgabe 48 März 2016
einer Kundgebung aufgetreten und hatte die Hunderttausenden Zuhörer zur Kriegs-dienst- und Befehlsverweigerung aufgefordert: „Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: ,Nein, das tun wir nicht!‘ “2 Rosa Luxemburgs Ruf verhallte. Ein knappes Jahr später erhoben die Arbeiter auf Befehl junkerlicher Generäle und im Interesse großbürgerlicher Unternehmer an Rhein und Ruhr die Waffen gegen die ausländischen Brüder, und es sollten vier Jahre des gegenseitigen Gemetzels mit Millionen Toten vergehen, bis sie im November 1918 zumindest von einigen gegen die Kriegstreiber und Profiteure gedreht wurden. Schwierige Ablösung Die SPD hatte sich mit der Zustimmung im Reichstag zu den Kriegskrediten im August 1914 und im Dezember 1915 endgültig von der Strategie des revolutionären Umsturzes verabschiedet und war zum „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“ geworden. Ihre Abstimmung war mit der sogenannten Burgfriedenspolitik verknüpft, deren Prinzip es war, auf den Klassenkampf von unten zu verzichten, solange „das Vaterland in Gefahr“ sei. Die Gruppe „Internationale“ blieb der revolutionären Strategie treu und löste sich in ei-nem widersprüchlichen Vorgang von der SPD. Programmatische Eckpunkte gab sich die Gruppe auf ihrer Reichskonferenz am 1. Januar 1916. Die führenden Funktionäre der Linken trafen sich klandestin in den frühen Morgenstunden im Rechtsanwaltsbüro Karl Liebknechts in der Berliner Chausseestraße. Sie diskutierten dort die von Rosa Luxemburg auf der Grundlage ihrer „Junius-Broschüre“ entworfenen „Leitsätze über die Aufgaben der
internationalen Sozialdemokratie“. Einerseits schätzten die Teilnehmer der Runde ein: „Durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamierung des Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen Parteien in Deutschland, Frankreich und England dem Imperialismus den Rücken gestärkt (…) Diese Taktik der offiziellen Parteiinstanzen der kriegführenden Länder, in allererster Linie in Deutschland, dem bisherigen führenden Lande innerhalb der Internationale, bedeutet einen Verrat an den elementarsten Grundsätzen des internationalen Sozialismus (…).“ Andererseits fehlte noch eine klare Strategie zum notwendigen Bruch mit dieser SPD. Einerseits erfasste die Gruppe, dass mit der Kriegspolitik der Sozialisten in Deutschland, Frankreich und England die proletarische Internationale, die Zweite, zerstört wurde. Andererseits war ihre Analyse harmlos, eher sogar falsch: Die Sozialdemokratie der führenden Länder mit ihrer Burgfriedenspolitik habe „dem Feind: den herrschenden Klassen, in allen Ländern Frist gewährt“. Sie hatte eben nicht nur Frist gewährt, sie hatte die Seite der Barrikade gewechselt. Aus einer revolutionären Partei war eine Organisation geworden, die objektiv nicht mehr die Funktion der Führung bei der Überwindung des Kapitalismus, sondern die der Einbindung der Arbeiterklasse in den Kapitalismus ausfüllte. Selbstverständlich ist solch ein Prozess auch zermürbend. Genossinnen und Genossen, die den Kapitalismus überwinden wollten, wurden von ihrer Partei verlassen, die für sie immer das Instrument für eine solche Revolution war. Über Jahre hatten sie gelernt, wie wichtig die Organisation, wie wichtig in ihr die Disziplin im Klassenkampf 15
ist. Sich nun seines Standpunktes zu versichern, erforderte in der Tat eine gründliche Analyse des Versagens der Sozialdemokratie. Verlust des Klassenstandpunkts Rosa Luxemburg leistet in ihrer landläufig „Junius-Broschüre“ genannten Schrift „Die Krise der Sozialdemokratie“ den wichtigsten Teil zum Verständnis des Übergangs der revolutionären Sozialdemokratie in eine reformistische Partei. Was sie schrieb, ist heute noch von Bedeutung. Sie macht deutlich, dass ein imperialistischer Krieg von dessen Auslösern nie als solcher begründet wird. Sie zeigt, wohin es führt, wenn Sozialisten dann vom „Wir“ sprechen und nicht mehr von Klassen, wenn also ein fundamentaler Bestandteil des Historischen Materialismus keine Gültigkeit mehr haben soll. Sie zitiert die Begründung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zur Zustimmung zu den Kriegskrediten: „Jetzt stehen wir vor der (…) Tatsache des Krieges, Uns dro-
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hen die Schrecken feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel. Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus (…) viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. (…) Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jeden Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite.“3 Luxemburg erkannte, dass hier der Klassenstandpunkt verlassen worden ist. Das hat, wie sie schreibt, „den tiefsten Fall, den gewaltigsten Zusammenbruch“ zur
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Folge, und „nirgends (außer in Deutschland, P. K.) (ist) die Organisation des Proletariats so gänzlich in den Dienst des Imperialismus gespannt“.4 Zur internationalen Katastrophe, zur Katastrophe der Zweiten Internationale, kam es, da „die deutsche Sozialdemokratie als die reinste Verkörperung des marxistischen Sozialismus“ galt.5 Indem die Führung der SPD Geschichte nicht mehr als Abfolge von Klassenkämpfen ansah, rückte auch eine zweite Ursache in den Fokus der Analyse: Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Kapitalien hatte sich verändert. Das Monopol war zum strukturbestimmenden Element des Profitmachens geworden, die Vereinnahmung des Staates für dessen Interessen wurde vorangetrieben. Der Imperialismus als neues Stadium des Kapitalismus hatte sich herausgebildet. Die führenden Monopole und ihre Regierungen kämpften um Kolonien, Einflussgebiete,
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Märkte – das war der Hintergrund des seit 1914 tobenden Krieges. Abseits der Lügen von der Verteidigung, abseits von konstruierten Kriegsanlässen zeigte dieser Waffengang: „Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht, wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt, als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit, so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt. Mitten in diesem Hexensabbat vollzog sich eine weltgeschichtliche Katastrophe: die Kapitulation der internationalen Sozialdemokratie.“6 Ankunft im Parlamentarismus Der dritte Grund, den Luxemburg in ihrer Schrift analysiert, ist das Ankommen der Sozialdemokratie im bürgerlichen Parlamentarismus. Sie stellt fest, dass die richtige Taktik des Ausnutzens der Parlamente und der Wahlen für die Verbreitung sozialistischer Positionen, für „Agitation und Aufklärung im Sinne des proletarischen Klassenkampfes“ auf den „schlichten bürgerlichen Inhalt: auf die Einheimsung von Mandaten“ reduziert wurde.7 Weite Teile der Sozialdemokratie waren im Parlamentarismus angekommen und gaben ihre relative Autonomie als Organisation der Arbeiterklasse gegenüber der Klasse der Kapitalisten auf. Das ist der Anfang des Endes der Partei als Organisatorin der Arbeiterklasse. Die Zustimmung zu Kriegseinsätzen entschied über alles weitere, sie war der „Point of no return“. Jenseits davon gab es von nun an keine Sauerei mehr, der man nicht seinen Segen erteilte – mit welchen salbungsvollen Worten auch immer. Das ist die große Lehre, die aus der Zustimmung zu den Kriegskrediten gezogen werden muss. Seit diesem Tag stand dem Klassenfeind in Gestalt der SPD kein orgaAusgabe 48 März 2016
nisierter Gegner mehr gegenüber. Aus ihr war ein Geschäftspartner geworden, der dafür Sorge trug, den Laden am Laufen zu halten. Rosa Luxemburg schrieb in der „Junius-Broschüre“: „Der Klassenkampf ist also von der Sozialdemokratie (…) bis zum künftigen Friedensschluss für nicht existierend erklärt. Deutschland verwandelte sich mit dem ersten Donner der Kruppkanonen in Belgien in ein Wunderland der Klassensolidarität und der gesellschaftlichen Harmonien.“8 Das ist gut geschrieben und richtig gesagt, allerdings klingt auch die Erwartung an, mit Kriegsende werde alles wieder in gewohnten Bahnen verlaufen. Lenin dagegen wusste sehr früh, nämlich im Dezember 1914, es würde keinen Weg zurück geben. „Spaltung der deutschen Sozialdemokratie – das scheint ein Gedanke zu sein, der viele wegen seiner ,Ungewöhnlichkeit‘ allzu sehr schreckt. Doch die objektive Lage bürgt dafür, dass entweder dieses Ungewöhnliche eintritt (…) oder, dass wir Zeugen der qualvollen Verwesung dessen sein werden, was einst die deutsche Sozialdemokratie war.“9 Rosa Luxemburg hat demnach die wichtigsten Ursachen für den Übergang der Sozialdemokratie zur Kriegspartei erkannt. Erstens: Aufgabe der Klassenanalyse, besonders auch in der Frage der Nation und damit Öffnung für nationalistische Positionen, der „Burgfrieden“ genannte Schulterschluss mit dem Kapital und damit der Übergang von der Klassenanalyse zur Sozialpartnerschaft. Zweitens: Nichterfassen des Übergangs des Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium und so auch der Entwicklung Deutschlands zu einem imperialistischen Land. Drittens: Ankunft im bürgerlichen Parlamentarismus. Viertens: Aufgabe der Autonomie als Organisation der Arbeiterklasse.
Aggressor Putin? Aggressor USA? Diese Analyse ist auch heute von Bedeutung. Ohne Beschwörung einer angeblichen russischen Bedrohung hätten sich die Mitglieder der SPD im August 1914 vermutlich nicht von der Notwendigkeit des Krieges überzeugen lassen. Zur Erinnerung, die sozialdemokratische Reichstagsfraktion erklärte: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“ 100 Jahre später scheinen der Zar und der von ihm ausgehende Schrecken in der Gestalt des russischen Präsidenten Wladimir Putin wiedergekehrt zu sein. Deutsche Medien schreien sich die Stimmen heiser, Russland sei gegenüber der Ukraine ein Aggressor. Man muss angesichts dieser verbreiteten Hysterie annehmen, der Iwan stehe bald wieder an der Elbe. Dennoch wollen das viele nicht glauben. Zu offensichtlich ist der tatsächliche Sachverhalt auf den Kopf gestellt, zu dreist wird gelogen. Die Kräfte der Friedensbewegung (und damit auch wir Kommunisten) vermögen es trotzdem nicht, den Unmut mit klaren Losungen organisiert und massenhaft auf die Straße zu tragen. Die Partei Die Linke, die sich schon lange von einer Politik der Straße verabschiedet hat und sich auf „die Einheimsung von Mandaten“ (Luxemburg) konzentriert, will nur ein bisschen. Die Lücke füllen andere aus. Teilweise dominierte ein grob verzerrtes und arg vereinfachtes Bild vom Imperialismus. Demnach sei noch jede Schandtat, egal auf welchem Flecken Erde begangen, in letzter Instanz auf das bösartige Wirken der USA zurückzuführen. Die Bundesregierung wird nicht dafür kritisiert, ihre eigenen Interessen bisweilen rüde zu verfolgen, sondern dafür, willfährige Gehilfin und nützliche Idiotin der alles und jeden dominierenden Vereinigten Staaten zu sein. Die falsche Parole „US-Kolonie Deutschland“ macht die Runde und erreicht auch die Reihen der Linkspartei. Die Zahl der Kriege ist weltweit 17
höher denn je. Die NATOOsterweiterung um Russland herum und der Wirtschaftskrieg gegen das Land sowie die Einkreisung der Volksrepublik China vom Pazifik her bilden den Rahmen für eine weitere Verschärfung der Lage. In ihm suchen und finden einzelne aggressive Staaten Möglichkeiten für die Erweiterung ihres Machteinflusses. Der Kriegskurs des NATO-Mitglieds Türkei gegen die eigene, kurdische Bevölkerung und gegen den Nachbarstaat Syrien durch Unterstützung der Terrrorganisation „Islamischer Staat“ (IS) hat hier seine Ursache. Israel verschärft einen eh schon mörderischen Umgang mit den Palästinensern und bombardiert darüber hinaus Stützpunkte der Hisbollah, der libanesischen schiitischen Organisation, die an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad gegen den IS kämpft. Auch der neueste Waffengang der Bundeswehr in Syrien ist hier einzuordnen. Nicht zu vergessen ist: Gegenwärtig sind weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Diese Situation kann jederzeit Staaten den Anlaß bieten, die vielen noch regional geführten Kriege eskalieren zu lassen. Die Mißachtung der Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus und der Entwicklung Deutschlands zum in der EU führenden imperialistischen Staat ist die Grundlage dafür, dass an Maßnahmen der Bundesregierung, wie die Beteiligung der Bundeswehr an der Zerstörung syrischer Chemiewaffen im Mittelmeer teilweise mit großer Naivität herangegangen wurde: Das ist keine Abrüstungsinitiative, es geht vielmehr um den Er-fahrungsgewinn in militärischen Situationen und die Teilnahme an solchen Operationen. Differenzierungen, Widersprüche, Gemeinsamkeiten und Konkurrenz zwischen den Imperialisten zu übersehen führt zur falschen Bewertung: 18
Wegen zahlreicher Angriffe der USA auf die Souveränität Deutschlands die Konkurrenz beider imperialistischen Staaten in Frage zu stellen führt dazu, die eigenständige Rolle, Bedeutung und Gefährlichkeit des deutschen Imperialismus zu unterschätzen. Marxistische Analyse der Weltlage Der notwendige Kampf um die Breite der Bewegung gegen den Krieg darf Kommunisten nicht dazu veranlassen, in Bündnissen nicht mehr die eigene, klassenkämpferische Position zu vertreten. Dieses Verhalten hat Revolutionäre immer wieder geschwächt, wie es die Sozialdemokratie im Vorfeld des Ersten Weltkrieges gezeigt hat. Es führte in kommunistischen Parteien auch zur ideologischen Selbstentwaffnung. Beispiele sind in den 70er-Jahren der sogenannte Eurokommunismus in einigen Arbeiterparteien Europas und die falsche These von der Friedensfähigkeit des Imperialismus Ende der 80er-Jahre. Dazu gehört auch die Herausbildung der reformistischen „Erneuererströmung“ in der DKP in dieser Zeit. Gerade die Betonung des marxistischen Verständnisses der Weltlage führt aber zum Erfolg. Kommunisten müssen sich um eine breite und aktive Friedensbewegung bemühen, die den Druck auf der Straße bringt. Voraussetzung auf Seiten der kommunistischen Partei ist dafür eine profunde Analyse des Imperialismus und der Klassenverhältnisse, die dann mit anderen Kräften diskutiert werden kann. So wird auch ein Aufgehen in den Parlamentarismus erschwert. Angelehnt an eine These von Álvaro Cunhal, dem großen portugiesischen Kommunisten, heißt das: Kampf um Erhalt und Ausbau von Organisationen, die von den Interessen, der Ideolo-
marxistische Theorie und sozialistische Politik
gie, dem Druck und den Drohungen der Kapitalkräfte tendenziell unabhängig sind. Diese Unabhängigkeit beweist sich in der gegenüber dem Kapital und dessen Staat eigenständigen Aktion, in den eigenen Zielen und der eigenen Ideologie. Die DKP hat sich mit ihrem 21. Parteitag im November 2015 diesen Aufgaben gestellt.
Patrik Köbele Anmerkungen Die Krise der Sozialdemokratie (Junius-Broschüre), in: Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, Band 4, S. 51 Zitiert nach Annelies Laschitza: Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa Luxemburg. Eine Biographie, Berlin 1996, S. 437 Rosa Luxemburg: Die Krise der Sozialdemokratie, S. 63 Ebenda, S. 55 5. Ebenda, S. 54 Ebenda, S. 53 Ebenda, S. 122 Ebenda, S. 123 Lenin: Der tote Chauvinismus und der lebendige Sozialismus, in: Werke, Band 21, S. 89 f. Aus „junge Welt“, 31.12.2015/1.1.2016
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Syrien, der "Krieg gegen den Terror", Linke und Friedensbewegung In Appellen, Stellungnahmen und Reden gegen den Bundeswehreinsatz in Syrien wird argumentiert, der Krieg gegen den Terror sei ein "Fehler" gewesen, er habe nur mehr Terror geschaffen. Die Linksfraktion im Bundestag schreibt, der Krieg gegen den Terror habe den Terror nicht eingedämmt oder gar beseitigt, alle Erfahrungen zeigten, dieser Krieg könne nicht gewonnen werden. Der Vorstand der Linkspartei behauptet, insbesondere die Erfahrung des Krieges in Afghanistan lehre: Bomben bringen keinen Frieden. Ja meint denn der Vorstand der Linkspartei, die USA hätten Afghanistan angegriffen, um dort Frieden zu stiften? Wieso wird nun bedenkenlos die Rechtfertigungs-Terminologie der USA und ihrer Verbündeten übernommen? Führen sie seit vielen Jahren einen "Krieg gegen den Terror" oder um die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten, um strategisch wichtige Positionen (gegenüber Russland, China), um die Beseitigung von Regierungen, die ihnen im Wege stehen?
Länder, die sich dem imperialen Diktat des Westens widersetzen, wurden oder sollten beseitigt werden. Durch Russlands Rückkehr mit neuer Stärke auf der Weltbühne sind den Hegemonieplänen des Westens und ihrer völkerrechtswidrigen Regime-Change-Politik wieder Grenzen gesetzt. Das kam für die USA unerwartet, waren sie doch betrunken von ihrem Sieg im Kalten Krieg und glaubten ihre ewige Herrschaft über den Rest der Welt sei angebrochen. Dass den Bestrebungen der USA und ihren Verbündeten wieder ein starkes "Njet" entgegengesetzt wird, zuletzt nun auch militärisch in Syrien, damit hatten sie nicht gerechnet. Sie waren davon ausgegangen, dass sie weiterhin bestimmen können, wer in welchem Land regieren darf und wer nicht.
sie die Aggressionspolitik kritisieren, und um "glaubwürdig" zu sein, spulen sie ein Distanzierungsritual vom designierten "Feind" ab, als ginge es um irgendwelche Sympathien, als wäre es von irgendeiner Bedeutung, welches Staatsoberhaupt wir persönlich für ein anderes Land gut heißen oder nicht. Sie übernehmen bedenkenlos die vom transatlantischen Mainstream vorgegebene Terminologie für den designierten Feind: Wie selbstverständlich ist er ein "Diktator" und seine Regierung ein "Regime". Das Feindbild wird entsprechend aufgebaut: Der Führer eines Landes, der den "westlichen Interessen" im Weg steht, wird kriminalisiert, dämonisiert, außerhalb des Völkerrechts gestellt und schließlich 'zum Abschuss freigegeben'.
Die Regime-Change Politik folgt einem – jeweils angepassten – Drehbuch: Unzufriedenheiten und legitime Bestrebungen in der Bevölkerung des ins Visier genommenen Landes werden ausgenutzt, ethnische oder religiöse Spannungen provoziert oder vertieft und oppositionelle Gruppen mit finanziellen und materiellen Mitteln bis zu militärischer Ausrüstung und Ausbildung unterstützt oder auch aufgebaut. Latente Konflikte und Proteste werden von außen angeDas Drehbuch heizt bis hin zu Demonstrationen und bewaffneten Aufständen, die Milosevic muss weg! Saddam muss nur noch die Maximalforderung weg! Gaddafi muss weg! Assad kennen: den Sturz des jeweiligen muss weg! Seit über 20 Jahren will "Diktators" einhergehend mit der man uns medial auf die Hetzjagd Verweigerung jeglichen Dialogs Seit dem Ende der Sowjetunion – schicken gegen einen "Diktator", mit dem "Regime". und mit ihr des Warschauer Vertra- "Menschenschlächter" und "neuen ges – befinden sich die USA (mit Hitler" nach dem andern. Vor dieDas Bild, das uns vermittelt werwechselnden Gruppen von Verbün- sen müssten die Bevölkerungen in den soll, ist einfach: Dem "Diktator" deten) in einer permanenten Agden jeweiligen Ländern "beschützt" und seinem "Regime" steht "die gression gegen andere Länder, diwerden. Opposition" der "Zivilgesellschaft" rekt mit eigenen militärischen Ingegenüber. Diese erstrebt natürlich Auf allen Kanälen trommeln die terventionen oder indirekt mit fi"Demokratie und Menschenrechte". USA/NATO-Aggressoren für unsere nanzieller, geheimdienstlicher und Wer genau die Opposition ist, wie Zustimmung oder wenigstens unmilitärischer Unterstützung von sie sich aufteilt, welche Interessen ser Schweigen. Das Trommelfeuer Oppositionsgruppen und mit regioeinzelne Gruppen und Grüppchen der Kriegspropaganda ist so stark, nalen Verbündeten, um sich die jeweils vertreten, ob und vor allem dass es selbst auf viele KriegsgegWelt ihren Interessen unterzuordwie viel Unterstützung sie tatsächner einschüchternd wirkt: Bevor nen. Regierungen schwächerer lich jeweils im Volk haben, wird Ausgabe 48 März 2016
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ausgeblendet. Die USA/NATO und ihre Medien unterstützen natürlich jene Teile der Opposition, von denen sie sich die Bedienung ihrer strategischen und wirtschaftlichen Interessen erhoffen können.
absehbar. Der US-Generalstab kam bereits im Jahr 2013 zu dem Schluss, dass der Sturz Assads "zum Chaos und potenziell zur Übernahme Syriens durch Dschihadisten führen würde, ähnlich wie in Libyen“. Um es mit den Worten des Nahost-Experten Michael Lüders zu sagen: Die Vorstellung, irgendwelche »Basisgruppen« der Zivilgesellschaft würden nach einem »Regime Change« die Macht in Syrien übernehmen, ist »naives Gutmenschendenken«.
Der "Krieg gegen den Terror" oder welche Terroristen sind am Werk?
Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begannen die USA ihre Aggressionen als "Krieg gegen Dass "Nicht-Regierungsorganisatioden Terror" zu rechtfertigen. Afghanen" (NGOs) zuweilen mit Geheimnistan wurde angegriffen, angebdiensten kooperieren und auch als lich um die "Drahtzieher" der AnInstrument der westlichen Einmischläge, Osama bin Laden und seischung fungieren können, ist hinne al-Qaida zu vernichten, Osama länglich bekannt. Die Politik des bin Laden, der zu keinem Zeitpunkt Regime-Change wird hierzulande vom FBI mit den Anschlägen in angefeuert von Gruppen wie Verbindung gebracht wurde. Die "Adopt a Revolution", die schon in 9/11 Anschläge wurden nie transihrem Namen neokolonialistisches Wie viele Millionen Menschen parent und schlüssig aufgeklärt. müssen noch sterben und flüchten, Aber allein schon Fragen zu UnHerrenmenschentum zum Auswie viele Länder müssen noch zer- stimmigkeiten der regierungsamtlidruck bringt. stückelt, ihre Infrastruktur zerstört chen Theorie der 9/11Aber auch Organisationen und und ihrer Souveränität beraubt Verschwörung sind ein Tabu, selbst Einzelpersonen, die sich in unsewerden? Hier, weit weg, kann man in friedensbewegten und linken rem Land eher zum linken Lager es sich ja leisten – wenn alles dem Kreisen. Diese selbstauferlegten und zur Friedensbewegung zählen, Wunschdenken am Ende doch Denk- und Sprechverbote, diese auch PolitikerInnen der Linkspar- nicht entspricht – einfach wegzueigene Unmündigkeitsmachung tei, nehmen Partei für oppositionel- schauen, sich der nächsten sollten uns alarmieren. Viele Verle Gruppen in der syrischen "Revolution" zuzuwenden, ohne die schwörungen z.B. der CIA, wären "Zivilgesellschaft", die jeden Dialog notwendigen Lehren aus dem Vonie aufgedeckt worden, hätten sich mit der Regierung verweigern und rangegangen zu ziehen. Die KonseInvestigativjournalisten ein Tabu nur die Maximalforderung "Assad quenzen muss man ja nicht selbst der Hinterfragung auferlegt. muss weg" gelten lassen. Eigenartig erleiden. ist diese Parteinahme, weil viele Stutzig machen sollte, dass laut von ihnen in ihrem eigenen politi- Nach all den Lügen, Manipulatioeinem BBC-Bericht vom 18.9.2001 nen und Fälschungen von Nachschen Engagement hierzulande die USA bereits vor "9/11" den Anrichten und Bildern: Ist es nicht nicht gerade bekannt dafür sind, griff auf Afghanistan angekündigt irgendwelche Maximalforderungen höchste Zeit zu erkennen, dass die hatten. Stutzig machen sollte ebenzu stellen oder den Dialog mit der "sozialen" Netzwerke nicht immer so, dass der US-Verteidigungsso "sozial" sind, und auch von Spe- minister Donald Rumsfeld noch vor Regierung verweigern würden. zialabteilungen der Geheimdienste dem Angriff auf Afghanistan erNicht wenige projizieren ihre eige- und PR-Agenturen genutzt werden, klärte "Wir sprechen hier von einen Wunschvorstellungen auf eine dass twitter bytes nicht automanem dauerhaften Waffengang ohne "Revolution" in Syrien, und machen tisch mit Fakten gleichzusetzen Befristung." Wollte er damit andeusich unhinterfragt Einschätzungen sind? „Nach meinen persönlichen ten, dass, auch wenn das angeblivon "Basisorganisationen" zu eigen. Erfahrungen in Damaskus, Daraa, che Ziel der Ausschaltung Osama Oft sind es die gleichen, die schon Homs und Hama sind mindestens bin Ladens und seiner Gruppe in mit dem sympathisierten, was sie die Hälfte der Meldungen über den Höhlen Afghanistans erreicht für eine "Revolution" in Libyen Syrien schlicht falsch - fast wie vor wird, der "Krieg gegen den Terror" hielten, obwohl die katastrophalen dem Irakkrieg", erklärte Jürgen weitergeht? Geht es seit 9/11 also Folgen eines Regime-Change von Todenhöfer schon Ende 2011. tatsächlich um einen "Krieg gegen Anfang an absehbar waren. Nachden Terror"? Ist es nicht höchste Zeit für jene, dem die westlichen Aggressoren die von einem Land zum andern für die Beseitigung Gaddafis geAufschluss dazu gibt der US-amerisorgt hatten und das Land im Cha- unter dem Schlachtruf "Menschenrechte und Demokratie" kanische Vier-Sterne General und os versank, wandten sich die mitmarschieren, mal etwas zurückehemalige Oberbefehlshaber der "Revolutions"-Unterstützer ab und zutreten, um sich einen Blick auf NATO-Streitkräfte in Europa, der nächsten "Revolution" in Syrien das größere Bild der von USA/ Wesley Clark Zehn Tage nach den zu. NATO verfolgten Ziele zu ermögli- 9/11- Anschlägen besuchte er Auch in Syrien sind die Folgen chen? frühere Weggefährten im Penta20
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gon. Ein Mitglied des Generalstabes teilte ihm mit, ein Angriff auf Irak sei bereits beschlossen. Auf seine Frage, ob es denn irgendeinen Zusammenhang zwischen 9/11 und Saddam Hussein gäbe, erhielt er die Antwort "Nein". Einige Wochen später – der Krieg gegen Afghanistan hatte bereits begonnen – wollte Clark wissen, ob Irak immer noch im Visier sei. Es sei noch viel schlimmer, erklärte ihm das Mitglied des Generalstabs. Er habe gerade ein Memorandum aus dem Büro des Verteidigungsministers erhalten: Die USA planen sieben Länder anzugreifen und ihre Regierungen zu stürzen, nicht nur Irak, sondern auch Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und Iran. Für General Wesley Clark hat mit 9/11 ein Coup in den USA stattgefunden als die Neocons die Kontrolle über die Außenpolitik der Regierung Bush Jr. an sich rissen. Er erinnert sich an seine Unterredung – kurz nach dem Ende der „Operation Wüstensturm“ gegen Irak im Jahr 1991 – mit dem berüchtigten Neocon Paul Wolfowitz, dem damaligen dritthöchsten Mann im Pentagon (und späteren stellvertretenden Verteidigungsminister). Erfreut, dass keine Sowjetunion mehr den Einsatz von US Truppen in der Region verhindern könne, meinte Wolfowitz: "Wir haben ungefähr fünf oder zehn Jahre, um die alten sowjetischen Klientelregime zu beseitigen: Syrien, Iran, Irak – bevor uns die nächste Supermacht herausfordern kann." Im Juni 2006 wurde das "New Middle East"-Projekt, nach mehreren Jahren Vorbereitung, von der USAußenministerin Condoleeza Rice und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in Tel Aviv öffentlich vorgestellt. Eine angloamerikanisch-israelische RoadMap, "die einen Bogen der Instabilität, des Chaos und der Gewalt vom Libanon, Palästina und Syrien zum Irak, dem Persischen Golf, Iran bis zu den Grenzen des von NATOTruppen besetzten Afghanistan" Ausgabe 48 März 2016
spannen sollte.
iranischen (schiitischen) Einfluss schüren und regionale AufmerkInzwischen wurde auch ein detailsamkeit auf diese Ängste lenken; lierter Plan zur Organisierung reAusnutzung von Korruption einzelgierungsfeindlicher Aktivitäten ner Familienmitglieder und Verbekannt, mit dem Ziel den syristärkung von Widersprüchen in schen Präsidenten Al Assad zu der Assad-Familie; Unstimmigkeistürzen, den der saudische Prinz ten in Armee und SicherheitskräfBandar und der frühere USten nutzen und Gerüchte über VerBotschafter im Libanon (und heutischwörungen fördern; Aufmerkge UN- Staatssekretär für politische samkeit auf Probleme der Kurden Angelegenheiten) Jeffrey Feltman lenken. Allerdings "muss dies mit im Jahr 2008 ausgearbeitet hatten. Vorsicht geschehen, denn wenn in Viele dort beschriebenen Details Syrien der Kurdenfrage die falsche entsprechen dem, was seitdem in Art Aufmerksamkeit geschenkt Syrien vor sich geht. wird, könnte das unseren BemüDer Krieg in Syrien: ein Bürger- hungen schaden, die Opposition zu krieg? vereinen, angesichts der Skepsis der (meist arabischen) syrischen Zur USA/NATO-Terminologie geZivilgesellschaft gegenüber den hört es, den Krieg in Syrien als Zielen der Kurden." Die Depesche Bürgerkrieg zu bezeichnen, um schließt mit den Worten: "Wenn vom eigenen Wirken abzulenken. wir bereit sind [die Schwächen] für Selbst die Linksfraktion schreibt uns zu nutzen, können wir seine vom "Bürgerkrieg" in Syrien. "Dies [Assads] Entscheidungen stören, entspricht jedoch schon lange ihn aus dem Gleichgewicht bringen nicht mehr der Realität", meint der und einen hohen Preis für seine Völkerrechtler Norman Paech. Ob Fehler zahlen lassen." es jemals nur ein interner Konflikt war, lässt sich stark bezweifeln, Im Juni 2013 berichtete der ehemadenn die USA und ihre Verbünde- ligen Außenminister Frankreichs, ten betreiben seit Jahren die Desta- Roland Dumas im Fernsehkanal bilisierung der Regierung in Dader französischen Assemblée Natiomaskus. nale, wie ihm – noch vor dem Beginn der Feindseligkeiten in Syrien Im April 2011 enthüllte WikiLeaks, – befreundete britische Politiker dass das US-Außenministerium seit berichteten, dass sich in Syrien 2006 Millionen von Dollar an syrietwas zusammenbraue. England sei sche oppositionelle Gruppen innerdabei, eine Invasion von Rebellen halb und außerhalb Syriens leitete in Syrien vorzubereiten: “Diese als Teil einer lang angelegten KamOperation hatte einen langen Vorpagne zum Sturz des syrischen lauf." Sie sei vorbereitet, entwickelt Präsidenten. und organisiert worden "mit dem Im Dezember 2011 folgte die einfachen Ziel, die syrische Regienächste Wikileaks-Enthüllung: In rung zu stürzen", weil das "syrische einer diplomatischen Depesche aus Regime anti-israelische ÄußerunDamaskus vom 13. Dezember 2006, gen macht”. betonte die US-Botschaft, dass die Dass die USA und ihre VerbündeRegierung Assad ihre Position im ten direkt und indirekt TerrororgaLand und international stärken nisationen als Bodentruppen bekonnte. Um dem entgegenzuwirnutzen, ist nicht neu. Der ehemaliken, folgt eine Einschätzung der ge Sicherheitsberater Präsident "potentiellen Schwächen" der AsCarters erklärte voll Stolz, dass die sad-Regierung und Möglichkeiten CIA mit Hilfe der Mudschaheddin "diese auszunutzen" mit Empfeh1979 die Sowjetunion in die afghalungen für konkrete Maßnahmen: nische Falle gelockt hatte. Vier u. a. Ängste der Sunniten vor dem Jahre zuvor, 1975, hatte Brian 21
Jenkins, der Terrorismusexperte der Rand Corporation, des größten privaten militärischen Think-Tanks der Welt, erklärt: "Ich bin der Überzeugung, dass das, was wir als modernen konventionellen Krieg bezeichnen, der Krieg, der erklärt und offen geführt wird, aus vielerlei Gründen überholt ist. Die moderne konventionelle Kriegführung als Instrument politischen Drucks verliert an Bedeutung. Dies wird einige Staaten überzeugen, terroristische Gruppen oder terroristische Taktiken als Ersatz für Kriegführung gegen andere Staaten einzusetzen."
gäbe, dass die CIA die Dschihadisten, die die Opposition kontrollieren, bewaffne und warnte vor den Konsequenzen, wenn die Terroristen Assad stürzen und die Macht übernehmen. Die Türkei bzw. Erdoğan sei ein zentrales Problem.
Dies berichtete der US-Journalist Seymour Hersh in einem langen Artikel, aus dem hervorgeht, dass es offensichtlich nicht nur Widersprüche zwischen der CIA und der DIA gab, sondern auch zwischen höchstrangigen Mitgliedern des USGeneralstabs und dem Weißen Haus. Dem DIA-Chef zufolge seien die Berichte und Warnungen im Weißen Haus auf "starke AblehNachdem die USA und einige ihrer nung" gestoßen, man wollte "die Verbündeten Libyen zerstört hatWahrheit nicht hören". Deshalb ten und Gaddafi gestürzt und erbegannen US-Militärs indirekt Damordet worden war, begann die maskus mit GeheimdienstinformaCIA – im Auftrag der Regierung tion zu beliefern. und in Kollaboration mit ihren Die unbequemen Chefs der DIA Verbündeten in Großbritannien, und des Generalstabs haben ihre Saudi Arabien und Katar – in eiPosten inzwischen verlassen: DIAnem geheimen Programm Waffen und andere Güter aus Libyen über Chef Flynn wurde abberufen und General Dempsey ist im Ruhedie Türkei nach Syrien zu liefern. stand. "Obama hat nun ein gefügiDie Obama-Administration wollte die syrische "moderate Opposition" geres Pentagon. Seine Politik der bewaffnen mit dem Ziel, die Regie- Verachtung Assads und Unterstütrung Assad zu stürzen. Die Türkei zung Erdoğans wird seitens der jedoch lieferte die Waffen und Lo- Militärführung keine indirekte Herausforderung mehr erfahren", gistik "an die gesamte Opposition einschließlich Jabhat al-Nusra und schreibt Hersh. Für Dempsey und seine Partner bleibe es jedoch ein Islamischen Staat." Dies geht aus Rätsel, warum Obama weiterhin einem streng geheimen Bericht Erdoğan öffentlich verteidige – hervor, den der USobwohl er privat das Problem zugäMilitärgeheimdienst DIA gemeinsam mit dem US-Generalstab, unter be. Und Hersh fragt: "Der GeneralLeitung von General Martin Demp- stab und die DIA informierten ständig die Führung in Washington sey, im Sommer 2013 erstellt hatten. Der Chef der DIA, Generalleut- über die dschihadistische Gefahr in nant Michael Flynn, informierte die Syrien und die Unterstützung der Obama-Regierung wiederholt, dass Türkei. Sie hörten nie zu. Warum?" es keine "moderate Opposition" Seymour Hersh geht in seinem
Artikel auch auf die Interessen Russlands (und Chinas) ein. Beide Länder befürchten, dass mit Hilfe der Türkei in Syrien eine Dschihadistenbasis entsteht, aus der Kämpfe in ihre Länder getragen werden könnten, zumal die Türkei dabei hilft, uigurische und tschetschenische Terroristen nach Syrien einzuschleusen und viele Führer der IS vorher gegen Russland in Tschetschenien gekämpft hatten. Für die Bundestagsfraktion und den Vorstand der Linkspartei ist das Bild viel einfacher: Sie sprechen unterschiedslos von den "externen Akteuren". Demnach verfolge auch Russland nur "scheinbar" das Ziel der „Bekämpfung des IS". In Wirklichkeit gehe es aber auch Russland – wie allen anderen internationalen Akteuren in Syrien – nur darum, seine "globalstrategischen und machtpolitischen Interessen auf dem Rücken der Zivilbevölkerung" auszutragen. Äquidistanz zu Russland/USA – und das Völkerrecht? Die syrische Regierung führt einen legitimen Kampf gegen die massive Einmischung der USA und ihrer Verbündeten und gegen die Eroberung seines Staatsgebietes durch terroristische Organisationen, die vor allem von den USA, der Türkei, Saudi Arabien und Katar unterstützt werden. Die Terrorgruppen haben weite Teile des Landes offensichtlich ganz im Interesse anderer Staaten eingenommen. Das zeigt sich insbesondere durch den massiven illegalen Ölhandel, den Daesh mit der Türkei betreibt. Monatelang gaben die USA und einige ihrer Verbündeten vor, in einer
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"Anti-Terror-Koalition" gegen Daesh land um militärische Unterstützu kämpfen. Der wurde indes imzung. Wenn uns das Völkerrecht mer stärker. noch etwas gelten soll, dann müssen wir diesen Unterschied deutDas militärische Eingreifen Russlich machen. Jede Äquidistanz zum lands im September und die Rückvölkerrechtskonformen russischen eroberung syrischen StaatsgebieMilitäreinsatz in Syrien und der tes durch Regierungstruppen hatte völkerrechtswidrigen westlichen die westliche "Anti-TerrorAggression leistet der weiteren Koalition" offenbar kalt erwischt. Aushöhlung des Völkerrechts VorEin von außen erzwungener Reschub. gime-Change in Syrien scheint damit vereitelt. Die Aufgabe der Friedensbewegung ist es, sich gegen MilitäragDer überraschenden Ankündigung gressionen zu wenden, gegen den der Bundesregierung, sich mit der Aggressor und nicht, dem AngeBundeswehr an der westlichen griffenen das Völkerrecht auf "Anti-Terror-Koalition" zu beteiliSelbstverteidigung abzusprechen. gen, haben Friedensbewegung und Im Völkerrecht gibt es das Verbot auch die Linkspartei ein kategorieines Angriffskriegs und das Recht sches Nein entgegengehalten. auf militärische Verteidigung. Nicht wenige in der FriedensbeweAuch in diesem Zusammenhang ist gung und auch offizielle Erklärunes völlig unerheblich, ob einzelnen gen der Linksfraktion und Partei in der Friedensbewegung oder der bemühen sich allerdings nun um Linkspartei die Regierung eines Gleichsetzung des russischen Einangegriffenen Landes gefällt oder greifens mit dem der westlichen nicht. "Anti-Terror-Koalition". Die "russischen und US-Bomben" wer- "Bomben schaffen keinen Frieden in einem Atemzug genannt. den" Nur, wo bleibt das Völkerrecht, das für die Friedensbewegung immer ein wichtiger Bezugspunkt war und auf das sich doch auch die Linkspartei gerne bezieht? Syrien hat weder die USA noch die Bundesrepublik und andere NATOLänder um militärische Hilfe gebeten. Warum sollte es auch gerade jene Länder bitten, die ihr Ziel, den Sturz der Regierung in Damaskus, nie aufgegeben hatten. Die monatelangen Bombardierungen der USA und ihrer Partner in Syrien – nun auch der Bundesrepublik –sind ein völkerrechtswidriger Angriff auf die territoriale Integrität Syriens und gelten als Aggression. "Das syrische Staatsgebiet ist völkerrechtswidrig für ‚vogelfrei‘ erklärt worden", wie die Linksfraktion treffend erklärt.
Vom beschlossenen Waffenstillstand sind militärische Aktionen gegen Daesh, Nusra und andere Terrorgruppen (die noch festzulegen sind) ausdrücklich ausgeDiese Losung der Linkspartei, oder schlossen. Das bedeutet, dass zuLosungen wie "unter Bombenteppi- mindest formal die Unterstützung chen wächst kein Friedieser Terrorgruppen nicht mehr de" (Linksfraktion) oder "Krieg zulässig ist. Dass dies von intereskann nicht mit Krieg bekämpft sierten Staaten unterlaufen wird, werden" (wie in Appellen der Frie- zeigt sich zumindest deutlich densbewegung zu lesen), klingen durch die Aktionen der Türkei. recht schön und pazifistisch, aber In Wien und New York wurde der vergessen jede historische ErfahWeg für eine tragbare langfristige rung, auch die Geschichte unseres politische Lösung eröffnet, ein Landes. Militärische KampfhandWeg, der noch viele Hindernisse lungen – auch jene der Anti-Hitlerüberwinden muss. Russland konnKoalition, allen voran der Roten te auch durchsetzen, dass die völArmee – waren und sind leider oft kerrechtswidrige Vorbedingung die Voraussetzung, um Frieden zu "Assad muss weg" endlich aufgegeschaffen. Derartige Losungen könben wurde. Die UNO Resolution nen kein Konsens sein in der Frie2254 (2015) bestätigt die Souverädensbewegung, in der schon imnität, Unabhängigkeit und territorimer nicht nur Pazifisten engagiert ale Integrität Syriens und untersind, sondern auch Antimilitarisstreicht, dass es ausschließlich die ten, die das Recht auf militärische Sache des syrischen Volkes ist Verteidigung gegen Angriffskriege über die Zukunft seines Landes und auf bewaffnete Befreiungsund seiner politischen Führung zu kämpfe (gegen Kolonialismus und entscheiden. Besatzung) anerkennen.
In seinem legitimen Kampf zur Verteidigung seines Staatsgebietes und den Fortbestand des Landes Auch in Syrien geht es um die bat die syrische Regierung RussSchaffung der Voraussetzung für Ausgabe 48 März 2016
Frieden und für die politische Lösung der Probleme im Land. Die militärischen Aktionen der syrischen Regierung und Russlands sind eine unmittelbare Notwendigkeit, um Daesh und andere Terrorgruppen vom syrischen Staatsgebiet zu verdrängen. Erst das erfolgreiche militärische Eingreifen Russlands hat seinen langen, intensiven diplomatischen Bemühungen für eine politische Lösung zum Durchbruch verholfen: All jene Länder, die seit Jahren den völkerrechtswidrigen Regime-Change in Damaskus betreiben, mussten wohl oder übel einsehen, dass ihr Kampf in eine Sackgasse führte und setzten sich in Wien mit Russland an einen Tisch. Die Wiener Verhandlungen führten schließlich zu einer einstimmig beschlossenen Resolution des UN-Sicherheitsrates.
Doris Pumphrey
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Syrienkrieg und Völkerrecht Was geht in Syrien unter dem Aspekt des Völkerrechts eigentlich vor sich? Kann man das tödliche Durcheinander überhaupt noch mit rechtlichen Mitteln erfassen? Das ist in der Tat schwierig. Ich will es versuchen. Maßstab ist vor allem die UNO-Charta, an die alle am Konflikt direkt oder indirekt beteiligten Staaten als Mitglieder der UNO gebunden sind. Erstens. 2011 kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den regulären Streitkräften der legitimen Regierung Syriens und Kräften der Assad-Gegner. Das war zunächst ein Bürgerkrieg oder in der Sprache des „humanitären Kriegsvölkerrechts“ ein „nichtinternationaler bewaffneter Konflikt“, und damit eine innere Angelegenheit Syriens. Dafür gilt der Grundsatz der Nichtintervention aus Art. 2 Ziffer 7 der Charta, das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und Mitglieds der UNO. Zweitens. Dieses Verbot wurde zunehmend durch Saudi-Arabien und Katar sowie durch die Türkei mit der Forderung des RegimeWechsels („Assad muss weg“), mit Waffenlieferungen, mit Geld für die Gegner Assads und durch die „freundliche Duldung“ des Überwechselns von „Kämpfern“ nach Syrien verletzt. Erdogan ließ seinen antikurdischen Hass auf türkischem Territorium freien Lauf, wobei die Kurden ihre eigenen Interessen für mehr Selbständigkeit verfolgen. Der Westen ergriff offen und grob Partei für die „Rebellen“ und gegen Assad. Von vornherein waren westliche Geheimdienste mit am Werk. Die USA und die EU verhängten wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen das offizielle Syrien. Die Opposition wurde mit sogenannten nichttödlichen Ausrüstungen versorgt. Russland, der Iran und die libanesische Hisbollah unterstütz-
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ten Assad. Auf diese Weise erhielt der Bürgerkrieg die zusätzliche Dimension eines internationalen bewaffneten Konflikts. Mit den Luftangriffen der USA und SaudiArabiens ab September 2014, an denen sich später auch Großbritannien und Frankreich beteiligten, und den militärischen Überfällen der Türkei auf Syrien nahm dieser Konflikt den Charakter einer massiven Verletzung des Gewaltverbots des Art. 2 Ziffer 4 der UNOCharta. Dieses Verbot ist die Grundnorm des internationalen Lebens, sozusagen die Übersetzung des bekannten Worts von Willi Brandt „Frieden ist nicht alles, ohne Frieden ist alles nichts“ ins Völkerrechtlich-Normative. Deutschland hat sich an dieser Aggression bis Januar 2016 mit der Entsendung von Truppen und Flugabwehrraketen zum völlig unnötigen Schutz vor nicht stattgehabten Angriffen Syriens auf die Türkei beteiligt. Drittens. Gegen einen bewaffneten Angriff gilt das Selbstverteidigungsrecht des Art. 51 der UNOCharta. Im Syrienkrieg hat Assad dieses Recht auf seiner Seite. Aggressoren sind diejenigen, die ohne seine Zustimmung und gegen seinen Protest auf syrischem Territorium herum bomben und herum schießen, also die USA und ihre Verbündeten. Es ist prinzipiell richtig, dass der Terror nicht durch Krieg auszuschalten ist. Aber in Syrien ist eine Lage entstanden, in der gar nichts anderes übrig bleibt als den Islamischen Staat auch mit Waffengewalt zu bekämpfen, solange dieser seine grausame Waffengewalt praktiziert. Mit zivilen Mitteln allein lässt sich der IS in Syrien nicht ausschalten. Assad hat auch das Recht, sich russische Militärhilfe gegen den Islamischen Staat und die bewaffneten „Rebellen“ zu holen. Und Russland hat das Recht, solche Hilfe zu leisten. In der Völkerrechtswissenschaft wird das
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unter dem Begriff „Intervention auf Einladung“ gehandelt. Das ist ein problematisches Rechtsinstitut, weil man selten genau weiß, ob die Einladung vom Eingeladenen bestellt oder gar erzwungen ist. Im Fall des Eingreifens Russlands in den Syrien-Krieg liegt aber zweifelsfrei eine Bitte Assads vor, der die Hilfe Russlands bitter nötig hatte. Viertens. Unabhängig davon, wer in Syrien völkerrechtsgemäß oder völkerrechtswidrig militärische Gewalt anwendet, ist jede Seite des Konflikts verpflichtet, sich bei ihren Kampfhandlungen an das geltende Gebot des Schutzes der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu halten, wie es besonders in den Genfer Konventionen von 1949 und den zwei Zusatzprotokollen von 1977 normiert ist, sowie das Verbot bestimmter Waffen, wie chemische und biologische, Antipersonenminen und Streubomben zu achten. Auch die zwei internationalen Menschenrechtspakte von 1966 sind in einem internationalen Konflikt keineswegs außer Kraft gesetzt. Es gibt wohl keinen Zweifel, dass in Syrien massenhafte und schwerwiegende Verletzungen dieser Normen vorkommen. Der Sicherheitsrat ist in der Resolution Nr. 2258 vom 22. Dezember 2016 so weit gegangen, „dass einige der in Syrien verübten Rechtsverletzungen, Übergriffe und Verstöße möglicherweise Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.“ Keine Seite ist da frei von Schuld. Aber es ist unredlich und inakzeptabel, die Verantwortlichen nur auf der Seite Assads und Putins zu sehen. Die Hauptschuldigen sind die bewaffneten Gegner Assads und ihre westlichen Verbündeten. Fünftens. Seit einigen Jahren sind die terroristischen Organisationen Islamischer Staat und Al NusraFront zu eigenständigen Faktoren im Syrien-Krieg geworden. Diese
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beherrschen beträchtliche Teile des syrischen Staatsgebiets und üben grausam-blutige Gewalt gegen die dortige Bevölkerung. Der Islamische Staat (IS) ist kein Staat sondern eine verbrecherische Organisation. Man kann meines Erachtens Vorschlägen nicht folgen, dass man um des Friedens willen, auch mit Leuten vom IS verhandeln sollte. Das würde den IS zu einem normalen Völkerrechtssubjekt aufwerten und ihn eher in seinem verbrecherischen „heiligen“ Wahn stärken, als ihn zu zivilisiertem Verhalten zu bekehren. Es gibt zwar bis heute keine allgemein anerkannte juristische Definition, was Terrorismus ist. Die Mitglieder der UNO haben es bisher nicht fertig gebracht, ein „Umfassendes Übereinkommen“ über den Kampf gegen den Terrorismus abzuschließen, weil sie sich nicht über eine solche Definition einigen konnten. Schon mehr als 20 Jahre wird an diesem Übereinkommen gearbeitet. Es gibt dazu das boshafte Wort „Was dem einen sein Freiheitskämpfer, ist dem anderen sein Terrorist“ und umgekehrt. Der IS war dem Westen anfänglich als Kampfinstrument gegen Assad willkommen und wurde wohlwollend geduldet. Inzwischen ist man sich von Washington über Brüssel, den Nahen Osten bis Moskau einig, dass das was der IS macht Terrorismus kein „Befreiungskampf“ gegen Assad ist und sich nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen den Westen, gegen Russland und selbst gegen die Länder des Nahen Ostens richtet. Zu Recht hat der Sicherheitsrat in der Resolution 2249 vom 20. November 2015 den IS als „eine weltweite und beispiellose Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ bewertet. Sechstens. Laut der erwähnten Resolution 2258 des Sicherheitsrats sind im Syrien-Krieg bisher 250.000 Menschen getötet worden, darunter viele Frauen und Kinder. In dieser mörderischen Situation ist eine massive Fluchtbewegung entstanden. Der Sicherheitsrat hat Ausgabe 48 März 2016
4,2 Millionen Menschen gezählt, die das Land verlassen haben, von ursprünglich 21 Millionen Einwohnern. Dazu kommen noch 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Also die Hälfte der Einwohner ist auf der Flucht. Ein unglaubliches menschliches Drama. Man scheut sich fast, da juristische Messlatten anzulegen, außer dem kategorischen politisch-moralischen Imperativ: den Menschen muss geholfen werden. Zumal das Völkerrecht keine eindeutigen Antworten parat hat. Es gibt das Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge von 1951/1967. Es bestimmt, dass Flüchtlinge Menschen sind, die sich „wegen begründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres eigenen Landes befinden.“ Der Wortlaut meint die politischen Flüchtlinge. Ihnen wird eine Rechtsstellung zugesichert, wie sie alle übrigen Ausländer oder sogar die eigenen Staatsbürger haben. Die übergroße Mehrheit der Syrier flieht jedoch nicht wegen politischer Verfolgung, sondern schlicht um ihr Leben vor Krieg und Terror zu bewahren. Sie gehören zur Kategorie der Kriegsflüchtlinge. Für sie muss dieselbe Rechtsstellung gelten, wie für die politischen Flüchtlinge. Das Flüchtlingsabkommen regelt die Stellung der Flüchtlinge, wenn sie bereits in einem anderen Land sind, aber nicht die Einreise von Flüchtlingen in andere Länder. Das Grenzregime ist Sache des jeweiligen innerstaatlichen oder des EU-Rechts, nicht des allgemeinen Völkerrechts. Aber es darf nicht menschenrechtswidrig gestaltet werden, wie das der Festung Europa. Die Wahrung der Idee der Menschenrechte gebietet, dass Menschen, deren Recht auf Leben im eigenen Staat durch Krieg und Hunger gefährdet ist, auf einem sicheren Weg und nach einem geregelten Verfahren in anderen Staaten Aufnahme finden. Der auf der
Sitzung des Europäischen Rats am 7. März mit der Türkei abgekartete Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien ist ein Hohn auf das universale und europäische Flüchtlingsrecht, auf die europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten und auf die EU-Charta der Grundrechte. Das ähnelt eher der Freiheitsberaubung und Vertreibung von Massen von schutzsuchenden Menschen und dem Menschenhandel. Alles in allem: Wir haben es in Syrien mit einer ziemlich verworrenen Verquickung von Bürgerkrieg, internationalem Krieg, der auf der einen Seite eine Aggression westlicher Länder ist und auf der anderen Seite eine Selbstverteidigung Syriens, sowie flächendeckendem Terror und Massenflucht zu tun. Jetzt zum beschlossenen Einsatz der Bundeswehr im Syrien-Krieg, den der Bundestag am 4. Dezember mit 445 gegen 145 Stimmen beschlossen hat. Die Außen- und Militärpolitik des imperialistischen Deutschlands braucht Rechtfertigungen. Sie muss den Leuten schmackhaft und verdaulich gemacht werden. Die aggressive Politik kommt nicht ohne die Behauptung aus, dass das Völkerrecht selbstverständlich allenthalben eingehalten wird. So beginnt auch der Beschluss des Bundestags mit einem langen Absatz über angeblich vorhandene völkerrechtliche Grundlagen des Einsatzes. Diese Rechtsgrundlagen gibt es aber nicht. Der Einsatz mit bis zu 1.200 Soldatinnen und Soldaten, 6 Tornados und einer Fregatte ist völkerrechtlich keineswegs gedeckt. Dazu drei Bemerkungen. Der Beschluss beruft sich erstens auf drei Resolutionen des UNOSicherheitsrats. In keiner dieser Resolutionen ist jedoch die Anwendung militärischer Gewalt durch Drittstaaten zur Bekämpfung des Terrorismus des IS beschlossen worden. Alle drei Resolutionen enthalten nur nichtmilitärische Antiterrormaßnahmen. Zu Recht verurteilt die Resolution 25
2249 vom 20. November 2015 „unmissverständlich und mit allem Nachdruck“ die „grauenvollen Terroranschläge“ nicht nur in Paris sondern auch in Sousse, in Ankara, über Sinai, in Beirut sowie alle anderen Anschläge des IS. Die Resolution fordert in Ziffer 5 die Mitgliedstaaten auf, in dem unter Kontrolle des IS stehenden Gebiet in Syrien und Irak „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen,… um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden … und den sicheren Zufluchtsort zu beseitigen, den sie [der IS und andere Gruppen] in erheblichen Teilen Iraks und Syriens geschaffen haben“. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das zu geschehen hat „unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen sowie der internationalen Menschenrechtsnormen, des Flüchtlingsvölkerrechts und des humanitären Völkerrechts“. Man kann diese Aufforderung keinesfalls so interpretieren, als sanktioniere der Sicherheitsrat damit die Anwendung von Waffengewalt durch Drittstaaten in Syrien ohne Anforderung und Zustimmung der Regierung Syriens. Im Falle Syriens liegt eine Bitte der Regierung um bewaffnetes Eingreifen nur für einen einzigen Drittstaat, nämlich für Russland vor. Die Resolution beruft sich überhaupt nicht darauf, dass der Rat nach Kapitel VII der Charta handelt, der einzigen möglichen Rechtsgrundlage für einen Waffeneinsatz. Beschlossen wurde in der Resolution die Verpflichtung aller Staaten „zur Eindämmung des Zustroms ausländischer terroristischer Kämpfer nach Irak und Syrien und zur Verhütung und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung“. Das ist völkerrechtskonform. Dem Bundeswehreinsatz im Syrienkrieg fehlt eine Legitimierung durch den UNO-Sicherheitsrat.
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Die Bundesregierung beruft sich zweitens auf das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UNOCharta. Dieses Recht besteht „in Falle eines bewaffneten Angriffs“ und nur in diesem Fall. Aber waren die Terrorakte in Paris ein bewaffneter Angriff auf Frankreich? Bisher galt und gilt nach wie vor als bewaffneter Angriff, wenn ein Staat gegen einen anderen als erster militärische Gewalt ausübt, also eine Aggression begeht. Der IS ist kein Staat im Sinne des Völkerrechts, sondern eine Verbrecherbande und seine Aktion in Paris war kein bewaffneter Angriff auf Frankreich sondern ein schweres Verbrechen. Es wäre – so muss ein unvoreingenommener Jurist urteilen – eine Aufweichung des Gewaltverbots und damit eine Aushöhlung des Grundbestands des zwingenden Friedensvölkerrechts mit unvorhersehbaren Folgen, wenn die Begriffe Angriff und Verteidigung ausgeweitet oder uminterpretiert würden. Auf das Selbstverteidigungsrecht der UNO-Charta kann sich die Bundesregierung nicht berufen. Die Bundesregierung stützt sich drittens auf den dubiosen Hilferuf des französischen Präsidenten Hollande nach Art. 42 Abs. 7 des EUVertrags. Zu Unrecht. Dort heißt es: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.“ Die Terroranschläge in Paris waren schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber kein bewaffneter Angriff auf das Hoheitsgebiet Frankreichs. Der „Einklang“ mit Artikel 51 besteht nicht. Es gibt noch einen anderen „einschlägigen“ Artikel in den EUVerträgen, nämlich die
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„Solidaritätsklausel“ des Artikels 222 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU. Dort heißt es, dass EU-Mitglieder einem von einem Terroranschlag betroffenen Mitglied auch mit militärischen Mitteln „innerhalb seines Hoheitsgebiets unterstützen“ sollen, aber nur „auf Ersuchen seiner politischen Organe“. Auf diesen Artikel hat sich Hollande wohlweislich nicht berufen. Es wäre auch das Letzte, ausgerechnet deutsche Soldaten nach Frankreich zum AntiTerrorkampf einzuladen. Im Übrigen hat sich Deutschland nach meiner Meinung aus historischen, politischen und verfassungsrechtlichen Gründen aus direkten oder indirekten Militäreinsätzen, ob mit oder ohne Mandat des Sicherheitsrats, in Syrien, im Irak und überall sonst wo herauszuhalten. Ich würde deshalb den Einsatz der Bundeswehr auch dann ablehnen, wenn der Sicherheitsrat ein Mandat erteilt hätte. Es gibt für einen Staat wie die BRD genügend Möglichkeiten, den Terrorismus mit zivilen Mitteln wirksam zu bekämpfen. Jüngste Entwicklungen zum SyrienKrieg geben zu Hoffnungen Anlass, dass endlich das nach Art. 2 Ziffer 3 der Charta verbindliche Prinzip der Beilegung von Streitigkeiten durch friedliche Mittel zum Zuge kommt. Die Präsidenten Putin und Obama haben sich in einem telefonischen Kontakt über eine gemeinsame Erklärung der USA und Russlands geeinigt, dass ab dem 27. Februar eine Waffenruhe zwischen den Streitkräften der syrischen Regierung und denen der Opposition in Kraft treten soll. Es heißt, dass Assad, die „Rebellen“ und die syrischen Kurden zugestimmt haben. Die Waffenruhe soll nicht gegenüber den Terrorgruppen IS und al Nusra-Front und anderen Terroristen gelten, die vom Sicherheitsrat als solche bestimmt werden. Es
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ist allerdings schwierig, zwischen den fast 100 Rebellengruppen, von denen verschiedene mit Terroristengruppen zusammenarbeiten und den Terroristen eine klare Unterscheidung zu ziehen. Und das ist natürlich eine Quelle für Unsicherheiten. Aber die Waffenruhe wird bisher im Großen und Ganzen eingehalten. Die USA und Russland handelten nicht bloß für sich, sondern wie es heißt, im Namen der Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien. Die Unterstützungsgruppe mit 21 Mitgliedern ist äußerst bunt zusammen gesetzt. Die USA und Russland sind die Vorsitzenden. Die anderen Vetomächte, der Iran und SaudiArabien, Deutschland und die Türkei, die UNO, die EU und die Arabische Liga gehören dazu, also alle,
auf die es ankommt. Die Gruppe hatte schon durch die Wiener Erklärungen vom 30. Oktober und vom 14. November 2015 einen richtigen Ansatz für Frieden in Syrien geliefert, der jedoch nichts gebracht hat. Die sinnlose Forderung: Assad muss erst weg, bevor Frieden kommt, wurde in diesen Erklärungen nicht erhoben. Der Sicherheitsrat ist auch nicht untätig geblieben. Am 18. Dezember hat der Rat einstimmig die Resolution 2254 verabschiedet. Sie enthält vernünftige Beschlüsse für Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition und für eine landesweite Waffenruhe. Einige Tage später am 22. Dezember 2015 wurde die Sicherheitsratsresolution 2258 nachgeschoben. Die verheerende huma-
nitäre Lage in Syrien wird dort mit aller gebotenen Schärfe charakterisiert und „verlangt, dass alle Parteien, insbesondere die syrischen Behörden, den für sie geltenden Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen, sofort nachkommen.“
Am 12. Februar bestand auf einem Treffen der internationalen Gruppe, einschließlich Russlands und der USA, schon einmal Einigkeit darüber, dass innerhalb einer Woche in Syrien eine Waffenruhe eintreten soll. Daraus wurde nichts und das lag nicht an Russland. Nach allen negativen Erfahrungen ist Skepsis angebracht. Der IS setzt seinen Terror fort und zeigt, dass man mit ihm tatsächlich keine Waffenruhe machen kann. Meldungen über Störungen der Waffenruhe sind nicht selten, aber meist nicht belegt. Am 29. Februar hat Spiegel online gemeldet, der französische Außenminister habe angeblich Hinweise, dass, (na wer wohl? Natürlich) das „syrische Regime und seine Verbündeten die Feuerpause in Syrien missachten“. Die Gegner der Waffenruhe und des Friedens in westlichen Dienststellen und Medien machen mobil. Die USA, Saudi-Arabien, Frankreich, die Türkei und andere wollen im Grunde keinen Frieden in Syrien. Aber der inzwischen zum gefährlichen „gemeinsamen Gegner“ ausgewachsene IS veranlasst sie zu Absprachen mit Russland und dem syrischen „Regime“. Die weitere Entwicklung ist offen. Am 7. März sollten die zähflüssigen Genfer Friedensgespräche unter UNOVermittlung fortgesetzt werden. Nunmehr sollen sie am Montag den 14. März richtig anfangen. Vielleicht. Gregor Schirmer
Erstveröffentlichung in der Tageszeitung „junge Welt“ vom 16. März 2016
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Zielscheiben des Westens Die US-geführten Interventionen der vergangenen Jahre haben sich immer gegen Länder mit antikolonialer Revolution gerichtet. Das Hauptaugenmerk gilt aber Russland und China Auf Einladung der Partei Europäische Linke (EL) diskutierten am 9. Januar in Berlin unter anderem deren Vizepräsidentin María Teresa Mola aus Spanien, der Völkerrechtler Gregor Schirmer, Dov Khenin, KnessetAbgeordneter von Chadash, der griechische Arbeitsminister Georgios Katrougalos, der Autor Rainer Rupp, der unter anderem für jW schreibt, sowie der Philosoph und Publizist Domenico Losurdo zum Thema »Antiimperialismus heute«. China und Russland sind »Zielscheibe« des Westens geworden, um die antikoloniale Weltrevolution in Frage zu stellen, so Losurdo in seinen Ausführungen. Die USA benennt der Italiener als gefährlichste Macht in diesem Streben. Auf Bitten der jW hat der Autor seine Ausführungen zu einem Artikel ausgearbeitet. Ich möchte mit einer banalen Feststellung anfangen: Die Gefahr eines großen Krieges, ja sogar eines Weltkriegs hat eine neue Aktualität gewonnen. Papst Franziskus hat behauptet, dass der dritte Weltkrieg schon im Gange sei. Wann hat er angefangen? Seit dem Triumph des Westens im Kalten Krieg erleben wir einen heißen Krieg nach dem anderen. 1989 – Invasion Panamas seitens der USA. 1991 – erster Golfkrieg gegen den Irak. 1999 – Krieg gegen Jugoslawien. 2003 – zweiter Krieg gegen den Irak. 2011 – Krieg gegen Libyen. Unmittelbar danach der Krieg gegen Syrien. Und natürlich die koloniale Expansion in Palästina, d.h. der ununterbroche28
ne Krieg gegen das palästinensische Volk. All diese Kriege haben zweierlei gemeinsam: Erstens, sie werden auch ohne Zustimmung des Sicherheitsrates der UNO entfesselt, d.h. sie sind völkerrechtswidrig. Zweitens, sie haben als Zielscheibe immer Länder, die eine – mehr oder weniger gelungene – antifeudale und antikoloniale Revolution hinter sich haben. Jedenfalls bleiben Länder wie Saudi-Arabien und Katar ausgespart, die keine antifeudale und antikoloniale Revolution hinter sich haben, und die heute den »Islamischen Staat« finanzieren und unterstützen. Wir können zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens, die Barbarei des »Islamischen Staats« ist gleichzeitig und in erster Linie die Barbarei des westlichen Kolonialismus und Imperialismus. Zweitens, der Kampf zwischen Kolonialismus und Antikolonialismus, zwischen Imperialismus und Antiimperialismus spielt noch heute eine zentrale Rolle. Der Triumph des Westens im Kalten Krieg wurde von Parolen begleitet, die da lauteten: Gescheitert ist nicht nur die Sache des Sozialismus, sondern auch die der dritten Welt. Endlich ist der Kolonialismus wieder da! Sogar die Kategorie Imperialismus erlebte eine Rehabilitierung. Der britische Historiker Niall Ferguson behauptet: Nach dem britischen Empire brauchen wir das amerikanische Empire. Die US-Amerikaner dürften keine Angst vor dem Wort Imperialismus haben, zumal schon die Gründerväter der USA erklärte und selbstbewusste Imperialisten waren. Und in der Tat, auch die bürgerliche Presse hat anerkannt, dass z. B. der Krieg gegen Libyen im Jahr 2011 ein Kolonialkrieg war, und zwar ein grausamer kolonialer Krieg. Der in Paris lebende Philo-
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soph und Schriftsteller Tzvetan Todorov erinnerte daran, dass der NATO-Krieg gegen Libyen mindestens 30.000 Menschen das Leben gekostet hat – geführt wurde er unter dem Vorwand, die Bevölkerung vor Muammar Al-Ghaddafi zu schützen. Aggression gegen Syrien Schon 2003 haben die USamerikanischen Neokonservativen den »Regime-Change« in Syrien befürwortet und geplant. Man kann über Baschar Al-Assad urteilen, wie man will: Es bleibt Tatsache, dass ein Krieg, der fast ein Jahrzehnt im voraus und Tausende Kilometer entfernt programmiert worden ist, kein Bürgerkrieg, sondern in erster Linie ein imperialistischer Aggressionskrieg ist. Die imperialistischen Ambitionen werden manchmal explizit und sogar stolz proklamiert. Bekanntlich sagte Präsident George W. Bush gerne, die USA seien die von Gott auserwählte Nation und hätten die Aufgabe, die Welt zu regieren. Nicht viel anders ist die Sprache seines Amtsnachfolgers Barack Obama, der vor kurzem das Dogma proklamiert oder besser bestätigt hat, wonach die USA die »undispensable nation«, die einzige unentbehrliche Nation in der Welt seien. Auserwählte Nation, unentbehrliche Nation. Damit sind wir bei der Definition Lenins vom Imperialismus: Der Imperialismus ist der Anspruch von wenigen, angeblich auserwählten Nationen oder Modellnationen, die sich selbst Souveränität zuschreiben, sie den andern Völkern aber absprechen. Angeführt von den USA versucht der westliche Imperialismus, die antikoloniale Weltrevolution des 20. Jahrhunderts in Frage zu stellen. Die neokolonialen Kriege, die 1989 angefangen haben, kündigen größere Kriege an. Die erste Zielscheibe ist China, d. h. das Land, Bulletin ● Geraer Sozialistischer Dialog
das aus der größten antikolonialen lage dem Risiko ausgesetzt war, ten Staaten streben seit langem Revolution der Geschichte entstan- eine Kolonie zu werden. Das war danach, die Fähigkeit zu erreiden ist. Das Land, das auch die so nach dem Ersten Weltkrieg. In chen, dem Feind ungestraft den heutige Etappe der antikolonialen den 1940er Jahren wollte Hitler Erstschlag mit atomaren Waffen Revolution anführt. Heute streben explizit in Osteuropa das germani- zuzufügen. Dem dient auch das die Länder, die das politische Joch sche Indien aufbauen, d. h. Russ- sogenannte Raketenabwehrsystem des Kolonialismus abgeschüttelt land in eine Kolonie verwandeln – Washingtons. Der Krieg, der droht, haben, danach, sich auch von der viele Historiker sind heute der könnte auch die nukleare Schwelwirtschaftlichen und technologiMeinung, dass Hitlers Krieg im le überschreiten. Der Kampf gegen schen Abhängigkeit zu befreien; Osten der größte Kolonialkrieg der die neokolonialen Kriege, die sonst würde ihre politische Unab- Weltgeschichte gewesen ist. Nach schon im Gange sind, und gegen hängigkeit nur formell bleiben. der Niederlage im Kalten Krieg die wachsende Gefahr eines groLenin hat zwischen dem klassilief schließlich Russland Gefahr, ßen Krieges und damit der Kampf schen Kolonialismus – die politieine Halbkolonie des Westens zu gegen die NATO sind notwendiger sche Annektierung eines Landes – werden: Die massiven Privatisieund dringender denn je. und dem Neokolonialismus – die wirtschaftliche Annektierung eines Landes – klar unter„Man kann über Baschar Al-Assad urteilen, wie man schieden. Auch will: Es bleibt Tatsache, dass ein Krieg, der fast ein wenn er nicht so heldenhaft erJahrzehnt im voraus und Tausende Kilometer entfernt scheint, ist der Kampf gegen die programmiert worden ist, kein Bürgerkrieg, sondern in wirtschaftliche erster Linie ein imperialistischer Aggressionskrieg ist.“ Annektierung ein Bestandteil der weltweiten antikolonialen Revolution, die mit der Oktoberrevolution begon- rungen bedeuteten die Aneignung nen hat. des Sozialreichtums nicht nur sei- -------------Der Argument-Verlag hat im verDer bereits erwähnte britische tens der russischen Plutokratie, gangenen Jahr von Domenico LoHistoriker Niall Ferguson hat dasondern auch seitens der westlisurdo das Buch »Gewaltlosigkeit: ran erinnert, dass am Anfang der chen Monopole. In der Ära von Eine Gegengeschichte« veröffentReformen in der Volksrepublik Boris Jelzin war es ihnen gelunlicht. Der Band »Die Sprache des China viele US-Amerikaner die gen, den enormen russischen Imperiums: Ein historischHoffnung hegten, das große asiati- Reichtum an Energiequellen zu sche Land in eine Halbkolonie kontrollieren. Erst Präsident Wla- philosophischer Leitfaden«, 2011 verwandeln zu können. Das ist dimir Putin hat alledem ein Ende im Papyrossa-Verlag erschienen, setzt sich mit dem »Krieg gegen nicht gelungen, vielmehr ist heute gesetzt – und er hat dafür den den Terrorismus« auseinander. Im klar: Diejenigen, die die antikolo- Hass des Westens auf sich gezoMai 2016 will der Papyrossaniale Revolution des 20. Jahrhun- gen. Verlag von Domenico Losurdo das derts in Frage stellen wollen, müsBuch »Der Klassenkampf oder Die sen unbedingt China ins Visier Der Imperialismus ist zu allem nehmen. bereit. Sergio Romano, ein bekann- Wiederkehr des Verdrängten? ter Journalist, der in seiner diplo- Eine politische und philosophische Feinbild Moskau matischen Karriere erst Ständiger Geschichte« vorlegen. Die zweite Zielscheibe ist RussVertreter Italiens bei der NATO land, ein Land mit einer kompliund dann Botschafter in der SowDomenico Losurdo zierten Geschichte. Oft ist es eine jetunion war, hat auf eine wichtiimperialistische Macht gewesen, ge Charakteristik des USaber eine imperialistische Macht, amerikanischen Wettrüstens aufdie nicht selten nach einer Nieder- merksam gemacht: Die Vereinig-
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Deutschland führt Krieg. Im Dezember 2015 hat der Bundestag ohne große Diskussion in Parlament oder Öffentlichkeit beschlossen, die Bundeswehr in einen Kampfeinsatz nach Syrien zu schicken. Wieder ein Krieg, der den Terror bekämpfen soll. Ein Krieg, der das Völkerrecht verletzt, um Recht und Gesetz wieder herzustellen. Das ist schon in Afghanistan, im Irak, in Mali gescheitert. Waffen gewalt und Waffenexporte schaffen keinen Frieden. Wir wollen einen realistischen Blick auf die Kämpfe um die Vorherrschaft in der Welt werfen. Wir wollen über die dahinter stehenden Interessen und über friedliche Alternativen sprechen. Was sind Strategien für Frieden und Entspannung? Wie schaffen wir eine starke Bewegung gegen den Krieg? Diskutiert mit auf der „Friedens- und entspannungspolitischen Konferenz“.
Programm
Freitag, 18. März 18 Uhr Eröffnungsrede: Nach dem Scheitern des „War on Terror“ – für einen New Deal gegen Krieg, Fundamentalismus und Gewalt Katja Kipping (Vorsitzende DIE LINKE) Krieg schafft keinen Frieden. Linke Strategien gegen Terror und Krieg Mit Jan van Aken (MdB, DIE LINKE), Kate Hudson (Stop the War Coalition), Volker Lösch (Theaterregisseur) und Firoze Manji (ehem. Afrika-Direktor Amnesty International). Im Rahmen der Veranstaltung „48 Stunden für den Frieden“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Samstag, 19. März 10 Uhr Block I Begrüßung: Dietmar Bartsch (Fraktionsvorsitzender, DIE LINKE) Umbrüche in der Weltordnung und neue Kriege
Mit Sabah Alnasseri (University Toronto), Heike Hänsel (MdB, DIE LINKE), Jochen Hippler (Universität Duisburg-Essen), Volodymyr Ishchenko (Universität Kiew). Im Rahmen der Veranstaltung „48 Stunden für den Frieden“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Workshops: Umbruch der Weltordnung und neue imperiale Akteure? David Salomon, Raul Zelik Klimakriege? Wie die neoliberale Globalisierung massenhaft Umweltzerstörung, Kriegsgefahren und Ressourcenkonflikte produziert. Malte Daniljuk, Marita Wiggerthaler (angefragt) Der „Islamische Staat“ – Entstehung, Machtstrukturen und linke Antworten.* Anne Alexander, Tsafrir Cohen, Joe Daher, Werner Ruf (angefragt) Krieg gegen die Kurden – Zur aktuellen Entwicklung in der Türkei und Kurdistan. Gökay Akbulut, Sevim Dagdelen, Erkin Erdogan Nach Paris – weitere Militarisierung der europäischen Außenpolitik? Heinz Bierbaum, Sabine Lösing Erfahrungen mit Krieg und Flucht 14–16 Uhr Block II Neue Deutsche Rolle in der Welt? Zwischen Hegemonie und Zwang. Mit Uli Cremer (Grüne Friedensinitiative), Stefanie Kron (Migrationsforscherin, RLS), Tobias Pflüger (stellv. Vorsitzender DIE LINKE) und Rainer Rilling (Universität Marburg). Workshops: Cyberwar und Drohnenkriege Lühr Henken, Daniel Leisegang Gegen Völkerrecht und Grundgesetz – die Militarisierung der deutschen Außenpolitik Erhard Crome, Otto Jäckel (angefragt) Jede Waffe findet ihren Krieg. Waffenexporte und Rüstungsindustrie Jan van Aken, Otfried Nassauer Krieg in der Ukraine – imperiale Mächte, Oligarchen und linke Perspektiven. Ellen Brombacher, Andrej Hunko, Volodymyr Ishchenko Flucht, Frontex und kein Frieden* angefragt sind: Johanna Bussemer, Fabian Georgi, Martin Glasenap, Bernd Kasparek „Das ist der Krieg“ – Erfahrungen mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr im In- und Ausland Jürgen Heiducoff, Daniel Lücking 16.30–18.30 Uhr Block III Linke Alternativen für eine neue Friedenspolitik
Mit Christine Buchholz (MdB, DIE LINKE), Wolfgang Gehrcke (MdB, DIE LINKE), Dominic Heilig
Ausgabe 48 März 2016
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(Bundessprecher FDS, DIE LINKE, angefragt), Sahra Wagenknecht (Fraktionsvorsitzende, DIE LINKE) und Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung, IMI). Workshops: Krisenprävention konkret: Ansätze linker Sicherheitspolitik mit nicht-staatlichen Akteuren und Zivilgesellschaft Maria Oshana, Jan-Philipp Vatthauer Für eine gerechte Weltwirtschaft statt TTIP? Nichtfreihandelsorientierte Entwicklungspolitik Jürgen Maier, Niema Movassat Globale Friedensmacht? Strategien und Grenzen einer Reform der UN Albrecht von Lucke, Norman Paech Mach was wirklich zählt. Gegen Werbekampagnen der Bundeswehr Thomas Haschke, Julius Zukowski-Krebs (linksjugend [′solid]), N.N. (DIE LINKE.SDS) Schluss mit Waffenexporten – Konversion der Rüstungsindustrie Heidi Scharf, Philipp Vollrath Schwarzbuch Bundeswehr – Kritik der strategischen Neuausrichtung des deutschen Militärs* Erhard Crome, Claudia Haydt, Thomas Mickan, Andreas Seifert 19–21 Uhr Kräfte Bündeln für Frieden und globale Gerechtigkeit – Strategien für eine neue Friedensbewegung
Mit Jakob Augstein (Verleger Der Freitag), Bernd Riexinger (Vorsitzender DIE LINKE), Stefanie Wahl (Pax Christi) und Marlies Tepe (Vorsitzende GEW).
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marxistische Theorie und sozialistische Politik
Bulletin ● Geraer Sozialistischer Dialog