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    August 2018
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Gysis Abschied – Das Ende einer Ära | Manuskript Gysis Abschied – Das Ende einer Ära Bericht: Alexander Ihme, Jana Merkel, Christine Schönfeld, Ines Ziglasch Berlin, gestern Vormittag: Gregor Gysi ist spät dran. Erst mal keine Zeit, über seinen Rückzug zu reden „Wir müssen uns beeilen, der Lammert ist so pünktlich“ Am Spreeufer werden Stolpersteine verlegt. Zur Erinnerung an jüdische Opfer des Naziregimes. Gysi hat selbst jüdische Wurzeln. Gregor Gysi: „Ich hatte ja von meiner Urgroßmutter eine Postkarte aus Auschwitz, und da schreib sie, dass man ihr schreiben soll, dass es ihr gut ginge und auch wenn sie nicht antworte, solle man doch weiter schreiben. Mehr kam nicht.“ Gysi betroffen. Weiter zum Bundestag. Seinen Rückzug aus der Fraktionsspitze erklärt der Politprofi dann schon wieder routiniert. Gregor Gysi: „Also zu spät ist es dann, wenn alle sich schon fragen, wann geht du endlich gehst, nur du selber merkst es nicht. Ich glaube, dass es auch besser wäre, wenn man dann geht, wenn vielleicht das Ansehen noch am Größten ist.“ „Kann ich ein Bild mit Ihnen, Herr Gysi?“ Gysi prominent. Der Gehweg seine Bühne. Die Fraktionssitzung muss warten. „Machen Sie weiter.“ „Sie haben Fans, Herr Gysi.“ „Ich sag doch: Zenit“ Gysi ganz oben – Tatsächlich? Ein Rückblick: Mit dem Mauerfall geht der Anwalt Gysi in die Politik. Berlin November ´89. Noch glaubt er an eine reformierbare DDR. Gregor Gysi, Berlin Alexanderplatz am 04.11.1989: Dann würde ich sagen. Jeder Haushalt soll über ein Telefon verfügen. Und die Bemerkung ‚Das möchte ich dir lieber nicht am Telefon sagen‘ sollte für immer der Geschichte angehören.“ Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Gysis Abschied – Das Ende einer Ära | Manuskript Einen Monat später übernimmt Gysi den Vorsitz der SED, aus der wird die PDS, dann die LINKE. Gysi bleibt Gysi. Führt heute die stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag. Über die Jahre immer wieder Stasi-Vorwürfe gegen Gysi: Vor Gericht hat er sich dagegen mehrfach erfolgreich gewehrt. Zurzeit streitet die Hamburger Justiz, ob Anklage gegen ihn erhoben werden soll. Wegen eidesstattlicher Falschaussage zu seinen Stasi-Kontakten. Politisch hat Gysi oft Oberwasser. Seine scharfen Reden im Bundestag berühmt, berüchtigt. Ein Beispiel. Gregor Gysi, MdB, Die LINKE: „Es gibt Todesurteile, es gibt Folter, es gibt öffentliche Auspeitschungen, es gibt das Abhacken von Händen. Und dahin liefern Sie Waffen! Dahin liefern Sie Panzer?!“ Vergangenen Sonntag in Bielefeld, Gysi wie man ihn selten sieht: Nervös probt er seine Rede. Es wird ein Abschied. Gregor Gysi: „Ich werde nicht erneut kandidieren, da die Zeit gekommen ist, den Vorsitz unserer Fraktion in jüngere Hände legen. Zum Schluss will ich allen Mitgliedern unserer Partei, allen Sympathisantinnen und Sympathisanten unserer Partei und meinen Angehörigen, die ich heute hier begrüßen darf, euch und ihnen allen ein Wort sagen: Danke.“ Gysi ganz still. Drei Tage ist das her - gestern Nachmittag im Bundestag ist seine Abschiedsrede immer noch Thema. Mann: „Schönen Gruß von Doris Klink. Das ist unsere Maskenbildnerin So ginge es nicht, einfach das Boot verlassen.“ Gysi: „ich verlasse doch das nicht, ich wechsle doch bloß den Platz.“ Noch gibt Gysi den Chefdirigenten – im Herbst wechselt er in die zweite Reihe. Seine Nachfolge wird politisch aufgeteilt: Es kommen die linke Hardlinerin Sarah Wagenknecht und der Pragmatiker Dietmar Bartsch. Die Marschrichtung hat Gysi den beiden noch mitgegeben: Ab in eine rot-rot-grüne Regierung. Dafür müsste die bunt zerwürfelte Truppe sich zusammenraufen, und für Kompromisse öffnen, meint Parteienforscher Everhard Holtmann. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Gysis Abschied – Das Ende einer Ära | Manuskript Everhard Holtmann, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. „Mit oder ohne Gysi. Da sind ja die bekannten Stolpersteine: Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Europapolitik, die auf der Bundesebene dem Schmieden eines Rot-Rot-Grün Bündnisses derzeit entgegenstehen.“ Berlin gestern Abend. Gysi wieder in Eile. „Aber ich hatte noch einen anderen Termin dazwischen und deshalb komme ich eine Idee zu spät. Mein Gott sind die Herren fein, muss ich ja das nächste Mal doch einen anderen Anzug anziehen.“ Die Kunststoffindustrie hat geladen. LINKE trifft Kapitalismus. Gregor Gysi macht den Eisbrecher. Gysi: „Was macht denn die Kunststoff-Industrie alles? Sie sind doch für Plaste und Elaste zuständig.“ „Natürlich, ja.“(Gelächter) „Guter Einstieg“ Gysi: „Da gab es immer in der DDR eine wunderbare Reklame. Stand drauf: Plaste und Elaste aus Schkopau. Ich meine, es konnte kein Mensch was mit anfangen, ja?“ (Gelächter) Inzwischen ist der Rote salonfähig bei den Industriellen. Die LINKE und die Wirtschaft – Lange hat das nicht gepasst. 5:26 Gregor Gysi: „Ich nehme an, als wir mit über 8 Prozent einzogen und Oppositionsführerin wurden, haben die sich gesagt: sie werden uns nicht mehr so ohne weiteres los. Und dann haben sie sich angesehen, was wir wollen, und haben sich gesagt, davon müssen wir ihnen die Hälfte ausreden. Und das geht ja nur, wenn wir überhaupt mit denen reden.“ Am liebsten aber redet Gysi selbst. „Ach, das ist ja nett. Ihr habt mir hier ein Schummelpodest hingestellt. Aber ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob ich so groß sein will. Darf ich‘s mal ohne versuchen. Moment. Sehen sie mich immer noch? Gut. Dann machen wir’s doch so.“ Gesehen werden, das ist ihm schon wichtig. Und wird es auch bleiben. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3