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ELM MAR FLA ATSCH HARTT
Krise K e der Ökonom mie, K Krise derr Polittik? Perrspektiven eeiner fo orm‐ krritischeen The eorie ge esellschaftliccher Krisend dynam miken
IPW WO ORKING PA APER Nr. 1/20014 Institut für Politikw wissenschaaft Universsität Wien
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ELMAR FLATSCHART · IPW Working Paper Nr. 1/2014
Krise der Ökonomie, Krise der Politik? Perspektiven einer formkritischen Theorie gesellschaftlicher Krisendynamiken
ELMAR FLATSCHART Universität Wien
IPW Working Paper Nr. 1/2014 Institut für Politikwissenschaft Fakultät für Sozialwissenschaften Universität Wien ELMAR FLATSCHART studierte Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung in Wien und Frankfurt a.M. Er ist zurzeit Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und war DOC‐Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Junior Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wissenschaftstheorie der Sozialwissenschaften, kritische Gesellschafts‐ und Staatstheorie sowie materialistisch‐feministische Ansätze. E‐Mail:
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Impressum Die IPW Working Papers sind eine Veröffentlichungsreihe des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien. Die Reihe stellt Ergebnisse und Konzepte aktueller Forschungen des Insti‐ tuts für Politikwissenschaft einer breiten fachspezifischen Öffentlichkeit vor. ISSN 1995‐7955 Eigentümerin, Herausgeberin Institut für Politikwissenschaft Fakultät für Sozialwissenschaften Universität Wien Universitätsstraße 7 1010 Wien Redaktion Melanie Pichler Hanna Lichtenberger
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Einzelne Ausgaben können beim Institut für Politikwissenschaft bestellt werden. Download der vollständigen IPW Working Papers als PDF unter: http://politikwissenschaft.univie.ac.at/institut/ipw‐working‐papers/
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Abstract Der vorliegende Text beschäftigt sich mit aus einer materialistischen Perspektive mit krisenthe‐ oretischen Fragestellungen. Es wird versucht, das Verhältnis von ökonomischen und politischen Krisenaspekten aus einer möglichst integralen Perspektive zu verhandeln. Einführend werden einige bestehende Krisenerklärungen besprochen und kritisiert, wobei wissenschaftstheoreti‐ sche und inhaltliche Probleme aufgezeigt werden. Im Rückgriff auf primär ökonomietheoreti‐ sche Überlegungen wird gezeigt, dass externalistische und hinsichtlich der Verschränkung von Politik und Ökonomie reduktionische Ansätze zu (jenen) inhaltlichen Schwächen führen. Es wird argumentiert, dass ein erweitertes Verständnis des gesellschaftlichen Naturverhältnisses zwi‐ schen Stoff und Form im Kontext der Krisendebatte, wie es u.a. von Robert Kurz entwickelt wur‐ de, interessante Potentiale für eine Bewältigung krisentheoretischer Desiderate bietet. Zugleich ermöglicht die formtheoretische Perspektive von Kurz – wie ich in Folge anhand politiktheoreti‐ scher Erwägungen zeige – eine Erweiterung krisentheoretischer Verständnisse auf das Politi‐ sche. Im Rekurs auf das zuvor dargestellte Konzept des Politikfetischs werden abschließend weiterführende Überlegungen zu einer formtheoretischen Analyse der Krise des Politischen präsentiert. Schlagworte: gesellschaftstheoretische Krisentheorie; Krise‐/Krisenhaftigkeit; Politikfetisch; Synchronität/Diachronität der Theorie; Stoff‐Form‐Verhältnis
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1. Einleitung Spätestens seit der Subprime‐Krise im Jahr 2008 ist der Begriff der Krise – allerdings v.a. in der engen Bedeutung der Finanz‐ oder Wirtschaftskrise – wieder in aller Munde. Auch wenn immer mehr Positionen ein progressistisches Bild gesellschaftlicher Entwicklung in Frage stellen und dabei zunehmend auch Aspekte jenseits des rein Ökonomischen Beachtung finden, bleiben die analytischen und meso‐theoretischen Erörterungen zur Krise gesellschaftstheoretisch meist unterkomplex. Feststellbar ist dabei eine gewisse Kluft zwischen allgemeineren, systemisch und meist im engeren Sinne ökonomisch argumentierenden Ansätzen und solchen, die Momente sozialer bzw. politischer Antagonismen akzentuieren. Diese Kluft ist aus gesellschaftstheoreti‐ scher Perspektive unbefriedigend, da sie auf ein fehlendes vermittelndes Theoriestratum ver‐ weist, das einerseits Übersetzbarkeit ermöglichen würde, andererseits aber auch komplementä‐ ren Erklärungszugängen den Weg öffnen könnte. Meine Annahme ist, dass ohne ein solches the‐ oretisches Programm, die erklärende Schärfe beider Seiten stark eingeschränkt wird, mithin die Konzeption einer gesellschaftlichen Krise als heuristischer Möglichkeitshorizont aus dem Blick‐ winkel gerät. Im Folgenden möchte ich diesem Mangel ein Stück weit beikommen und so zu einem integraleren Verständnis von Krisenprozessen beitragen. Es geht also darum, theoreti‐ sche Indikatoren für die Annahme einer umfassenden gesellschaftlichen, d.h. ökonomischen und politischen Krisenentwicklung aufzeigen. Um dieses Verständnis einer gesellschaftstheoretischen Ebene der Auseinandersetzung intelli‐ gibel zu vermitteln, erscheint es nötig, eine umfassende darstellende Hinführungsarbeit voraus‐ zuschicken. Ich werde folglich den ersten Schwerpunkt auf die Begriffsarbeit sowie die Sondie‐ rung der sozialwissenschaftlichen Debatte zur Krise legen. Es geht dabei darum, Konzepte zu kontextualisieren und auf ihre (fehlende) gesellschaftstheoretische Grundierung hin zu untersu‐ chen. Hierfür wird die Unterscheidung von Krise – einer objektiven Dynamik auf der Ebene sozi‐ aler Formen – und Krisenhaftigkeit – eines bloß phänomenalen Ausdrucks von Krisen – eine wichtige Rolle spielen. Daran anschließend möchte ich die Chancen einer materialistischen Kri‐ sentheorie, welche über rein ökonomische Aspekte hinausgeht, erörtern und werde hierbei v.a. auf die Relevanz einer gesellschaftskritischen – im Vergleich zu einer rein deskriptiven – Erörte‐ rung eingehen. Die Darstellung des Forschungsstandes entlang der oben festgestellten theoreti‐ schen Spaltung der Krisentheorien wird zeigen, dass ökonomische und politisch argumentie‐ rende Ansätze vielfach nicht nur inkommensurabel sind, sondern je spezifische Erklärungsan‐ gebote liefern, die einer Konzeptualisierung eines sozialwissenschaftlichen Krisenbegriffs mehr oder weniger zuträglich sind. Daran anschließend betrachte ich dieses Problem schwerpunkt‐ mäßig von Seiten ökonomischer Krisentheorien, vor dem Hintergrund der These, dass diese bisweilen einen schärferen, aber exogenen Krisenbegriff hervorbringen. Als Beispiel hierfür ziehe ich paradigmatisch den im kritischen Diskurs etablierten Krisenbegriff von Elmar Altvater heran, der eine externalistische, auf Ökologie fokussierte Variante der Marxschen Gesellschafts‐ theorie propagiert. Dieser Perspektive stelle ich die sozialwissenschaftlich wenig rezipierte „fundamentale Krisentheorie“ von Robert Kurz entgegen, die sich stärker um eine endogene, an Marx orientierte Argumentation bemüht und diese auf Basis einer formkritischen Perspektive entwickelt. In der Folge wird der theoretische Versuch unternommen, die formkritische Theo‐ rieprogrammatik auf das politische Feld zu beziehen. Dabei möchte ich zeigen, dass Aspekte des Politischen weder (nur) als reaktive Elemente in der (ökonomischen) Krise verstanden werden können, noch als unabhängige Instanz der Antagonismen verstanden werden sollten, sondern
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ihre relativ gesonderte Bindung an die grundlegende Formlogik zu entwickeln ist. Rudimentäre Grundlagen hierfür versuche ich im kritischen Anschluss an die Marxsche Form‐ und Fetisch‐ theorie und die sogenannte deutsche Staatsableitungsdebatte vorzulegen. Abschließend sollen Tendenzen und mögliche Interpretationslinien, welche Perspektiven eines Politikfetisches und seiner Krise in der spätkapitalistischen Krisenvergesellschaftung eröffnen, aufgezeigt werden.
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2. Krise oder Krisenhaftigkeit? Eine kategoriale Verständi‐ gung In der (oftmals modernisierungstheoretischen) Auseinandersetzung mit grundlegenden gesellschaftlichen Dynamiken sind bereits seit einiger Zeit Ansätze vertreten, die dysfunktionale Aspekte hervorheben. Diese Vorstellungen können im weitesten Sinne als Theoreme zur Krisen‐ haftigkeit von Vergesellschaftung verstanden werden. Gemeinsam ist diesen Überlegungen, dass sie auf bestimmte Aspekte der sozialen Entwicklung fokussieren, ohne dabei jedoch das gesell‐ schaftliche Ganze genügend zu berücksichtigen. Klassische Vorschläge (Beck, 1986; Giddens, 1990; Sennett, 2006) heben vor allem die Unstetigkeit und Unsicherheit der Verhältnisse hervor. Andere, v.a. der „Postmoderne“ (Lyotard, 1979) zuzuordnende Überlegungen flankieren dies in kulturtheoretischer Hinsicht in Richtung eines „Tod des Subjekts“ (Foucault, 1974, S. 373) oder einer neuen kulturellen Logik des Kapitals (Jameson, 1991). Jene allgemeinen Feststellungen von krisenhaften Phänomenen in Konzepten der zeithistori‐ schen (Meta‐)Verortung sind für diese Arbeit primär als Abgrenzung von Interesse. Sie teilen nämlich eine implizite oder explizite Grundannahme, die zugleich ihre theoretische Leerstelle darstellt: sie gehen von einem historischen und/oder ideengeschichtlichen Bruch aus, der kri‐ senhafte Aspekte bedingt. Dieser Bruch wird jedoch nicht krisentheoretisch erklärt, sondern wird – in zumeist unkritischer Manier – deskriptiv betrachtet bzw. als veränderte Conditio schlicht angenommen.2 Dementsprechend geht es weniger um eine Erklärung als um eine Be‐ schreibung, denn die angeführten Gründe (etwa bei Beck (1986, S. 25) das Risikopotential und bei Giddens (1990, S. 33) die These der Entbettung) verbleiben vage und historisch‐ undifferenziert. Dies hat insbesondere mit einem – von materialistischer Seite kritisierten (vgl. Kurz, 1996) – affirmativen Konzept der Moderne3 zu tun, das auf ein undifferenziertes Ver‐ ständnis gesellschaftlicher Konstitution und Entwicklung aufbaut. Schablonenhaft zeichnet sich hier bereits das Problem ab, dass ohne einen objektiven Begriff und einer klaren gesellschafts‐ theoretischen Verortung von Krise jegliche Versuche einer Analyse krisenhafter Phänomene fundamentlos bleiben. Ein hinreichender Krisenbegriff kann ausschließlich in einer Krisentheo‐ rie erarbeitet werden, die sich systematisch den aufgeworfenen Problemen widmet: Wer bzw. was ist überhaupt in der Krise? Was sind strukturelle Dimensionen der Krise? Was bedeutet Krise in einem breiteren gesellschaftstheoretischen Rahmen? Wohin führt Krise folglich? Kritische materialistische Ansätze können zur Beantwortung dieser Fragen beitragen, indem sie eine systematische gesellschaftstheoretische Heuristik liefern. Mit Gesellschaftstheorie ist ge‐ meint, dass eine Erklärung von Gesellschaftlichkeit als historisch gewordener erfolgt. Anschlie‐ ßend an marxistische Theorien ist das Verhältnis von Geschichtlichkeit und Gesellschaftlichkeit zu erklären, wobei eine Totalitätsperspektive in der Betrachtung – d.h. die erklärende und kritische Bezugnahme auf einen bestimmten und weiter zu bestimmenden Gegenstand als Ganzem – das distinktive Merkmal jener Theoriebildung ist. Oberflächlichen Reflektionen auf krisenhafte Phä‐ nomene steht somit eine Perspektive gegenüber, die Krise in einem nicht‐kontingenten Deu‐ tungsrahmen verortet und systematisch im historischen Zusammenhang erklärt. Soll einer solchen materialistischen Ontologie Genüge getan werden, stellt sich die Frage nach der Intension und Extension, d.h. Zeitlichkeit und Räumlichkeit gesellschaftlicher Entwicklung geraten in den Blick. Denn wenn angenommen wird, dass es eine materiale Basis4 gesellschaftli‐ 2
Dass dies der Fall ist, beweisen auch neuere Schriften, die sich explizit mit der Krise beschäftigen. So ist etwa Ulrich Becks Weltrisikogesellschaft (vgl. Beck, 2008) wenig mehr als ein Neuaufguss der alten Thesen vor dem Hintergrund neuer Phänomene (ökologische Krise, Finanzkrise, Terrorismus). 3 Der Begriffe der Moderne ist deshalb ambivalent zu betrachten, da mit ihm oftmals keine historische Situierung gefasst wird, sondern auf ein universalisiertes Konzept progressiver Entwicklung rekurriert wird. 4 Hiermit ist nicht nur gemeint, dass Gesellschaft auf materiale Stofflichkeit aufbaut, es geht vielmehr um die sehr spezifische Art der Materialität, welche die Stoff-Form-Beziehung in der Moderne annimmt. Einige Aspekte der Materialität des modernen gesellschaftlichen Naturverhältnisses werden in der Folge verhandelt, zum Materiebegriff weiterführend, siehe Flatschart (2013).
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cher Entwicklung gibt, die historisch festzumachen ist – also Geschichte nicht bloße Kontingenz oder absolute Determination ist – so müssen Anfangs‐ und Endbedingungen der historischen Formation in ihre gesellschaftstheoretische Bestimmung eingehen. Zentral sind hierfür aus ma‐ terialistischer Sicht die Wechselwirkungen von sozialen und stofflichen Bedingungen, die gesell‐ schaftliche Naturverhältnisse hervorbringen, wie sie im Anschluss an den „interdisziplinären Materialismus“ der Frankfurter Schule erschlossen wurden (Görg, 1999, S. 115). Eine materialis‐ tische Totalitätsperspektive ist in dieser Hinsicht nicht topologisch eindimensional zu betrachten, also etwa derartig, dass vom Stofflichen ausgegangen wird, aus dem in monistischer Weise alle weiteren Kategorien deduziert werden. Vielmehr ergibt sich die Herausforderung, dass die kon‐ kret‐komplexe Realität mit systematischer Abstraktionsleistung zu verbinden ist. Marx bringt dieses kategoriale Problem zum Ausdruck, wenn er darauf verweist, dass die bürgerliche Gesell‐ schaft real existiert und sich post festum, verzögernd und verklärend in unserem Denken ein‐ schreibt und sich hieraus die diskursive und letztlich auch heuristische Problematik der Be‐ griffsbestimmungen ergibt: Wie überhaupt bei jeder historischen, sozialen Wissenschaft, ist bei dem Gange der ökonomischen Kategorien immer festzuhalten, daß, wie in der Wirklichkeit, so im Kopf, das Subjekt, hier die moderne bürgerliche Gesellschaft, gegeben ist, und daß die Kategorien daher Daseinsformen, Existenzbestimmungen, oft nur einzelne Seiten dieser bestimmten Gesellschaft, dieses Subjekts, ausdrücken, und daß sie daher auch wissenschaftlich keineswegs da erst anfängt, wo nun von ihr als solcher die Rede ist. (Marx, 1978, S. 637) Es ist also stets von der „modernen bürgerlichen Gesellschaft“, dem Kapitalismus als Totalitäts‐ kategorie auszugehen. Außerhalb dieser Bestimmung findet keine Geschichte statt. Zugleich ist diese geschichtliche Situierung allerdings auch mit zwei Problemen verbunden: Einerseits führt die Entwicklung der Kategorien aus der historischen Formation notwendig dazu, dass Konzepte sowohl geschichtlich rückprojiziert als auch überhistorisch verstetigt betrachtet werden. Raum‐ zeitliche Entwicklung verläuft allerdings nicht linear. Es stellt sich also die Frage, wie dieser dia‐ chronen Theorieproblematik, mithin einem epistemologischem Relativismus und dessen gesell‐ schaftlichen Basis in der historischen Kontingenz Rechnung getragen werden kann. Andererseits kann jedoch die Totalitätsperspektive und somit ein integraler theoretischer Anspruch im Sinne einer synchronen Theorieproblematik5 nicht aufgegeben werden, wenn Gesellschaft als distinkti‐ ves historisches System weiterhin eine Rolle spielen soll. Folglich ist eine Theorie zentral, welche die historische Einbettung ernst nimmt und an Hand ihrer konkreten Erscheinungsformen durchdringt, sie dabei aber gesellschaftstheoretisch entwickelt und somit nicht auf der Ebene kontingenter Einzelerscheinungen verbleibt. Diese beiden Probleme sind allgemeiner Natur, sie werden jedoch am gesellschaftstheoretischen Topos Krise besonders manifest. Denn ganz anders als in der hegemonialen Sozialwissenschaft, die vielfach geprägt von einem „methodologischen Individualismus“ (Schumpeter, 1908, S. 88) atomistisch und raum‐zeitlich opak argumentiert und so bestenfalls ein undeutliches theoreti‐ sches Bild möglicher Krisenhaftigkeit zeichnen kann, müsste eine kritische Auseinandersetzung mit der Krise das Verhältnis umdrehen: Zuerst müsste mit Krisentheorie von der grundsätzlichen Ebene gesellschaftlicher Konstitution ausgegangen werden, während Phänomene der Krisenhaf‐ tigkeit als (möglicher) Ausdruck jener konstitutiven Logik zu erschließen wären. Dies impliziert einerseits, dass begründete theoretische und empirische Argumente für die Darlegung gesell‐ schaftlicher Krise entwickelt werden müssen und krisenhafte Erscheinungen nicht notwendiger Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Krise sind. Es bedeutet jedoch andererseits auch, dass
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Die Trennung in synchrone und diachrone Momente ist keine gänzlich neue, von mir eingeführte Heuristik. Sie spielt in den Sprachwissenschaften und hier besonders jener Ferdinand de Saussures eine struktive Rolle und steht auch dort für das Wechselspiel zwischen statisch-systematischen und dynamisch-evolutiven Aspekten des Gegenstands (De Saussure, 2001, S. 96). Meine Anwendung des Begriffs zielt jedoch stärker auf die Erklärung des konstitutiven Entstehungszusammenhangs der Trennung und setzt somit die Gegebenheit der Spaltung nicht einfach voraus.
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die Möglichkeit einer systemischen Krisenentwicklung mit gesamtgesellschaftlicher Tragweite nicht von vornherein abgestritten wird. Die Ignoranz gegenüber der bloßen Eventualität eines derartigen gesellschaftlichen Entwick‐ lungsweges – der tatsächliche Nachweis ist natürlich Bringschuld der Ansätze – ist demnach als krisentheoretisches Manko einer positivistisch vorgeprägten Wissenschaftstheorie und ‐praxis6 zu werten, die sich einer gesellschaftstheoretischen Dimension von vornherein verwehrt. In ihr gibt es einerseits keinen Anfang und kein Ende – also absolute historische Kontingenz –, ande‐ rerseits aber dennoch nur klare, einwertige analytische Aussagen über den Gegenstand – also absolute theoretische Determination. Die Ablehnung einer gesellschaftstheoretisch fundierten Krisentheorie ist in dieser Hinsicht Ausdruck des positivistischen Syndroms, Gesellschaft nicht als widersprüchliche Totalität (im Sinne des Verhältnisses von Synchronie und Diachronie) wahr‐ nehmen zu können, sondern sie in vereinseitigender Weise entweder als Kontingenz oder De‐ termination zu fixieren, wobei in der Praxis beiderlei regelmäßig vermengt wird. Der Wider‐ spruch zwischen diesen beiden theoretischen (Vor‐)Annahmen bleibt dabei ungesehen. Mithin kann auch die Homologie von theoretischen und realen systemischen Widersprüchen (sowie deren raum‐zeitlich‐prozessuale Entfaltung) – also die Verbindung zur gesellschaftlichen Konsti‐ tutionslogik – keinen Platz haben. Auch kritische Ansätze der Politischen Ökonomie sind von diesem problematischen basalen Gesellschaftsverständnis befangen. So etwa jener von Michael Heinrich, der in seiner Re‐Lektüre von Marx vor dem Hintergrund einer monetären Werttheorie stets beansprucht, nur den „idea‐ len Durchschnitt“ (Heinrich, 2003, S. 343) einer gewissermaßen geschichtlich bereinigten öko‐ nomischen Logik darzustellen. Das Problem dieses und ähnlicher positivistischer Ansätze ist es, dass sie Aspekte der historischen Dynamik, die gerade materialistische Krisentheorien aus‐ zeichnen, nicht erfassen können (vgl. Trenkle, 2000), da sie eine etablierte historische Formation in ihrer vorgefundenen Gliederung reproduzieren anstatt ihre historisch‐logischen Konstitutions‐ und Transformationsprinzipien integral zu erfassen. Krise ist auf Basis derartiger Annahmen nur noch als immanente Krisenhaftigkeit analysierbar.
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Der Begriff Positivismus firmiert hier in seiner vom „Positivismus-Streit“ (Adorno, 1976) geprägten weiten Auslegung als Bezeichnung für eine Widersprüche sistierende Position, die sich auf konkrete Erfahrungen (Empirismus) oder subjektive Phänomene (Idealismus/Konstruktivismus) als Basis ihrer Wissensansprüche stützt, anstatt beide vor dem kritischen Verständnis eines gesellschaftlichen Totalitätsbegriffs und somit eines stratifizierten Realitätsverständnisses zu deuten.
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3. Krisentheoretische Defizite der materialistischen Debatte Wenn im letzten Teil die allgemeine These vertreten wurde, dass materialistische Ansätze gegenüber dem sozialwissenschaftlichen Mainstream klare heuristische Vorteile aufweisen, so ist dieser Befund nun zu differenzieren. Die wissenschaftstheoretischen Potentiale kritisch‐ materialistischer Zugänge sind von der wissenschaftlichen Umsetzung in der konkreten For‐ schung und Theorieproduktion zu unterscheiden, die nun zu untersuchen ist. Ein im deutsch‐ sprachigen Raum relevanter Forschungsstrang bezieht sich heute auf Theorien des politischen Antagonismus im Anschluss an Antonio Gramsci bzw. der von ihm inspirierten „Philosophie der Praxis“ (vgl. Buckel & Fischer‐Lescano, 2007; Opratko & Prausmüller, 2011; Votsos, 2001).7 Sie akzentuieren in ihrem „politischen Materialismus“ das Moment der Kontingenz und betrachten Krisenphänomene aus dieser Perspektive. Der Topos Krise rückte hier – ebenso wie im Mainstream – erst mit der zuvor kaum vorhergesehenen Finanzkrise ab 2007 wieder in den Fokus der Debatte. Es überrascht angesichts dieses ereignisbezogenen Interesses nicht, dass theoretische Erörterungen bisher gegenüber phänomenologischen Analysen und Perspektivie‐ rungen im Hintertreffen blieben. Symptomatisch hierfür steht eine Krisendiagnose, welche ge‐ wissermaßen der fraktionierten „Mosaik‐Linken“ (Urban, 2012) entspricht. Die Krise wird we‐ niger aus einer integralen gesellschaftstheoretischen Perspektive, sondern in ihren pluralen Erscheinungsformen als VielfachKrise wahrgenommen.8 Im interessanten Sammelband mit sel‐ bigem Namen (Demirović et al., 2011) finden sich zahlreiche Beiträge, die unterschiedlichste Teilaspekte möglicher Krisenerscheinungen behandeln, welche von der Reproduktionsarbeit über sozialökologische Gesichtspunkte bis hin zu raumtheoretischen Betrachtungsweisen rei‐ chen. Es ist nun zwar fortschrittlich, dass neben der ökonomischen Krise „Krisendynamiken in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen in ihrer zeitlich‐räumlichen Ungleichzeitigkeit Gegen‐ stand der Analyse sein“ sollen (Demirović et al., 2011, S. 7). Dieses Vorhaben kann jedoch auf Basis der im vorigen Kapitel entwickelten Annahmen nur dann zielführend sein, wenn eine ge‐ sellschaftstheoretische Grundlage vorliegt, auf deren Basis die Fragmente wieder zusammen‐ führbar sind. An diesem Punkt jedoch findet sich v.a. die Zurückweisung „objektivistische[r] Krisenverständnisse“ (Demirović et al., 2011, S. 8). Was hierunter abgesehen von der Verteidi‐ gung des eigenen „Kontingenzgebots“ zu verstehen ist, wird zuerst nicht klar, es bleibt allerdings ein theoretisches Vakuum, das sich mit dem durchaus (über‐)präsenten ökonomischen Strang der Krisendiagnosen sowohl in jenem Sammelband als auch in der breiteren Debatte spreizt. Ein objektivistisches Krisenverständnis wird scheinbar v.a. von jenen kritisiert, die das „Vielfach“ in der VielfachKrise vertreten, während die „Objektivität der Krise“, also das eigentliche (krisenthe‐ oretische) Substrat, welches das synthetische Kitt hinter diesem scheinbaren Konsens bildet, mehr oder weniger verhalten dann doch stets in „der Ökonomie“ gesucht wird. Deutlich zeigt sich das, wenn im Eingangsartikel, der das „Vielfache“ mit dem etwas anderen Akzent einer „multiplen“ Krise zusammenzudenken versucht, gleich am Anfang jene Opposition auftritt: Die bürgerliche Gesellschaftsformation wird regelmäßig von Krisen ergriffen. […] Krisen sind objektive Vorgänge, doch dürfen sie nicht objektivistisch missverstanden werden. Krisen brechen nicht von außen in eine Gesellschaft ein, die sich im Prinzip im Gleichge 7
Als im weiteren Sinne jener Theorietradition zugehörig ist hier auch die neue Poulantzas-Rezeption anzuführen (Bretthauer et al., 2006; Demirović, 2007; Jessop, 2005; Kannankulam, 2008). Einige kritische Bemerkungen zur Gramsci-Rezeption finden sich bei Flatschart (2010). 8 Ein überraschend expliziter Versuch einer Deutung der pluralen Krisenhaftigkeit vor dem Hintergrund einer dezidiert systemischen Krisenperspektive findet sich bei einem Autorenkollektiv aus dem Umfeld der Zeitschrift „Sozialismus“ (Bischoff et al., 2010). Auch wenn grundsätzlich bereits das Nachdenken über eine fundamentale Krise nicht selbstverständlich und daher begrüßenswert ist, gestaltet sich die Ausführung doch schwach. Sie verbleibt hinsichtlich der Kausalzusammenhänge undeutlich und tendiert zu simplen ökonomischen Determinismen (Bischoff et al., 2010, S. 53).
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wicht befindet und nun von der Krise in ihrem normalen und funktionstüchtigen Gang unterbrochen wird. In die Krise geraten immer konkrete soziale Verhältnisse, also relativ regelmäßige Praktiken sozialer Kollektive und Individuen. […] Anders gesagt, Krise und Krisenbewusstsein lassen sich nicht trennen. (Bader et al., 2011, S. 11) Eine Inkonsistenz dieser Position äußert sich nicht nur in der, zumindest auf den ersten Blick unklaren Annahme, dass von einer Objektivität der Krise, die jedoch nicht „objektivistisch miss‐ verstanden“ werden solle, auszugehen wäre. Es existieren hier zwei Befunde: einerseits eine scheinbar als objektivistisch verdammte Position, die von einer „Äußerlichkeit“ von Krisen aus‐ gehe, welche das kapitalistische Gleichgewicht störe. Diese Kritik bezieht sich wohl auf die oben dargelegte synchrone Perspektive, wie sie etwa von Michael Heinrich und in anderer Weise auch von der herrschenden Wirtschaftstheorie vertreten wird. Dem wird eine diachrone Perspektive der „konkreten sozialen Verhältnisse“ gegenübergestellt, die in die Krise kommen könnten, wo‐ bei das Bewusstsein der Akteur_innen eine konstitutive Rolle spiele. Es wird hier letztlich auf die hegemonietheoretische Programmatik in Anschluss an Gramsci bzw. die Gramsci‐Rezeption abgezielt, wenn die „derzeitige Krisenkonstellation“ als eine „innerhalb der Kräfteverhältnisse des neoliberalen Finanzmarktkapitalismus“ zu verortende erschlossen wird und so die Krise als „Resultat [eigene Herv.] der mit diesem verbundenen Herrschaftsverhältnisse, Kräfteverhältnis‐ se und Konflikte“ (Bader et al., 2011, S. 13) gedeutet wird. Die theoretische Schwäche der Positi‐ on einer multiplen Krise verdeutlicht sich als Ambivalenz der Bestimmung der Kausalbeziehun‐ gen: Denn scheinen in den abstrakten Äußerungen die Kräfteverhältnisse eigentlich die Krise hervorzubringen, so wird im weiteren Text, wann immer es zu konkreten Erklärungen der Kri‐ senursachen kommt, ein stiller ökonomischer „Objektivismus“ bedient, der in keiner ausgewie‐ senen Beziehung zu jenen diachronen Aussagen über die Krisenhaftigkeit steht. So wird etwa auf die Überakkumulationstheorie Robert Brenners verwiesen, welche – durchaus in Konkordanz mit dem eingangs auch vertretenen kreislauftheoretischen Verständnis9 (Bader et al., 2011, S. 11) – die Reinform einer „äußeren“, objektiven ökonomischen Krisentheorie darstellt und somit die ökonomischen Krisenursachen eindeutig außerhalb politischer Kräfte‐ und Hegemoniever‐ hältnisse, etwa des Neoliberalismus, stellt. Auf ähnliche Weise besteht dieses Problem auch bei einem weiteren materialistischen For‐ schungsstrang, der Regulationstheorie. Obwohl mancherorts versucht wird, gramscianische und regulationstheoretische Ansätze zusammenzuführen (vgl. z.B. Jessop, 2007, S. 210), bleibt meist implizit ein einseitiges Determinationsverhältnis von Seiten der Akkumulationsregime erhalten. Dies zeigt sich etwa darin, dass selbst der deutschen Schule um Joachim Hirsch, die sich durch‐ wegs positiv zur „integralen Staatstheorie“ nach Gramsci/Poulantzas äußert, ein „Ökonomismus und Funktionalismus“ (Girschner, 2006) vorgeworfen wird, der sich mit einer gramscianischen Position – insbesondere zur Frage nach der (politischen) Bestimmung des Charakters der Ar‐ beitskraft10 und folglich von Klasse – nicht vereinbaren lässt. Inwiefern die Torpedierung der 9
Überakkumulationstheorien sind in der gängigen Debatte sehr verbreitet (Bischoff et al., 2010; Huffschmid, 2010; Sablowski, 2011). Sie sind kritisch zu betrachten, da ihr kreislauftheoretisches Substrat problematisch ist. Es speist sich alleinig aus einer Disproportionalität zwischen Produktion und Zirkulation, geht also davon aus, dass eine produzierte Mehrwertmasse sich großräumig nicht realisieren kann. Die Überakkumulationstheorie erklärt diesen Zustand jedoch keineswegs und kann auch keinen Grund für diese Entwicklung liefern. Insofern kann die Überakkumulation streng genommen nicht als Krise gedeutet werden, da sie letztlich nicht (bzw. nicht qualitativ, sondern höchstens quantitativ) von einer „normalen“, einfach zu bereinigenden Disproportionalität im Kreislauf des Kapitals zu unterscheiden ist. Die Fragmente einer expliziteren Marxschen Krisentheorie zielen dann auch nicht auf die Überakkumulation, sondern auf Dynamiken auf der Ebene der organischen Zusammensetzung des Kapitals ab (vgl. Kurz, 2012, S. 255-273). 10 Es geht dabei um den marxistischen Kernkonflikt, ob das Proletariat eigentlich dem Kapitalverhältnis vorgängig ist und in ihm nur in seinen kreativen Potenzen unterdrückt ist, oder es umgekehrt (historischer) Ausdruck genuin kapitalistischer sozialer Formen ist und auf diese Weise von Anfang an ein Unterdrückungsverhältnis repräsentiert (vgl. etwa Reitter, 2011, S. 85-86). Erstere Position, die den sozialen/politischen Antagonismus in den Vordergrund rückt, birgt die Schwierigkeit, dass gesellschaftstheoretische Aussagen über Transformationen immer erst ex post möglich sind – es gibt in letzter Instanz keinerlei Dimension historischer Determination. Krise kann demgemäß erst dann, wenn sie gewissermaßen schon wieder vorbei ist, als ein Zustand „in dem das Alte stirbt, aber das Neue noch nicht
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Hirschschen Akkumulationstheorie so haltbar ist, interessiert hier weniger als die generelle Problematik des krisentheoretischen Hiatus zwischen einer synchronen, kreislauftheoretischen und einer diachronen, auf Kräfteverhältnisse abzielenden Heuristik. Synchrone Ansätze stellen demgemäß die statische, gesetzmäßige und systemisch‐funktionale Seite in den Vordergrund und sind in der (heutigen) materialistischen Debatte regelmäßig im Feld des Ökonomischen zu verorten bzw. argumentieren ökonomisch. Umgekehrt wird das diachrone Moment der Histori‐ zität und spezifischen Gestaltbarkeit tendenziell in politischen Theorievorschlägen verhandelt. Im sozialwissenschaftlichen Betrieb existieren beide Stränge durchaus nebeneinander. Hier spielt das Erbe Louis Althussers eine Rolle, insofern als seine radikale Absage an Konzepte der dialektischen Verhältnisbestimmung und sein Plädoyer für eine kontingente Theorie der Über‐ determinierung des Widerspruchs zwischen „dem Ökonomischen“ und „den Überbauten“ (Althusser, 1965, S. 81) einen analytischen Pluralismus begünstigen. Wiewohl dieser Pluralis‐ mus für sich genommen fruchtbar sein kann bzw. neuen Forschungsperspektiven (auch und gerade im Kontext einer Analyse der VielfachKrise) Raum gegeben haben mag,11 genügt er den Anforderungen (meta‐)theoretischer Konsistenz nicht. Eine zentrale These dieser Arbeit ist es, dass diese gesellschaftstheoretische Leerstelle, die letztlich eine der Vermittlung der angeführten Theorieproblematiken ist, umfassend wirksam ist. Sie äu‐ ßert sich nicht nur auf einer abstrakten Ebene, sondern ganz unmittelbar auch spätestens dann, wenn ein rein analytischer sozialwissenschaftlicher Betrieb mit dem Phänomen der Krise kon‐ frontiert ist. Das Verhältnis von Krise (als gesellschaftstheoretisches Desiderat) und Krisenhaf‐ tigkeit (als Ausdruck einer pluralen phänomenalen Ebene bzw. ihrer Theoretisierung) kann nicht hinreichend bestimmt werden, was zu Inkongruenzen hinsichtlich beider Seiten führt. Einerseits werden „objektive Krisenbegriffe“ gescheut, da sie die scheinbare Pluralität der „be‐ sonderen Krisendynamiken“ untergraben und die Kontingenz politischer Kämpfe in Frage stel‐ len. Andererseits wird jedoch bei der Bestimmung dessen, was denn überhaupt Krise ausmacht, stets auf ein ökonomisches Ferment zurückgegriffen, das frei von Aspekten des kontingenten Anderen ist, insofern es als „Sphäre“ der Akkumulation vereinheitlicht und kreislauftheoretisch fixiert erscheint. Der äußerst vage Begriff des Neoliberalismus stellt dabei gewissermaßen einen Transmissionsriemen zwischen ökonomischen und allen anderen Krisenaspekten dar, er ist jedoch vielfach kaum mehr als ein „leerer Signifikant“, der keinen eigentlichen Erklärungsbeitrag zu leisten vermag. Denn von der einen Seite wird er ökonomisch erklärt und – etwa regulationis‐ tisch – mehr oder minder als Resultat postfordistischer Akkumulationsregime gedeutet (Hirsch, 2002), während er von gramscianischer Seite politisch als Konsequenz der Verschiebung hege‐ monialer Kämpfe betrachtet wird. Diese Opposition fällt angesichts der Krise auseinander. Denn Phänomene ökonomischer Krisenhaftigkeit bedingen zwar, wie Alex Demirović (2011, S. 65) richtig feststellt, nicht automatisch solche der politischen Krisenhaftigkeit. Sie können aber durchaus Ausdruck einer nicht‐phänomenalen Krisendynamik sein. Eine Krisentheorie mit ge‐ samtgesellschaftlichem Blickwinkel müsste demnach ein konstitutionslogisches Scheitern auf einer basalen Ebene sozialer Formen untersuchen. Wesentlich hierfür ist die Deutung der gesell‐ schaftlichen Konstitutionslogik, die sich im Spannungsfeld gesellschaftlicher Naturverhältnisse geboren werden kann“ (Gramsci, 1994, S. 354) bestimmt werden. Wieso und unter welchen Bedingungen dies passiert(e) kann ex ante nicht erschlossen werden, da es schlussendlich politische Kräfteverhältnisse sind, die für die Definition als große, im gramscianischen Sinne „organische“ Krise letztentscheidend sind. Ob es sich um eine solche Krise dominanter Strukturen handelt, lässt sich also erst dann bestimmten, wenn sie „durch den Aufbau einer neuen Struktur überwunden werden“ (Gramsci, 1994, S. 1680, zit.n. Candeias, 2013, S. 21). Dies impliziert einerseits eine krisentheoretische Sackgasse, insofern sich analytische Konstatierungen letztlich wiederum auf Aspekte der Krisenhaftigkeit reduzieren müssen, deren ominöser „Umschlag von Quantität in Qualität“ (Candeias, 2013, S. 17) unerklärlich bleibt. Andererseits ist damit eigentlich schon gesetzt, dass es eine Bewältigungsstrategie gibt, d.h. ein neuer hegemonialer Block entstehen kann. Dass Krise auch bedeuten könnte, dass für Derartiges auf Basis immanenter (politischer) Kategorien keine Basis mehr vorhanden ist, kann innerhalb dieses, letztlich diachrone Aspekte überakzentuierenden, Rahmens nicht erschlossen werden. 11 Dies impliziert nicht den Umkehrschluss, dass eine (derartige) interdisziplinäre Forschungsperspektive vor dem Hintergrund einer kritisch-dialektischen Theorie unmöglich (gewesen) wäre, wie bereits im Verweis auf den interdisziplinären Materialismus der Frankfurter Schule nahegelegt wurde.
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bzw. umgekehrt auch naturalisierter Gesellschaftsverhältnisse als scheinbar absolut synchroner und konstanter ergibt. Überlegungen hierzu finden sich bisher v.a. im Feld der Ökonomie. Es macht folglich für materialistische Überlegungen Sinn, mit ökonomischen bzw. ökonomiekriti‐ schen Ansätzen zu beginnen – auch wenn sie von einer starken Äußerlichkeit ausgehen, mithin die ökonomische Sphäre als kausalen Orkus absolutieren. Diese Privilegierung ist zuerst eine rein heuristische. Sie folgt andererseits aber auch einer realen funktionalen Hierarchie, die sich diskursiv widerspiegelt, ideengeschichtlich z.B. paradigmatisch in der Dialektik des „homo oeco‐ nomicus“ und seines „Anderen“ (Habermann, 2008, S. 13‐18).12 Die diesem Charakter nach kon‐ krete Untersuchungsebene ist jedoch auf der Ebene der Totalität nicht als minderbewertet zu betrachten – im Gegenteil ist das Andere der ökonomischen Materialität ebenso manifester Teil einer gesellschaftlichen Materialität, die sich gerade durch jene Dialektik von „Wert“ und „Abspal‐ tung“ konstituiert (Scholz, 2011)13 und auch Ökonomie und Politik als Formprinzipien scheidet. Es gilt also letztlich eine gesellschaftstheoretische Synthese beider Aspekte zu leisten.
12 Inwiefern diese Dynamik von Szientifischem und Anderem ein basales Konstitutionsprinzip modern-kapitalistischer Vergesellschaftungslogik ist, war der Schwerpunkt meiner Dissertation (vgl. Flatschart, 2014). 13 Auf Aspekte der (symbolischen) Vergeschlechtlichung dieser Dialektik und somit auch des Verhältnisses von synchronen und diachronen Theorieproblematiken kann hier nicht umfassend eingegangen werden. Einige Hinweise finden sich in der marxistisch-feministischen Debatte zu den unterschiedlichen „Zeitlogiken“ von produktiven und reproduktiven Sphären bzw. deren symbolischer Aufladung, so etwa bei Frigga Haug (1996a; b) sowie weiterführend bei Roswitha Scholz (2011, S. 100-108) und Flatschart (2014).
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4. Polit‐ökonomische Krise als Folge von entbetteter Ökonomie und exogenen Grenzen Die deutschsprachige polit‐ökonomische Debatte zur Krise ist in ihrer Vitalität heute weit vom Stand der 1970er und 1980er Jahre entfernt. Ein prominenter Autor, der entgegen diesem Trend beständig zur Krise publizierte, ist Elmar Altvater. In der Folge stelle ich seine Krisentheorie vor, die ich als Basis für die weitere, m.E. richtigere Argumentation entlang der Thesen von Robert Kurz nützen möchte. Altvaters krisentheoretische Analysen beruhen auf einer spezifischen sozi‐ alökologischen Interpretation der (Kritik der) Politischen Ökonomie und sind in dieser Weise durchaus als im obigen Sinne „objektivistisches“ Erklärungsmodell zu deuten. Gemäß dieser Vorstellung kann der Kapitalismus nur „eingebettet“ in zahlreiche „gesellschaftliche und natürli‐ che Bindungen“ (Altvater & Mahnkopf, 2004, S. 109) existieren. Für ihn zeichnet sich die Kapi‐ talbewegung im Anschluss an Karl Polyani dann auch durch eine Entbettung der Ökonomie aus, die wesentlich auf der Entstehung eines „selbstregulierenden Marktes“ ohne „menschliche und natürliche Substanz“ aufbaut, welche „den Menschen zerstöre […] und seine Umwelt in Wildnis“ (Polanyi, 1978, S. 19‐20, zit.n. Altvater & Mahnkopf, 2004, S. 109) verwandle. Es sind also die Marktmechanismen im engeren Sinne, die das Problem des Kapitalismus ausmachen, insofern sie einen „Wachstumsfetischismus“ (Altvater, 2010, S. 129) bedingen, der gegenüber der Natur zwangsläufig blind sein muss. Dieses Wachstum geht mit einer energetischen Basis einher, die sich durch ein „geschlossenes“ System – nämlich jenes fossiler Energieträger – auszeichnet (Altvater, 2010, S. 138). D.h. nichts weniger, als dass die industrielle Revolution der Produktiv‐ kräfte im Kapitalismus nicht nur eine energetisch beschränkte ist, sondern intrinsisch mit dem herrschenden Gesellschaftssystem verwoben ist. Der kapitalistische Wachstumsimperativ konn‐ te sich nur entfalten, weil er den „Trick“ (Altvater, 2010, S. 134) des Rückgriffs auf eine räumlich mobile, energetisch dichte und zeitlich statische Energieform wählte. Die für den Kapitalismus charakteristische Rolle der sozialen Raum‐Zeit‐Verhältnisse und ihre energetischen Konsequen‐ zen stellen also für Altvater die Basis der Gesellschaftskritik dar. Das ökologische Argument ist so zwar nicht gesellschaftlich unvermittelt, es steht jedoch als Letzt‐Residuum im Raum. In ge‐ wisser Weise kann anschließend an die Vorstellung des entbetteten Marktes eine ontologische Hierarchie ausgemacht werden, wobei ökologische Konstanten die tiefste Ebene darstellen, auf der sich Gesellschaft aufbaut, die wiederum vom Kapitalismus, verstanden v.a. als Marktradikali‐ sierung, geprägt ist. Altvaters Konzept einer „Vielfachkrise“ (Altvater, 2010, S. 155‐190) liest sich dann auch als eines, das durchwegs exogene Faktoren (Peak Oil, Klimawandel) aufführt und den Schwerpunkt auf die Entropie des Systems bestärkt (vgl. Altvater, 2009).14 Gegenüber Disproportionalitätstheorien der Krise hat dieser Ansatz den Vorteil einer klaren kau‐ salen Bezogenheit. Während z.B. David Harvey, der eine an Rosa Luxemburgs Imperialismus‐ theorie (Luxemburg, 1975) angelegte These der Überakkumulation vertritt und einen damit verbundenen Impuls zur Landnahme durch „kreative Zerstörung“ (Harvey, 2010, S. 185) sieht, zwar zahlreiche phänomenale Verschiebungen der letzten Jahrzehnte gut beschreiben kann und zweifellos durch den verstärkten Fokus auf Räumlichkeit eine sinnvolle Ergänzung im Sinne des „spatial turn“ geleistet hat, kann er an keiner Stelle erklären, warum sich diese historische Dy‐ namik ergab. Derartige (überakkumulationstheoretische) Heuristiken können als funktionalis‐ tisch bezeichnet werden, da sie stark funktionale gesellschaftstheoretische Sinngefüge aufbauen, jedoch den ursächlichen Zusammenhang der funktionalen Beziehungen nicht mehr historisch rückbinden können. Anders Altvater, der mit seiner These ökologischer Entropie als prima causa eine Basis für funktionale Argumente liefert. 14
Ältere Arbeiten beziehen teilweise auch endogene Faktoren in das Krisenverständnis mit ein (z.B. Altvater, 1991). Diese lasse ich in meiner Auseinandersetzung bewusst außen vor, da es mir weniger um das (Gesamt-)Werk Altvaters als um eine möglichst pointierte Gegenüberstellung krisentheoretischer Überlegungen geht.
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Die Schwierigkeit der Altvaterschen These ist jedoch, dass sie Ökologie – ähnlich wie auf andere Weise auch die herrschende Wirtschaftslehre – als stofflich‐überhistorische Konstante fasst und tendenziell außerhalb von sozialen Verhältnissen stellt. Das Natürliche in den gesellschaftlichen Naturverhältnissen hat so in letzter Instanz stets die Oberhand. Eine Kompatibilität mit Ansät‐ zen, welche auf politische Kräfteverhältnisse als Movens der Gesellschaft abzielen, besteht inso‐ fern in keiner Weise – zumindest nicht, wenn diesen mehr als ein bloß reaktives Potential in einem (ökonomisch) vorgeformten Raum zugesprochen werden soll. Diese theoretische Inkom‐ patibilität scheint Altvater selbst nicht zu sehen, da er mancherorts trotzdem auf die Eigenstän‐ digkeit der politischen Sphäre und ihrer Kräfteverhältnisse verweist (Altvater, 2011). Doch wer genauer liest, erkennt eine eigentümliche Entbettung der gesellschaftstheoretischen Argumente, die das oben genannte Problem eines positivistischen Syndroms, mithin des Auseinanderrei‐ ßens von synchronen und diachronen Aspekten, reproduziert. Altvaters Thesen sind zwar „stark“. Mit dem Theoriekorpus der im vorigen Kapitel beschriebenen nicht‐objektivistischen Vielfachkrise bleiben sie jedoch eigentlich unvermittelbar. Die fehlende Brücke zwischen der ökonomischen und politischen Sphäre verweist bereits auf klare Defizite des theoretischen Ansatzes. Bei genauerer Betrachtung können jedoch auch die im engeren Sinne ökonomischen Argumente hinterfragt werden.15 Altvater liest den Kapitalismus letztlich als ein Phänomen der Zirkulationssphäre und lässt die eigentliche Produktion des Wer‐ tes außer Acht. Die wertproduktive abstrakte Arbeit als das für Marx zentrale Moment der ge‐ sellschaftlichen Subsumption unter das Kapital bleibt unberücksichtigt. Deutlich wird dies in der Geldtheorie, hinsichtlich derer Altvater in einem früheren Werk einen einfachen Bruch zwischen „monetärer“ und „realer“ Ökonomie annimmt: „Geld emanzipiert sich also von der Substanz, die ihm einen materialen und lokalen Charakter gibt. Geld emanzipiert sich von der Arbeit, monetä‐ re und reale Ökonomie entkoppeln sich“ (Altvater & Mahnkopf, 2004, S. 149). Wiewohl Marx hinsichtlich der Einschätzung der Kategorie Arbeit insgesamt ambivalent blieb (Kurz, 2003), ist jenes Deutungsmuster ohne Zweifel reduktionistisch. Denn es fragt nicht mehr nach dem eigent‐ lichen gesellschaftlichen Aspekt, der sozialen Verhältnisbestimmung, hinter der zur Geldform gerinnenden Wertsubstanz, sondern setzt diese einfach voraus. In gewisser Weise unterliegt Altvater hier selbst dem Kapitalfetisch, indem er nicht mehr nach den konkreten endogenen (also gesellschaftlichen) Bedingungen innerhalb der kapitalistischen Systemlogik fragt, sondern schlicht deren abstrakten Teil abkappt und gesondert kritisiert, während Aspekte der (Wert‐ )Produktion durch die naturalistische Argumentation ersetzt werden. Die Krise des Finanzkapi‐ tals als einer weiteren „gegenüber der bereits aus Gesellschaft und Natur entbetteten kapitalisti‐ schen Marktwirtschaft“ (Altvater, 2010, S. 53) enthobenen Sphäre stellt sich so als eigentümliche Ergänzung zur stofflichen Krise dar. Auch wenn Altvater behauptet, dass „Naturform und Ver‐ wertung“ verknüpft sind, es „[o]hne die ‚Realwirtschaft‘ […] keinen funktionierenden Finanzsek‐ tor“ (Altvater, 2010, S. 18‐19) geben könne, liefert er keine schlüssigen Argumente dafür, warum dies der Fall sein sollte. Denn in der Tat geht es um die theoretische Verhandlung der Vermittlung von Realwirtschaft und Finanzsektor, ebenso wie es abstrakter um Fragen des sozialen Verhältnisses von Stoff und Form (Ortlieb, 2008) geht. Altvater kann diese Vermittlung auf Basis seines Entbettungstheo‐ rems nicht leisten, weil er endogene Aspekte der Krise nicht als determinierende Faktoren zu‐ lässt, d.h. letztlich die Frage der gesellschaftlichen Naturverhältnisse unterkomplex erschließt, indem er die Rolle abstrakter Arbeit als Vergesellschaftungsmuster im Stoffwechselprozess mit der Natur falsch einschätzt. Es fehlt bei ihm der – genuin gesellschaftliche – Vermittlungsschritt zwischen natürlichen und gesellschaftlichen Grenzen, wie Thomas Gehrig im Anschluss an Altva‐ ters Entropiekonzept feststellte:
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Im Rahmen dieses Textes kann nicht auf deren physikalisch-ökologische Seite sui generis eingegangen werden, da dies eingehendere (auch naturwissenschaftliche) Beschäftigung nötig machen würde (vgl. dazu z.B. Huisken, 2006). Die ökonomische Seite der Theorie lässt sich allerdings mit sozialwissenschaftlichen Instrumentarien kritisieren, wobei die Rezeption der Kritik der Politischen Ökonomie im Vordergrund steht.
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Das grundsätzliche Problem ist, dass die verschiedenen Prozesse der Entropiezunahme sich qualitativ in Bezug auf die Auswirkungen auf den Menschen (und d.h. dessen natürliche Umwelt) nicht unterscheiden lassen. Es ist kein allgemeiner naturwissenschaftlicher Maßstab für die verschiedenen Qualitäten der Stoffe etc. anzugeben. Dazu wäre ein zusätzliches normatives Erfassungs- und Bewertungssystem notwendig. Dieses, nicht die Entropierechnung, fungierte dann als qualitativ-anthropozentrisches Maß. (Gehrig, 2011, S. 639) Dies verunmöglicht konsequenterweise auch den Anschluss an genuin soziale Desiderate, wie solche der Kräfteverhältnisse bzw. einer diachronen Theorieproblematik im weiteren Sinne, da jene – im Anschluss an Marx – Aspekte der gesellschaftlichen Form der Arbeit bzw. ihrer wider‐ sprüchlichen Dimensionen akzentuieren. Die Problematik einer gesellschaftstheoretischen Inkohärenz, welche vor der Festlegung des Dualismus von Ökonomie und Politik angesiedelt ist, also gewissermaßen seine Entstehungsbe‐ dingung selbst betrifft und nicht die (jeweilige) Existenz der Sphären positivistisch bereits vo‐ raussetzt und/oder ableitet, wird von materialistischer Seite selten in den Blick genommen. Ul‐ rich Brand und Markus Wissen haben in einer sehr luziden Arbeit zur Regulation der ökologi‐ schen Krise (Brand & Wissen, 2011) auf regulationstheoretischer Basis versucht, eine Vermitt‐ lung des Konzepts der gesellschaftlichen Naturverhältnisse und einer gramscianischen Hege‐ monietheorie zu entwickeln. Sie gehen – ähnlich wie (nominell) auch Altvater – von einem Kon‐ zept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse aus, heben jedoch stärker hervor, dass „Vermitt‐ lung prozesshaft auf ganz verschiedenen Ebenen und in sehr unterschiedlichen Bereichen statt‐ findet“ (Brand & Wissen, 2011, S. 15). Die Frage bleibt allerdings, wie diese Vermittlung von „ma‐ teriell‐stofflichen“ und „kulturell‐symbolischen“ (Brand & Wissen, 2011, S. 16) Dimensionen zu konzeptualisieren ist, d.h. wie sich die gegenseitige Durchdringung letztlich gesellschaftlich kon‐ stituiert. Der Verweis auf „Rückkopplungsschleifen“ und ein „intentionales Moment“ (Brand & Wissen, 2011, S. 16) ist hier sicherlich hilfreich – verweist er doch auf die diachrone Seite inner‐ halb einer synchronen Theorieproblematik. Es ist dabei zu einfach, wenn aus der prinzipiellen Tatsache sozialer Determination des gesell‐ schaftlichen Naturverhältnisses geschlossen wird, dass letzteres (a) „Teil aller anderen sozialen Verhältnisse“ (Brand & Wissen 2011, S. 15) wäre und dabei (b) notwendig „als Regulation […] ohne steuerndes Zentrum“ (Brand & Wissen, 2011, S. 17) erscheint, welche die „strukturellen Widersprüche über einen bestimmten Zeitraum hinweg prozessierbar“ (Brand & Wissen, 2011, S. 18) mache. Die These (a) birgt zumindest implizit die ontologische Annahme, dass das Ver‐ hältnis von Gesellschaft und Natur „durchaus kontingent[...]“ eine „hegemonial konstituierte Beziehung von materiellen und kulturellen […] Aspekten“ (Brand & Wissen, 2011, S. 15‐16) re‐ präsentiere. Die gesellschaftstheoretische Bestimmung des Naturverhältnisses wird also auch hier durch ein Kontingenzmoment obstruiert, das eigentlich – als diachrones Moment – zumin‐ dest nicht ubiquitäre Geltung beanspruchen kann, sondern gerade ins Verhältnis zur Synchronie des (ökonomisch akzentuierten) Naturverhältnisses zu setzen wäre. Auf dieser Basis erscheint die Schlussfolgerung (b) eingängig, dass es zu – ebenso kontingenten – Regulationsformen kommt, die eine Bearbeitung von Widersprüchen möglich machen. Welche Widersprüche dies sind bzw. wie sie – auf einer Ebene der nicht bloß zufälligen Artikulation – basal zu verorten sind, bleibt allerdings außen vor.16 Die durchgängige Kontingenzannahme hat paradoxerweise allerdings die, bereits weiter oben problematisierten Konsequenzen, dass (1) die Möglichkeit (politischer) Regulation prinzipiell immer besteht (wenn sie auch umkämpft ist) und (2) den „Krisen des Verwertungsprozesses“ als „immanente Schranken der kapitalistischen Produktionsweise“ (Brand & Wissen, 2011, S. 16
Gegenüber der ursprünglichen Fassung des Konzepts der gesellschaftlichen Naturverhältnisse in der älteren Kritischen Theorie bedeutet dies eine signifikante Alteration, da letztere immer nach einem (benennbaren) Prinzip sozialer Synthesis suchte (vgl. z.B. Adorno, 2003a, 755-758).
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17) schroff gegenübersteht. Durch das Kontingenzgebot – denn auch die immanenten Schranken sind kontingent (Brand & Wissen, 2011, S. 28, Fn. 4) – wird letztlich das Problem der Verhältnis‐ bestimmung umschifft und die Frage der Eigendynamik des Ökonomischen, die bei Altvater externalistisch überbetont wird, nicht gelöst. Dies bedeutet zwar nicht, dass die weiteren Schlussfolgerungen falsch sein müssen – Kämpfe um Hegemonie und Regulation finden ja statt und die diesbezüglichen politisch‐analytischen Ausführungen sind durchwegs schlüssig. Sie erklären jedoch nicht die Verhältnisbestimmung der zugrundeliegenden sozialen Formen, mit‐ hin auch nicht das Verhältnis von Synchronie und Diachronie in der Theorie, wie es für eine kon‐ sistente gesellschaftstheoretische Totalitätsbestimmung unentbehrlich ist. Letztlich entstehen ähnliche Probleme wie bei Altvater – allerdings unter anderem Vorzeichen, nämlich einer Über‐ akzentuierung des diachronen Moments der historischen Kontingenz, welches die synchrone Seite krisentheoretisch unterbestimmt lässt. Krise als Schranke der sozialen Synthesis selbst, mithin als Ausdruck einer Transformation des Verhältnisses von Synchronie und Diachronie, gerät so aus dem Fokus. Hier muss offensichtlich in spezifischer Weise sowohl über die – öko‐ nomisch‐analytisch durchaus versierte – Sichtweise Altvaters als auch die – politisch‐analytisch avancierten – Konzepte im Anschluss an die Regulationstheorie bzw. eine gramscianische He‐ gemonietheorie hinausgegangen werden.
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5. Krise als fetischistische Widerspruchsdynamik zwischen Stoff und Form Der in den sozialwissenschaftlichen Debatten bisher wenig rezipierte krisentheoretische Ansatz von Robert Kurz kann in vieler Hinsicht als alternativer Lösungsvorschlag der aufgewor‐ fenen Schwierigkeiten betrachtet werden. Anders als Altvater stellt er genuin gesellschaftstheo‐ retische Konzepte in den Vordergrund, welche einen wesentlich anderen Akzent in der Bearbei‐ tung der Widersprüche der gesellschaftlichen Naturverhältnisse setzen, verbaut dabei jedoch nicht den Weg zur Frage einer synchronen Perspektive auf die (scheinbar) selbstzweckhafte Bewegung in einer externalisierten Sphäre der ökonomischen Gesetzesregime. Sein Ansatz geht von einer inneren Schranke der kapitalistischen Vergesellschaftung aus, die letztendlich zwangs‐ läufig im Zusammenhang einer Formkrise und somit eines „Kollaps der Modernisierung“ (Kurz, 1994) steht. Während die bürgerliche Medienlandschaft den Ansatz nur oberflächlich, etwa ent‐ lang des bewusst populärwissenschaftlich gehaltenen „Schwarzbuch Kapitalismus“ (Kurz, 1999) rezipierte, waren die Reaktionen von Seiten materialistischer Positionen verhalten, was insbe‐ sondere der Rezeption des gesellschaftstheoretischen Kerns der Krisentheorie abträglich war.17 Aspekte jenes Kerns möchte ich in Folge vor dem Hintergrund des gesellschaftstheoretischen Gehalts, mithin der Aussagekraft bezüglich der oben aufgeworfenen Fragen, beleuchten. Das polit‐ökonomische Fundament der Theorie Robert Kurzʼ lässt sich als differentes Verständ‐ nis des gesellschaftlichen Naturverhältnisses deuten, nämlich als eines, das explizit die Frage nach den Mechanismen gesellschaftlicher Synthesis stellt. Kurz betrachtet im Anschluss an Marx die kapitalistische Gesellschaft als ein „automatische[s] Subjekt“ (Marx, 1975, S. 169), welches sich durch die fetischistische Naturalisierung des Sozialen und eine reziproke quasi‐soziale Verselbst‐ ständigung der Natur (als gesellschaftlicher, zweiter Natur) auszeichnet. Es handelt sich dabei um eine eigenständige Dimension der Grundierung sozialer Verhältnisse, die als „Verselbststän‐ digung von Ausgeburten eines Handelns, das dem bewussten Denken vorausgeht bzw. voraus‐ gesetzt ist und selber dessen Form konstituiert“ (Kurz, 2012, S. 70) zu verstehen ist. Dieser „re‐ almetaphysische[…] Selbstzweck“ (Kurz, 2012, S. 77) ist signifikant für die „Totalität des gesell‐ schaftlichen Zusammenhangs“ (Kurz, 2012, S. 167), von der allerdings zu abstrahieren ist, um zu konkreteren Kategorien zu gelangen. Dies ist der Fall, wenn zwischen synchronen und diachro‐ nen, strukturellen und kontingenten oder materiellen und sozialen/kulturellen Aspekten unter‐ schieden wird. Anders als in vielen Entwürfen wird das gesellschaftliche Naturverhältnis also nicht äußerlich als soziales Verhältnis unter vielen gedacht bzw. letztlich doch auf ein stoffliches Residuum zu‐ rückgeführt, sondern als prozessierendes Fetischverhältnis verstanden, in dem auf Basis realabs‐ trakter Vermittlungsmechanismen Soziales und Natur negativ verschränkt sind. Auf den Topos der Krise heruntergebrochen müsste gewissermaßen gesagt werden, dass das gesellschaftliche Naturverhältnis nicht „in“ der Krise, sondern selbst die Krise ist (die sich – mindestens seit dem Ende des Fordismus – progressiv entfaltet). Dies ist als abstrakte Überlegung über gesellschaftli‐ che Totalität wohl schwer zu fassen. Die Art der Vermittlung, mithin die Annahme einer fetischis‐ tischen Dimension der gesellschaftlichen Synthesis, lässt sich allerdings auch durch die verschie‐ denen konkreteren Kategorien der Kritik der Politischen Ökonomie nachverfolgen, was als dar‐ stellungslogischer Schritt zur eigentlichen Krisentheorie hilfreich ist.
17 Diese mangelnde wissenschaftliche Rezeption hat meiner Einschätzung nach (mindestens) drei Ursachen. Erstens gibt es formale bzw. stilistische Gründe – Kurzʼ Schreibstil ist essayistisch und oftmals polemisch und kümmert sich wenig um akademische Konventionen. Zweitens und als Resultat dieser Vorgangsweise machen seine Schriften oft den Eindruck methodischer Unterkomplexität, die sich maßgeblich aus dem tentativen und thesenhaften Charakter ergibt. Drittens ist das Ziel der Erörterungen selbst umstritten bzw. wenig akzeptiert, nämlich die Formulierung einer möglichst radikalen, abstrakten wie auch integralen und deshalb bisweilen notwendig vage bleibenden Gesellschafskritik.
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Eine Gegenüberstellung der Position Altvaters macht die Differenzen deutlich. Während jener den Arbeitsbegriff unbestimmt lässt und implizit sowohl naturalisiert als auch enthistorisiert, sieht Kurz Arbeit als ebenso genuin gesellschaftliche Form wie das Geld bzw. das Kapital. Er bestimmt das Verhältnis von Arbeit und Geld als für den Kapitalismus konstitutives wie auch widersprüchliches (Kurz, 1995, S. 21), denn grundsätzlich ist Geld die verallgemeinerte Form von Wert, der wiederum durch Arbeit geschaffen wird. Geld kann also als „tote Arbeit“ verstan‐ den werden, entwickelt jedoch auch eine Eigendynamik, wenn es als Kapital prozessiert. Diese Dynamik birgt einen Widerspruch, der im (gesellschaftlich‐stofflichen) Auseinandertreten von gesellschaftlichem Wertresiduum (Geld) und gesellschaftlicher Wertsubstanz (Arbeit) begrün‐ det liegt. Während das Geld als wirkliches Geld, als sachliche Materialisierung eines gesellschaftli‐ chen Verhältnisses ein ökonomisches Eigenleben führen kann, das die „okkulte Qualität“ (Marx, 1975, S. 169) birgt, sich aus sich selbst zu vermehren, kann die Geldform als Wertform nicht von der abstrakten Arbeit getrennt werden. In der oberflächlichen Erscheinung des wirklichen Gel‐ des in der Zirkulation erlischt jedoch deren gesellschaftliche Bestimmung durch die Verausga‐ bung menschlicher Energie. Geld erscheint zugleich als „natürlicher“ Wertträger in seiner Funk‐ tion als Wertmaß und als kontingente „soziale Konvention“ in seiner Wirkungsweise als Zah‐ lungsmittel. Als wirkliches Geld kann es von einer eingeschränkten „sphärenfixierten“ Ökono‐ mietheorie deshalb nicht erschlossen werden, weil der Geldfetisch dazu führt, dass die eigentlich gesellschaftliche Denomination des Geldes als durchgesetzter Wertform und somit Resultat der Verausgabung abstrakter Arbeit außen vor bleibt. Dies verweist auf eine transzendentale Werttheorie, die sich gerade nicht auf eine sphärenmäßi‐ ge Verortung in der (stofflichen) Natur oder der (abstrakten) Geldökonomie kapriziert und so‐ mit auch nicht von einer bloßen Disproportionalitätskrise ausgeht. Im Tausch, sprich: in der Realisierungsbewegung auf dem Markt ist der Wert tatsächlich nur ein scheinbar nominalistisches Gedankending, weil die Verausgabung abstraktmenschlicher Energie ja bereits vergangen ist und nur als gesellschaftliche Abstraktion fiktiv am Warending als dessen „Geltungsbestimmung“ haftet. Aber diese Energie muss ja wirklich in der Produktion verbrannt worden sein, damit das möglich ist; die Realabstraktion erfasst in diesem Sinne auch die Produktion, nicht erst die Markthandlung, und in diesem Sinne ist der Wert eben kein bloß nominales Gedankending, sondern eine andere Art der Realabstraktion: ein Gedankending nur insofern, als die Verausgabung physiologischer Energie zwar nicht von deren konkreter Form (alias „konkrete Arbeit“) getrennt werden kann; aber ein Gedankending, das zugleich als solches materiell ist, nämlich das Moment realer Energieverausgabung. (Kurz, 2012, S. 194) Kurz trägt hier also der Tatsache Rechnung, dass auf einer Totalitätsebene die vermittelte Ver‐ schränkung von „Verausgabung menschlicher Energie“ in der Produktion und deren „Geltungs‐ bestimmung“ in der Zirkulation anzunehmen ist und dies zu einer spezifischen realabstrakten Dimension gesellschaftlicher Verhältnisse führt. Ohne auf die erkenntnistheoretischen Implikati‐ onen dieser Annahme eingehen zu können,18 lässt sich hieraus bereits die krisentheoretische Schlussfolgerung einer gänzlich different ausgerichteten Perspektive ableiten. Der in der obigen Widerspruchskonstellation zwischen Krise und Krisenhaftigkeit, exogener und endogener De‐ termination, bestimmte Hiatus wird insofern überbrückt, als die Sphärentrennung als solche transzendiert und durch einen gesamtgesellschaftlichen Substanzbegriff ersetzt wird, der auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, nämlich jene der „Verausgabung menschlicher Energie“ in der spezifisch kapitalistischen Formbestimmung abzielt. Anders als im positivistischen Paradigma wird also nicht die Reduzibilität der abstrakten Äußerungen auf eine vereinseitigte Fixierung angenommen, sondern die Fixierung aus der widersprüchlichen gesellschaftlichen Formebene entwickelt. D.h. ein Auseinanderfallen von Produktion und Zirkulation kann zwar die einzelnen
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Zur Realabstraktion als zentralem Problem in der Rezeption der Kritik der Politischen Ökonomie, siehe Flatschart (2012).
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„Marktmonaden“ betreffen und bis hin zu tatsächlichen „Bereinigungskrisen“ bloßer zirkulativer Fluktuationen reichen, allerdings nicht die Krisendynamik auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene tangieren. Denn auf dieser Ebene der gesellschaftlichen Konstitution kann nun keine Dis‐ proportionalität der ökonomischen Sphären mehr ausgemacht werden, sondern jene Konstitu‐ tion selbst ist als sich zuspitzendes Widerspruchsverhältnis von Stoff und Form, von Ge‐ brauchswertmasse und Wertsubstanz (Kurz, 2012, S. 248) zu betrachten. Kurz verortet den Grund für die krisenhafte Widerspruchsdynamik in der sogenannten „dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik“ (Kurz, 2012, S. 294), welche die fordistische, auf gelingender Produktion des relativen Mehrwerts19 beruhende, Akkumulationsdynamik zum Stillstand und schließlich einer regressiven Bewegung brachte. Die Begründung hierfür ähnelt jener in Marxʼ Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate, setzt jedoch die Akzente gemäß der erläuterten Verschiebung auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene der Wertsubstanz wesent‐ lich anders. Denn ging es bei Marx noch um den empirischen Beweis einer tatsächlich sinkenden Profitrate, d.h. um die Oberflächenerscheinung empirischer ökonomischer Entwicklungen, fo‐ kussiert Kurz auf eine theoretische, nicht‐empirische gesellschaftliche Wesensebene der Ent‐ wicklungstendenzen. Diese Argumentation versteht sich zugleich als Präzisierung von und Kritik an Marx, denn jener argumentiert im Kapital in besagtem Kapitel eigentlich auf zwei Ebenen: Einerseits auf der Wertebene, wo die Annahme einer steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals einzig hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse Relevanz erlangt. Da die Masse der angewandten lebendigen Arbeit stets abnimmt im Verhältnis zu der Masse der von ihr in Bewegung gesetzten vergegenständlichten Arbeit, der produktiv konsumierten Produktionsmittel, so muß auch der Teil dieser lebendigen Arbeit, der unbezahlt ist und sich in Mehrwert vergegenständlicht, in einem stets abnehmenden Verhältnis stehn zum Wertumfang des angewandten Gesamtkapitals. (Marx, 1974, S. 223) Das Argument ist eines der zunehmenden Rationalisierung und beruht somit auf der Produktion des relativen Mehrwerts. Da stets mehr und mehr Maschinen eingesetzt werden, wird der Anteil der notwendigen Arbeitskraft im Produktionsprozess geringer und somit auch der neu zuge‐ setzte Mehrwert. Dieses Argument ist allerdings zweifelsfrei nur als gesamtgesellschaftliches gültig, denn es abstrahiert von der Konkurrenz und der Verteilung der Mehrwertmasse auf die Einzelkapitalien. Marx geht nun aber auch davon aus, dass das „Verhältnis der Mehrwertsmasse zum Wert des angewandten Gesamtkapitals“ unmittelbar einwirkt auf „die Profitrate, die daher beständig fal‐ len muß.“ (Marx, 1974, S. 223). Diese zweite Preisebene der Argumentation fällt in eins mit der ersten, da Marx annahm, dass sich Preis und Wertebene in ein quantitatives Ableitungsverhält‐ nis bringen ließen, d.h. auch empirisch erfasst werden könnten. Die Suche nach dieser Ableitung, die als „Transformationsproblem“ die marxistische Debatte wie ein roter Faden durchzieht, re‐ präsentiert jedoch laut Kurz eine falsche Fragestellung, die letztlich auf ein teilweise positivisti‐ sches Wissenschaftsverständnis bei Marx selbst zurückzuführen ist (Kurz, 2012, S. 167‐192). Denn auf der Ebene eines gesellschaftskritischen Totalitätsbezugs geht es nicht um empirische Fakten, sondern die Kritik von basalen kausalen Mechanismen und ihrer Tendenzen. Eingängig lässt sich dies auch aus einer formalen Darstellung der jeweiligen Ebenen erschließen. Die Profitrate unterscheidet sich von der Mehrwertrate dadurch, dass in sie das konstante Kapital zusätzlich zum Mehrwert als Vorauskosten der Kapitalist_innen mit eingeht. Die Profitrate steht folglich der betriebswirtschaftlichen Rationalität und somit der Oberflächenebe‐ ne der Preise und Einzelkapitalien näher als Überlegungen auf der versteckten Wesensebene
19 Damit ist gemeint, dass die Akkumulation nicht auf Basis einer absoluten, exogenen (Verlängerung des Arbeitstags, erstmalige Subsumption von Menschen unter das Kapital), sondern einer relativen, endogenen Entwicklungsweise erfolgt. D.h. die Vergrößerung des Mehrwerts erfolgt auf Basis der Abnahme der notwendigen Arbeitszeit, die sich wesentlich dadurch ergibt, dass sich mittels technischer Innovation der Wert, der zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft nötig ist, verringert. Vereinfacht gesagt ersetzt die Maschine zunehmend den_die ArbeiterIn.
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des Werts. Auf dieser Argumentationsebene lässt sich jedoch die tote Arbeit der in gebunde‐ nen wachsenden Wertmasse nicht adäquat zur Geltung bringen, da sie im Konzept der Voraus‐ kosten intrinsisch mit dem variablen Kapital verbunden ist; letzteres erscheint derart als raum‐zeitlich externalisierte, quasi natürliche Quelle des Reichtums. Die Frage nach der „empiri‐ schen Profitrate“ bzw. auch Profitmasse in Preisen kann also völlig andere Ergebnisse liefern als jene nach der Entwicklung der organischen Zusammensetzung. Mithin können bisweilen Profite erzielt werden, die nicht mehr annähernd an reale Wertproduktion rückkoppelbar sind, wie es in der gigantischen „Blase“ der auf „fiktiver Akkumulation“ beruhenden „finanzkapitalistischen“ Entwicklung der Fall ist (Lohoff & Trenkle, 2012, S. 280‐281). Tatsächlich handelt es sich jedoch auch dabei um „eingefrorene“ gesellschaftlich‐stoffliche Potenz, die zwar zeit‐räumlich auf vergangener Wertproduktion beruht, aber als soziale Form keines‐ wegs irrelevant ist bzw. schlicht quasi‐versachlicht aus der gesellschaftlichen Entwicklung ex‐ ternalisiert werden kann, sondern stets auf die dynamische soziale Form der Arbeit verwiesen bleibt. Die genuin gesellschaftliche Dynamik auf der Ebene der organischen Zusammensetzung des Kapitals kann demnach nicht zeit‐räumlich isoliert bzw. positivistisch‐vereinseitigend verstanden werden. Während die Frage nach der Profitrate eine derartige Eingrenzung ver‐ sucht, indem sie und zusammenzieht, als Aggregat betrachtet und somit eine stets relative Darstellung ermöglicht, kann verstanden als gesellschaftliche Potenz steigender kapitalisti‐ scher Vergesellschaftung (welche letztlich auf die Steigerung der industriellen Produktivkräfte, mithin die Produktion des relativen Mehrwerts zurückgeht) nur in spezifische Relation zu , der lebendigen Arbeit, betrachtet werden. Es kann hier nun angenommen werden, dass die steigende organische Zusammensetzung nicht ewig durch die steigende Mehrwertrate (über‐)kompensiert werden kann, wie es für eine gelin‐ gende Akkumulation nötig ist. Eine Zeit lang kann die, in der steigenden organischen Zusam‐ mensetzung ausgedrückte gesellschaftliche Potenz – symptomatisch ausgedrückt in der „Pro‐ duktivkraft Wissenschaft“ (Ortlieb, 2008, S. 25) – durch die Verbilligung von ausglichen wer‐ den, wenn neue produktive Sektoren entstehen, auf deren Basis eine erweiterte Reproduktion möglich ist. Durch diese Produktion des relativen Mehrwerts steigt aber in jedem Fall , da als tote Arbeit versteckt in den Wert von eingeht (die Reproduktionskosten des_der Arbeiter_in sinken und deshalb auch der Wert der Ware Arbeitskraft). Dieser Anstieg der Mehrwertrate steht wiederum für die Entwicklung der Produktivkräfte, die Eingang in die organische Zusam‐ mensetzung findet. Wir haben es auf dieser Ebene mit einer dialektischen Beziehung zu tun, deren Relation jedoch vorerst undynamisch erscheint. Zeit‐räumlich relevant kann diese Darstellungsebene deshalb nicht sein, da derartige Bezugsgrößen auf der Ebene analytischer Stasis abstrakt‐ mathematischer Variablen verbleiben, während es gesellschaftstheoretischer Erörterung um substanzielle Aussagen geht, welche die gesellschaftliche Totalität als Prozess betreffen. Auf die‐ ser gesamtgesellschaftlichen Ebene interessiert folglich nicht die Mehrwertrate oder die stei‐ gende organische Zusammensetzung als herausgegriffene „Größe“, sondern die Frage der gesell‐ schaftlichen Mehrwertmasse und ihrer Beziehung zur Masse an gesellschaftlich‐stofflicher Potenz. Diese Zuordnungen sind nicht mehr streng empirisch messbar, wenn auch tendenzielle Aussa‐ gen aus den komplexen Fluktuationsformen der Preisebene ableitbar sind. Auf dieser Ebene erscheint es evident, dass die Proportion beider dann kippen muss, wenn gewisse qualitative Veränderungen von dazu führen, dass eine Erweiterung von nicht mehr möglich erscheint. Wenn also – simpel heruntergebrochen – die verstetigten menschlichen Potentiale und ihre spezifisch‐kapitalistische Form der Umsetzung (letztlich Arbeit als Verausgabung menschlicher Energie) nicht mehr zusammenzubringen sind. Der gesetzmäßige Fall der Profitrate ist daher nicht identisch mit einem andererseits in derselben Weise gesetzmäßigen Anstieg der absoluten Profitmasse, sondern dieser kompensatorische Zusammenhang gilt nur für ein begrenztes historisches Stadium in der Entfaltung kapitalistischer Dynamik und ihres Widerspruchs. Überschreitet die irreversible Entwick-
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lung ein bestimmtes Limit der Produktivkraft, so erreicht sie ihre Klimax in dem Sinne, dass die Wegrationalisierung von Arbeitskraft die Expansion des Kapitals einholt und überholt […]. Dann schlägt die relative Verminderung der Arbeitskraft gegenüber dem Sachkapital in eine absolute Verminderung der auf dem erreichten Produktivitätsstandard noch anwendbaren (kapitalproduktiven) Arbeitskraft um, also auch der (relative) Fall der Profitrate in den absoluten Fall der Profitmasse (des Gesamtkapitals oder bei Marx des „Gesellschaftskapitals“). Die Gesetzmäßigkeit besteht dann darin, dass das Kapital gesetzmäßig in einen Zustand übergeht, in dem es sein eigenes Gesetz der Anhäufung von „abstraktem Reichtum“ nicht mehr erfüllen kann. (Kurz, 2012, S. 312) Dies heißt nichts weniger als dass die Entwicklung der Produktivkraft im weitesten Sinne einer Grenze unterliegt, da sie in einem Selbstwiderspruch verfangen ist. Dieser führt dazu, dass die soziale Form kapitalistischer Dynamik sich zunehmend hintertreibt. An der sphärenmäßig sepa‐ rierten ökonomischen Oberfläche äußert sich dies in einem Abschmelzen der Wertsubstanz abstrakter Arbeit und somit der fehlschlagenden Akkumulation (und der damit verbundenen zunehmenden Verschiebung von realem zu fiktivem Kapital). Dieser Prozess ist irreversibel, da er auf der gesellschaftlichen Formebene selbst stattfindet. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Altvater betrachtet – auf Grund seiner verkürzten Vorstellung von Arbeit und einer zirkulativ‐orientierten „Entbettungstheorie“ – die krisenhafte Grenze des Naturverhältnisses als exogene. Stofflichkeit ist für ihn also tendenziell etwas Nicht‐ Gesellschaftliches. Demgegenüber entwickelt Kurz Krise als ein Problem der sozialen Form ge‐ sellschaftlich‐stofflicher Potenz. Wenn mit Kurz überhaupt von Entbettung gesprochen werden kann, so nur im Sinne einer immanenten, gesellschaftlichen Widerspruchsdynamik. Diese ist in der sozialen Formbestimmung selbst zwangsläufig angelegt, insofern als die immanente gesell‐ schaftlich‐stoffliche Potenz mit der Form in Konflikt gerät. Ernst Lohoff und Norbert Trenkle (2012) konzedieren pointiert: „Diese Gesellschaft ist zu reich für den Kapitalismus!“ (S. 285). Dies hat in gewisser Weise seine Richtigkeit – allerdings nur, wenn genau geklärt wird, was mit den eingesetzten Begriffen gemeint ist. Gesellschaftlichkeit wie auch Reichtum existieren im Status Quo nämlich nur als kapitalistische. Wenn jedoch generellere Definitionen gewählt wer‐ den und festgehalten wird, dass die gesellschaftliche Potenz schlechthin (die sich nicht anders als in ihrer historischen Form aktualisieren kann) nicht mehr mit den Bedingungen ihrer Konsti‐ tution (die wiederum notwendig jene Potenz hervorbringen muss) vereinbar sind, dann ergibt sich das richtige Bild einer inneren Grenze, die weitere progressive Entwicklung innerhalb der Form und auch der Form selbst nicht mehr möglich macht.20 Wenn die These einer derart umfassenden gesellschaftlichen Formkrise vertreten wird, kann schon deshalb nicht mehr rein ökonomisch argumentiert werden, weil die ökonomische Form nicht als Sphäre positiviert wird, sondern gesellschaftlich kontextualisiert erscheint. Folglich reicht es nicht aus, das Scheitern des Fordismus bzw. das ihm folgende Vakuum rein akkumula‐ tionstheoretisch zu erklären. Es muss vielmehr an die gesellschaftstheoretische Substanz gegan‐ gen werden, die – so möchte ich zeigen – in einer differenzierten Rezeption der Marxschen Feti‐ schtheorie zu suchen ist. Die volle Konsequenz einer derartigen Perspektive, gerade auch für das Politische, wurde von Robert Kurz nicht systematisch erörtert.21 Die Möglichkeit einer Anwen‐ dung auf nicht‐ökonomischem Terrain ist jedoch zweifellos angelegt, da an vielen Punkten expli‐ zit die moderne Sphärentrennung kritisiert wird (vgl. z.B. Kurz, 2003b, S. 438). In Folge möchte ich deshalb über Kurz hinaus einige Überlegungen zu einer möglichen Formkrise des Politischen präsentieren, welche als Erweiterung der Krisentheorie zu betrachten sind und den Wider‐ spruch zwischen synchronen und diachronen Theorieproblematiken in produktiver Weise zu bearbeiten suchen. 20
Dies heißt nicht, dass keinerlei Entwicklung mehr stattfinden würde. Im Gegenteil ist es sogar naheliegend, dass sich die empirisch wahrnehmbare Alltagswelt umfassend transformiert, wie etwa die Herausbildung eines Finanzkapitalismus (Windolf, 2005) nahelegt. 2121 Er beschäftigte sich jedoch vor seinem unerwarteten Tod intensiv mit dieser Materie, wie einführende Studien zeigen (Kurz, 2011a; 2011b)
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6 Der Zusammenhang zu Politischer Form und Politik‐ fetisch In diesem Kapitel soll es darum gehen, das Politische analog zum Ökonomischen als soziale Form zu fassen, die eine fetischistische Vermittlung mit dem Ökonomischen aufweist, sich je‐ doch durch eigene Bestimmungen auszeichnet. Wenn ich von sozialer Form spreche, so impli‐ ziert dies bereits den Verweis auf eine komplexe Theorietradition, die einen distinkten Zugang zur Problematik der Bestimmung des Verhältnisses der beiden zentralen „Sphären“ entwickelt. Im Anschluss an einen nicht offensichtlichen dialektischen Kern der Marxschen Kritik der Politi‐ schen Ökonomie werden die Grundkategorien bzw. ihre Ordnung als nicht einfach gegebene konzipiert, sondern in einem (nur) dem Kapitalismus eigentümlichen Konstitutionszusammen‐ hang verortet. Marx dechiffriert den ökonomischen Gegenstands-Bereich und Gegenstands-Typ als den von Formen, spezifisch sozialen Formen, die der gesellschaftliche Charakter der Arbeit unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen annehmen muß: die »Wertgegenständlichkeit« der Arbeitsprodukte wie ihre Wert-Formen. Die »Objekte« der Ökonomie, ihr ausgezeichneter »Gegenstand«, sind stets solche Werte bzw. Wertgrößen und darin allesamt Formen jener spezifisch gesellschaftlichen Arbeit. Nur: als solche Formen verdecken und verschleiern sie zugleich ihren sozialen Gehalt und Grund. (Brentel, 1989, S. 13) Ohne hier auf die ökonomiekritischen Konsequenzen dieser werttheoretischen Stoßrichtung eingehen zu können, lässt sich die Annahme über die „Objekte der Ökonomie“ auch auf jene der Politik übertragen. Soziale Formen sind demnach im Kapitalismus – nun verstanden als Gesell‐ schaftssystem – nicht als einwertig zu erfassende Modelle zu erschließen, sondern als verwiesene dialektische Zusammenhänge, die eine verdeckte Relation zu ihrem sozialen Gehalt aufweisen. Die Marxsche Fetischtheorie steht für diese Tatsache und weist jenen gesamtgesellschaftlichen Konstitutionszusammenhang entlang der ökonomischen Kategorien nach – auf diese muss er allerdings, wie neue Ansätze gezeigt haben (vgl. Grigat, 2007; Neupert, 2013), nicht beschränkt bleiben. Für eine erweiterte Erschließung zentral ist die Konzeption einer verkehrenden Ver‐ dinglichung sozialer Verhältnisse, die im Zusammenhang mit Kurzʼ Fassung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse bzw. ihres real‐abstrakten Charakters eine Rolle spielte. Damit ist nicht ein‐ fach gemeint, dass menschliche Beziehungen von Dingen bestimmt sind bzw. dingliche Eigen‐ schaften aufweisen. Vielmehr geht es um eine Wechselwirkung in der sich dingliche und soziale Verhältnisse binnenhistorisch, also im Gültigkeitsbereich der kapitalistischen Gesellschaftsfor‐ mation, nicht mehr klar scheiden lassen. Dies hat zur Folge, dass die „gesellschaftlichen Bezie‐ hungen“ notwendig „als das, was sie sind [eigene Herv.], d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftli‐ che Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhält‐ nisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen“ (Marx, 1975, S. 87) erschei‐ nen. Es handelt sich also bei den sozialen Formen des Kapitalismus streng genommen nicht, wie Brentel nahelegt, um einen „Schleier“, hinter dem sich ein „richtiges“ soziales Verhältnis ver‐ steckt. Vielmehr sind die systematisch verdeckten Verhältnisse ihrerseits historisch situierte und müssen als solche zwangsläufig ihre verdinglichte Form hervorbringen. Die scheinbar einfa‐ chen Dualismen, welche uns beständig auf der Oberflächenebene analytischer Annäherungen an die Verhältnisse begegnen, sind dergestalt weder als starre Oppositionen noch als ahistorische Konstanten zu betrachten. Sie werden durch die fetischistische Verfasstheit der gesellschaftli‐ chen Verhältnisse bestimmt und zusammengehalten. Als solche bilden sie in einer funktionalen, aber auch sozial‐prozesshaften Dimension ein aporetisches Widerspruchsfeld. Eine rein funktionale Perspektive, wie sie etwa von der Systemtheorie und auch ihren materia‐ listischen Sympathisant_innen in der staatstheoretischen Debatte vertreten wird (Jessop, 2008), greift folglich zu kurz, weil sie ein statisches Bild funktionaler Beziehungen nahelegt. Ebenso
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grundlegend verkürzt scheint eine rein prozesshafte Bestimmung, wie sie etwa hinsichtlich des Staates als gesellschaftliches Verhältnis von Alex Demirović im Anschluss an eine spezifische Poulantzas‐Lektüre nahegelegt wird (Demirović, 2007, S. 223‐224). Das Marxsche Verständnis fetischistischer sozialer Verhältnisse begründet demgegenüber auf einer grundsätzlichen, ge‐ sellschaftstheoretischen Ebene ein dynamisches Theoriekonzept sozialer Formen, welches nicht nur die reale Segmentierung funktionaler Beziehungen anerkennt, sondern zugleich auch ihren historischen Entstehungshintergrund als Verdichtung spezifisch gebündelten sozialen Handelns mitdenkt. Es zielt also darauf ab, eine abseits jeglicher positiv‐essentialistischer Vorbestimmung zu entwickelnde „negative Ontologie“ (Schmidt, 1978, S. 74) zu fassen, die eine spezifisch kapita‐ listische funktionale Erstarrung, wie sich regelmäßig in topologischen Segmentierungen äußert, ebenso berücksichtigt wie ihr eigentliches gesellschaftliches Werden erklärt. Alfred Schmidt verdeutlicht dies in einer allgemein‐philosophischen Einordnung zum Verhältnis von (gesell‐ schaftlicher) Prozesslogik und (vergegenständlichter) Dinghaftigkeit: Wie man die Dinge nicht metaphysisch-starr als fertig und unveränderlich ansehen darf, ohne in einen Irrtum zu verfallen, so darf man sie umgekehrt auch nicht restlos in die Momente der sie vermittelnden gesellschaftlichen Prozesse auflösen, was den gleichen metaphysischen Fehler mit umgekehrten Vorzeichen bedeuten würde. Es kommt vielmehr darauf an, die konkrete Dialektik von Unmittelbarkeit und Vermitteltheit des dinglichen Seins in ihrer jeweiligen Gestalt zu entfalten. (Schmidt, 1978, S. 64) Diese „konkrete Dialektik von Unmittelbarkeit und Vermitteltheit“ spielt eine struktive Rolle für das Verständnis moderner Gesellschaft. Sie befördert – im kritischen und erweiternden An‐ schluss an die Marxsche Fetischtheorie – eine Perspektive auf soziale Formen, die ihre Wider‐ sprüchlichkeit, also Zerrissenheit zwischen antagonistischen Polen, akzentuiert und zugleich die interne Verwiesenheit binärer Opposition indiziert. Verdinglichung ist somit nicht mehr rein ideologisch zu fassen, sondern als Ausdruck einer historischen Vergesellschaftungsmatrix, die widersprüchliche soziale Formen hervorbringt. Dieses Problem ist besonders evident im zentralen Dualismus der kapitalistischen Gesellschaft, jenem zwischen Politischem und Ökonomischem bzw. der manifesten Opposition der im Alltags‐ bewusstsein erscheinenden Entitäten Staat und Wirtschaft. Die Frage des Verhältnisses und der (differenzierenden) Definition beider sozialer Formen ist keine neue, sondern wird in einer formanalytischen Theoriedebatte (vgl. Elbe, 2008) bereits seit geraumer Zeit thematisiert. Letz‐ tere kann als maßgeblichen Begründer den russischen Rechtstheoretiker Eugen Paschukanis (2003) und sein Theorem zur Dialektik von Waren‐ und Rechtsform vorweisen und fand ihren Höhepunkt in der sogenannten (deutschen) Staatsableitungsdebatte (Braunmühl et al., 1973; Flatow & Huisken, 1973; Hirsch, 1974; Hochberger, 1974). Die Staatsableitungsdebatte nahm ihren Ausgangspunkt in einer konkret‐politischen Fragestellung, jener nach den Grenzen sozial‐ staatlicher Transformation kapitalistischer Realität (Müller & Neusüss, 1970). Sie erwuchs je‐ doch alsbald zu einer umfassenden theoretischen Auseinandersetzung über das Verhältnis von politischer und ökonomischer Form. In dieser Debatte dominierten Ansätze, welche die politi‐ sche Form mehr oder weniger unmittelbar aus dem Warentausch bzw. den in ihm auftretenden bürgerlichen (Privat‐)Rechtssubjekt ableiteten (Negt, 1975). Diese Ansätze argumentierten meist funktionalistisch, da sie auf eine bestehende Sphärentrennung einseitig aufbauten, anstatt jene selbst konstitutiv zu hinterfragen und den prozesshaften Aspekt politischer Konstituierung zu berücksichtigen. Es lassen sich allerdings auch differenzierte Positionen finden, die jener Schwierigkeit durchaus eingedenk waren. So etwa jene von Elmar Altvater, der den Staat als zentrale Instanz der Reproduktion betrachtete, welche in seiner Trennung von der Ökonomie nicht nachträglich abzuleiten ist, sondern (logisch und historisch) gleichzeitig mit der Wertver‐ gesellschaftung zu betrachten und ihr somit sowohl innerlich als auch äußerlich ist (Altvater, 1972, S. 8).
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Joachim Hirsch (1976) brachte im kritischen Anschluss an die Staatsableitungsdebatte die Prob‐ lematik der Vermittlungsebenen zwischen abstrakter Form und konkret‐historischen Verdich‐ tungsprozessen ein und bezog sich auf die – diachrone Aspekte akzentuierenden – Staatstheo‐ rien im Anschluss an Gramsci und Poulantzas. Auch wenn Hirsch die Probleme der Erörterung auf einer allgemeinen Ebene unterschätzt und gewissermaßen selbst ungenügende Vermitt‐ lungsarbeit leistete (v.a. was die grundsätzlich inkommensurablen Theoriegrammatiken der „deutschen“ und „französischen“ Staatstheorien anbelangt), muss das Grundproblem der Zu‐ sammenführung diachroner und synchroner Problematiken weiterhin als Desiderat gelten. Es sollte folglich auch nicht mehr der „unglückliche“ Begriff (Kannankulam, 2009, S. 43) der Ablei‐ tung verwendet werden, sondern eher von einem konstitutionslogischen Nachvollzug des zentra‐ len modernen Verhältnisses von zeitlich opaken und räumlich komprimierenden (abstrakten) Produktionsmomenten einerseits und zeitlich fixierten und räumlich artikulierten (konkreten) Reproduktionsmomenten andererseits ausgegangen werden. Ein derartiger konstitutionslogi‐ scher Nachvollzug muss sich seiner geschichtlichen Situierung bewusst sein: Es kann nicht mehr um eine rein logisch verbleibende Argumentation der funktionalen Korrespondenzen gehen, sondern die politische Form muss – korrespondierend mit der ökonomischen – in einem histori‐ schen Entstehungszusammenhang kontextualisiert werden. Als solche hat der bürgerliche Staat als „subjektlose Gewalt“ (Gerstenberger, 2006) eine eigene Geschichte, er ist jedoch auch nicht völlig autark von der ökonomischen Form zu betrachten, da er auf die „Trennung der Politik von der Ökonomie“ selbst aufbaut, die wiederum als eine „Strukturvoraussetzung für die Dominanz kapitalistischer Formen der Produktion“ (Gerstenberger, 2006, S. 525) gilt. Als vorläufiges Resultat der Anschlüsse an die Staatsableitungsdebatte bzw. das in ihr aufschei‐ nende Problem der Theoretisierung der genuin modernen politischen Form als Anderes der öko‐ nomischen Form kann festgehalten werden, dass weder funktionale Ableitungen alleine, noch die überhistorische Existenz eines Politischen anstrebenswert sind. Dies würde ein quasi‐ exogenes Substrat des menschlichen Politischen schlechthin voraussetzen, welches analog zur stofflichen Komponente als ahistorischer kausaler Ursprungsgrund der weiteren Theorieent‐ wicklung figurieren würde. Gegen derartige Positionen kann mit dem jungen Marx argumentiert werden, der in seiner Schrift „Zur Judenfrage“ nicht nur die ideologische Dimension dieser Ver‐ allgemeinerung offenlegt, sondern zugleich auch den Grund für die ideologische Verzerrung fetischistischer Verhältnisse aufzeigt. Der Mensch in seiner nächsten Wirklichkeit, in der bürgerlichen Gesellschaft, ist ein profanes Wesen. Hier, wo er als wirkliches Individuum sich selbst und andern gilt, ist er eine unwahre Erscheinung. In dem Staat dagegen, wo der Mensch als Gattungswesen gilt, ist er das imaginäre Glied einer eingebildeten Souveränität, ist er seines wirklichen individuellen Lebens beraubt und mit einer unwirklichen Allgemeinheit erfüllt. (Marx, 1981, S. 354) In diesem Spannungsfeld kann nun – in Analogie zum von Marx entwickelten ökonomischen Fetisch – von einem Politikfetisch gesprochen werden. Zweifellos lässt sich die Argumentation nicht unisono übernehmen. Der Modus disputandi ist jedoch homolog konzipierbar. Denn wird der moderne Fetischismus als kausale Schnittschnelle zwischen den Widerspruchsseiten ernst genommen, so kann er als allgemeiner, verkehrender Ausdruck des Verhältnisses von Struktur und Handeln nicht nur für die ökonomische Sphäre Geltung beanspruchen, sondern muss eben auch in der politischen Sphäre eine Rolle spielen. Die Theoretisierung moderner Fetischvergesell‐ schaftung sollte also den konstitutiven Entstehungszusammenhang von beiden Sphären in ihrer gegenseitigen Durchdringung nachzeichnen. Bei dieser Verhältnisbestimmung handelt es sich um eine Variante des allgemeinen Problems der Relation von Subjekt und Objekt. Hier wird nun mit der Frankfurter Schule von einer zweiten Natur ausgegangen, welche symbolisch für eine verselbstständigte und in Bezug auf die reflexi‐ ven Formen gesellschaftlicher Akteur_innen verkehrte Beziehung des Subjekts auf das Objekt steht. Dies führt zur aporetischen Sperrung der genuin modernen Subjekt‐Objekt‐Relation:
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Offenbar ist es schwierig, die Meta-Reflexion des Verhältnisses in den Denkformen dieses Verhältnisses zu denken, die aber zunächst vorausgesetzt sind. Das fetisch-konstituierte Bewusstsein kommt spontan zu dem Schluß, das codierende und gesetzstiftende „Wesen“ zu veräußerlichen, um dann beim Subjekt als Marionette zu landen. Aber da „draußen“ ist „nichts“ („Nichts“). Das Subjekt ist eine Marionette, die selber die Fäden zieht. Für das Subjekt gibt es als Bezugsgröße entweder bewusstlose Objekte (Natur) oder andere Subjekte. Dann kann der Fetisch nur noch entweder Objekt, Natur und somit unausweichlich, oder eben ein anderes und äußeres Subjekt sein. Die Begriffe von Fetisch und zweiter Natur verweisen aber darauf [...], dass es ein „etwas“ gibt, das im Subjekt-Objekt-Dualismus nicht aufgeht, das selbst weder Subjekt noch Objekt ist, sondern dieses Verhältnis erst konstituiert. (Kurz, 2004, S. 188) Die Ausführung Kurzʼ ist nicht nur allgemein erhellend, wenn es um ein Verständnis des moder‐ nen Fetischismus geht, sie ist auch instruktiv für eine Erschließung des Gehalts des Politikfeti‐ sches. Dieser stellt gewissermaßen die andere Seite der bereits von Marx erschlossenen ökono‐ miekritischen Medaille dar. In der Sphäre der Ökonomie zeigt sich der Fetisch als Verkehrung von Subjekt und Objekt hinsichtlich der „objektivierten“ und „naturalisierten“ Seite. Die soziale Form der Vergesellschaftung muss als (zweite) Natur erscheinen und wirkt derart auf die Sub‐ jekte zurück. Die Zwangsgesetze der Ökonomie sind den Subjekten scheinbar völlig äußerlich (wiewohl jene sie natürlich internalisiert haben) und in dieser Hinsicht formieren sie sich als „Marionetten“, als bloße „Charaktermasken“, wie Marx es formulierte. Diese synchronisierte Ebene eines eigentümlich äußerlichen automatischen Subjekts wird als hermetisch und un‐ durchdringbar erfahren und ist es innerhalb der Verhältnisse auch. Demgegenüber erscheint das autonome bürgerliche Subjekt als getrennte Instanz, die mit ganz konträren Eigenschaften versehen auftritt. Als rationales, aufgeklärtes (symbolisch männliches, weißes, westliches und heterosexuell konnotiertes) Handlungswesen wähnt es sich autark und entscheidungsfähig. Der Erfüllungsraum des Subjekts ist das im Öffentlichen angesiedelte Politi‐ sche bzw. seine institutionalisiert‐herrschaftsförmige Strukturierung in der verdichteten Form des Staates und seiner Apparate.22 Dabei erscheint die Politik als grundsätzlich diachrone In‐ stanz der freien Gestaltung sozialer Verhältnisse. Während die Arbeit als fetischistische Realabs‐ traktion für die – scheinbar determinierte und abstrakte – Form des Naturbezugs steht, ist Poli‐ tik die Handlungsräson der – scheinbar kontingenten und konkreten – Form des Bezugs auf soziale Verhältnisse. Bei der politischen Seite des Fetischismus handelt es sich um ein Imaginäres, das davon ausgeht, „einem ‚Stoff‘ die ‚Form‘ auf[zu]prägen“ (Machiavelli, 1986, S. 54) und die Welt als eine „flüssige, formbare Masse“ (Fach, 2008, S. 31) vorzufinden. Es geht innerhalb des Politikfetisches somit nicht einfach darum, soziale Verhältnisse zu gestalten, sondern Gestaltung muss zwangsläufig innerhalb der umfassenden „Autonomie des Politischen“ (Fach, 2008, S. 35) erfolgen, die auf die Akteur_innnen als absolute, essenzialisierte Handlungsmatrix (der Macht) zurückwirkt. Neben einer imaginierten „richtigen“ Politik (die als solche nicht existiert, eine ideologische Verklärung bzw. einen projektiven Wunsch darstellt) findet sich im Alltagsverstand die Vorstellung einer „falschen Politik“, die „den Politiker_innen“ zugeschoben wird und als „Machiavellismus“ (Fach, 2008, S. 11) kritisiert wird. Diese Dopplung selbst indiziert die versteckte Formgebundenheit des Politischen, das – trotz anderweitigem Wunsch – letztendlich stets in jener „falschen“ institutio‐ nell verstetigten und staatlich formierten Weise auftreten muss. Das Konzept des Politikfetisches scheint in ähnlicher Weise auch bei John Holloway auf: 22 Feministische Kritik hat die patriarchale Gestalt des Öffentlichen sowie die strukturell männliche Prägung des Handlungswesens aufgezeigt (vgl. Sauer, 2001). Form und Inhalt fallen allerdings nicht so einfach zusammen. Was die Vergesellschaftungslogik selbst betrifft, weist die synchrone Dimension regelmäßig eine symbolisch männliche, die diachrone eine symbolisch weibliche Markierung auf. Diese Überlegungen auf das Konzept des Politikfetisches anzuwenden wäre eine lohnende Aufgabe, welche jedoch im Rahmen dieses Artikels nicht bewältigt werden kann.
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Marx's critique of political economy should be extended to the critique of law and the state, that law and the state should be understood as fetishised forms of social relations in the same way as value, capital and the other categories of political economy. This meant that law and the state, like value, were specifically capitalist forms of social relations. (Holloway, 2002, S. 47) Es handelt sich, so Holloway weiter, um fetischisierte Formen, da sie von einem „sozialen Fluss des Tuns“ (Holloway, 2002, S. 17) abstrahieren und eine falsche Verdinglichung mit sich brin‐ gen.23 Innerhalb des Rahmens dieser Handlungsmatrix ist folglich die Freiheit der Gestaltbarkeit (der Subjekte) eine relative und eingeschränkte. Als Ausdruck einer historischen Formgebun‐ denheit ist demnach auch die paradoxe Metapher des (politischen) Subjekts als „Marionette, die selbst die Fäden zieht“ eine durchaus zutreffende. Beiderlei, die ökonomische Natürlichkeit und die politische Formbarkeit, sind also verknüpft und auf eine bestimmte, historische Weise „falsch“, wenn der entwickelte Konstitutionszusam‐ menhang der Formsphären selbst berücksichtigt wird. Denn die Conditio einer absolut exogen zu setzenden Natur und des einfachen Bezugs auf sie repräsentiert – spätestens angesichts der heutigen komplexen gesellschaftlichen Naturverhältnisse einer durch Technik umfassend her‐ vorgebrachten „neuen Natur“ (Scheich, 1988, S. 134) – eine Auslassung der sozialen Zutat zum „Natürlichen“. Ebenso kann jedoch auch das Politische nicht als unmittelbar‐soziale Handlungs‐ form verstanden werden. Die Unmittelbarkeit ist eine falsche, insofern die Vermittlungsinstanzen zwischen sozialer und politischer Realität abstrakt‐repräsentativ bleiben müssen, also keine un‐ mittelbare Teilhabe ermöglichen. Sie sind vielmehr verwiesen auf eine genuin moderne, quasi‐ natürliche Metaphysik der Macht, die eine Eigendynamik aufweist und damit ein spezifisches herrschaftliches Subjekt‐Objekt‐Verhältnis konstituiert.24 Auf der Basis des Fetischismus ist die Subjekt‐Objekt‐Relation in doppelter Weise verkehrt: ei‐ nerseits, weil sie hinsichtlich jener konstitutiven Wesenslogik notwendig falsche Vorstellungen – Ideologien – evoziert; andererseits, da jene Wesenslogik selbst eine tautologische, selbstzweck‐ hafte und von sozialer und kognitiver Unmittelbarkeit abstrahierte Form hervorbringt, die auf nicht bloß epistemische Weise unwahr ist, sondern als „Ganzes das Unwahre ist“ (Adorno, 2003b, S. 586), also intransparente und nicht unmittelbar veränderbare soziale Verhältnisse (re‐ )produziert. Mit der komplexen gesellschaftstheoretischen Heuristik des Fetischismus lässt sich also der konstitutive Entstehungszusammenhang beider reziprok aufeinander verwiesenen Seiten der modernen Kondition erfassen. Dies impliziert auch, dass die Sphärentrennung als solche letztlich nicht rigide beibehalten werden kann, sondern davon auszugehen ist, dass eine in jeweils be‐ stimmter Weise reziprok relative Besonderung vorliegt. Das heißt – und hier ist das funktionale Argument der Staatsableitungsdebatte durchaus aufzunehmen – dass funktionierende (d.h. wachsende und beschleunigt wachsende)25 kapitalistische Vergesellschaftung stets ein Equilib‐ rium einer synchron‐progressiven Seite der ökonomischen Logik und einer diachron‐ 23
An Holloways Ansatz ist allerdings zu kritisieren, dass er – trotz der progressiven Fetischkritik – letztlich davon ausgeht, dass eine rein negatorische Perspektive hinsichtlich der sozialen Formen ausreichen würde, um zu einem befreiten „sozialen Fluss des Tuns“ zu gelangen. Dies ignoriert, dass eine reine Negation die Formen weder auflöst noch verändert. Die hochgradig aktualistische Perspektive führt Holloway dazu, zeit-räumliche Verstetigung und die daraus resultierenden Widersprüche für konkrete (emanzipatorische) Praxis zu vernachlässigen und folglich beim „Schrei“ bzw. der Negation stehen zu bleiben. 24 Diese Eigendynamik und somit das genuin politische Momente am Politikfetisch müsste vor dem Hintergrund dieser theoretischen Folie umfassender dargestellt werden, was ein eigenständiges Projekt darstellen würde. Illustrative Hinweise liefern für mich jedoch immer noch zahlreiche skeptische und „realistische“ Autor_innen, wie etwa Niccolò Machiavelli (Machiavelli, 1986). Hinsichtlich der spezifischen Machtform und ihrer „Techniken“ bleibt Michel Foucault (2005, S. 149-155) – der an Machiavelli anschließt – eine Referenz, indem er die „Kunst des Regierens“ (S. 153) historisch-genealogisch nachzeichnete. 25 Eine gesellschaftstheoretische Analyse der Erscheinungsformen jener im Prinzip G-W-G‘ sinnbildhaft festgehaltenen Dynamik lässt sich nicht auf rein ökonomische Kriterien reduzieren, sondern hat allgemein-soziologisch zu erfolgen. Instruktiv sind hier etwa die Ausführungen von Hartmut Rosa (2005), der die gesellschaftliche Beschleunigung im Kontext einer kapitalistischen Wachstumsbewegung umfangreich aufarbeitet.
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regulierenden Seite politischer Logik voraussetzt. Beiderlei Seiten bilden topologisch erfassbare Sphären aus, die in ihrer relativen Trennung erscheinen, jedoch konstitutiv aufeinander verwie‐ sen sind. Staat und Ökonomie ergänzen sich so, gerade weil sie ein widersprüchliches Verhältnis repräsentieren. Gesellschaftliche Krise muss auf dieser Basis nun kategorial erweitert gedacht werden.
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7. Perspektiven einer Krisentheorie des Politischen Festzuhalten gilt es, dass die moderne Sphärentrennung natürlich ebenso wenig (empirisch) fassbar ist wie der Fetischismus. Die konkreten Verhältnisse sind in ihrer Komplexität aus dieser Determination niemals einfach ableitbar, sondern weisen ein überschießendes Moment auf, welches für die Betrachtung der fetischistischen Vergesellschaftungslogik von Bedeutung ist. Anzuerkennen ist, dass die abstrakten Kategorien der Fetisch‐ und Formanalyse funktionale gegenüber sozial‐prozessualen und symbolischen Momenten privilegieren und dazu tendieren, statisch zu bleiben. Konkret‐komplexe Analysen dürfen allerdings nicht in einer statischen Heu‐ ristik aufgehen, da sie auf Geschichtlichkeit bezogen sind und somit in ihrer Kategorienfindung eine Prozessdimension berücksichtigen sollten. Dies impliziert, dass die Möglichkeit der krisen‐ haften Veränderung auch im funktionalen Gehäuse der Fetischkonstitution eine Repräsentation finden muss. In diesem Verhältnis ist Krise als Dysfunktionalität im Kern jener selbstzweckhaften kapitalisti‐ schen Bewegung im Wechselspiel von Politik und Ökonomie zu erschließen. Es geht also letztlich darum, eine integrale Perspektive zu entwickeln, in der abstrakt‐logische Äußerungen nicht segmentiert von konkret‐komplexen historischen Phänomenen gefasst, sondern in ein dichtes Konstellationsgefüge verwoben werden, welches Aussagen hinsichtlich der „konkreten Totalität“ (Kosik, 1976, S. 44) gesellschaftlicher Verhältnisse möglich macht und dabei sensibel bleibt für die Möglichkeit der Veränderung der Formen selbst. Eine Annäherung an mögliche Tendenzen einer derartigen Transformation, die – analog zu Kurzʼ ökonomischer Theorie – auch das Politi‐ sche umfasst, soll nun abschließend holzschnittartig dargestellt werden. Die im letzten Kapitel entwickelte Hinführung zur Politikform und dem Politikfetisch als zugleich trennende und verbindende Instanz der Vermittlung mit der ökonomischen Form kann vor dem Hintergrund der dargelegten materialistischen Theorie der ökonomischen Krise von Robert Kurz neu gedeutet werden. Dementsprechend kann die Möglichkeit einer Formkrise des Verge‐ sellschaftungsprinzips in Erwägung gezogen werden, d.h. es gilt ein Scheitern der Konstitutions‐ logik an sich als historische Option theoretisch zu sondieren. Die Basis dieses Scheiterns wurde mit Kurz zumindest rudimentär erörtert – die gesellschaftlichen Potenzen korrespondieren nicht mehr mit ihrer fetischistischen Form und jene beginnt sich folglich regressiv zu entwickeln. Weitere Anschlüsse hinsichtlich der politischen Seite können allerdings nicht bei Ausführungen über einen „idealen Durchschnitt“ stehenbleiben. Im Lichte der dargelegten These zum Politikfe‐ tisch muss die theoretische Erschließung dieses Realitätsbezugs auch eine andere sein als jene im Ökonomischen. Denn wenn sich Politik in der Oberflächenwahrnehmung als diachrone und aktual‐determinierende Instanz darstellt, so muss eine kritische Annäherung gewissermaßen durch die Perspektive jenes sphärenmäßig situierten und formgebundenen Rasters auf die Tie‐ fenstruktur einer möglichen Formveränderung blicken. Das heißt nun für die Theorie der Krise der Politik, dass sie nicht von einzelnen eruptiven Zu‐ spitzungen, wie sie ökonomische Krisenhaftigkeit auszeichnen, auf eine grundlegende Formkri‐ se schließen kann, sondern umgekehrt graduelle Verschiebungen in der scheinbar (weiterhin) ubiquitären Realität des diachronen politischen Handelns dechiffrieren muss.26 Dies ist zweifel‐ los ungleich schwieriger, trifft jedoch im Kern das gleiche Problem, nämlich wie kann zwischen (kontingenten) Aspekten der Krisenhaftigkeit und genuinen Auswüchsen einer Formkrise auf der Ebene fetischistischer Relationalität von Politik und Ökonomie unterschieden werden. Im Lichte der obigen theoretischen Grundbestimmungen können zwei Indikatoren für eine Form‐ krise des Politischen ausgemacht werden. a) Die funktionale Seite der Formlogik des Politischen, also der Schein und die Realität einer, als politisch wahrgenommenen (und eigentlich von sozialer Interaktion schlechthin separierten) Handlungs‐ und Gestaltungsfähigkeit, beginnt brüchig zu werden. Politik erscheint also als ausgehöhlt und zunehmend unfähig, tatsächliche 26
Eine hierfür dienliche Schnittstelle scheint mir die Postdemokratie- und Postpolitik-Debatte zu sein.
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Veränderung zu bewirken. Zentral sind hiervon – gemäß der Verstetigung und funk‐ tionalen Ausdifferenzierung des Politischen im Staat – zuerst staatliche Institutionen bzw. politische (Groß‐)Subjekte (z.B. Parteien) betroffen. b) Die Sphärentrennung zwischen Politik und Ökonomie lässt sich als solche immer weniger klar festmachen. Grenzen zwischen den funktional differenzierten Räumen erodieren und führen zu einer mehr oder weniger wahrnehmbaren Disproportiona‐ lität zwischen Produktions‐ und Reproduktionsaspekten, mithin auch einer Verwir‐ rung des Verhältnisses synchroner und diachroner Problematiken. Hier ist also der Kern des modernen Fetischverhältnisses selbst als eigentlicher kausaler Ursprung im Fokus der Betrachtung. Beide Aspekte sind nicht voneinander zu trennen bzw. erscheinen in komplexen phänomenolo‐ gischen Überlagerungs‐ und Verkettungszusammenhängen. Es bedarf einer umfassenden Un‐ tersuchung der Erscheinungsweisen politischer Form, welche anders als im synchronen Theo‐ riestratum der Ökonomie durch die diachronen Fragmentierungen zu erschließen sind. Für ein derartiges Forschungsprogramm sehe ich in der vorherrschenden Debatte wenige Ansatzpunk‐ te, was wohl maßgeblich damit zusammenhängt, dass formkritische Überlegungen in an histori‐ schen Transformationen interessierten Arbeiten wenig Relevanz haben.27 Es bleibt nun abschließend auf die Grenzen und Potentiale des skizzierten Theorierahmens hin‐ zuweisen. Die Annahme einer Formkrise des Politischen stellt keine deterministische Feststel‐ lung dar, die jegliches Handlungspotential negiert bzw. unisono auf diachrone Aspekte der Ge‐ staltung umzulegen ist. Es geht vielmehr um den Nachvollzug abstrakter konstitutiver Zusam‐ menhänge und um ihre Vermittlung mit konkreten Handlungsräumen vor dem Hintergrund sich transformierender Strukturen. Die in der modernen Fetischkonstellation angelegten Form‐ zwänge, welche sich auch in der Grenzziehung des Politischen artikulieren, negieren weder die Möglichkeit noch die Notwendigkeit der Handlung innerhalb dieser Kondition. Postuliert wird einzig, dass die Spielräume in spezifischer Weise enger werden bzw. schwieriger in eine politi‐ sche Form zu bringende (komplexe) Selektivitäten anzunehmen sind. Anders als es etwa John Holloway nahelegt, ist hieraus kein nihilistischer Abkehrreflex abzuleiten. Gerade die Ubiquität der Form impliziert, dass es keinen Sinn macht, das „Ganze“ des Politischen einfach nur zu negie‐ ren. Denn sozial wirkmächtige Handlungen sind in einer fetischistischen Formlogik nicht in ei‐ nem „Außen“ umsetzbar, sondern müssen durch die vorgefundene Widerspruchskonstellation des oben umrissenen Politikfetisches hindurch. Dies impliziert auch, dass die der Gesellschafts‐ formation inhärenten Kräfteverhältnisse, ideologischen Inklusions‐ und Exklusionsmechanis‐ men und zentralen Herrschaftsachsen, wie etwa die patriarchale, nicht einfach aufhören zu exis‐ tieren. Klassenkämpfe, Kämpfe gegen (Hetero‐)Sexismus, Rassismus und Nationalismus sind weiterhin gesellschaftlich situierte Antagonismen. Ihre Artikulation in einer (progressiven) poli‐ tischen Form wird jedoch zusehends schwieriger, weil das Formgefüge einer funktionalen rela‐ tiven Besonderung von ökonomischen und politischen Instanzen selbst dysfunktional wird. Jene Dysfunktionalität ist – im Rahmen moderner Fetischverhältnisse – eine zugleich „äußere“ wie auch „innere“, sie begegnet Akteur_innen in strukturell verstetigter Form und in verinnerlichter Weise der möglichen Handlungs‐ und Denkweisen des Politischen. Dies bedeutet, dass sich auch für emanzipatorische Akteur_innen Anknüpfungspunkte ans Politische ebenso wie Handlungs‐ spielräume in ihm schwieriger finden lassen. Am deutlichsten kenntlich wird dies wohl darin, dass verstetigte politische Konstituierung in Form einer geschlossenen (Meta‐)Subjektivität 27
Eine gewisse Ausnahme stellen die Arbeiten von Alex Demirović (2009) dar, der die Problematik einer Positivierung der politischen Form stellenweise hervorhebt. So etwa wenn er – in Auseinandersetzung mit Marx und der Rätedemokratie – das Argument der „Überwindung der konstitutiven Differenzierungslinie, durch die sich diese beiden Sphären voneinander trennen“ (S. 187) als emanzipatorisches Ziel einbringt. Dieser Gedanke wird allerdings nicht zu Ende geführt, da Demivorić regelmäßig eher an eine kontingenztheoretische Basis anschließt. Ansonsten ist zwar eine beschränkte Rezeption formanalytischer Theoreme zu verzeichnen (Buckel, 2006; Elbe, 2008; Genetti, 2008; Kannankulam, 2000; Kannakulam & Hirsch, 2006), es findet darüber hinaus jedoch – anders als es im durchaus produktiven Anschluss an Nicos Poulantzas der Fall ist – wenig an systematisch weiterführender formkritischer Theoriebildung statt.
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heute kaum noch greifbar ist, sie gelingt stets nur temporär und erscheint fragil. Zugleich wird die Widersprüchlichkeit politischer Programmatiken vor dem Hintergrund komplexerer Diffe‐ renzen immer augenscheinlicher. Werden Erkenntnisse einer formkritischen Theorie der Krise des Politischen ernstgenommen, so können sich emanzipatorische Kräfte dieser Schwierigkeiten nicht entziehen. Das macht alternative Konzepte nötig, setzt aber zuallererst die Akzeptanz der neuen Qualität der Widersprüchlichkeit voraus. Hierbei kann kritische Theoriearbeit helfen. Sie sollte abstrakte Tendenzen, Richtungsweisun‐ gen und Rahmenbewegungen von strukturellen Möglichkeitsräumen erschließen, denen Ak‐ teur_innen in letzter Konsequenz schwierig entkommen können – auch wenn sie nicht unmittel‐ bar, als empirisch erlebte Zwänge und Einschränkungen politischer und nicht‐politischer sozia‐ ler Handlung wirken. Die Annahme einer Formkrise des Politischen meint folglich nicht, dass ein Ende im Sinne eines einfachen (positiven) Zusammenbruchs‐Szenarios absehbar ist. Eher ist von einer stetigen Annäherung an ein Auseinanderbrechen gesellschaftlicher Synthesis auszu‐ gehen, wobei dieser Prozess der Krise sich durchaus regressiv prolongieren könnte.28 Die An‐ nahme einer inneren Schranke der politischen Form erklärt das Politische bzw. politische Kämpfe also nicht für unnötig, sondern sollte im Gegenteil qua Erklärung gesellschaftlicher Krisenver‐ hältnisse die sich kategorial verändernden Koordinatensysteme sozialer Transformation abste‐ cken helfen.
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Dies würde autokratischere Herrschaftsszenarien nahelegen, die weit über das hinausgehen, was wir in den westlichen Zentren bereits heute als „neuer Sicherheitsstaat“ (Hirsch, 1995, S. 160) bzw. eigentlich besser als „Unsicherheitsstaat“ erleben, der zusehends „robust“ die Reproduktionsbedingungen absichert. Durchaus instruktiv sind hier Anknüpfungen an das Konzept des „autoritären Etatismus“ von Nicos Poulantzas, mithilfe dessen Krisendynamiken auch empirisch sondiert werden können (vgl. z.B. Duma, Lichtenberger & Konecny, 2013; Forschungsgruppe Staatsprojekt Europa, 2012).
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