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Key-Account-Management: „Lieber früh auditieren als zu spät reparieren“ FACHINFO Das Key-Account-Management gleicht einem Boot auf nächtlichem Fluss: Wer nicht oder wer zu langsam rudert, fällt zurück. Es gilt, dieses Managementinstrument ständig zu hinterfragen. Das Mittel hierzu ist ein Key-Account-Management-Audit.
Key-Account-Management (KAM) ist mittlerweile einer der Kernbausteine des Vertriebsmanagements. Gilt für das KAM somit der Spruch: Was lange währt, wird endlich gut? Mitnichten: Das Key-AccountManagement ist für die meisten Unternehmen nach wie vor ein wunder Punkt.
Und zwar sowohl aus externen als auch aus internen Gründen: • Extern lauert der Einkauf des Kunden. Unter dem Druck, die Einkaufskosten zu senken, haben die strategischen Einkäufer auf der Kundenseite in den Krisenjahren seit 2001 nicht geschlafen. Der länderübergreifende Informationsaustausch über Preise und Qualitäten wurde verbessert, weitere Budgets wurden zentralisiert. Der Spielraum, um Preise profitabilitätsfördernd zu spreizen, wird für die Anbieter immer kleiner. KAM wird zum „Koordinationswettlauf“ zwischen Einkauf und Vertrieb: Es gewinnt derjenige, der den besseren Überblick über das gemeinsam abgewickelte internationale Geschäft hat. • Intern lauert die organisationale Trägheit. Vor drei bis vier Jahren stand das Key-Account-Management in vielen Unternehmen als Lieblingsprojekt von Vorstand und Geschäftsleitung im hellen Rampenlicht. Jetzt ist es ins Halbdunkel
© Foto Getty Images
• Key-Account-Management-Excellence • Audit • Problembereiche des Key-AccountManagement • Excellence-Profil • Kundenprofitabilität
Wenn das Key-Account-Management in die Jahre kommt, treten Erosionsprobleme auf. Es wird nicht mehr so engagiert gelebt wie zu Beginn. Ein Audit kann helfen, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor sie Schäden anrichten.
absatzwirtschaft 12/2004
Key-Account-Management
KAM-Excellence-Profil eines Automobilzulieferers
absatzwirtschaft
Strategische Weichenstellung 100 %
Beziehungspflege
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Organisation und Steuerung
100 % 100 %
100 %
Leistungsmanagement
des laufenden Geschäfts übergegangen. Es besteht die Gefahr, dass offene interne Baustellen dabei mitgeschleift und nicht sauber zu Ende geführt werden – wie kundenbezogene Profitabilitätsrechnungen. Oder noch virulenter: einzelkundenbezogene, potenzialgestützte Geschäftsplanung. Hinzu kommt, dass viele Teilprozesse im Key-AccountManagement, die zu Beginn noch engagiert und diszipliniert betrieben wurden, mit der Zeit versanden. Dies gilt zum Beispiel häufig für die Ressourcen- und Maßnahmenpriorisierung. DER KEY-ACCOUNTMANAGEMENTEXCELLENCE-ANSATZ Viele Unternehmen stehen vor einer der folgenden Herausforderungen oder gar vor beiden gleichzeitig: Erstens muss das Key-Account-Management konsequent fertig „gebaut“ und umgesetzt werden. Die vorhandenen Insellösungen sind zu vernetzen, denn der Gesamtansatz kann immer nur so gut sein wie das schwächste Glied in der Kette – das heißt das am unprofessionellsten gemanagte KeyAccount-Management-Handlungsfeld. Zweitens ist sicherzustellen, dass bereits eingeführte Elemente des Key-AccountManagement nicht erodieren. 12/2004 absatzwirtschaft
Quelle: Homburg/Jensen/Fürst
Die Grafik zeigt auf einer aggregierten Ebene die Audit-Ergebnisse eines Automobilzulieferers. Das Unternehmen wurde bei der Beziehungspflege niedrig bewertet, weil der wichtigste Kunde zu diesem Zeitpunkt einen zentralen Ansprechpartner im Einkauf benannt hatte, dem im Unternehmen drei (!) Ansprechpartner gegenüberstanden. Hier gab es erhebliche Probleme mit dem „One Voice“-Prinzip. Für beide Herausforderungen ist ein systematischer Ansatz als „Bebauungsplan“ für den Ausbau des KAM und als AuditCheckliste für die Überwachung des KeyAccount-Management nötig. Zu diesem Zweck hat das Institut für Marktorientierte Unternehmensführung der Universität Mannheim den Key-Account-Management-Excellence-Ansatz entwickelt. Dieser in unterschiedlichsten Branchen anwendbare Ansatz basiert auf einer Bestandsaufnahme sämtlicher Erfolgsfaktorenstudien zum KAM, einer internationalen Erfolgsfaktorenstudie bei 385 Unternehmen und Erfahrungen aus zahlreichen Beratungsprojekten bei Unternehmen verschiedenster Branchen. Für viele Unternehmen stellen sich die Einzelelemente im Key-Account-Manage53
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Checkliste: 56 Fragen zu Ihrem Key-Account-Management Dimension Abschnitt
Leitfrage
Strategische Weichenstellung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Wer sind die wichtigsten Nachfrager im Markt? Welche wichtigen Nachfrager wollen wir als Kunden, welche nicht? Wie stark setzen wir strategisch auf die Key-Accounts?
Organisation und Steuerung
Wie viele Ressourcen investieren wir in die einzelnen Key-Accounts? Wie weit spannen wir das KAM?
8. 9. 10. 11. Wie besetzen wir das KAM-Gerüst im 12. Vertrieb? 13.
Wie binden wir die lokalen Ressourcen an das KAM-Gerüst? Wie managen wir die internen Schnittstellen im KAM? Wie steuern wir das KAM? Leistungsmanagement
Was tut der Key-Account?
Was ist für den Key-Account wichtig? Wo stehen wir bei dem Key-Account im Vergleich zum Wettbewerb? Welchen Wert generieren wir mit unseren Leistungen für den Key-Account? Wie bringen wir den Key-Account dazu, den von uns generierten Wert zu bezahlen?
Beziehungspflege
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38.
Wo wollen wir bei dem Key-Account zukünftig stehen? In welche Leistungen investieren wir zukünftig unsere Ressourcen?
39. 40. 41. 42.
Wie laufen Entscheidungen im Buying-Center?
43. 44. 45.
Was ist für die einzelnen Schlüsselentscheider wichtig?
46. 47. 48. 49. 50. 51. 52.
Wo stehen wir bei den einzelnen Schlüsselentscheidern? Welchen persönlichen Nutzen generieren wir für die einzelnen Schlüsselentscheider? Wie organisieren wir die Kommunikation mit den Entscheidern? In welche Personen investieren wir zukünftig unsere Ressourcen?
53. 54. 55. 56.
Mit wem verdienen wir derzeit unser Geld? Mit wem könnten wir potenziell unser Geld verdienen? Mit wem sollten wir auf Grund seiner Referenzwirkung oder seines Know-hows zusammenarbeiten? Bei wem haben wir einen strategischen Leistungsnachteil? Bei wem können wir mittelfristig kein auskömmliches Preis- und Kostenniveau erreichen? Sollten wir uns auf Key-Accounts konzentrieren? Wie stark wollen wir die Bearbeitung der Key-Accounts von der Bearbeitung der Small Accounts abheben? Wie viele Ressourcen investieren wir in welcher Region? Wie viele Ressourcen investieren wir pro Region in jeden Key-Account? Spannen wir unser KAM über Business-Units hinweg? Welche geografische Spannweite benötigen wir im KAM? Arbeiten wir mit Vollzeit- oder mit Teilzeit-Key-Account-Managern? Wie gewichten wir vertriebliche gegenüber koordinierenden Aufgaben der Key-AccountManager? Nach welchen Kriterien besetzen wir Key-Account-Manager-Positionen? Wie entwickeln wir Key-Account-Manager? Welchen Zugriff geben wir den Key-Account-Managern auf lokale Vertriebsressourcen? Welchen Zugriff geben wir den Key-Account-Managern auf Ressourcen außerhalb des Vertriebs? Wie handhaben wir den Informationsaustausch in und zwischen den KAM-Teams? Wo siedeln wir die KAM-Teams räumlich an? Wie gestalten wir das Anreizsystem im KAM? Wie schweißen wir die KAM-Teams emotional zusammen? Wie steuern wir die KAM-Systeme? Wie steuern wir die einzelnen Kundenbeziehungen? Wie steuern wir einzelne Projekte bei den Key-Accounts? Welche sind die wichtigsten Produkte des Key-Accounts? Wer sind die wichtigsten Kunden des Key-Accounts? Welche sind die wichtigsten (Produktions-)Standorte des Key-Accounts? Welche sind die wichtigsten Beschaffungsgüter und Prozesse des Key-Accounts? Wie erfolgreich ist der Key-Account in finanzieller Hinsicht? Wie positioniert sich der Key-Account in seinem Markt? Welchen Stellenwert hat unsere Art von Leistungen im Beschaffungsportfolio des Key-Accounts? Welche alternativen Anbieter hat der Key-Account? Wie hoch ist der Lieferanteil der Wettbewerber? Mit welchen Leistungen differenzieren wir uns vom Wettbewerb? Welchen monetären Wert schaffen unsere Leistungen für den Key-Account? Wie lösen wir den Fokus der Verhandlungen vom reinen Einkaufspreis? Wie verringern wir die Diskrepanz zwischen dem objektiven und dem vom Key-Account wahrgenommenen Wert unserer Leistungen? Welche Gegenleistungen erbringt der Key-Account für welche unserer Leistungen und Konditionen? Welche sind unsere markterfolgsbezogenen und wirtschaftlichen Ziele für den Key-Account? Welche sind unsere potenzialbezogenen Ziele für den Key-Account? Welche Aktivitäten für den Key-Account verfolgen wir mit welchem Ressourceneinsatz? Welche unserer Leistungen können wir zurückschrauben, ohne nennenswert Umsatz einzubüßen? Welche formalen Beschaffungskriterien gibt es? Wie sieht die formale Hierarchie und Budgethoheit im Buying-Center aus? Wie sieht die informelle Entscheiderstruktur aus? Wie ist das Verhältnis der Buying-CenterMitglieder zueinander? Sind die Schlüsselentscheider eher für technische oder für kaufmännische Argumente offen? Was ist der Karrierehintergrund der Schlüsselentscheider? Sind die Schlüsselentscheider nur für geschäftliche oder auch für private Themen offen? Wie wird unsere geschäftliche Leistungsstärke im Vergleich zum Wettbewerb wahrgenommen? Wie gut ist unsere persönliche Beziehung zu den Schlüsselentscheidern? Welchen emotionalen Nutzen bieten wir den einzelnen Schlüsselentscheidern? Wie helfen wir den einzelnen Schlüsselentscheidern, in ihrem eigenen Unternehmen gut auszusehen? Wer von uns ist für wen zuständig? Wer von uns spricht über was? Wie halten wir alle Mitglieder des Buying-Centers auf dem erforderlichen Informationsstand? Wie oft wollen wir mit wem in Kontakt treten?
Quelle: Prof. Dr. Christian Homburg/Dr. Ove Jensen/Andreas Fürst
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Key-Account-Management
absatzwirtschaft
Einsatz der Checkliste für ein KAM-Audit Regelmäßige Kurz-Audits, ein- bis zweimal im Jahr durchgeführt, sind wirksamer als erschöpfende Audits, die nur alle drei Jahre durchgeführt werden. Der Schlüssel zu einem effizienten Audit liegt im pyramidenförmigen Aufbau der Checklisten. Es ist nicht notwendig, zunächst 1 000 Detailfragen zu studieren, bevor das erste Ergebnis vorliegt. Stattdessen werden die vier KAM-Dimensionen auf der zweiten Stufe in nur 22 Unterfragen heruntergebrochen. Diese werden dann auf der nächsten Stufe in immer noch überschaubare 56 Leitfragen zergliedert. Jedes Unternehmen sollte sie systematisch beantworten. Unterhalb der 56 Leitfragen, die branchenübergreifend angelegt sind, liegt ein Katalog von mehreren Hundert Detailkriterien, die branchenspezifisch adaptiert sind. Eine erste Selbstbewertung lässt sich jedoch schon mit den 56 Leitfragen erarbeiten. Es empfiehlt sich, im Sinne eines „top-down“-Vorgehens hiermit zu beginnen, anstatt gleich in die Details zu gehen. Für die Erstellung eines Stärken-Schwächen-Profils hat es sich bewährt, den Status bezüglich der Leitfragen auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent zu bewerten. Eine hohe Bewertung sollte dann vergeben werden, wenn eine Aktivität systematisch (also nicht einmalig oder nicht zufällig) betrieben wird. Durch Gewichtung der einzelnen Fragen können die Ergebnisse dann entlang der pyramidenförmigen Struktur des Key-Account-Management-Excellence-Ansatzes zu Gesamtbewertungen verdichtet werden. Eine Rader-Chart-Visualisierung macht Senken im Excellence-Profil intuitiv sichtbar.
ment als ein verwirrender, schwer zu strukturierender Komplex dar. Deshalb zerlegt der KAM-Excellence-Ansatz die Herausforderungen in vier handhabbare Managementdimensionen: • „Strategische Weichenstellung“, zum Beispiel Selektion von Key-Accounts, Festlegung des Ressourceneinsatzes in Bezug auf einzelne Key-Accounts; • „Organisation & Steuerung“ wie Ein-
bindung des KAM in die Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens; • „Leistungsmanagement“, beispielsweise Gestaltung der Produkte und Services für Key-Accounts; • „Beziehungspflege“ wie Entwicklung eines Verständnisses für die Entscheidungs- und Machtkonstellation bei Key-Accounts, Beeinflussung einzelner Schlüsselentscheider bei Key-Accounts.
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Die ersten beiden Dimensionen beziehen sich auf die Aufstellung der Key-Account-Management-Systeme. Sie betreffen also die Geschäfts- und die Vertriebsleitung. Die letzten beiden Dimensionen bewegen sich auf der Ebene einzelner KeyAccount-Beziehungen, das bedeutet der laufenden Erschließung einzelner Key-Accounts. Sie behandeln somit die Themen einzelner Key-Account-Manager.
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TYPISCHE PROBLEMBEREICHE: Die Erfahrungen mit Key-AccountManagement-Audits haben gezeigt, dass es eine Reihe von Problembereichen gibt: WER SIND DIE WICHTIGSTEN NACHFRAGER IM MARKT? Letztlich ist die Kundenbeziehungsprofitabilität der entscheidende Grad-
tenrechnungssysteme oftmals perfekt ausrechnen, welcher Gewinn bei jedem Produkt unterm Strich übrig bleibt. Wie viel Gewinn man jedoch mit jedem Kunden nach Abzug aller kundenspezifischen Kosten macht, ist für viele Unternehmen noch immer nicht transparent. Während die Kundenbeziehungsprofitabilität bei bestehenden Kunden ein trag-
Dies wird von zu wenigen Unternehmen systematisch betrieben. So befinden sich Anbieter, die Kennzahlen wie die Gesamtnachfrage von Kunden für die eigenen Produktkategorien in drei bis fünf Jahren und den eigenen Anteil an der gegenwärtigen Gesamtnachfrage („Share-ofWallet“) von Kunden ermitteln, noch in der Minderheit.
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messer für den Erfolg des KAM. Jeder Anbieter sollte wissen, mit welchen Kunden er derzeit Geld verdient. Diese scheinbar einfache Forderung bereitet einer Vielzahl von Unternehmen nach wie vor ernsthafte Schwierigkeiten. Zwar können ihre Kos56
fähiges Erfolgsmaß für das Key-AccountManagement darstellt, reicht sie alleine nicht aus, um die Wichtigkeit eines Zielkunden einzustufen. Da sie nur in die Vergangenheit blickt, muss sie um zukunftsgerichtete Überlegungen ergänzt werden.
WIE VIELE RESSOURCEN INVESTIEREN WIR IN EINZELNE KEY-ACCOUNTS? In vielen Unternehmen wird zu selten systematisch hinterfragt, ob der Einsatz der eigenen Ressourcen der Verteilung des absatzwirtschaft 12/2004
Key-Account-Management
Profitpotenzials über einzelne Key-Accounts und Regionen hinweg entspricht. Die „Geburt“ des Key-Account-Management läuft oftmals so ab, dass irgendwann einmal Key-Accounts definiert werden und anschließend in der Vertriebsorganisation nach Verantwortlichen für ihre Betreuung gesucht wird. Die Verantwortung erhält meistens der natio-
gleich große Key-Accounts oft unterschiedlich, werden aber stets mit dem gleichem Ressourceneinsatz betreut. In der Konsequenz verschleißt nicht selten der eine Teil der Vertriebsorganisation seine Ressourcen in gesättigten Märkten, während der andere Teil aus Überlastung selbst leichte Verkaufschancen und Wachstumsmöglichkeiten liegen lassen muss.
erfüllen. Insbesondere die folgenden Managementherausforderungen existieren noch bei den Key-Account-Management-Steuerungssystemen: • Kundenbeziehungs-Profitabilitätsrechnungen: Sie sind der Schlüssel zu einem profitablen Key-Account-Management, denn ohne Profitabilitätsinformationen gleicht Key-Account-Manage-
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nale oder regionale Vertriebsleiter. Infolge dieses historischen Zufalls müssen einige Regionalleiter mehr Key-Accounts entwickeln als andere, ohne hierfür aber mehr Ressourcen zur Verfügung zu haben. Zudem entwickeln sich ehemals 12/2004 absatzwirtschaft
WIE STEUERN WIR DAS KAM? In etlichen Unternehmen ist das KAM bisher wenig mehr als eine leere Hülle. Eine der größten Herausforderungen besteht deshalb darin, die auf dem Papier stehenden KAM-Strukturen mit Leben zu
ment einem Blindflug. Auch heutzutage noch bringt viele Unternehmen die Frage in Verlegenheit, ob man mit einem Key-Account nach Abzug aller kundenspezifischen Kosten überhaupt Geld verdient. 57
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AUTOREN
Prof. Dr. Christian Homburg
ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing I an der Universität Mannheim, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) an der Universität Mannheim und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Unternehmensberatung Prof. Homburg & Partner.
Dr. Ove Jensen
ist Habilitand am Lehrstuhl für Marketing I der Universität Mannheim. Davor war er mehrere Jahre in der Marketing- und Vertriebsberatung tätig, zuletzt als Geschäftsführer der Mannheimer Unternehmensberatung Prof. Homburg & Partner.
Andreas Fürst
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing I der Universität Mannheim und Projektleiter bei Prof. Homburg & Partner.
•
Entwicklungspläne für Key-Accounts: Kundenspezifische „Mini-Strategien“ fehlen ebenfalls vielfach. Zu selten werden aus kundenspezifischen Zielen wie Steigerung von Beziehungsprofitabilität, Cross-Selling oder Share-of-Customer systematische Kontaktpflege- und Leistungsaktivitäten abgeleitet. WELCHEN WERT GENERIEREN WIR MIT UNSEREN LEISTUNGEN FÜR DEN KEY-ACCOUNT? Eine zunehmende Anzahl an Anbietern ist sich darüber im Klaren, dass über das „nackte Produkt“ häufig keine Differenzierung vom Wettbewerb möglich ist. Stattdessen wird verstärkt versucht, über ergänzende Dienstleistungen zusätzlichen Nutzen für Key-Accounts zu stiften. Die
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Palette dieser nutzensteigernden Dienstleistungen ist äußerst breit und reicht von „harten“ Value-Added-Services (wie Produktanpassungen) bis hin zu „weichen“ Value-Added-Services (beispielsweise kaufmännischen Dienstleistungen). Allerdings werden Value-Added-Services häufig nicht proaktiv angeboten, sondern erst auf Nachfrage oder gar auf Druck von Key-Accounts. Die fehlende Proaktivität ist nicht damit zu verwechseln, dass zu wenig getan wird. Im Gegenteil: Gerade weil die Anbieter oft die Getriebenen sind, wird eher zu viel als zu wenig getan. Oft macht der Einstandspreis für ein Produkt nur einen Bruchteil der Folgekosten aus. Da viele Value-Added-Services gerade auf die Reduzierung dieser Folgekosten abzielen, verkaufen sich heutzutage noch viele Anbieter unter Wert, wenn sie diese Value-Added-Services kostenlos mit dem Kernprodukt abgeben. WIE BRINGEN WIR DEN KEYACCOUNT DAZU, DEN VON UNS GENERIERTEN WERT ZU BEZAHLEN? Die meisten Anbieter sind noch weit vom paradiesischen Zustand einer vertrauensvollen Wertschöpfungspartnerschaft mit ihren Key-Accounts entfernt. So werden viele europäische Industriegüterhersteller von ihren Key-Accounts mit günstigen Vergleichsangeboten beispielsweise asiatischer Wettbewerber unter erheblichen Preisdruck gesetzt. Die Anbieter haben es bisher nicht geschafft, den Fokus der Verhandlungen mit KeyAccounts vom reinen Einkaufspreis zu lösen und stattdessen über das PreisLeistungs-Verhältnis zu argumentieren. Zudem kämpfen viele Unternehmen damit, die Diskrepanz zwischen dem objektiven und dem von Key-Accounts wahrgenommenen Wert von ValueAdded-Services zu verringern. Beispielsweise werden Schulungen und Beratungsdienstleistungen zwar gerne von Key-Accounts in Anspruch genommen, die Zahlungsbereitschaft hierfür liegt jedoch häufig weit unter dem tatsächlichen Wert.
Essentials
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Das KAM hat die Kinderschuhe abgelegt und ist als Managementinstrument in eine Reifephase eingetreten.
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Einige Elemente des KAM werden nicht mehr so engagiert gelebt wie zu Beginn. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Verantwortlichen für das Key-AccountManagement.
•
Ein systematisches Key-Account-Management-Audit ist unverzichtbar, weil es eine Erosion dieses Managementinstruments verhindert.
POSITIVE AUDITERFAHRUNGEN NICHT VERPUFFEN LASSEN Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Auch wenn wir uns hier auf die typischen Problemfelder konzentriert haben, sollte ein Audit nicht als „Selbstgeißelung“ verstanden werden. Mindestens ebenso wichtig ist es, die festgestellten Stärken in einen internen Wissenstransfer einfließen zu lassen. Das Problem vieler Vertriebsorganisationen ist gerade im Global-Account-Management, dass lokal immer wieder interessante Vertriebsideen entwickelt, aber nicht intern verbreitet werden. So gehen Energien dabei verloren, „das Rad mehrfach zu erfinden“, anstatt gute Ideen synergistisch weiter zu verbessern. Außerdem ist noch wenig über die informelle Entscheidungsstruktur und die wechselseitigen Beziehungen im Buying-Center des Key-Accounts bekannt. Doch Vorsicht: Wir warnen davor, an dieser Stelle einem „IT-Reflex“ nachzugeben und die internen Best Practices in den Tiefen einer Datenbank zu versenken. Wie beim Audit gilt hier: Small is beautiful. Die wirksamste Plattform des Erfahrungsaustauschs sind die internen Marketing-Councils/-Committees/ -Boards, in denen die Marketingmanager vieler Unternehmen in regelmäßigen Abständen geschäftsbereichsübergreifend zusammenkommen. absatzwirtschaft 12/2004