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KINOBETRIEBSSTUDIE Daten zur Kinowirtschaft in Deutschland Oliver Castendyk
ZUSAMMENFASSUNG
Kinobetriebsstudie: Daten zur Kinowirtschaft in Deutschland (Oliver Castendyk)
Zusammenfassung (Martin Petrick, Elisabet Richter)
I.
Einleitung
Kultur für die Massen; die Demokratisierung des Theaters. So fasste Hugo Münsterberg bereits 1915 das Wesen des Kinos zusammen: „Ein Schauspieler ist nun in der Lage Zuschauer an hundert, ja an tausend Orten gleichzeitig zu unterhalten; ein Bühnenbild genügt, um Millionen von Menschen Vergnügungen zu bereiten. [...] Mit zwanzigtausend Bildtheatern allein hier im Land hat sich die Hoffnung erfüllt, die Segnungen der Kunst jedermann zugänglich zu machen.“ Das Kino war nicht – wie die Zeitung – das erste Massenmedium, aber das erste Medium der Massenkultur. Es gehört zum Urgestein der Moderne wie das Auto(mobil), die Elektrizität, das Fließband. Es ist als Medium alt genug, um noch nostalgische Gefühle auslösen zu können, gleichzeitig aber nach der Digitalisierung technisch so avanciert, um weiter als modernes Medium gelten zu dürfen. Auch nach Einführung des Fernsehens (Free- und Pay-TV), Home Videos und der internetbasierten Download- und Streaming-Dienste ist das Kino immer noch die erste und damit zentrale Auswertungsform von Filmen geblieben. Zentrale Bedeutung hat sie nicht zuletzt deshalb, weil sie wie ein Zugpferd für die nachfolgenden Verwertungsstufen funktioniert. Die Markenbildung für die Produktmarke eines konkreten Films – also das, was Menschen mit einem Filmtitel an Inhalts- und Qualitätsvorstellungen verbinden – dieser Prozess beginnt nicht nur im Kino, er hängt fast allein davon ab. Die öffentliche Aufmerksamkeit anderer Medien orientiert sich ebenfalls am Moment, zu dem ein Film erstmals „im Rampenlicht“ steht. Zu dieser Zeit entscheidet sich, ob ein Film als Hit oder als Flop wahrgenommen wird. Trotz der großen Bedeutung, die dem Kino als Kulturträger und Massenmedium zukommt und obwohl es darüber hinaus so einflussreich ist für die nachfolgende Filmauswertung, ist das „Ökosystem Kino“ aus wirtschaftlicher und praktischer „on the ground“-Perspektive weitgehend unerforscht. Wohl werden Kerndaten zur Filmauswertung im Kino seit vielen Jahrzehnten gesammelt und veröffentlicht. Wir wissen, wie viele Filmtickets im Jahr verkauft werden, wie alt das Kinopublikum im Durchschnitt ist, welche Filme besonders erfolgreich und welche an der Kinokasse durchgefallen sind. Auch die Kinobetriebe selbst sind Gegenstand einer Reihe von Statistiken, die insbesondere von der Filmförderungsanstalt (FFA) mit Sachverstand und Akribie gesammelt und jährlich veröffentlicht werden. Damit kennen wir die Zahl der Zusammenfassung: Kinobetriebsstudie – Daten zur Kinowirtschaft in Deutschland 1
Kinospielstätten und ihrer einzelnen Kinosäle (Leinwände), Sitzplatzanzahl und ihrer Verteilung nach Merkmalen wie Ortsgröße und Betriebsgröße. Was aber fehlt, ist eine Untersuchung, die diese verschiedenen Zahlen aus der Perspektive des Kinobetriebs in einem Buch zusammenführt. Die Kinobetriebsstudie möchte dies ändern. Sie soll einen Einblick in eine Branche verschaffen, von der wir in aller Regel nur das glänzende Produkt zur Kenntnis nehmen: den Film, den Star, den roten Teppich. Die Studie wurde von den beiden Kinoverbänden HDF KINO (Hauptverband Deutscher Filmtheater e.V.) und Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V. mithilfe einer Teilförderung der Filmförderungsanstalt (FFA) in Auftrag gegeben. Bei der Adressrecherche konnte auf die Kooperation mit Blickpunkt:Film gezählt werden und auch Goldmedia hat sich wie schon bei der „Produzentenstudie 2012 – Daten zur Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland 2011/2012“ als verlässlicher Partner bei der Datenaufbereitung erwiesen.
II. Die Methode Für die Studie wurden 825 im Jahr 2013 wirtschaftlich aktive Kinobetriebe mit 4.229 Leinwänden ermittelt. Diese Unternehmen wurden mithilfe eines standardisierten Fragebogens befragt. 497 der Unternehmen (mit 2.865 Leinwänden) haben den Fragebogen beantwortet und konnten ausgewertet werden. Dieser Fragebogen richtete sich in einem Komplex auf das Kino als Betrieb und in einem zweiten Abschnitt auf die individuellen Spielstätten des Unternehmens. Als Kinobetriebe definiert wurden rechtlich selbstständige Unternehmen und Einrichtungen zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit, die in eigenen oder gepachteten Räumen Filme vorführen und dabei einen erwerbswirtschaftlichen Zweck verfolgen. Da die regelmäßigen Erhebungen der FFA ohne Ausnahme jedes Unternehmen zählen, das entsprechend des Filmfördergesetzes (§ 66 FFG) „entgeltliche Vorführungen von Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten veranstaltet“, d. h. auch Gaststätten, Eventagenturen, Filmvereine und jedes kommunale Kino, weicht die Grundgesamtheit der Studie von der der FFA ab. Der zweite Teil der Erhebung bestand darin – entsprechend einem Interviewleitfaden –, Gespräche mit Kinobetreibern und Filmtheaterleitern sowie mit Dienstleistern der Kinobranche zu führen. Für diese Tiefeninterviews wurden Kinobetreiber aller Größenordnungen und verschiedener Regionen in Deutschland ausgewählt. Durch die Interviews mit Dienstleistern in verwandten Branchen sollten einzelne Themen, wie z. B. Kinotechnik, Disposition, Kinowerbung oder Neue Medien genauer beleuchtet werden. Ein weiterer Bestandteil lag in der Sichtung, Recherche und Analyse des umfangreichen, bestehenden Datenmaterials u. a. des Statistischen Bundesamtes, der FFA und ausländischen Filmförderern, von Marktforschungsinstituten wie rmc medien + kreativ consult oder Nielsen Media Research u. v. m.
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III. Der deutsche Kinomarkt Der deutsche Kinomarkt ist in mehrfacher Hinsicht sehr vielfältig. Im Regelfall verfügt ein Kinobetrieb über ein Kino (sogenannte „Spielstätte“). Es gibt auch solche, die mit Dutzenden von Tochterunternehmen eine Vielzahl von Spielstätten steuern. Hierzu zählen vor allem die drei größten deutschen Kinoketten CineStar, CinemaxX und United Cinemas International (UCI). Sie weisen eine klassische Konzernstruktur auf und sind jeweils mit einem ausländischen Mutterkonzern verbunden. Häufig werden bestimmte Geschäftsbereiche ausgegliedert. So werden in Verwaltungsgesellschaften alle relevanten operativen Aufgaben gebündelt, etwa Buchhaltung, Disposition, Marketing, Personal-, Technik- und Immobilienmanagement. Eine weitere Unternehmensstruktur ist der Einkaufsverbund, einem Zusammenschluss wirtschaftlich eigenständiger und auf lokaler Ebene autonom handelnder Unternehmen, die auf wichtigen Wirtschaftsfeldern (Wareneinkauf, Marketing etc.) gemeinsam handeln, wie es die Cineplex-Gruppe praktiziert. Der Großteil der in Deutschland ansässigen Kinobetriebe ist jedoch in meist traditionsreichen Familienbetrieben oder in Kleinstbetrieben organisiert, die viele Aufgaben des Kinobetriebs unter einem Dach bearbeiten.1 Die deutliche Prägung der deutschen Kinolandschaft durch zahlreiche mittelständische Familienbetriebe zeigt sich vor allem im Vergleich mit anderen Branchen, die die wirtschaftlich typische Dreiecksstruktur aufweisen.
Abbildung 1: Verteilung der Kino- und Filmverleihunternehmen nach Umsatzgrößenklassen 2012 Die Grafik basiert auf dem Datensatz der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2012.2 Unternehmensgruppen sind hier z. T. konsolidiert ausgewiesen. Die obige Abbildung zeigt einen deutlich sichtbaren „Mittelstandsbauch“ von Unternehmen mit Umsätzen zwischen 500.000 und 25 Mio. EUR. Anders als bei der zum Vergleich daneben gezeigten Filmverleih1 Auch bei den kleineren Kinos werden Dienstleistungen gelegentlich ausgelagert. Beispielsweise kann die Disposition und damit auch die Filmabrechnung einem externen Dienstleister übertragen werden, sodass nicht nur ein großer Arbeitsbereich wegfällt, sondern durch die zentrale Durchführung bessere Konditionen ausgehandelt werden können. 2 Das Statistische Bundesamt unterscheidet Wirtschaftszweige („WZ“) nach den Vorgaben des Statistischen Amtes der europäischen Union EUROSTAT. Der für den Kinomarkt einschlägige Bereich ist der WZ 59.14 „Kinos“ im Bereich „Information & Kommunikation“. Der Filmverleih und -vertrieb wird in WZ 59.13 ausgewiesen.
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und -vertriebsbranche ist der Anteil an Kinobetreibern mit weniger als 100.000 EUR Umsatz deutlich kleiner. Diese mittelständische Prägung zeigt sich auch im vergleichsweise hohen Anteil am Gesamtumsatz dieser Betriebe.
Abbildung 2: Anteil der Umsatzgrößenklassen am Branchenumsatz der Kinound Filmverleihunternehmen 2012 Die Top 5 der umsatzstärksten Kinogruppen kommen auf ein Drittel des gesamten Branchenumsatzes. Selbst wenn man die zwölf Unternehmen mit Umsätzen oberhalb von 10 Mio. EUR hinzunimmt, vereinigen die Top 17 nur knapp die Hälfte des Marktvolumens auf sich. Der mittlere Teil des Mittelstands (2 bis 10 Mio. EUR Umsatz) nimmt einen nahezu ebenso großen Marktanteil wie die Top 5 ein. Einen Kontrast bildet erneut die Marktstruktur der Filmverleihunternehmen. Der Marktanteil der Verleiher mit einem Gesamtumsatz von über 25 Mio. EUR (elf Unternehmen) beträgt allein 78 %. Der im Kinosektor so prominente mittlere Teil des Mittelstands (2 bis 10 Mio. EUR Umsatz) vereinnahmt im Verleihsektor weniger als ein Zehntel. Nicht nur die Betriebe weisen unterschiedliche Größenverhältnisse aus, auch die einzelnen Spielstätten bieten eine Spannbreite vom kleinen Kino um die Ecke bis zum Multiplex vor oder in der Stadt. Multiplexe sind Spielstätten mit wenigstens acht Leinwänden bzw. wenigstens 1.500 Sitzplätzen bei nur sieben Leinwänden. 28 % der in Deutschland betriebenen Leinwände befinden sich in Multiplexen3 – ein im internationalen Vergleich geringer Wert.
Abbildung 3: Anzahl der Leinwände und Anteil der Multiplex-Leinwände im internationalen Vergleich 2013
3 Gemessen an den mit erwerbswirtschaftlichem Zweck betriebenen Leinwänden liegt der Anteil bei 31 %.
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Kinos unterscheiden sich auch in ihrer programmlichen Ausrichtung. Die übliche Kinotypologie weist Programmkinos aus, die das Hauptaugenmerk in der Programmgestaltung auf den europäischen und deutschen Film legen. Nicht selten sind sie in entsprechenden Kinonetzwerken (z. B. Europa Cinemas) organisiert und viele von ihnen werden jährlich mit der Vergabe eines Kinoprogrammpreises für ihr Engagement gewürdigt. Demgegenüber haben traditionelle Kinobetriebe weder einen besonderen Programmschwerpunkt, noch haben ihre Kinos die Größe von Multiplexen. Sie nehmen mit etwa der Hälfte aller Betriebe den größten Teil des deutschen Kinomarktes ein.4 Die fehlende Spezialisierung des Programms trifft auch auf die Multiplexkinos zu, was ausdrücklich nicht ausschließt, dass sie auch sogenannte Arthouse-Produktionen zeigen oder spezielle Veranstaltungen à la „Ladie’s Night“ anbieten. Schließlich gibt es Sonderformen wie Open-Air-Kinos, Autokinos, Wanderkinos, Vorstellungen in Universitäten und Schulen oder auch Filmfestivals, die meist nur ein saisonales Kinoprogramm anbieten.5
IV. Kino ist Kultur Kino ist Kultur für Jedermann. Sowohl in der Preisstruktur als auch im flächendeckenden sowie vielfältigen Angebot hebt es sich beispielsweise vom Theater klar ab. Mit Kurzfilmen, Schulkinoveranstaltungen und Kinderkino, Filmreihen, Repertoire-Filmen, Previews oder Filmen in Originalversion und dem Kino als Diskussionsplattform bietet die deutsche Kinolandschaft neben den zahlreich vertretenen Filmgenres ein breites Programm an, zu dem vor allem die Programmkinos, aber auch die anderen Kinotypen, beitragen. Pro Kinosaal zeigte ein Kino 2013 durchschnittlich 18 Filmstarts. In Summe setzte sich das Angebot aus über 5,7 Mio. Veranstaltungen zusammen, die mit 129,7 Mio. Kinobesuchen auch deutlich mehr Menschen anzog als die Theaterbranche (ca. 20,6 Mio. Besuche). Bei dieser Angebotsvielfalt ist auch für jedes Alter etwas dabei. Die demographische Entwicklung des Landes lässt sich zunehmend auch an der sich verändernden Besucherstruktur im Kino ablesen. Der Anteil der Zuschauergruppen über 40 Jahren und insbesondere der der „Best Ager“ (60+) wächst stetig, wohingegen die Dominanz der jüngeren Besuchergruppen in gleichem Maße abnimmt. Besondere Bedeutung kommt dem Kino gerade in ländlichen Gegenden zu, wo es in fast einem Viertel aller Fälle die einzige Kultureinrichtung vor Ort darstellt. Im Hinblick auf die rückläufige Leinwand- und Spielstättenanzahl in signifikanterem Ausmaße im ländlichen Raum ist aus Sicht der Kultur- und Regionalpolitik Wachsamkeit geboten. Auch wenn der Begriff des „Kinosterbens“ etwas alarmistisch erscheint, ist zumindest ein Trend erkennbar, der 4 Unsere Kategorie der „traditionellen Kinos“ ist nicht zu verwechseln mit der FFA-Kategorie der „herkömmlichen Kinos“ (diese umfasst Programmkinos und traditionelle Kinos). Der Begriff „traditionelles Kino“ verweist ebenfalls nicht auf ein konventionelles Programmangebot oder auf eine althergebrachte Architektur und sagt nichts über das Alter des Betriebes aus. 5 Hier sind nur die Spielstätten und Betriebe einbezogen, die mit erwerbswirtschaftlichem Zweck betrieben werden.
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mittelfristig die kulturelle Grundversorgung ländlicher Gebiete gefährden könnte.
V. Umsätze und gesamtwirtschaftliche Bedeutung Der Netto-Gesamtumsatz der Kinobranche lag 2013 bei 1,426 Mrd. EUR (1,573 Mrd. EUR brutto). 66,7 % des Gesamtumsatzes machten die verkauften Tickets aus, 25,7 % die Concessions, also der Verkauf von Getränken und Popcorn etc., 4,1 % die Werbeumsätze. Einen (noch) irrelevanten Anteil trägt der Alternative Content mit 0,7 % bei. Darunter werden diejenigen Inhalte subsumiert, die nicht unter das traditionelle Filmangebot des Verleihs fallen, wie z. B. Übertragungen von Opern, Konzerten oder Sportveranstaltungen.
Abbildung 4: NettoUmsatzverteilung deutscher Kinobetriebe 2013 Trotz stagnierender bis leicht rückläufiger Besucherzahlen sind die Ticketumsätze durch 3D- und Überlängenzuschläge seit 2008 deutlich gestiegen. Der Kartenumsatz ist für das Kino weiterhin die Haupteinnahmequelle, wobei der Concessions-Bereich seit seiner Einführung und seit der Durchsetzung der Multiplexe an Bedeutung gewonnen hat. Der Umsatz reiner Programmkinobetreiber besteht jedoch weiterhin nur zu einem Sechstel aus Concessions-Einnahmen. Unter Berücksichtigung aller Kosten und Abzüge ist der Anteil der Concessions am Gesamtumsatz eines Kinos noch höher: Während die Kosten für den Wareneinsatz im Durchschnitt bei etwa einem Drittel der Concessions-Umsätze liegen, geht von den Ticketerlösen rund die Hälfte in Form von Gebühren und Abgaben an Verleiher, FFA und andere. Im Gegensatz zu den Concessions-Einnahmen ist der Umsatz aus Kinowerbung stark gesunken. Seit 2000 gingen die Ausgaben für die Schaltung von Werbung im Kino um 54 % auf 80 Mio. EUR in 2013 zurück. Ursachen hierfür sind der Rückgang des Anteils jüngerer (werberelevanter) Zielgruppen, das Fehlen eines international vergleichbaren Tausend-Kontakt-Preises (TKP) bis 2010, der Rückgang der Werbung für Tabak und Alkohol aufgrund geänderter Rechtslage sowie das „Trading“ der Media-Agenturen. Letztere kaufen in großem Umfang und mit großen Rabatten Werbeflächen ein, um sie dann an die Werbekunden weiter zu verkaufen. Der Hebel, um damit Gewinn zu machen, ist relativ klein, sodass auf Quantität gesetzt werden muss. Diese Strukturveränderung begünstigt die TV- und Online-Werbeplätze gegenüber Kinowerbeflächen. Zu guter Letzt spielt die neue Konkurrenz durch die digitalen Medien für den Kinomarkt eine wichtige Rolle, wie auch für den Print und Rundfunkbe-
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reich. Dennoch wird die Werbung im Kino auch in Zukunft ein Teil vieler Werbekampagnen bleiben. Denn sie wird besser erinnert und sie macht es aufgrund der vergleichsweise langen Spots möglich, komplexere Informationen zu vermitteln, ein Image aufzubauen und Lebenswelten darzustellen. Sie ist nach wie vor die einzige Werbung, die aufmerksam und vollständig wahrgenommen wird.
Exkurs Filmmiete Der Filmverleih erhält für seine Leistungen der Lieferung und Vermarktung eines Films vom Kinobetrieb einen vereinbarten Prozentsatz an den Ticketerlösen. Die Filmmietensätze variieren zwischen 53,5 % und 43,1 % – in Ausnahmen auch weniger. In der ersten Spielwoche sind die Sätze am höchsten, in den folgenden niedriger, sodass das Kino mit fortschreitender Spieldauer mehr an den Ticketeinnahmen verdient. Bei High-BudgetProduktionen ist es nicht unüblich, dass sich der hohe Prozentsatz bis zur vierten oder fünften Woche hält. Die Studie ergab unter Berücksichtigung aller Rabatte/ Rückerstattungen und Filmmietennachlässe für das Jahr 2013 eine durchschnittliche Filmmiete von 44,5 %6 des Netto-Kartenumsatzes nach Abzug der Filmabgabe der FFA. Im europäischen Vergleich befindet sich Deutschland damit im Mittelfeld. Die Differenzen zwischen den Ländern basieren nicht nur darauf, dass beide Seiten – Verleih und Kinobetrieb – unterschiedliche Ergebnisse verhandelt haben. Sie beruhen auch darauf, dass je nach Land Parameter wie Mindestlaufzeit, Häufigkeit der täglichen Filmvorführungen, Reklamezuschüsse, Mindestgarantien etc. anders ausfallen. Interessant ist jedoch, dass der Filmmietensatz in Deutschland seit Jahrzehnten relativ stabil ist. Eine Analyse der Daten von MEDIA Salles und dem European Film Distribution Office verdeutlicht zum einen die größeren Entwicklungen, die sich in anderen Ländern im selben Zeitraum vollzogen haben und zum anderen das Angleichen der Sätze im europäischen Vergleich.
Abbildung 5: Filmmietensätze in Europa im Zeitvergleich 1988/1992 – 2006/20087
6 Aus Gründen der Vergleichbarkeit sind sogenannte Reklamezuschüsse nicht berücksichtigt. 7 Auf Anfrage erhalten von MEDIA Salles.
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VI. Gewinnentwicklung Bei der Gewinnentwicklung ist in der Kinobranche kein klarer Trend erkennbar: Ein Drittel gab an, dass sich ihre Gewinne verkleinert, 43 %, dass sie sich vergrößert haben. Bei jedem fünften Kinobetreiber haben sich die Gewinne nicht oder kaum geändert. Auch die Ergebnisse der Tiefeninterviews legen nahe, dass die Trends in den letzten Jahren eher auf einzelne Unternehmen, denn auf die gesamte Branche appliziert werden können. Lediglich bei der Unterteilung nach Kinotyp sind leichte Unterschiede erkennbar. Die Hälfte der Multiplex-Betreiber gab eine negative Entwicklung an, während Programmkinos und traditionelle Kinos zu je einem Drittel negative Gewinne verzeichnen mussten. Hier ist jedoch zu beachten, dass 2009 ein außergewöhnliches Kinojahr mit 146 Mio. Kinobesuchen war. Die ersten 3D-Filmstarts brachten gerade den Multiplexen im Jahr 2009 Mehreinnahmen, da sie – im Gegensatz zu den Programm- und traditionellen Kinos – mit der Digitalisierung bereits frühzeitig begonnen haben. Diesen Startvorteil haben sie in den letzten Jahren verloren. Da 2013 deutlich mehr Kinos digitalisiert waren als noch 2009, stand das Filmangebot der Verleiher, die nur noch digitale Kopien versenden wollten, wieder den meisten Kinos offen. Außerdem wird vermutet, dass durch die Digitalisierung einige Nachaufführer – also Kinos, die die Filme gewöhnlich erst einige Wochen nach Filmstart erhalten – zu Erstaufführern wurden und somit eine zusätzliche Konkurrenz für die Multiplexe darstellen. Vergleicht man die Angaben mit der Gewinnentwicklung der Kinofilmproduzenten (von 2002 bis 2012), fällt deren Einschätzung ähnlich aus. Allerdings sind die Extreme im Kinosektor deutlicher ausgeprägt. Die Antworten der produzierenden technischen Dienstleister zeigen, dass es auch klare Trends geben kann: fast die Hälfte gab an, dass sich die Umsatzrendite stark verringert hat. Bezeichnend ist, dass die negative Gewinnentwicklung besonders die großen Unternehmen traf. Bei den Kinobetrieben lässt sich hingegen keine Korrelation von Gewinnentwicklung und Kinobetriebsgröße konstatieren. Auf dem Land (in Gemeinden unter 50.000 Einwohnern) ist die Gewinnentwicklung zwar etwas negativer als in größeren Städten und im Osten ein wenig positiver als im Westen. Insgesamt sind die Unterschiede aber gering.
Abbildung 6: Gewinnentwicklung im Branchenvergleich: Kinofilmproduzenten (2002 – 2011), Produzierende technische Dienstleister (2008 – 2012), Kinobetriebe (2009 – 2013)
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VII. Darstellung der aktuellen Beschäftigungsstruktur 2013 waren in der deutschen Kinobranche 25.632 Personen tätig. Davon waren 2 % Inhaber und mithelfende Familienangehörige. Zwei Drittel (16.423) waren geringfügig beschäftigt, wovon wiederum knapp 3.500 Studierende waren.
Abbildung 7: Tätige Personen in der Kinobranche (Darstellung in Teilmengen) 2013 Je größer das Kino, desto ausdifferenzierter sind die Arbeitsbereiche: Während ein kleines Kino von ein bis zwei Personen und einer Handvoll Aushilfskräften betrieben wird, gibt es bei den Kinoketten und Multiplexen für jeden Aufgabenbereich eine verantwortliche Person oder gar eine ganze Abteilung. Je größer die Kinos, desto einheitlicher die Beschäftigungsstruktur: In kleinen Betrieben ist der Anteil der ehrenamtlich Tätigen, der unbezahlt mithelfenden Familienangehörigen und der freien Mitarbeiter deutlich höher. In Betrieben mit acht Leinwänden und mehr teilt sich die Belegschaft hingegen zu 56 % in geringfügig Beschäftigte und 44 % sozialversicherungspflichtig Festangestellte auf. In Ein-Saal-Kinos arbeiten im Durchschnitt sieben Personen. In Betrieben mit mehr als acht Leinwänden (also vor allem in Multiplexen) sind durchschnittlich 138 Personen pro Betrieb beschäftigt. Die durchschnittliche Belegschaft eines Kinobetriebes liegt bei 31 tätigen Personen. Der Multiplex-Boom führte zu einem kurzfristigen Anstieg der Festangestellten auf 11.559 Mitarbeiter (ohne geringfügig Beschäftigte) in 2002. Bis 2006 war der Wert aber wieder auf 8.173 gefallen, sodass jeder Dritte in diesen fünf Jahren seine Festanstellung im Kino verlor. Die Digitalisierung hat wiederum nicht, wie ursprünglich erwartet, zu weiteren Einsparungen beim Personal geführt. In 60 % aller Fälle seien die Personalkosten sogar gestiegen. Die einstigen Filmvorführer wurden stattdessen zu IT-Personal umgeschult oder im Servicebereich beschäftigt.
VIII. Investitionen und laufende Kosten Investitionsbedarf gehört zum Kinobetrieb dazu. In regelmäßigen Abständen muss die Einrichtung erneuert, die Technik generalüberholt oder gar ausgetauscht und das Gebäude renoviert werden. Eine Sonderbelastung stellte in den vergangenen Jahren für die meisten Kinos die Digitalisierung dar, deren
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hohe Investitionskosten andere Investitionen in diesem Zeitraum kaum zuließen. 2013 investierten die Kinobetriebe etwa ein Drittel ihres Umsatzes, wovon 59 % auf die Digitalisierung entfielen. Neben weiteren baulichen Maßnahmen an den Häusern steigt nun auch der Anteil der Investitionen in die Energieeffizienz. Ab 2014 –nach der fast flächendeckenden Digitalisierung – ist somit eine Entlastung spürbar, wenngleich die zweite Digitalisierungswelle bevorsteht und die Ratenzahlungen für aufgenommene Darlehen auch in den folgenden Jahren Kapital binden wird. Neben diesen großen Investitionen hat das Kino darüber hinaus hohe laufende Kosten zu tragen. Filmmiete, Personal-, und Materialaufwand sind in der Regel die drei größten Kostenfaktoren. Aber auch Miet- und Pachtkosten können enorm sein. Ob ein Kino als Eigentum, Miet- oder Pachtobjekt oder zur Zwischennutzung bewirtschaftet wird, hängt vornehmlich von der Lage und dem Kinotyp ab: So werden 39 % der Kinos auf dem Land in Eigenbesitz betrieben gegenüber lediglich 17 % in der Stadt aufgrund hoher Immobilien- und Grundstückspreise. Es überrascht nicht, dass Multiplexe, die große Nutzungsflächen beanspruchen, nur selten in Immobilieneigentum betrieben werden (14 %). Demgegenüber sind immerhin 28 % aller Programmkinos und sogar 37 % aller traditionellen Kinos in Eigentum des Kinobetreibers. Insgesamt befindet sich ein Drittel aller Spielstätten in Eigentum und je ein weiteres Drittel wird gemietet oder gepachtet. Der Großteil zahlt eine Festpacht. Allein bei den Multiplexen ist eine Umsatzpacht – meist mit Mindestgarantie – üblicher. In 17 % der Fälle ist der Vermieter/Verpächter ein gesellschaftsrechtlich oder durch verwandtschaftliche Beziehungen verbundenes Unternehmen.
IX. Förderung Um die großen Investitionen zu stemmen, stehen der Branche Fördergelder zur Instandhaltung, Modernisierung und Verbesserung von Kinos sowie auch von Kinoneubauten zur Verfügung, sofern diese der Strukturverbesserung dienen. Auch die programmliche Gestaltung eines Kinos kann Förderung erhalten, z. B. in Form von Kinoprogrammpreisen oder Referenzförderung. Insgesamt liegt der Anteil der Förderung (nur Zuschüsse und ohne Digitalisierungsförderung) am Gesamtumsatz der Branche bei gerade einmal 0,4 %, also rund 10 Mio. EUR. Für das Einzelticket bedeutet das: Jede verkaufte Kinokarte wird mit etwa 0,07 EUR gefördert. Selbst wenn man noch die – nicht den Kinobetrieben zu Gute kommende – Verleih- und Filmproduktionsförderung von im Durchschnitt 2,50 EUR pro Karte eines deutschen Kinofilms berücksichtigt, ist jedes Theaterticket mit etwa 112 EUR deutlich stärker gefördert. Der Großteil der rund 10 Mio. EUR Förderung erhalten die Kinobetriebe von der FFA, deren Haushalt sich aus der Filmabgabe speist, die von denjenigen Branchen entrichtet wird, die Kinofilme auswerten. Die Filmabgabe der Kinos trägt am stärksten zum FFA-Haushalt bei. Der Anteil betrug 2013 insgesamt 37 %. 32 % entfallen auf die Filmabgabe und 5 % auf die Rückzahlung von Darlehen. Der Unterschied zwischen den Einzahlern wird ab 2015 noch Zusammenfassung: Kinobetriebsstudie – Daten zur Kinowirtschaft in Deutschland 10
größer ausfallen, weil sich der Anteil der Videowirtschaft an der Filmabgabe um rund 5 Mio. EUR verringern wird.8 Dann dürfte der Beitrag der Kinos zum FFA-Haushalt etwa doppelt so groß sein wie der Cash-Beitrag, den jeweils die beiden anderen großen Einzahlergruppen – TV-Sender und Videowirtschaft – leisten. Dieser geringe Förderanteil kommt vor allem dadurch zustande, dass sich in Unternehmen mit einem Umsatz von über 1 Mio. EUR der Förderanteil kaum bemerkbar macht. Auch von der Digitalisierungsförderung waren sie aufgrund der Netto-Kartenumsatzgrenzen weitgehend ausgeschlossen. Für die Betriebe mit einem geringeren Umsatz ist die Förderung eine wichtige Säule. Ihr Förderanteil in Form von Zuschüssen am Netto-Gesamtumsatz belief sich auf 8,7 % Digitalisierungsförderung und 3,7 % restliche Kinoförderung. Was Kinos ab 5 Mio. EUR Umsatz bedeutend mehr in Anspruch nehmen, sind die unbedingt rückzahlbaren Darlehen, die etwa zwei Drittel der gesamten Förderung ausmachen. Hier kann jedoch lediglich der Zinsvorteil für die Kinobetreiber als Zuschuss angesehen werden.
X. Digitales Kino Bei Kinobetrieben mit einem erwerbswirtschaftlichen Zweck liegt der Digitalisierungsgrad bei 96,8 % (99,1 %, wenn auch nicht DCI-konforme digitale Umrüstungen eingeschlossen werden). Bei ungefähr der Hälfte der Kinosäle in Deutschland wurde die Digitalisierung mit der Anschaffung von 3DTechnik verbunden. 42 % der Spielstätten haben trotz vollkommener Digitalisierung mindestens einen analogen Projektor behalten. Bedenkt man, dass die Technik 1987 zur Verfügung stand und 1999 bei der US-Filmmesse „ShoWest“ die erste Digitalprojektion präsentiert wurde, ist es eine legitime Frage, warum die Einführung der Technik so lange auf sich warten ließ. Bis zum Jahr 2004 waren lediglich zwei Leinwände in Deutschland digitalisiert. Der Grund für das langsame Anlaufnehmen lag in der bis 2003 noch ungelösten Frage der Finanzierung und der Aufteilung der ökonomischen Risiken zwischen den Marktteilnehmern. Obwohl die Preise seither stark gefallen sind, belaufen sich die Anschaffungskosten einer Saaldigitalisierung immer noch auf etwa 80.000 EUR – hauptsächlicher Kostenfaktor sind die Projektoren. Inzwischen haben sich drei Varianten der Finanzierung herausgebildet: 1. Eigenfinanzierung durch den Kinobetreiber durch eigene Mittel bzw. Bankkredite, 2. Virtual Print Fee (VPF, oft in Verbindung mit Third-Party-Modellen, d. h. mit Vorfinanzierung durch einen Drittanbieter) 3. staatliche Förderungen in Form von Darlehen und Zuschüssen. 8 Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.08.2014 wird sich die Ausgangsgröße für die Videoabgabe verringern (vgl. BVerwG BeckRS 2014, 56485). Die FFA hatte mit TV-Serien bespielte DVDs für abgabepflichtig gehalten, wenn die bespielte Länge der DVD mehr als 58 Minuten betrug. Nach der Entscheidung kommt es aber für die Abgabepflicht auf die Mindestlaufzeit der TV-Serienfolge an.
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Alle Finanzierungsvarianten sind miteinander kombinierbar. Eine Beteiligung der Verleiher an den Kosten der Umrüstung (VPF) war aufgrund der hohen Kostenersparnisse der Verleiher bei Kopien- und Transportkosten eine logische Konsequenz: Während eine 35-mm-Kopie den Verleiher im Durchschnitt mindestens 1.000 EUR (zzgl. Transport) kostete, sind es beim Digital Cinema Package (DCP) heute nur noch ca. 100 EUR – Tendenz fallend. Die Zahlung der VPF lässt sich entweder über das FFA-Treuhandmodell, das „Third-Party-Collector“-Modell (VPF-Hub), wo ein Drittanbieter die Abwicklung übernimmt, und das Third-Party-Modell einholen, wobei der Drittanbieter die Anschaffungskosten von Projektor und Server übernimmt und dafür monatliche Leasingraten vom Kinobetreiber erhält und die VPF pro Erstausstrahlung mit den Verleihern verhandelt. Für die Finanzierung über das FFA-Treuhandmodell entschieden sich vor allem Programmkinos (44 %). Größe und Umsatzstärke disqualifizierte Multiplexe als „Kriterienkinos“ und schloss sie somit vom FFATreuhandmodell aus. Außerdem waren viele bereits digitalisiert als das Treuhandmodell in 2011 anlief. Multiplexe haben sich daher zum überwiegenden Teil (86 %) für Drittanbieter entschieden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Digitalisierung zwar zum Teil eine bessere Versorgung mit digitalen Filmkopien mit sich brachte; der überwiegende Teil jedoch keine Veränderung zur analogen Ära feststellen konnte. Bei den Multiplexen wurde von 95 % der Betreiber keine Veränderung wahrgenommen; bei den traditionellen und den Programmkinos zumindest von 60 % bzw. 50 %. Auf der anderen Seite wurde eine Verbesserung der Kopienversorgung für immerhin 45 % der Programmkinos und 33 % der traditionellen Kinos sowie 5 % der Multiplexe angegeben.
Abbildung 8: Zugang zu Startkopien nach VPFModellen 2013 Kinos, die sich am FFA-Treuhandmodell beteiligen, sind unzufriedener mit der Versorgung mit Startkopien als Kinobetreiber mit anderen Finanzierungsmodellen. Kinos, die das VPF-Hub-Modell wählten, schätzten die Situation für sich am positivsten ein, aber auch hier verzeichneten lediglich 41 % eine Verbesserung. Für 59 % blieb die Situation unverändert. Was jedoch ein hoher Anteil an Kinobetreibern in Interviews bestätigte, ist, dass man einen Film heute mitunter früher erhalte (bei großen Erfolgen auch schon in der 2. oder 3. Woche) als noch in der analogen Zeit. In den Tiefeninterviews wurde deutlich, dass viele Kinobetreiber anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Digitalen Kino waren. Während die techni-
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schen Vorteile als eher gering und für den Zuschauer kaum wahrnehmbar eingeschätzt wurden, erschienen die notwendigen Investitionen gerade den kleinen Kinobetreibern wie ein kaum übersteigbarer Berg. Dies änderte sich, als Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen wurden und nach dem Umstieg die ersten eigenen Erfahrungen gemacht und die Anfangsschwierigkeiten beim Einsatz der neuen Technik überwunden waren. Bei Kinos mit 3Dfähigem Equipment brachte schon der 3D-Boom in 2009 eine erste Entspannung. Inzwischen wird von Seiten der Betreiber bestätigt, dass der 3DFilm das Kino wieder moderner und attraktiver gemacht hat und die 3DZuschläge das ökonomische Überleben ermöglicht haben. Große Sorge bereitet den Kinobetreibern hingegen die deutlich kürzere Lebensdauer und die höheren Wartungskosten der Digitalprojektoren. Im Vorfeld als kostensenkend angepriesen, zeigt sich die Digitalisierung sogar als wesentlicher Kostenfaktor: Gegenüber 2009 sind die Kosten für Strom (um 42 %), Betriebsmittel (um 70 %) und Wartung (um 52 %) angestiegen. Jeder zweite Kinobetreiber sah den Grund dafür in der Digitalisierung.
Abbildung 9: Kostenentwicklung und Grund der Kostensteigerung 2009 – 2013
XI. Kino im Wandel Auswertungsfenster In den letzten 20 Jahren wurde immer wieder über die Auswertungskette von Filmen diskutiert. Das derzeit praktizierte Modell sieht vor, dass ein Film zuerst im Kino ausgewertet wird. In dieser Zeit existiert für die anderen Auswertungsformen – DVD-/Blu-Ray-Verleih und -Verkauf, Video on Demand, Pay- und Free-TV – eine Sperrfrist. Mehrere Studien sind erschienen, die die derzeitige Auswertungsreihenfolge als sinnvoll erachten, da die Auswertung mit den höchsten Umsätzen in der kürzesten Zeit am Anfang stehen sollte und nur die Premiere im Filmtheater die erforderliche öffentliche Wahrnehmung erzielen kann. Wenngleich dies eine Bestätigung des Status Quo bedeutet, ist der Großteil der Kinobetreiber der Ansicht, dass sich einer Verkürzung des Auswertungsfensters im Kino entschieden entgegen gestellt werden müsse. Insgesamt lehnen die deutschen Kinobetreiber auch den sogenannten Parallelstart – Zusammenfassung: Kinobetriebsstudie – Daten zur Kinowirtschaft in Deutschland 13
also die parallele Auswertung eines Films in Kino und Internet – grundsätzlich ab. Bei den Programmkinobetreibern vermutet mit 12 % noch der größte Teil, dass ein Parallelstart ihrem Geschäftsmodell nicht schaden würde. Einzelne Betreiber waren der Meinung, dass angesichts der hohen Anzahl von Filmen, die in den Kinomarkt strömten, ein Verzicht auf die exklusive Auswertung des Kinos sogar von Vorteil wäre.
„Filmflut“ Seit mehreren Jahren wird in Deutschland eine Diskussion darüber geführt, ob und warum zu viele Filme ins Kino kommen. Die Kritiker sehen das Überangebot als eine Art „Kinoverstopfung“ und diese sei die Ursache dafür, dass besonders kleine und schwierige Filme eine immer kürzere und geringere Chance erhielten, im Kino erfolgreich zu sein. Die Filmflut ist ein internationales Phänomen, das aus einer erhöhten Zahl an Filmstarts (seit einem Tiefstand von 359 Filmstarts in 2003 sind sie bis 2013 stetig auf 563 gestiegen) und einer stärkeren Belegung von Leinwänden pro DCP resultiert, nicht aber aus einer vermehrten DCP-Produktion pro Film. Beide Faktoren wurden durch die Digitalisierung begünstigt. An der deutschen Situation ist besonders, dass diese Filmflut durch die erhöhte Anzahl von gerade deutschen Filmstarts verstärkt wird und hier vor allem durch die internationalen Koproduktionen und Dokumentarfilme. Diese Entwicklung findet zudem vor dem Hintergrund sinkender Leinwandzahlen statt.
Alternativer Content und weitere Nutzungsarten Neben kürzeren Spielzeiten für die Kinofilme im Allgemeinen, geht die Filmflut vor allem zu Lasten von Repertoirefilmen und individueller Programmgestaltung mit Alternativem Content – also Programmangeboten, die außerhalb des traditionellen Verleihangebots liegen. So ist Alternativer Content weiterhin eine Randerscheinung, die lediglich von knapp der Hälfte der Kinobetreiber im Jahr 2013 überhaupt angeboten wurde. Auf dem Land oder in Programmkinos ist dieser Inhalt praktisch gar nicht anzutreffen. Die damit erzielten Gewinne sind marginal, weil die Kosten z. B. für Mietgebühren und die technischen Voraussetzungen verhältnismäßig hoch sind. In den Großstädten und in Multiplexen liegt der Anteil am Gesamtumsatz im Durchschnitt bei rund 1 %. Dennoch glauben viele Kinobetreiber an eine wichtiger werdende Rolle von Alternativem Content und sehen hierin auch die Chance, sich durch individuelle Programmierung von Konkurrenten abheben zu können. Von der Konkurrenz abheben kann sich ein Kino auch, wenn die Räumlichkeiten für Konzerte, Lesungen, Vorträge, Theateraufführungen, Kabarett, Filmfestivals sowie für private Partys oder Unternehmensveranstaltungen angeboten werden. In Programmkinos finden mehr als die Hälfte dieser weiteren Nutzungsarten statt, in Multiplexen die wenigsten (16 %). So werden Programmkinos vor allem für die Veranstaltung von Konzerten, Lesungen und Vorträgen sowie Pressevorführungen genutzt. Auch als Partylocation ist
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das Programmkino beliebter als andere Kinos. Tagungen und BusinessEvents finden in den unterschiedlichen Kinotypen gleichermaßen statt.
Abbildung 10: Alternative Nutzungen und Veranstaltungen nach Kinotyp 2013
Marketing und elektronischer Ticketverkauf Die Modernisierung der Kinobranche weitet sich auch auf innovativere Online-Marketingmaßnahmen – z. B. mithilfe der eigenen Website oder SocialMedia-Kanäle – und dem vermehrten Angebot von elektronischem Ticketverkauf aus. Das sogenannte E-Ticketing ist die Fortführung des OnlineTicketing. Letzteres bot bisher die Möglichkeit Kinotickets im Internet zu reservieren oder zu kaufen. E-Ticketing ermöglicht den Kunden nicht nur den Kauf von Kinotickets über das Internet, sondern auch die Bezahlung und den Ausdruck der Karte, sodass sie im Kino ohne Umwege über die Ticketkasse direkt in den Kinosaal gelangen. Mit dem Mobile Ticketing über Smartphone oder Tablet ist der Ticketkauf sogar ohne ausgedruckte Kinokarte und von unterwegs möglich. Den Kinobetreibern bietet dies neben der Entlastung des eigenen Personals den Vorteil, dass die Nachfragesituation zu einzelnen Vorstellungen in gewissem Ausmaße im Voraus eingeschätzt werden kann. Zudem besteht die Möglichkeit von Ertragssteigerungen beim Ticketverkauf und den Werbeeinnahmen. Durch eine Erweiterung der Wertschöpfungskette in die digitalen Vertriebskanäle hinein können mehr potentielle Kunden angesprochen werden und zudem lassen sich innerhalb der mobilen Lösungen neue Werbeflächen generieren.
Dynamic Pricing Die Preispolitik deutscher Kinos strukturiert sich derzeit hauptsächlich anhand der unterschiedlichen Sitzpositionen im Saal (Parkett, Rang, Loge etc.). Ebenfalls ausschlaggebend sind Wochentag und Uhrzeit. Daneben gibt es spezielle „Kinotage“ (wie „Familientage“, „Ladies‘ Night“ etc.), an denen die Besucher günstiger ins Kino kommen. Weiterhin entscheidet das Filmformat über die Höhe des Preises. 2D-Projektionen kosten am wenigsten, 3D und Überlänge werden mit einem Zuschlag bedacht. Schließlich kennen wir eine grobe Unterteilung nach Käufergruppen. Erwachsene zah-
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len am meisten, Studenten, Schüler, Kinder, gelegentlich auch Senioren oder Sozialhilfeempfänger erhalten Rabatte. All diese Preisdifferenzierungen sind jedoch letztlich unflexibel, weil sie sich nicht oder – im Falle der Differenzierung nach Wochentagen und Sitzplätzen – nur pauschal an der Nachfrage orientieren. Es ist daher denkbar, dass sich eine Dynamisierung des Eintrittspreises neben pauschalierten Nachfrageaspekten, wie Wochentag und Uhrzeit, auch auf den individuellen Film und seine mögliche Attraktivität konzentriert. So experimentieren bereits heute manche Multiplexe mit höheren Preisen bei (vermuteten) Blockbustern. Einerseits können die Kinobetreiber für die moderne Technik (3D, 4K, Higher Frame Rate) mehr Geld verlangen. Andererseits ist es aber vor allem der Eventcharakter, der den Preis bestimmen soll. Damit einher geht die Strategie des Vorverkaufs für ebenjene Events, was im Kinosektor bisher nicht gängig war. Ob dies im Umkehrschluss aber auch bedeuten kann, dass kleinere Produktionen von einer Rabattierung profitieren, dass sich die Besucher also aufgrund des Preises für oder gegen einen Film entscheiden, erscheint eher unwahrscheinlich. Wenn der Nischenfilm bei Normalpreis weniger Interesse generiert als andere Filme, wird sich das mit fallendem Preis nicht zwingend ändern.
XII. Die Zukunft der Branche – ein Vorausblick Die Herausforderungen für die deutschen Kinobetreiber werden nicht kleiner: Die Gesellschaft wird älter, die jungen Zuschauer haben immer mehr Alternativen, ihre Freizeit ohne Kinobesuche zu gestalten, Luxusbedürfnisse steigen ebenso wie die Erwartung des Publikums, jeden Inhalt immer gleich und sofort verfügbar haben zu wollen. Die Digitalisierung der Kinos ist weitgehend abgeschlossen, die entsprechenden Darlehen aber noch nicht abgezahlt und dennoch müssen bereits die ersten Kinos neue Investitionen tätigen, um mit der Weiterentwicklung von digitaler und von 3D-Technik mitzuhalten. Es gäbe also durchaus Gründe, mit Sorge in die Zukunft zu blicken. Fragt man jedoch die Kinobetreiber nach ihrer Prognose für die kommenden Jahre, zeigt sich ein überwiegend optimistisches Stimmungsbild.
Abbildung 11: Einschätzung der Zukunft des eigenen Betriebes und der Branche
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Lediglich 16 % der Kinobetriebe schätzen ihre Zukunft negativ ein. Der überwiegende Teil zeigt sich vorsichtig optimistisch und ein Drittel sieht gute bis sehr gute Zukunftschancen. Bei der Einschätzung der gesamten Branche trübt sich der Blick ein wenig ein. Dennoch zeichnet sich auch hier ein vornehmlich positives Bild ab.
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Menschen gehen ins Kino. Doch so alltäglich das Kinoerlebnis ist: Wie das Filmtheater als wirtschaftlicher Kulturbetrieb funktioniert, ist auch für regelmäßige Kinobesucher so unbekannt wie der Vorführraum, den sie niemals betreten. Oliver Castendyk und sein Team geben mit der „Kinobetriebsstudie“ erstmals einen Einblick in die ökonomischen Hintergründe. Das Werk enthält differenzierte Daten und Fakten zum Umsatz und eine Analyse der Beschäftigungsstruktur des Kinosektors. Neben der Digitalisierung, die als besondere Herausforderung der Branche ausführlich nachgezeichnet wird, legt die Studie ein weiteres Augenmerk auf mögliche und nötige Investitionen der Branche und deren Fördermöglichkeiten. Zudem widmet sich die Studie zukunftsrelevanten Themen wie der Verkürzung des Auswertungsfensters, der zunehmenden Zahl der Filmstarts sowie der Nutzung des Kinos über die klassische Filmvorführung hinaus und beleuchtet den Zusammenhang zwischen Ökonomie und Architektur des Kinos.
ISBN 978-3-00-049418-5