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V. DIE FRÜHE KIRCHE IM VISIER DER ÖFFENTLICHKEIT Nicht nur die Kirche muss ihre Identität im noch unvertrauten hellenistisch geprägten Umfeld neu finden – auch die römische Öffentlichkeit sieht sich von der stetig wachsenden religiösen Gruppierung gefordert: Welche Gründe gibt es für die anfangs abwehrende Einstellung des Staates gegenüber den Christen? Was aber motiviert die Staatsmacht schließlich zur Änderung ihrer Haltung? TEXT 1 Brief Plinius' des Jüngeren an Kaiser Trajan
Ich habe bei denen, die mir als Christen angezeigt wurden, folgendes Verfahren eingehalten. Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Wenn sie bekannten, so habe ich sie zum zweiten und dritten Mal gefragt und ihnen mit der Todesstrafe gedroht. Beharrten sie darauf, so habe ich sie zur Hinrichtung führen lassen, denn worin auch immer ihr Verbrechen mochte bestanden haben, das stand mir fest, dass ihr Eigensinn und unbeugsamer Starrsinn jedenfalls bestraft werden müsse. Andere von eben diesen Wahnsinnigen habe ich, weil sie römische Bürger waren, zur Deportation nach Rom bezeichnet. Da im Verlauf dieses Prozesses, wie das zu geschehen pflegt, das Verbrechen sich weiter ausbreitete, so haben sich auch nachgerade verschiedene Arten desselben gezeigt. Es wurde eine anonyme Anklageschrift vorgelegt, worauf viele Namen von Personen standen, die jedoch leugneten, dass sie Christen seien oder es je gewesen seien. Als diese auf die Weise, wie ich es ihnen vorsagte, die Götter anriefen und deinem Bilde, das ich zu diesem Zwecke mit den Götterbildern herbeischaffen ließ, Wein und Weihrauch opferten und überdies Christus fluchten, was man von denen nicht soll erzwingen können, die wirklich Christen sind, so glaubte ich, sie entlassen zu sollen. Andere, die von einem Angeber angezeigt worden, sagten, sie seien Christen, und leugneten es nachher wieder ab; sie seien Christen zwar gewesen, aber wieder zurückgetreten, einige vor drei, andere vor mehr, einer sogar schon vor zwanzig Jahren. Diese alle beteten dein Bild und die Bilder der Götter an und verwünschten das Christentum. Sie gestanden aber, ihr größtes Verbrechen und ihr größter Irrtum habe darin bestanden, dass sie an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zusammengekommen seien und ein Lied auf Christus als auf einen Gott wechselweise gesungen hätten; sodann hätten sie sich durch einen Eid verpflichtet, nicht zu einem Verbrechen, sondern dass sie keinen Diebstahl, keinen Raub, keinen Ehebruch begehen, ihr Wort nicht brechen und Gott nicht verleugnen wollten, wenn es von ihnen gefordert würde. Darauf seien sie gewöhnlich auseinander gegangenen, aber bald wieder zusammen gekommen, um gewöhnliche und unschuldige Speisen zu genießen. Das hätten sie aber infolge meiner Verordnung unterlassen, in welcher ich dein Verbot der geheimen Verbindungen kundmachte. Für umso notwendiger hielt ich es, von zwei Mägden, welche Dienerinnen (lat.: ministrae; hier möglicherweise im Sinn von Diakonin-
Marcus Ulpius Trajan, *53 n. Chr., römischer Kaiser 98–117.
nen) genannt wurden, durch die Folter zu erfahren, was Wahres an der Sache sei. Ich habe aber nichts gefunden als einen verkehrten, maßlosen Aberglauben. Deshalb habe ich die Untersuchung aufgeschoben, um bei dir Rat zu holen. Denn die Sache schien mir allerdings der Überlegung wert, besonders wegen der Menge derer, die dabei in Gefahr geraten. Denn viele jeden Alters, jeden Standes und beider Geschlechter kommen in diese Gefahr und werden noch darein kommen, denn nicht nur in die Städte, sondern auch in Flecken und Dörfern hat sich das Verderbnis dieses Aberglaubens verbreitet, welchem jedoch noch Einhalt getan werden könnte. Wenigstens ist es Tatsache, dass die beinahe verlassenen Tempel wieder anfangen besucht zu werden, dass die lange unterlassenen Festlichkeiten wieder gefeiert und hie und da auch wieder Opfertiere verkauft werden, die bisher selten einen Käufer gefunden hatten. TEXT 2 Der Kaiser antwortet …
Bei der Untersuchung gegen die Dir als Christen bezeichneten Personen hast Du, lieber Secundus, den richtigen Weg eingeschlagen; denn es lässt sich nichts im allgemeinen, nichts, was gleichsam als bestimmte Regel aufgestellt werden könnte, verfügen. Man darf sie nicht aufsuchen, wenn sie aber angezeigt und überführt werden, sind sie zu bestrafen, doch so, dass, wenn einer leugnet, Christ zu sein, und es durch die Tat beweist, nämlich durch Anflehung unserer Götter, ihm wegen seiner Reue Verzeihung zuteil werden soll, mag er auch früher noch so verdächtig gewesen sein. Anonyme Anzeigen aber dürfen bei keinem Verbrechen berücksichtigt werden, denn das gibt ein sehr schlechtes Beispiel und ist mit dem Geiste meiner Zeit nicht vereinbar. (Beide Texte zitiert nach: M. Pfliegler, Dokumente zur Geschichte der Kirche, Tyrolia, Innsbruck 1957, S. 23–25)
TEXT 3 Toleranzedikt von Serdika (überliefert in der Kirchengeschichte des Eusebius, 1. Hälfte 4. Jh.)
Unter den übrigen Verordnungen, die wir zum Wohle und Nutzen des Staates erlassen, haben wir seinerzeit den Willen kundgetan, alle Verhältnisse entsprechend den alten Gesetzen und den römischen staatlichen Grundsätzen zu ordnen und dafür zu sorgen, dass auch die Christen, die die Religion ihrer Vorfahren verlassen, wieder zu einem besseren Entschluss kämen. Aus irgendwelchen Gründen hatte sie solcher Eigenwille erfasst und solche Torheit befallen, dass sie nicht mehr den Bräuchen der Alten folgten, die vielleicht sogar ihre eigenen Ahnen dereinst eingeführt, sondern nach eigenem Gutdünken so, wie jeder wollte, sich selbst Gesetze machten und sich an diese hielten und da und dort bunte Menschenmengen versammelten. Als nun durch uns ein Erlass erging, der sie zu den von den Vorfahren festgelegten Sitten zurückführen sollte, wurde sehr vielen der Prozess gemacht und sehr viele gerieten in Verwirrung und erlitten auf mannigfache Weise den Tod. Und da wir sahen, dass die meisten bei ihrer Torheit beharren und weder den himmlischen Göttern die schuldige Verehrung erweisen noch den Gott der Christen verehren, so haben wir geglaubt, mit Rücksicht auf unsere Menschenfreundlichkeit und unsere ständige Gewohnheit, gemäß der wir allen Menschen Nachsicht zu schenken pfle-
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gen, auch auf diesen Fall bereitwilligst unser Entgegenkommen ausdehnen zu müssen. Sollen also wiederum Christen sein und die Häuser, in denen sie sich versammelten, wiederherstellen, jedoch unter der Bedingung, dass sie in keiner Weise gegen die Ordnung handeln. In einem weiteren Schreiben werden wir den Richtern Weisung geben, wie sie sich zu verhalten haben. In Ansehung dieses unseres Gnadenerlasses sollen sie daher zu ihrem Gott für unser Wohlergehen, für das des Volkes und ihr eigenes Flehen, damit das Staatswesen in jeder Beziehung unversehrt bleibe und sie sorgenlos in ihren Wohnungen leben können. (Zitiert nach: Eusebius v. Caesarea, Kirchengeschichte, hgg. v. H. Kraft, München 1967, S. 348f)
Was sagt der Pliniusbrief über die Vorwürfe an die Christen aus? Warum wurden die Verfolgungen schließlich eingestellt? Was erhoffte man sich davon?
1.
Kontakte, Konfrontationen und Konflikte
Die frühchristlichen Apologeten Verantwortung für die Welt
skandalös oder bildungsverträglich?
Apologeten
Während für die frühchristlichen Gemeinden bis zum Ende des 1. Jhs. die Auseinandersetzung mit der Synagoge bestimmend gewesen war, mussten sie sich in der folgenden Zeit auf ihre neue Umwelt einlassen. Auch das sich wandelnde kirchliche Selbstverständnis drängte dazu: Erfuhren sich nämlich die ersten Generationen von ChristInnen noch als aus der bald vergehenden Welt Herausgerufene, die der nahenden Wiederkunft Christi harrten, so trat mit dem Ausbleiben der Parusie stärker der Gedanke aktiver Verantwortung in der Welt und für die Welt in den Vordergrund.
Apologetik (von gr.: apología, Verteidigungsrede): Rechtfertigung der christlichen Glaubenslehre; heute v. a. Aufgabe der Fundamentaltheologie
Nicht nur die soziale Anziehungskraft des christlichen Gemeindelebens gewann der Kirche Sympathisanten, sondern der Glaube sollte auch die Gebildeten überzeugen. Dafür war es nötig, die Inhalte der klassisch-antiken Bildung zu kennen und sich in ihrer Denkweise und Begrifflichkeit ausdrücken zu können. Christliche Lehrer und ,Philosophen‘ traten in diese Auseinandersetzung ein. Wir nennen diese ,Akademiker‘ die ,frühchristlichen Apologeten‘. Einer der bekanntesten unter ihnen war der Märtyrer Justin († um 165). Der Dialog mit dem gebildeten Heidentum musste erst gelernt werden, denn die „törichte“ (1 Kor 1,23) Botschaft vom „Fleisch gewordenen“ (Joh 1,14) Sohn Gottes, der den Verbrechertod am Kreuz gestorben war, um die Welt zu erlösen, war in den Ohren des antiken verfeinerten Menschen eine wahre Zumutung. Um von den Gebildeten akzeptiert werden zu können, musste der Glaube systematisch und philosophisch-spekulativ zugänglich gemacht werden. Im Osten entwickelte die berühmte Katechetenschule von Alexandrien ein beachtliches, vom kultivierten Milieu wohl zur Kenntnis genommenes ,Programm‘
Ikone Clemens’ v. Alexandrien, griechischer Theologe und Kirchenvater (150–215)
einer christlichen Wissenschaft. Hier wirkte Clemens von Alexandrien († um 215) als Lehrer und Leiter; sein Schüler und Nachfolger Origenes († um 253/54) wurde der bedeutendste Theologe der Alten Kirche. Zu den prominenten Vertretern der frühchristlichen Apologetik im Westen des römischen Reiches zählen Irenäus von Lyon († um 200), Hippolyt von Rom († um 235) und besonders Tertullian von Karthago († nach 220?).
Den Heiden keine Torheit mehr? Annäherung
Rivalität
Die Begegnung und fundamentale Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen antiken Denken hat im Christentum bleibende Spuren hinterlassen: die hohe Wertschätzung v. a. der platonischen Philosophie als Förderin der Glaubenseinsicht, aber auch die Schattenseite ihres deutlich leibfeindlichen Idealismus’ – eine gewisse Spiritualisierung der biblischen Christusbotschaft war der Preis ihrer erfolgreichen Inkulturation.* Je fruchtbarer antike Bildung und christlicher Glaube einander durchdrangen – sie schienen nicht länger unvereinbar –, desto aufmerksamer und empfindlicher reagierten die heidnischen Gegner. Während Kelsos (um 160/80) noch der Meinung sein konnte, das Christentum erledigt zu haben, indem er dessen jüdischen Ursprung bespöttelte und es als einen „Aufstand der Unterwelt“, d. h. der Ungebildeten, abtat, erkannten die Philosophen des 3. Jhs. die ,gefährliche‘ Potential des Christentums: Die erfolgreiche Aneignung und Christianisierung des antiken Bildungsgutes ließ den Aufstieg der Kirche zur Bildungs- und Kulturmacht der Zukunft befürchten. Vermutlich gingen von gebildeten heidnischen Kreisen die entscheidenden Anstöße zur Auslösung der letzten großen Christenverfolgung aus. Im Spannungsfeld von Frömmigkeit, Bildung und Theologie
Kultur und Philosophie
Gemeindeleben
alternative Praxis
Die Integration des antiken Bildungsgutes ins christliche Denken brachte mit der Zeit eine niveauvolle christlich-hellenistische Philosophie und Theologie hervor. So konnte das gebildete Milieu nach und nach für die Kirche gewonnen werden. Die fortschreitende ,Kultivierung‘ der christlichen Botschaft und ihre philosophische Durchdringung führten allerdings zu Spannungen mit der Glaubensüberzeugung und Frömmigkeit in den Gemeinden. Dort war man an der antiken Bildung wenig interessiert; vielmehr fand man mit der Heiligen Schrift und der kursierenden christlichen Erbauungsliteratur (z. B. apokryphe Apostelgeschichten) das Auslangen. ,An der Basis‘ orientierte man sich immer noch eher am Ideal der Absonderung von ,der Welt‘: Im Ausgleich sozialer Gegensätze, im caritativen Engagement, im asketischen und moralischem Bemühen der Gläubigen sollte die Überzeugungskraft des christlichen Lebens erwiesen werden.
Vgl. 1 Kor 1,23!
*Im zeitgenössischen rabbinischen Judentum lassen sich vergleichbare Tendenzen feststellen.
Inkulturation: Eindringen einer Kultur in eine andere; die Vermittlung der christlichen Botschaft erst ins hellenistische, später ins germanische Denken sowie nach Südamerika und Fernost etc.; erfolgte in Wechselwirkung mit der (unterunterschiedlich berücksichtigten) jeweiligen kulturellen Eigenart der betroffenen Völker
(Neu)-Platonismus: Gesamtheit der philosophischen Richtungen in Fortführung der Philosophie Plato(n)s; wurde im Zuge der Inkulturation mitunter prägend für das christliche Denken
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Die öffentlichen Schauspiele und Bäder waren zu meiden. Gewisse Berufe, die in Zusammenhang mit dem römischen Staatskult standen**, durften von Getauften nicht ausgeübt werden. Für die Frauen galt im Gegensatz zu manchen emanzipatorischen Leitbildern der Zeit das Vorbild der guten, zurückgezogen lebenden Hausfrau. Als nicht un-attraktive Alternative blieb da das Ideal des jungfräulichen Lebens. Viele Frauen lebten es vor allem im Kreis ihrer Familie (,Familienaskese‘). Es sind allerdings auch revolutionäre Formen weiblicher Askese – Eremitinnen in der ägyptischen Wüste, Wanderasketinnen in Syrien – bezeugt. Die zölibatär lebenden Frauen entwickelten aus ihrem Glauben alternative Lebensformen zum konventionellen patriarchalen Ehemodell.
** Betroffen waren u. a. Soldaten, weil sie der Standarte zu folgen hatten, Lehrer, die ihren Unterricht anhand der griechischen Dramen und Göttererzählungen hielten sowie Schauspieler, die diese Stücke zur Aufführung bringen mussten.
Gerüchte und Verdächtigungen anstößig
Die abgesonderte und pointiert andere Lebensweise der christlichen Gemeinden geriet zur Provokation und – bei wachsendem Interesse der gebildeten und wohlhabenden Bürger – zur ernstzunehmenden Gefahr für die überlieferte Gesellschaftsordnung mit ihren nicht veränderbaren geheiligten Sitten und Gebräuchen. Dazu kam der christliche Monotheismus, der den Vertretern der traditionellen pietas nicht nur als arrogant, sondern geradezu als gefährlich ,gottlos‘ erschien. All das nährte Vorurteile und ließ teils abenteuerliche Gerüchte aufkommen: So unterstellte man den ChristInnen u. a., Blutschande und Kinderopfer zu praktizieren. Auch gab man den Christen zeitweise die Schuld für Seuchen, Erdbeben, Hungersnöte und andere Katastrophen.*
2. Nero & Domitian
Trajan
,Volkszorn‘
* Ähnliche Beschuldigungen führten im Mittelalter zur Verfolgung der Juden und in der Neuzeit zur Ermordung unliebsamer Frauen als ,Hexen‘.
Staatlich gelenkte Christenverfolgungen
Bis ins 2. Jh. hinein nahm der Staat von der Minderheit der Christen dennoch kaum Notiz. Die Hinrichtung von ChristInnen unter Nero (64) und unter Kaiser Domitian (Ende des 1. Jhs.) waren regionale Ereignisse und keineswegs Ausdruck staatlicher Planung. Für die Verfolgung und Bestrafung des religiösen Bekenntnisses der Christen gab es anfangs noch keine gesetzliche Grundlage. Kaiser Trajan stellte erstmals die bloße Zugehörigkeit zum Christentum unter Strafe. Inkonsequent erscheint aber seine Anordnung, ChristInnen nicht von Amts wegen aufzuspüren. Auch anonymen Denunziationen durfte nicht nachgegangen werden. Fallweise gingen die staatlichen Behörden Anzeigen von Einzelpersonen nach, um die aufkeimenden religiösen Bewegungen, in denen auch orientalische Kulte an Einfluss gewannen, unter Kontrolle zu halten. Größere Gefahr aber ging von der Bevölkerung aus, deren Misstrauen gegenüber den ChristInnen sich nicht nur in Verdächtigungen und Anschuldigungen, sondern auch in pogromartigen Ausschreitungen entlud.
Vgl. TEXT 1!
Die großen Verfolgungen des 3. Jahrhunderts behördlich angeordnet
Zu weiter reichenden staatlichen Zwangsmaßnahmen kam es ab der Mitte des 3. Jhs.: eine erste große Welle brach 250 unter Kaiser Decius im Zuge der groß angelegten 1000-Jahr-Feier der Gründung Roms (248) los; die zweite zwischen 257/59 unter Kaiser Valerian – „Von da an liefen die Verfolgungen nicht mehr vereinzelt wie zuvor, sondern allgemein und überall“ berichtet Origenes.** Nach einer fast 40-jährigen Friedenszeit veranlasste Kaiser Diokletian 303/04 dann die längste, gründlichste und grausamste Verfolgung zur Wiederherstellung der alten Religion und zur endgültigen Eliminierung des Christentums.
** Selbst ein Opfer starb Origenes 253/54 an den Spätfolgen von Folter und Verfolgung.
In vier Edikten wurde befohlen, alle Gotteshäuser zu zerstören und die heiligen Schriften herauszugeben; gottesdienstliche Versammlungen waren verboten; Christen wurden degradiert, man sprach ihnen die Rechtsfähigkeit ab und entzog ihnen jeden Rechtsschutz. Wer das Opfer vor den Staatsgöttern verweigerte, wurde gefoltert, verbannt oder hingerichtet.
Das Martyrium als Nachfolge des gekreuzigten Herrn Kreuzesnachfolge
Die frühe Kirche, die Jesu Tod als sinnstiftend, ja als erlösend und lebensspendend erkannt hatte, sah im Blutzeugnis für Christus eine Chance zur entschiedenen Nachfolge. Das Martyrium wurde als „Mitsterben mit Christus“ (Röm 6,8) erfahren und so zur Teilnahme an seinem Erlösungswerk. Die Märtyrerakten bezeugen die für Ankläger und Richter nicht selten irritierende Standhaftigkeit der Männer und Frauen, die als Blutzeugen in den Tod gingen. Von ihren überlebenden Brüdern und Schwestern wurden sie als Heilige verehrt. Dass manche Gläubige regelrecht nach dem Martyrium verlangten, wurde dennoch als Irrweg erkannt. Bei aller drängenden Erwartung des kommenden Gottesreiches standen im christlichen Leben nicht Todessehnsucht und Weltverachtung im Vordergrund, sondern der Wunsch nach einem „Leben für Gott in Christus Jesus“ (Röm 6,11).
Grund der Verfolgung: aus Sorge um das Wohlwollen der Götter Bürgerpflicht
Seit Decius (250) lagen den religiösen Verfolgungen staatliche Gesetze zugrunde. Dies erklärt sich aus dem antiken Weltverständnis, in dem alle öffentlichen Dinge religiös relevant und umgekehrt alles Religiöse von öffentlichem Belang waren: Die Wohlfahrt des Staates hing ganz und gar vom Wohlwollen der Götter ab; um ihre Gunst für das Gemeinwesen zu gewinnen, mussten die Bürger an der Pflege der überlieferten religiösen Bräuche und Kulthandlungen festhalten. Dazu zählte auch der im Namen des Staates vollzogene Götterkult in den Staatstempeln. Der Kaiser selbst wurde als
Märtyrer (von gr.: martys, Zeuge; martyrion, Zeugnis): Menschen, die für ihre Glaubensüberzeugung Verfolgung und Tod erleiden; davon: martyría (Verkündigung und Bekenntnis des Evangeliums) als Grundvollzug der Kirche
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dominus et deus (lat.: Herr und Gott) verehrt und stand zugleich als höchster Priester an der Spitze dieses religiösen Systems, das unabdingbar zum Staat gehörte – wer dies ablehnte, beging Hochverrat. Die antike politische Religiosität war für das Verhältnis zwischen Staat und Kirche von Anfang an belastend und führte immer wieder zu Konflikten. Toleranz?
Staatskult
Religiös ,tolerant‘ zeigte sich Staat so lange, wie sich ein neuer Kult mitsamt seinen Göttern Nutzen bringend in dieses System integrieren ließ. Angesichts der Bedeutung von Religion als Rechtfertigungs- und Sicherungsinstanz des Pontifex maxiStaates war deshalb eine dauernde friedliche Koexistenz der überlieferten mus (lat.: oberster pietas (lat.: Frömmigkeit) mit dem kultlosen, ,atheistischen‘ Christentum vor Brückenbauer): altallem in Zeiten wirtschaftlicher und militärischer Schwierigkeiten auf Dauer römischer Religinicht denkbar. onswächter; Titel des Kaisers in Ausübung Um die Mitte des 3. Jhs. war es um das Römische Imperium seines sakralen Amnicht zum Besten bestellt: Inzwischen übten die durch Putsch an tes; 328 von Kaiser die Macht gekommenen Soldatenkaiser die Herrschaft aus, doch Gratian abgelegt und abgeschafft; seit dem genossen sie als ,Emporkömmlinge‘ vergleichsweise geringes 5. Jh. Titel des BiAnsehen. Um die Legitimation ihrer Macht besorgt drängten sie schofs von Rom besonders auf die allgemeine Einhaltung der offiziellen Kult-
praktiken, um die Gunst der Götter zu sichern. Indem die ChristInnen sich weigerten, den Staatsgöttern die vorgeschriebenen Opfer darzubringen, verstießen sie offen gegen die Interessen des Reiches. Ja, sie errichteten nicht einmal ihrem eigenen Gott Altäre oder Tempel, um ihm zu opfern. Wie also sollte man den Christengott zum Nutzen des Staates gewinnen? Das alles brachte den ChristInnen den politisch gefährlichen Vorwurf des Atheismus ein. Nicht zuletzt unterschied sich ihre gesamte religiöse Praxis von der pietas (lat.: durch Überlieferung geheiligte Frömmigkeit) ihrer Zeit: Mit diesem Gott war also vorerst kein Staat zu machen. Handlungsbedarf
Dem Staat blieben daher langfristig zwei Möglichkeiten: die Ausrottung des Christentums oder seine Übernahme als offizielle Religion. Allerdings hatte die Verfolgung der Christen bisher nicht zu ihrem Verschwinden geführt, sondern sogar zu ihrer Stärkung beigetragen: „Das Blut der Märtyrer ist der Samen der Christen“ hieß es. So schien die Adaption des Christentums als Staatsreligion besser geeignet, sich mit den Gegebenheiten der Zeit zu arrangieren: Nicht das System, lediglich die Religion musste gewechselt werden. Einstellung der Verfolgung: aus Sorge um das Wohlwollen Gottes
Ende der Sanktionen
Die staatlich gelenkten Christenverfolgungen hatten die Kaiser im Zuge einer restaurativen Religionspolitik zur Neuordnung des Reiches betrieben. Die gleichen Gründe waren nun auch bei der Einstellung der Verfolgung ausschlaggebend. Wie die enge Verbindung von Politik und Religion anfangs zur gesellschaftlichen Ablehnung und staatlichen Verfolgung der Kirche geführt hatte,
Vgl. TEXT 3!
brachte dieselbe Verbindung Anfang des 4. Jhs. die Wende. Das offizielle Vorgehen gegen die Christen endete – in einzelnen Reichsteilen und Provinzen auch etwas früher oder später – mit dem Toleranzedikt vom 30. 4. 311: Darin duldete Kaiser Galerius das Christentum als erlaubte Religion (lat.: religio licita) unter anderen. Zwei Jahre später erkannten Kaiser Konstantin d. Gr. und sein Mitkaiser Licinius im Edikt von Mailand (313) die christliche Religion als den anderen gleichwertig und veranlassten Gesetze zur Restitution der vormals enteigneten Besitztümer an die Christen. Galerius, Konstantin & Licinius
„Nachdem wir beide, Kaiser Konstantin und Kaiser Licinius, durch glückliche Fügung in Mailand zusammengekommen sind und uns mit allem befasst haben, was zur öffentlichen Wohlfahrt und Sicherheit gehört, halten wir es für notwendig, unter den Dingen, deren Nutzen für die Allgemeinheit wir erkannt haben, vor allem die Verehrung (reverentia) der Gottheit zu regeln. Wir wollen deshalb sowohl den Christen als auch überhaupt allen Menschen freie Vollmacht gewähren, der Religion (religio) anzuhängen, die ein jeder für sich wählt, damit die Gottheit auf ihrem himmlischen Throne – was immer ihr Wesen sein mag – uns und allen unseren Untertanen friedlich und gnädig gesinnt sein kann. In heilsamer und sicher richtiger Erwägung aller Umstände glaubten wir deshalb folgenden Beschluss fassen zu müssen: Keinem Menschen soll die Möglichkeit verweigert werden, sein Herz entweder dem Kult (observatio) der Christen zu weihen oder aber der Religion (religio), die er selbst für die angemessenste hält. So kann uns die höchste Gottheit, nach deren Verehrung (religio) wir mit freiem Herzen streben, in allen Dingen wie bisher gnädig und gewogen bleiben… Bezüglich der Christen erlassen wir folgende Bestimmung: Wer die Stätten, an denen sie zu früheren Zeiten zusammenzukommen pflegten…, in der Zwischenzeit entweder aus dem Staatsbesitz oder von einem anderen käuflich erworben hat, der muss sie den Christen unentgeltlich und ohne Rückforderung des Kaufpreises unverzüglich und ohne jede Einschränkung zurückgeben. Auch diejenigen, die durch ein Geschenk in den Besitz solcher Stätten gelangt sind, müssen sie so schnell wie möglich zurückerstatten. Wenn aber diejenigen, die die Stätten gekauft oder als Geschenk erhalten haben, von unserem Wohlwollen einen Ausgleich erwarten, so mögen sie sich an den zuständigen Statthalter wenden, damit auch sie die Fürsorge unserer Milde erfahren.“ (CSEL [Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum] 27,2; 228–33; übersetzt von H. Jürgens)
Büste Gaius Galerius’, römischer Kaiser von 305–11: vormals heftiger Gegner des Christentums, entschloss er sich wenige Tage vor seinem Tod zur Duldung der neuen Religion.
Ein endgültiges Ende nahmen die Verfolgungen, als Konstantin I. 324 Alleinherrscher im Reich wurde. im Dienste des Gemeinwesens
Ein kaiserliches Toleranzedikt ist nicht vom modernen Begriff der Toleranz her zu verstehen: Von einem Menschenrecht auf Religionsfreiheit konnte keine Rede sein, und schon gar nicht war Religion Privatsache! Im Gegenteil – freigegeben wurde die Religionsausübung nur aus Gründen der ,politischen Religiosität‘: Wurde nämlich der Kult der Christen durch staatliche Zwangsmaßnahmen beeinträchtigt, wäre zu fürchten, dass der Gott der Christen dem öffentlichen Gemeinwesen zürnte. Darum ermahnt das Edikt die ChristInnen, in ihren wieder errichteten Gotteshäusern und bei ihren Zusammenkünften eifrig für das Wohl von Kaiser und Reich zu beten, damit auch der christliche Gott dem Römischen Reich seine Huld schenkte. Das Christentum wurde also nicht etwa als privater
Silbermünze zum 10-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Konstantins (um 315)
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Religionsverein anerkannt, sondern als ,öffentliche‘ Religion in die Verantwortung für das Gemeinwohl genommen: Sein Weg zur Staatskirche war geebnet. Die Verfolgungszeit hatte die Kirche als Gottes Prüfung und Chance zur Läuterung angenommen. Ihr Ende freilich begrüßten die Gläubigen erst recht als Gottes machtvolles Wirken.
Von einer unbedeutenden jüdischen Sekte war die junge Kirche zur befremdlichen Größe im römischen Reich geworden: anziehend in der Lebensführung und doch irritierend anders. Das provozierte zunächst Misstrauen und zeitweise auch heftige Verfolgung. Das Bemühen der ChristInnen, ihre Überzeugung in die Denkart und Sprache ihres hellenistisch-römischen Umfelds zu übersetzen, ebnete den Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz: Wohl auch aus politischem Kalkül entschied sich der römische Staat erst zur Duldung der christlichen Kirche und wenig später zu ihrer – folgenreichen – Erhebung zur Reichskirche.
VI. DIE KIRCHE WIRD STAATSTRAGEND Die Ambivalenz des christlichen Glaubens – sein gefährliches Potential ebenso wie sein möglicher Nutzen für den Staat – wird immer deutlicher erkennbar, und kluge Herrscher stellen die Weichen zur Umarmung des ,Gegners‘: Wo wird das Christentum in der Folge erstmals zur Staatsreligion? Was bedeutet die so genannte „Konstantinische Wende“ für Kirche und Staat und welche Voraussetzungen hat sie? Welche Konsequenzen hat das Bündnis von Thron und Altar im antiken römischen Reich? TEXT 1 Agathangelos, Geschichte des hl. Gregors [des Erleuchters, † um 332] und der Bekehrung Armeniens (um 491)
[Nach der Bekehrung des grausamen Königs Trdat III.* durch Gregor, den ersten Bischof und Begründer der kirchlichen Hierarchie in Armenien prosperierte das Land:]
… Armeniens Leuchte strahlte zu dieser wundervollen Zeit so hell in der Welt, dass die anderen Länder es aufrichtig bewunderten und spürten, dass es gesegnet sei. Alles stand in Blüte und der König [Trdat III.] reiste weiterhin durchs Land, um das Volk zu bewegen, Christus zu folgen. Gregor aber reiste nicht länger mit ihm; stattdessen lebte er in der Wüste, wo er betete und fastete … Während all das in Armenien geschah, wurde Konstantin Kaiser von Spanien und Gallien. Er war Christ und schloss mit seiner großen und mächtigen Armee den Pakt, gemeinsam zur Verherrlichung Gottes zu wirken. König Trdat wollte dem anderen Herrscher, der seinen Glauben teilte, eifrigen Respekt zollen. Er entsandte mit Gregor die Bischöfe Aristakes** und Albianos und andere höchstrangige Mitglieder seines Hofes. Als sie von Vagharshapat durch Griechenland reisten, wurden sie überall ehrenvoll empfangen, und bei ihrer Ankunft in
* Der hagiographischen Erzählung nach hatte er Gregor martern lassen und 15 Jahre in einem Erdloch lebendig begraben gefangen gehalten; daraus befreit heilte und bekehrte Gregor den König und mit ihm ganz Armenien.
** Sohn Gregors des Erleuchters.
Rom begrüßten sie der Kaiser und der große Patriarch Eusebius herzlich. Nach dem Festmahl drängte Konstantin sie, ihm alles zu erzählen, was sich Wunderbares in Armenien ereignet hatte. … Es war überdies/übrigens Aristakes, der [325] nach Nizäa reiste, als Konstantin dort alle christlichen Bischöfe zu einem ökumenischen Konzil versammelt hatte. Auf diesem Konzil wurden Glaubenslehren dargelegt und Kirchengesetze verabschiedet. Aristakes machte sie nach seiner Rückkehr in Armenien bekannt, bestärkte die Kirche und sicherte die rechte Praxis unter den Gläubigen … Nun, eurer Anordnung folgend, König Trdat, haben wir all dies als Chronik im literarischen Stil der Griechen aufgeschrieben. Wie die Propheten und Könige das Alte Testament haben wir diese Ereignisse für die kommenden Generationen überall in der Welt niedergeschrieben, damit sie sie lesen und davon lernen: nicht ausgehend von alten Erzählungen, sondern gemäß dem, was wir selbst gesehen und gehört haben. Und wie der Schreiber Lukas haben auch wir die entscheidenden Dinge festgehalten; ohne jedes kleine Detail zu berücksichtigen haben wir manches übergangen und nur das beschrieben, was wichtig und erhellend ist. Wir haben diese Geschichte nicht verfasst, um die zu ehren, die Gott durch ihren Dienst immer schon gefallen haben, sondern um deren Kinder und alle in der Welt zu inspirieren, die diese Worte vernehmen werden. Mögen sie eines Tages kommen und zu Ihm sagen „Du bist unser Gott“ und seine Leben spendende Antwort hören „Ihr seid mein Volk.“ (Eigene Arbeitsübersetzung aus dem Englischen) TEXT 2 Eusebius, Leben des Konstantin, I, 25–31
Als er nun so die Herrschaft fest in die Hände genommen hatte, richtete er zuerst sein Augenmerk auf das väterliche Erbe, indem er allen Provinzen, welche früher unter der Herrschaft seines Vaters gestanden hatten, unter Kundgebung der größten Menschenfreundlichkeit bereiste. Die am Rhein und am westlichen Ozean wohnenden Stämme, welche einen Aufstand wagten, unterwarf er sämtlich und machte sie aus Barbaren zu gesitteten Völkern. Andere begnügte er sich nur zurückzudrängen und sie gleich wilden Tieren von den Grenzen seines Reiches zu verscheuchen, diejenigen nämlich, welche nach seiner Wahrnehmung einer gesitteten Lebensweise nicht zugänglich waren. … Als er dann später den gesamten Umfang des Erbreiches als einen gewaltigen Körper betrachtend gerade Rom, die Hauptstadt der Welt und die Königin des römischen Reiches, unter der Herrschaft eines Tyrannen geknechtet sah … erklärte Konstantin, dass selbst das Leben ihm unerträglich sei, wenn er die Fürstin der Städte in solcher Bedrängnis erblicke, und rüstete sich daher, die Tyrannenherrschaft zu stürzen. Da er aber wohl einsah, dass er höheren Beistandes bedürfe, als eine Streitmacht ihm zu bieten vermöge, suchte er … einen Helfer an Gott, indem er seine Rüstungen und Truppenmassen erst als das zweite, die göttliche Hilfe aber für unüberwindlich und unbesiegbar erachtete. Er überlegte also bei sich, was für einen Gott er als
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Bundesgenossen annehmen solle. … Während der Kaiser so noch betete und inständig flehte, erschien ihm ein von Gott gesandtes ganz wunderbares Zeichen. … Er versicherte, zur Mittagszeit, als bereits der Tag sich neigte, am Himmel ein aus Feuer bestehendes Kreuz, das über der Sonne schwebte, und an dem die Inschrift befestigt war: „Hierdurch siege!“ mit eigenen Augen gesehen zu haben. Über diese Erscheinung habe ihn und das ganze Heer, welches ihn auf seinem Marsche begleitete und das Wunder schaute, Staunen ergriffen. Indes war er doch, wie er uns weiter berichtete, nicht ganz mit sich im Klaren, was die Erscheinung bedeute. Während er noch darüber nachdachte und in Gedanken versunken war, war plötzlich die Nacht hereingebrochen. Da erschien ihm Christus, der Sohn Gottes, im Traume mit jenem Zeichen, das er am Himmel gesehen hatte, und befahl ihm, das am Himmel geschaute Zeichen nachzubilden und sich desselben beim Zusammenstoß mit dem Feinde als Schutzmittel zu bedienen. Mit Tagesanbruch stand der Kaiser auf und teilte seinen Freunden das Wunder mit. Darauf ließ er Goldarbeiter und Juweliere zu sich kommen, setzte sich mitten unter sie, beschrieb ihnen die Gestalt des Zeichens und befahl ihnen in Gold und Edelsteinen dieselbe nachzubilden. Dieses Zeichens unserer Erlösung bediente sich der Kaiser stets als Schutzmittel gegen jede sich ihm entgegenstellende feindliche Macht und ließ diesem nachgebildete allen seinen Heeren vorantragen. TEXT 3 Eusebius, Leben des Konstantin, IV, 23, 24
So war er selbst Priester Gottes. Durchaus wurden dagegen für alles Volk und alle Soldaten des römischen Reiches die Tore jedes Götzentempels verschlossen, und jede Art von Opfer war untersagt. Auch an die Statthalter der einzelnen Provinzen erging in ähnlicher Weise ein Gesetz, das befahl, den Tag des Herrn zu ehren; diese feierten aber nach dem Willen des Kaisers auch die Gedenktage der Märtyrer und verherrlichten die Festzeiten durch Versammlungen (…) Darum konnte dieser (der Kaiser) mit Recht, da er einmal Bischöfe gastlich bewirtete, sich äußern, auch er sei ein Bischof, und, wie wir selbst hörten, ungefähr so zu ihnen sagen: „Ihr seid von Gott zu Bischöfen dessen bestellt, was innerhalb des Bereiches der Kirche liegt, ich aber wohl zum Bischof dessen, was außerhalb desselben liegt“. Entsprechend diesem Wort war auch seine Gesinnung; er war allen seinen Untergebenen gleichsam Bischof und trieb sie an, soweit es nur in seiner Macht stand, einem Gott wohlgefälligen Leben nachzustreben. (Beide Texte zitiert nach: Bibliothek der Kirchenväter, [1] 9, Eusebius, Vita Constanini I. u. IV., Kösel-Verlag, Kempten 1913, S. 22–27* u. S. 158f)
TEXT 4 Ambrosius von Mailand, aus einem Brief an Kaiser Valentinian II. (März 386)
Habt Ihr jemals gehört, gnädigster Kaiser, dass in Fragen des Glaubens Laien über den Bischof zu Gericht saßen? Oder sollen wir in höfischer Kriecherei den Rücken so tief beugen, dass wir des bischöflichen Rechts vergäßen – dass ich also das Recht, das Gott selbst mir gab, anderen glaubte abtreten zu dürfen? Wenn der Bischof von Laien belehrt werden darf, was folgt daraus? Der Laie hält Lehrvorträge – der Bischof darf zuhören; der Bischof muss vom Laien lernen! Allein wahrhaftig: wenn wir in den heiligen Schriften oder in den Akten vergangener Zeiten lesen, wer könnte leugnen, dass in Sachen des Glaubens – ausdrücklich sage ich: in Sachen des Glaubens – die Bischöfe immer über die christlichen Kaiser, niemals aber die Kaiser über die Bischöfe zu Gericht saßen? … Denn ich kann nicht wünschen, dass Euer Gesetz über dem Gesetz Gottes stehe. Das Gesetz Gottes aber zeigt uns, in welcher Richtung wir zu gehen haben; ein menschliches Gesetz kann uns das nicht zeigen. Das Staatsgesetz kann wohl furchtsamen Menschen einen Gesinnungswandel abzwingen, aber es kann uns nicht den Glauben vorschreiben … (Zitiert nach: CSEL [Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum] 82, Übersetzer unbekannt, S. 75–87)
Mit welcher Motivation stellte Konstantin sein Wirken unter das Zeichen des Kreuzes? Welches Selbstverständnis der christlichen Kaiser lässt sich aus den Texten herauslesen und welche Folgen hatte es? In welchen Bereichen versuchten die Bischöfe die Kaiser in Schranken zu weisen? Mit welchen Argumenten versuchten die Bischöfe kirchliche Freiräume zu erhalten?
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Von der ,Konstantinischen Wende‘ zur antiken Reichskirche
Die Kirche gewinnt Ansehen und Einfluss religionspolitische Voraussetzungen
Die ,Konstantinische Wende‘ markiert die wahrscheinlich entscheidende Zäsur im Leben der Kirche: den Aufstieg der vormals gesellschaftlich geächteten Minderheit zur erst bevorzugten und schließlich allein staatstragenden Religionsgemeinschaft. Kaiser Konstantin – Alleinherrscher im Westreich ab 306; von 324–337 im Gesamtreich – schuf mit seiner anfangs vorsichtigen, rasch aber offenkundigen Förderung der Kirche die religionspolitischen Grundlagen für die Entwicklung der späteren Reichskirche, der das Wohlergehen des Römischen Reiches bald zum Eigeninteresse wurde. Das Anliegen Konstantins traf bei den Christen auf die seit längerem gewachsene Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
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wachsende Bedeutung der Kirche
Im 3. Jh. war die Kirche unter bischöflicher Führung bereits zur stärksten geschlossenen religiösen Gruppierung im Staat geworden, deren Lebenskraft auch die Sanktionen nicht hatten brechen können. Gut organisiert waren sie seit langem in der kommunalen Verwaltung präsent; die Ausdehnung der römischen Bürgerrechte auf fast alle Reichsbewohner (212) bot den Christen der mittleren Schichten* gute Aufstiegschancen im öffentlichen Dienst; zudem war seit der Mitte des 3. Jhs. auch die wachsende Wirtschaftskraft etlicher Gemeinden in Rechnung zu stellen. Nicht ohne Grund hatten die Behörden während der Verfolgungen unter Kaiser Decius und Diokletian das Vermögen der Christen beschlagnahmen lassen. Aber auch in geistig-kultureller Hinsicht hatte die Kirche zugelegt. Sie wurde zur ernsthaften Konkurrentin im Bildungsbereich.
politisch genutzt
* Die Einteilung der gesellschaftlichen Klassen erfolgte nach den Vermögensverhältnissen.
Konstantin erkannte diese Entwicklung und reagierte politisch klug und pragmatisch im Interesse seines Reiches: Er bestätigte rechtlich jene Position, die die Kirche faktisch längst einnahm. Es lag nahe, dass der Staat irgendwann diese neue Kraft in seine religionspolitischen Überlegungen einbeziehen und ihr einigendes Potential für das Imperium nutzbar machen würde. Das weltpolitische Verdienst Konstantins ist es, dass er der Religionspolitik des Römischen Reiches diese Wendung gab. Offen bleiben muss, wie weit Kaiser Konstantin persönlich vom Christentum ergriffen war. Die vorhandenen Zeugnisse – etwa die Darstellung seines Biographen Eusebius von Caesarea – reichen zur Beantwortung dieser Frage nicht aus, da sie den Kaiser als idealen christlichen Herrscher zeichnen (mussten).
Vgl. TEXT 1!
… und verdrängt die anderen Religionen Verbot anderer Kulte
Die Vorrangstellung der Kirche, die Konstantin ihr nach seinem Sieg über Licinius 324 ohne jede weitere politische Rücksichtnahme eingeräumt hatte, warf die Frage auf, welche Stellung ab nun der alten Reichsreligion zukommen würde. Der römische Kult und seine Bräuche waren inzwischen zwar zurückgedrängt, aber noch nicht bekämpft oder gar verboten worden. Der alleinige Wahrheitsanspruch der neuen Religion veranlasste aber bereits Konstantins Nachfolger zum Erlass schärferer Gesetze, die die öffentliche Ausübung der nichtchristlichen Religionen sukzessive einschränkten.*
* Um 400 gab es etwa so viele Christen wie Nichtchristen im Reich.
Sieg des Christentums
Intoleranz im Namen der Wahrheit
Unter den Kaisern Gratian († 384) und Theodosius († 395) kam dieser Prozess zum Höhepunkt: Theodosius erließ 380 das berühmte Edikt, in dem erstmals alle römischen Bürger, die Christen waren, an das ,katholische‘ Bekenntnis gebunden wurden. 391 verbot er ausdrücklich alle anderen Kulte und erhob das Christentum zur Reichsreligion. Damit fand die Entwicklung der Ereignisse des 4. Jhs. ihr Ende: von seiner Duldung durch den heidnischen Staat (311) über seine Gleichstellung (313) und immer deutlichere Bevorzugung war das Christentum schließlich zu alleiniger Geltung im offiziell christlich gewordenen Reich (380/391) gelangt – jeder Schritt und alles in allem die logische Konsequenz der politischen Religiosität der Antike.
Das antike politisch-sakrale Weltbild hatte seinerzeit dazu geführt, jeder im Reich vertretenen Religion ein Existenzrecht und womöglich sogar Gleichberechtigung einzuräumen, sofern dies für den inneren Frieden und Bestand des Reiches förderlich erschienen war. Das änderte sich unter christlichen Vorzeichen radikal: Der christliche Gott war ein einziger, und dieser Wahrheitsanspruch musste nach damaliger Auffassung zur Verurteilung jedes ,Götzendienstes‘ – und bald auch jeder innerkirchlichen ,Häresie‘ – als gefährlicher Abirrung und teuflischem Trug führen. Die Geschichte staatlicher ,Ketzer’verfolgungen nahm hier ihren Anfang. Die Intoleranz des christlichen Staates, die von der Antike bis in die Neuzeit hinein ein bestimmendes Merkmal der Kirchengeschichte bleiben sollte, zeigt sich also als Ergebnis der verhängnisvollen Vorstellung, das biblisch-christliche Bekenntnis zu dem einen „Gott und Vater Jesu Christi“ (2 Kor 1,3) mit politischen Mitteln durchsetzen zu können.
Reich Gottes auf Erden?
Nach den bedrängten und beschwerlichen ersten Jahrzehnten des 4. Jhs. brach für die Kirche eine Zeit noch nicht da gewesener Freiheit an. Die zeitgenössischen ChristInnen sahen in dieser neuen Entwicklung mehrheitlich keine Gefahr. Im Gegenteil: Manch einem – so auch dem Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea – galt sie gar als ein das Ende der Geschichte ankündigendes Heilsereignis und Kaiser Konstantin als endzeitlicher Heilsbringer, der den Sieg Gottes proklamiert hatte. Nach Armenien (301/314) und Georgien (337) wurde nun auch das Staatswesen des römischen Reiches christlich beglaubigt und seine bestehende irdische Ordnung als Werk und Ausdruck des göttlichen Willens angesehen. Die Kirche – selbst eine sakrale Größe – trat an die Seite des ebenfalls sakral verfassten Staates. Das Misstrauen auf beiden Seiten war im Schwinden, und die große Synthese der mittelalterlichen christianitas (lat.: christliche Welt) kündigte sich an. Das sakrale Selbstverständnis des Kaisers
neu: christliche politische Theologie
Im Sakralwesen des römischen Reiches hatte der Kaiser von jeher eine überaus wichtige Rolle innegehabt, zu der auch die Ausübung gewisser priesterlicher Funktionen gehörte. In der Reichskirche fiel die priesterliche Amtsausübung nun nicht mehr in seine Zuständigkeit; dennoch setzte sich das sakrale Kaisertum in christlich modifizierter Weise fort: Zwar war der Kaiser nicht mehr Mittler des himmlischen Wohlwollens; trotzdem blieb er als irdischer Repräsentant, Schutz-
katholisch (gr.: allgemein, umfassend): bezeichnet seit Ende des 1. Jhs. die Gemeinschaft aller Christen in der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche; spätestens seit der Reformation verengte sich der Begriff auf die römischkatholische Kirche
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herr und Vollstrecker des göttlichen Weltregiments bedeutend. kaiserliche Interessen
Im Bewusstsein seiner nach wie vor erheblichen sakralen Würde übte der Kaiser seinen Einfluss auf die Kirche aus: Er besetzte nicht nur wichtige Bischofsstühle nach eigenem, religionspolitischem Gutdünken; er griff auch in die brisanten theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit ein und berief Konzilien ein, wo die anstehenden trinitarischen und christologischen Fragen rasch geklärt werden sollten, um die religiöse Einheit und politische Stabilität seines Reiches zu sichern. Er verordnete Glaubenssätze als Reichsgesetze und ging konsequent gegen (von der gerade angesagten Reichstheologie) abweichende Bischöfe und Theologen vor. Die Kaiser, die zugleich Herrscher und Christen zu sein versuchten, gewannen ein Selbstverständnis, das sie immer mehr in die Rolle der Universalverantwortlichen für Staat und Kirche drängte und zur Einmischung in innerkirchliche Belange veranlasste. Allerdings blieb die Machtausübung des Kaisers in Konstantinopel durch zuwiderlaufende Interessen seiner Mitkaiser und ihrer Teilreiche durchaus eingeschränkt. In kirchenpolitischen Fragen musste er immer wieder den Kompromiss suchen. Erst nach dem Untergang des weströmischen Reiches (476) kann für den Osten – und unter Kaiser Justinian (527–565) auch für manche von den Germanen zeitweilig zurückeroberten Gebiete im Westen – von einem regelrechten Staatskirchentum gesprochen werden.
Kaiser Justinian mit Gefolge, San Vitale, Ravenna, 6. Jh.
Die Bischöfe setzen dem Herrscher Grenzen überschrittene Kompetenzen?
loyal – kritisch
Herrschaftskritik
Das musste die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen Kaisern und Bischöfen provozieren: Wo das kaiserliche Engagement nicht ureigenen kirchlichen Interessen (z. B. der Abwehr von Heiden und Häretikern) entgegenkam, legte man es gerne als Anmaßung aus – etwa dann, wenn der Kaiser Synoden militärisch beherrschte oder unliebsame Bischöfe in die Verbannung schickte. Die Bischöfe blieben ihrem in der christlichen Frühzeit ausgebildeten Selbstverständnis verpflichtet. Bei aller grundsätzlichen Loyalität gegenüber Kaiser und Staat sahen sie sich für den Schutz des rechtmäßigen (,orthodoxen‘) Glaubens verantwortlich und wiesen die Kaiser unter Berufung auf Gottes Gesetz in die Schranken. So konnte es noch im christlichen Reich zu (punktuellen) Christenverfolgungen kommen, wenn engagierte Bischöfe Widerstand gegen kaiserliche Bevormundung und jurisdiktionelle Übergriffe der Kaiser leisteten. Im Namen Christi, des einzigen Herrn, traten Bischöfe selbst Kaisern entgegen: Diese mussten es hinnehmen, vom Bischof für schwer unchristliches Verhalten gemaßregelt zu werden.* Die Erfahrung mit manch ,christlichem‘ Kaiser veranlasste prophetische Bischöfe und Theologen mitunter zu drastischen Worten, in denen sie die Herrscher schon auch einmal mit dem ,Antichrist‘ identifizierten.
* Schon Kaiser Theodosius wurde nach dem von ihm angeordneten Blutbad in Thessaloniki von Bischof Ambrosius v. Mailand solange die Teilnahme am Gottesdienst verwehrt, bis er Kirchenbuße getan hatte.
Der Preis der Freiheit Die Hoftheologie hatte die staatliche Anerkennung und die Annahme des christlichen Bekenntnisses durch die Kaiser als Gottes großes Wunder und als wesentlichen Schritt bei der Durchsetzung des Reiches Gottes auf Erden gefeiert. Es zeigten sich aber sehr bald die Schattenseiten der Allianz von Thron und Altar. Gesellschaftskritik?
Einförmigkeit statt Einheit in Vielfalt
Zwar hörte die Kirche nicht auf, sich als Gegenmodell zu den etablierten Gesellschaftsordnungen zu begreifen. Doch in der Praxis verlor sie ihr herrschafts- und gesellschaftskritisches Potential weitgehend: Lediglich die Lebensweise der AsketInnen blieb für Jahrhunderte der einzige Stachel im Fleisch der Mächtigen in Kirche und Staat. Das Bestreben, politische Einheit mittels eines vereinheitlichten christlichen Bekenntnisses herbeizuführen, löste auch Gegenströmungen aus: Wer sich aus nationalen Interessen nicht in die Reichseinheit einfügen wollte oder konnte, sah sich unter Umständen genötigt, mit ihr auch das offiziell-reichskirchliche christliche Bekenntnis abzulehnen. Umgekehrt wurde bisweilen auch die redliche theologische Argumentation den politischen Plausibilitäten untergeordnet. Während ihrer Konsolidierungsphase musste die neue Reichskirche schmerzliche theologische Verluste hinnehmen: wo es als Folge der politisch-religiösen Gegebenheiten der Zeit zur Aufkündigung der kirchlichen Gemeinschaft kam, gingen der Reichskirche wertvolle altkirchliche Traditionen verloren. Wirken des Geistes Gottes ist es, dass die dadurch getrennten Christen nicht aufhörten, Kirche Jesu Christi zu sein. Dass die orientalisch-orthodoxen Kirchen nicht, wie lange unterstellt, ,Häretiker‘ sondern von Gottes Geist geleitete Kirchen sind, stellte aus katholischer Sicht das Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio des 2. Vatikanischen Konzils unmissverständlich klar.**
Kirchenzugehörigkeit als Bürgerpflicht staatlich definierte ,Religionsfreiheit‘
Die religiöse Intoleranz des christlichen Staates machte eine zumindest formelle Zugehörigkeit zur Kirche zur Bürgerpflicht. Dies ergab sich durch die Verbindung der politischen Religiosität mit dem Absolutheitsanspruch des biblisch-christlichen Gottesglaubens. Für den einzelnen gab keine Religionsfreiheit, für die Kirche Zwangsmitgliedschaft von Menschen, denen das Christentum nicht selten äußerlich blieb. Die Frage nach der Religionsfreiheit wurde in der Geschichte der Kirche(n) solange negativ beantwortet, wie eine Kirche den exklusiven Besitz der Wahrheit beanspruchte: diese habe der Staat zu schützen, und eine Trennung von Kirche und Staat sei daher undenkbar. Erst das 2. Vatikanische Konzil hat sich in einer eigenen Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae dazu bekannt, dass aus der Anerkennung des persönlichen Gewissens als letzte moralische Instanz jedes Menschen* das Grundrecht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit folgen muss.
Siehe Teil C IV. 3!
** „Alle sollen um die große Bedeutung wissen, die der Kenntnis, Verehrung, Erhaltung und Pflege des überreichen liturgischen und geistlichen Erbes der Orientalen zukommt, damit die Fülle der christlichen Tradition in Treue gewahrt … werde.“ (UR 15)
Siehe Teil C IV. 3! * Eine spät umgesetzte ältere Erkenntnis: Schon Thomas v. Aquin hatte festgehalten, dass auch dem irrenden (!) Gewissen jedenfalls zu folgen sei.
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Die Reichskirche in der ausgehenden Antike 4.–7. Jh.
im Westen …
und im Osten
Das Zusammenspiel von Kirche und Staat nahm im östlichen und im westlichen Teilreich infolge der Ereignisse eine unterschiedliche Entwicklung. Die militärische Macht Westroms war schon seit längerem geschwächt: Bevölkerungsrückgang, abnehmende Wirtschaftskraft, zunehmender Bildungsverlust und die häufige Umgehung des Militärdienstes durch die römischen Bürger machten dem Reich zu schaffen. So konnten germanische Stämme auf der Suche nach besseren Lebensräumen die Grenzen ohne nennenswerten Widerstand überschreiten. Diesem Einsickern folgten weitere Migrationsschübe, die Rom vom 4.–6. Jh. stürmische Zeiten bescheren sollten. Kaiser Heraklios (610–641) betrieb die konsequente Hellenisierung des oströmischen Reiches: Nicht mehr die im Volk kaum mehr verstandene lateinische, sondern die griechische Sprache und Kultur bestimmten fortan die oströmische (nach westlichem Sprachgebrauch ,byzantinische‘) Kirche und das Reich. Als Ideal galt die ,Symphonie‘ von weltlicher und geistlicher Gewalt. Die Einheit von Religion und Reich wurde in Theologie und Frömmigkeit gefeiert. Daran änderte auch die gelegentliche Opposition von Patriarchen, Bischöfen und Mönchen gegenüber der kaiserlichen Kirchenpolitik wenig. Zur entscheidenden Herausforderung wurde für den Osten die Ausbreitung des Islam ab dem 7. Jh.